Читать книгу Thriller Spannung 2021: 13 Urlaubs-Krimis auf 1527 Seiten - A. F. Morland, Pete Hackett - Страница 18
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Sie saßen einander in einer Cafeteria gegenüber. Roberto Tardelli hatte die beiden Geschwister aus Polen eingeladen. Bisher hatten sie nur vage Andeutungen gemacht. Jossip hatte eine Lügengeschichte zu erzählen versucht, doch Roberto war schnell dahinter gekommen, dass der Mann nicht die Wahrheit sagte.
„Sie müssen in mir keinen Feind sehen“, sagte er.
„Warum haben Sie uns verfolgt?“, fragte Jossip Wassinski vorwurfsvoll. „Sind Sie von der Polizei?“
„Nein“, antwortete Roberto. „Wäre es schlimm, wenn ich ein Cop wäre?“
Der Pole biss sich auf die Lippe und schwieg.
„Was haben Sie zu verbergen?“, fragte Roberto. „Sie sollten es mir sagen. Vielleicht kann ich Ihnen helfen.“
Der Pole blickte Roberto ungläubig an.
„Warum sollten Sie uns helfen? Was hätten Sie davon?“
„Muss man immer etwas davon haben, wenn man für jemanden etwas tut? Ich sehe Ihnen an, dass Sie Hilfe brauchen. Wenn ich Ihnen aber helfen soll, müssen Sie sich mir anvertrauen.“
Jossip Wassinski nahm einen Schluck von seinem Kaffee.
„Ich wüsste nicht, warum ich Ihnen vertrauen sollte. Ich kenne Sie nicht. Sie sind ein Hafenarbeiter. Sie waren dabei, als man den Toten aus dem Wasser fischte. Als wir den Hafen verließen, folgten Sie uns. Wir wissen immer noch nicht, was Sie eigentlich von uns wollen. Wir kennen noch nicht einmal Ihren Namen. Soll man so einem Menschen blind vertrauen?“
„Ich heiße Roberto Tardelli. Sie haben versucht, mich niederzuschlagen. Würden Sie so einem Mann Ihre Hilfe anbieten?“
„Nein.“
„Sehen Sie, aber ich tu’s.“ Roberto wies auf das Mädchen. „Ist sie Ihre Freundin?“
„Sie ist meine Schwester“, antwortete Jossip Wassinski schroff. „Wir hätten mit Ihnen nicht in dieses Lokal gehen sollen. Das war ein Fehler.“
„Es soll Ihnen kein schlimmerer Fehler in Ihrem Leben unterlaufen“, sagte Roberto lächelnd. „Sie wollten zu Oleg Darski, einem Landsmann von Ihnen, einem Polen.“
„Na und? Ist das verboten?“
„Wissen Sie, was ich glaube?“
„Was?“
„Dass Sie illegal in dieses Land gekommen sind. Oleg Darski sollte Ihnen weiterhelfen, aber er ist fortgezogen, und nun sind Sie ratlos. Ist es nicht so?“
Jossip Wassinski schwieg hartnäckig. Roberto wusste aber trotzdem, dass er den Nagel auf den Kopf getroffen hatte. Er brauchte nur Maria Wassinski anzusehen. In ihrem Gesicht konnte er wie in einem aufgeschlagenen Buch lesen. Sie brauchte kein Wort zu sagen. Er wusste auch so Bescheid.
Die beiden hatten Angst davor, abgeschoben zu werden. Es war ihnen deshalb hoch anzurechnen, dass sie die Polizei trotzdem wenigstens anonym verständigt hatten. Er sagte es ihnen nun auf den Kopf zu: „Sie haben die Polizei angerufen.“
Jossip Wassinski zuckte wie unter einem Peitschenhieb zusammen.
„Das ist nicht wahr!“
„Sie haben den Mord beobachtet. Ihr Gewissen ließ es nicht zu, einfach zu schweigen. Sie mussten die Polizei informieren. Aber Sie taten es anonym, weil Sie es sich nicht leisten können, offen in Erscheinung zu treten.“
„Das ist nicht ...“
Roberto hob die Hand.
„Ein Penner hat Sie belauscht. Es hat keinen Zweck, zu leugnen.“
Jossip starrte Roberto grimmig an.
„Was wollen Sie von uns, Mister Tardelli?“
„Ich werde Sie ins Vertrauen ziehen und Ihnen etwas erzählen, was im Hafen keiner weiß. Ich arbeite erst seit kurzem da. Mein richtiger Dienstgeber ist die Regierung. Ich arbeite nur deshalb im Hafen, um Material gegen einen Mann zu sammeln, der Brian Cusack heißt und den sie den König von Brooklyn nennen. Er ist ein übler Verbrecher, der mit der Mafia zusammenarbeitet. Der Mann, der heute umgebracht wurde - Brad Rafferty - war einer von Cusacks Leuten. Ich sehe zum ersten Mal eine echte Chance, dem König von Brooklyn ein Bein zu stellen. Deshalb bin ich Ihnen gefolgt. Weil ich hoffe, Brian Cusack mit Ihrer Hilfe unschädlich machen zu können.“
Maria Wassinski holte tief Luft. Sie wollte reden, doch Jossip legte ihr die Hand auf den Arm und sagte: „Still!“
„Aber es hat doch keinen Zweck mehr, zu schweigen, Jossip.“
„Still, sage ich! Hast du nicht gehört, dass dieser Mann für die Regierung arbeitet?“
Roberto nickte.
„Nun befürchten Sie, dass ich Sie und Ihre Schwester nach Polen zurückschicke, nicht wahr?“
„Müssen Sie das nicht tun?“
Roberto lächelte.
