Читать книгу Krimi Sammelband 7010: 7 Action Thriller November 2019 - A. F. Morland - Страница 27
21.
ОглавлениеSteve McCoy studierte die Karte. Seine Stirn war in Falten gezogen. Er stand neben dem Wagen und hielt die Karte auf dem Wagendach fest. Leila stand ein paar Schritte abseits und beobachtete von einem erhöhten Standpunkt die Gegend. Oleg Petrow saß auf dem Rücksitz, seine Aktentasche auf den Knien.
Der Wissenschaftler sah aus wie ein alter Araber. Leila hatte ihn mit Schminke und einigen Kleidungsstücken vollständig verändert. Auch Steve McCoys Äußeres war völlig verwandelt, und niemand würde behaupten, dass er jetzt besser aussähe.
Latakia lag ein ganzes Stück hinter ihnen. Sie befanden sich jetzt irgendwo in dem Dreieck zwischen Latakia, Antiochia und Aleppo. Bei der Fahrt durch unwegsames Gelände und über nicht gekennzeichnete Feldwege hatten sie die Orientierung verloren.
Bis zur türkischen Grenze war es noch weit.
Steve wusste, dass sich in den nächsten Stunden alles entschied. Die meisten Wege waren versperrt. Sie brauchten viel Glück und durften keine Fehler machen.
„Ich glaube, ich weiß, wo wir sind“, sagte Steve und faltete die Karte zusammen. „Wir müssen uns weiter nördlich halten, dann kommen wir westlich von Aleppo zur türkischen Grenze.“ Leila kam heran und sah ihn lächelnd an. „Warum holen wir nicht den Hubschrauber?“, fragte sie.
„Das hat jetzt noch keinen Sinn. Er kann nicht unbemerkt einfliegen, dazu sind wir noch zu weit im Landesinnern. Und ich will nicht riskieren, dass unsere letzte Rettungsmöglichkeit vorzeitig abgeschossen wird.“
Leila nickte. „Du hast natürlich recht. Wir müssen erst näher an die Grenze heran.“
Sie stieg ein und schlug die Tür zu. Steve ging um den Wagen herum, denn er wollte sie jetzt am Steuer ablösen. Als er die Hand auf den Türgriff legte, kam von hinten einen scharfe Stimme. „Keine Bewegung!“
Steve erstarrte. Das Englisch klang hart und guttural.
Petrow drückte sein erschrockenes Gesicht an die Scheibe. Leila blickte angstvoll zwischen den beiden hin und her. Durch die offenen Fenster hatten die beiden die Stimme ebenfalls gehört.
Steve rührte sich nicht, seine Hand lag immer noch auf der Klinke. Aber er wartete auf seine Gelegenheit.
„Hände auf das Wagendach, dann zurücktreten und die Beine spreizen!“ Steve McCoy wusste nicht, wo der Mann steckte. Hinter Felsbrocken und niedrigen Büschen gab es in unmittelbarer Nähe genügend Deckung. Er tat, was die Stimme befahl.
„Gut!“ Die Stimme klang befriedigt. „Und jetzt steigen die beiden anderen aus. Schön langsam und nacheinander. Verlassen Sie sich darauf, dass eine unbedachte Bewegung tödlich ist!“
Steve glaubte dem Mann jedes Wort. Die Stimme klang entschlossen. Das war ein Mann, der jedes Wort, das er sagte, wörtlich meinte.
Leila machte ein verzweifeltes Gesicht. Sie sah ihn an, aber er schüttelte leicht mit dem Kopf. Im Augenblick war eine Gegenwehr sinnlos. Im Wagen befanden sich keine Waffen. Alles lag gut versteckt im Kofferraum. Steve McCoy trug nur seine Waffe an der Hüfte. Aber unbemerkt kam er nicht an sie heran.
Er hörte Schritte hinter sich und drehte leicht den Kopf, bis der Mann in sein Blickfeld geriet.
Überrascht sog er den Atem tief ein. Der dicke Kettenraucher aus dem „New Semiramis“ in Damaskus! Zwar hatte Steve McCoy damit gerechnet, dass dieser Mann versuchen würde, ihnen zu folgen – die leere Zigarettenpackung am Strand war ein deutliches Indiz gewesen. Aber er hatte nicht damit gerechnet, dass es ihm gelang, sie auch zu finden.
Der Mann lächelte freundlich. Die schwere Automatik in seiner Hand rührte sich keinen Millimeter. Eine Tokarew, stellte Steve unbewusst fest. Er verspürte nicht die geringste Lust, aus dieser Entfernung einen Treffer zu erhalten und blieb stehen.
„Da wären wir ja alle versammelt“, meinte der Fremde und betrachtete die drei ausgiebig. Die Pistolenmündung blieb auf Steve McCoy gerichtet, als er zum Heck des Wagens ging, um alle drei im Auge zu behalten.
„Wer sind Sie und was wollen Sie von uns?“, fragte Steve schließlich.
Der Mann lächelte weiter freundlich und trat an ihn heran. Mit einer blitzartigen Bewegung holte er aus und hieb ihm den Lauf der Pistole gegen das Jochbein. „Die Fragen stelle ich!“
Steve taumelte unter der Wucht des Hiebes ein Stück zur Seite. Der Schlag war zu schnell gekommen, sodass er nicht mehr ausweichen konnte. Er spürte, wie ihm das Blut über die Wange lief. Leila stieß einen entsetzten Schrei aus.
Steve wusste plötzlich, dass er sich bitter rächen würde.
Der Fremde nahm ihm die Waffe ab. Trotzdem suchte er ihn weiter ab. Ein Profi, der alle Tricks kannte. Er ging wieder um den Wagen herum, wo er das Verfahren bei Leila und Petrow wiederholte.
„So, alles einsteigen“, sagte er. Leila und der Wissenschaftler kletterten nach hinten, Steve McCoy setzte sich hinter das Steuer. Der Fremde nahm auf dem Beifahrersitz Platz. Dabei ließ er keinen der drei auch nur eine Sekunde aus den Augen.
Die Fahrt verlief einsilbig, die Stille wurde nur hin und wieder von den Richtungsangaben unterbrochen.
Steves Gedanken rasten. Der Mann war ihnen also gefolgt und hatte sie überrascht. Damit musste man sich abfinden. Wahrscheinlich stand sein Wagen ganz in der Nähe, sodass die Fahrt nicht allzu lange dauerte.
Er hatte recht. Nach einer Viertelstunde erreichten sie ein kleines Dorf, dessen Häuser sich eng an die Berge schmiegten. Die Sonne stand inzwischen hoch, und es war sehr heiß. Steves Kleidung war völlig durchgeschwitzt und klebte ihm am Körper. Er spürte die Nähe der Waffe, die ständig auf ihn gerichtet war.
„Dort in den Seitenweg“, sagte der Mann. Steve McCoy gehorchte. Er staunte, als plötzlich ein blühender Garten vor ihnen lag. Das wirkte in dieser Einöde wie eine Fata Morgana. Hinter den Palmwipfeln erkannte er ein großes, weißes Haus, fast einen Palast.
Das Tor stand offen, und er lenkte den Wagen in den Park. Das Haus wirkte hier völlig deplatziert. Es hatte zwei Flügel und einen etwas höheren Mittelbau. An der ganzen Vorderfront befand sich ein Bogengang. Irgendwo plätscherte ein Springbrunnen.
Steve bremste und schaltete den Motor ab. Schließlich sah er den anderen fragend an. Der lächelte schon wieder. „Hier wohne ich manchmal. Sehr angenehm. Das ist wesentlich besser als in Damaskus. Und vor allen Dingen ruhiger.“
Zwei Araber kamen aus dem Haus und näherten sich dem Wagen. Der Dicke winkte mit der Pistole, und sie stiegen alle aus. Leila und Petrow wurden von den Arabern eskortiert, die aber nicht bewaffnet schienen. Steve McCoy spürte den Pistolenlauf im Kreuz, als sie zum Haus gingen.
Er war gespannt, was das alles bedeuten sollte, hatte aber nicht die Absicht, hier lange zu bleiben.
Sie wurden in einen kühlen Raum geführt, der ziemlich verschwenderisch ausgestattet war. Steve wurde an Tausendundeine Nacht erinnert, war sich jedoch gleichzeitig bewusst, dass ihre Lage alles andere als märchenhaft war.
Sie setzten sich im Halbkreis auf niedrige Kissen, der Dicke ihnen gegenüber. Die beiden Araber bauten sich an der Tür auf, sie sprachen kein Wort.
„Bevor Sie abgeholt werden, wollen wir noch ein bisschen plaudern“, begann der Dicke. „Am besten, Sie erzählen mir die ganze Geschichte.“
Er wandte sich direkt an Steve McCoy. „Sie sind der amerikanische Agent, also beginnen Sie. Wer hat den Plan ausgeheckt, den Wissenschaftler zu entführen?“
Steve reagierte nicht und drückte den Handrücken gegen die Verletzung auf der Wange, die blutverschmiert war.
Der Dicke spielte gedankenvoll mit seiner Pistole und nickte bedächtig. „Ich hätte mir denken können, dass Sie nichts sagen. Aber glauben Sie mir, wenn unsere Freunde Sie erst mal in den Fingern haben, werden Sie singen wie eine Nachtigall. Es wird nicht mehr lange dauern. Trotzdem möchten auch meine Auftraggeber wissen, wie das alles zusammenhängt, und deshalb möchte ich, dass Sie doch ein bisschen reden.“
„Tschechoslowakei, Polen oder Ostdeutschland?“, fragte Steve McCoy.