„Glauben Sie mir, mir liegt viel mehr daran, einem gewissenlosen Schurken wie Brian Cusack das Handwerk zu legen, als Sie ausweisen zu lassen.“
„Heißt das, Sie werden uns nicht ...?“
„Was haben Sie gesehen?“, fragte Roberto. „Ich sagte es schon einmal, ich möchte Ihnen helfen. Wenn Sie mir erzählen, was Sie gesehen haben, und sich bereit erklären, das auch vor Gericht zu wiederholen, verspreche ich Ihnen, dafür zu sorgen, dass man Sie nicht abschiebt. Leuten, die uns einen großen Gefallen erwiesen haben, denen erweisen auch wir unsere Dankbarkeit. Ich habe hervorragende Beziehungen. Ich könnte Ihnen beiden zur amerikanischen Staatsbürgerschaft verhelfen, wenn Sie mir helfen, Brooklyn von dieser gefährlichen Plage, deren Name Brian Cusack ist, zu befreien.“
Maria sah ihren Bruder ernst an.
„Willst du immer noch schweigen, Jossip?“
Er rang mit sich selbst. Sollte er diesem Fremden trauen? Sagte Tardelli die Wahrheit? Er atmete hörbar ein.
„Nein“, sagte er dann leise. „Ich glaube, es ist besser, wenn ich jetzt rede.“
Roberto lächelte zufrieden.
„Ein vernünftiger Entschluss.“
„Ich bin Jossip Wassinski“, sagte der Pole. „Und das ist meine Schwester Maria. Wir stammen aus einem kleinen Ort, hundert Kilometer von Danzig entfernt. Sie werden ihn nicht kennen ...“
Nun erzählte Wassinski seine Lebensgeschichte. Er und seine Schwester hatten viel mitgemacht. Roberto hatte Mitleid mit ihnen.
Wassinski kam auf den Mord an Brad Rafferty zu sprechen. Der Mann hatte Cusack bestohlen, hatte es zunächst nicht zugegeben und war deshalb von einem bulligen Kerl mit Glotzaugen schwer zusammengeschlagen worden.
Robertos Herz machte einen Freudensprung. Er kannte nur einen einzigen Mann, auf den diese Beschreibung passte, und das war Cyril Murray, die rechte Hand des Königs von Brooklyn.
Als er diesen Namen erwähnte, bestätigte ihm der Pole, dass der Mann, der Rafferty erstochen hatte, so hieß.
„Sie wissen nicht, wieviel Ihre Aussage wert ist, Jossip“, sagte Roberto begeistert. „Cyril Murray hat Brad Rafferty in Brian Cusacks Auftrag ermordet. Sie können das bezeugen. Damit kriege ich diese Brut. Werden Sie vor Gericht diese Aussage beeiden?“
„Ja, Mister Tardelli. Dazu bin ich bereit“, sagte der Pole ernst.
„Als Kronzeuge der Anklage kann man Sie nicht abschieben“, sagte Roberto. „Nach dem Prozess kriegen Sie von uns eine funkelnagelneue Staatsbürgerschaft. Zuvor werden Sie um politisches Asyl ansuchen. Ich verspreche, Ihnen jedes Hindernis aus dem Weg zu räumen und mich für Sie und Ihre Schwester nach besten Kräften zu verwenden.“
„Dafür danke ich Ihnen in meinem und im Namen meiner Schwester, Mister Tardelli.“
„Nennen Sie mich Roberto!“
„Gut. Und was soll nun weiter geschehen?“
„Zunächst brauchen Sie schnell eine Unterkunft. Ich habe eine für Sie. Sie werden bei einer Freundin von mir wohnen, und im richtigen Moment hole ich Sie dann - wie ein Zauberer das Kaninchen - aus meinem Zylinder.“
Er rief die Kellnerin und bezahlte. Sie verließen die Cafeteria. Roberto winkte ein Taxi herbei, setzte sich mit den Polen in das Fahrzeug und nannte dem Fahrer Samantha Fords Adresse.
Zwanzig Minuten später waren sie da. Roberto stocherte mit dem Schlüssel im Schloss herum und war erstaunt, als sich die Apartmenttür plötzlich öffnete. Samantha blickte ihn lächelnd an.
„Was machst du denn für ein Gesicht?“, fragte die junge Ärztin.
„Ich dachte, du wolltest ins Museum ...“
„So ein Pech. Ausgerechnet heute war wegen Umbauarbeiten geschlossen. Ein Glück, dass ich vor dem Weggehen anrief, das hat mir den Weg erspart.“
Samantha blickte an Roberto vorbei auf die beiden Fremden. Roberto machte Jossip und Maria Wassinski mit der jungen Ärztin bekannt. Sie traten ein, und Roberto erklärte Samantha die Situation.
„Würdest du den beiden für ein paar Tage dein Gästezimmer zur Verfügung stellen, Sam?“, fragte er.
„Wir möchten Ihnen natürlich nicht zur Last fallen“, sagte Jossip Wassinski.
„Last“, sagte Samantha und lächelte. „Ich bitte Sie, Sie sind doch keine Last für mich. Sie sind mir sogar sehr willkommen. Ich wusste mit meinem freien Tag ohnedies nichts anzufangen. Nun habe ich Gesellschaft, und ich bin sicher, dass Sie mir viel Interessantes über Polen zu erzählen haben.“
Bevor Roberto ging, küsste er die junge Ärztin.
„Danke, Sam. Du bist ein Engel.“
„Das weiß ich.“
„Gleich kriege ich Komplexe“, sagte Roberto und verließ das Apartment. Das Taxi wartete noch vor dem Haus. Roberto kehrte damit nach Brooklyn zurück und schwang sich wieder in den Sattel seiner Kawasaki. An seinen Job im Hafen dachte er nicht mehr. Er hatte nun Wichtigeres zu erledigen.