Der Dicke kniff die Augen zusammen. „Ich habe Ihnen schon mal gesagt, dass ich hier die Fragen stelle. Sehen Sie, meine Freunde sind vor allem daran interessiert, den Professor wiederzubekommen. Das ist für Sie am wichtigsten. Ein amerikanischer Spion, der offenbar besonders qualifiziert ist, interessiert sie sicher auch. Was ihnen aber völlig gleichgültig ist, ist das Mädchen.“
Er richtete die Pistole auf Leila und zog den Abzug bis zum Druckpunkt nach hinten. Steve McCoy erstarrte und hielt den Atem an.
Auch Leila rührte sich nicht, sondern starrte nur entsetzt auf die Waffe. Petrow hielt den Kopf gesenkt und tat so, als ginge ihn das alles nichts an. Vielleicht hatte er auch schon resigniert.
Das Krachen des Schusses war ohrenbetäubend. Steve sprang auf, aber Leila war nicht getroffen. Die Kugel war in ein Sitzkissen neben ihr geschlagen. „Verdammter Sadist“, stieß er hervor.
Der Lauf der Waffe schwenkte herum und richtete sich auf ihn. „Das war nur eine Warnung. Der nächste Schuss trifft, aber er tötet noch nicht.“
Steve blickte zu Leila hinüber, die ihn verzweifelt ansah und am Ende ihrer Beherrschung war.
„Also schön, was wollen Sie wissen?“ Steve McCoy warf einen raschen Blick zu den beiden Arabern hinüber, die mit verschränkten Armen an der Tür standen. Dabei fiel sein Blick auf etwas Glitzerndes schräg hinter ihm an der Wand. Er drehte den Kopf ein Stück weiter, bis er mehrere Gegenstände genauer erkennen konnte.
Schwerter und Säbel! Darunter war ein altes und sicher auch teures Stück. Ein Yatagan, ein osmanischer Krummsäbel mit einer Damaszener Klinge. Trotz der reichen Verzierung wirkte die Waffe nicht wie ein Spielzeug. Im Blitzen der Klinge lag etwas Tödliches.
Der Dicke hatte die Pistole wieder sinken lassen. „Setzen Sie sich, ich stelle Ihnen Fragen.“
Steves Muskeln spannten sich an. Nur solange er stand, hatte er noch eine winzige Chance. Seine Augen verfolgten, wie die Waffe aus der Schussrichtung genommen wurde. Bis der Dicke wieder zielen konnte, vergingen die entscheidenden Sekundenbruchteile.
Mit einem, gewaltigen Satz sprang er zur Seite, riss den Yatagan von der Wand und stürzte sich aus der Drehung heraus auf seinen Gegner. Die Klinge zischte durch die Luft und zielte auf die Körpermitte.
Aber er hatte die Reaktionsgeschwindigkeit des Dicken unterschätzt. Wie ein Wiesel rollte er zur Seite, und die tödliche Klinge ritzte ihm nur das Gelenk auf. Er stöhnte kurz über den heftigen Schmerz und ließ die Pistole fallen.
Im gleichen Augenblick stürzten die beiden Araber heran, als sie ihre erste Überraschung überwunden hatten. „Leila! Die Pistole!“, schrie Steve.
Er wehrte die beiden mit einem kreisenden Hieb ab und hörte auch schon, wie das Mädchen die Pistole aufhob und ein scharfes arabisches Wort hervorstieß. Die beiden blieben stehen und hoben langsam die Arme.
Ein wütender Schrei erklang, Steve McCoy fuhr herum und sah, wie der Dicke ebenfalls ein Schwert von der Wand nahm. Wie eine Bulldogge kam er näher, das Schwert mit der Spitze zum Boden weisend.
Steve nahm eine Abwehrhaltung ein und verlagerte sein Gewicht. Gleich darauf kam auch schon der erste Angriff. Er parierte, und die Klingen klirrten gegeneinander. Sein Nachstoß wurde ebenso abgewehrt, der Hieb war so heftig, dass Funken sprühten.
Der Dicke taumelte, Steve McCoy ging einen Schritt vor, wieder schlugen die Klingen gegeneinander. Diesmal hatte Steve Mühe, den tückischen Schlag abzuwehren. Er wich nach hinten aus, stolperte über ein Kissen und schwankte. Er spürte die gegnerische Klinge an seinem Gesicht vorbeisausen, als er in letzter Sekunde auswich. Er drehte sich zur Seite, fintierte, der Dicke schlug zu und öffnete seine Deckung.
Die schmale Klinge des Yatagan traf den Dicken dicht unterhalb des Schlüsselbeins. Er starrte entsetzt auf die riesige Wunde, aus der das Blut quoll, sank in die Knie und stürzte schwer nach vorn.
Steve ließ den Yatagan fallen, nahm Leila die Pistole aus der Hand, ging dann noch mal zu dem Dicken und holte sich seine eigene, vertraute Waffe wieder. Beim Griff in den Gürtel fand er eine Brieftasche. Er holte sie heraus und öffnete sie. Drei Pässe befanden sich darin. Sie lauteten alle auf den Namen Heinz Müller.
Der Rückzug aus dem Haus war einfach. Die beiden Araber machten keinen Versuch, sie aufzuhalten …