Читать книгу Tardelli und die Rache der Sizilianer: Ein Roberto Tardelli Thriller #72 - A. F. Morland - Страница 6
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Оглавление„Ich bringe ihn um!“, schrie Angela Messari wutentbrannt. Sie hielt einen Brief in der Hand und rannte aufgewühlt im Wohnzimmer des kleinen Hauses hin und her, das sie mit ihrem Bruder Luigi zusammen bewohnte. „Ich mache dieses Schwein kalt!“
Angela war eine neunzehnjährige Schönheit, mit langem, dunklem, in der Mitte gescheiteltem Haar, rehbraunen Augen, kleiner Nase und vollen roten Lippen. Sie hatte trotz ihrer Jugend schon viel erlebt. Ihr Name und ihr Aussehen täuschten, denn sie war alles andere als ein Engel.
Aufgewachsen auf Sizilien, hatte sie gelernt, nach strengen Regeln zu leben. Ihre Familie war mit einer anderen Familie verfeindet gewesen, und die Männer hatten einander viele Jahre hindurch bekämpft.
Auf jeden Mord erfolgte der Vergeltungsschlag, und dieser zog einen weiteren Mord nach sich. So kam es, dass sich die beiden Familien sukzessive ausrotteten. Als nur noch Luigi und Angela übrig waren, griffen die beiden zu den Waffen und machten reinen Tisch.
Danach setzten sie sich nach Rom ab. Hier lebten sie seit einem Jahr von den verschiedensten Verbrechen. Sie stahlen, raubten, kidnappten, ohne dass die Polizei sie fassen konnte. Aber ihr Aktionskreis wurde von den Behörden mehr und mehr eingegrenzt, und Luigi hatte bereits mehrmals anklingen lassen, dass es nicht unvernünftig gewesen wäre, die Zelte in Italien abzubrechen und nach Amerika zu gehen, in das Land der unbegrenzten Möglichkeiten.
Doch Angela wollte davon nichts wissen, obwohl sie drüben in den Staaten von einer Mafiagröße namens Dino Lo Bianco jede Starthilfe erwarten durften, denn Lo Bianco war ein guter Freund ihrer Familie.
Aber Angela hatte sich verliebt. Sie hatte sich sogar verlobt. Aus diesem Grund war sie nicht dazu zu bewegen, Italien zu verlassen. Jedenfalls war dies bis heute so gewesen.
Doch nun hielt Angela diesen Brief in ihrer Hand, den der Postbote vor wenigen Minuten abgegeben hatte. Einen Brief, der für das verbrecherische Geschwisterpaar die Weichen stellte.
Luigi Messari, ein gutaussehender junger Mann, muskulös, mit dichtem Haar und kräftigen regelmäßigen Zähnen, legte die Zeitung weg, die mit großen Lettern auf der Titelseite verkündete, dass wieder einmal ein Attentat verübt worden sei.
Er sah seine Schwester an, die wie eine gereizte Tigerin hin und her lief. „Was hast du denn?“
Es funkelte fanatisch in Angelas Augen. „Ich will, dass er stirbt!“
„Wer? Von wem ist der Brief überhaupt?“
„Von Mario.“
„Darf ich fragen, was er schreibt?“
„Hier!“ Angela warf ihrem Bruder den Brief in den Schoß. „Lies selbst! Ich ertrage es nicht, dieses Geschmiere ein zweites Mal zu lesen!“
Luigi nahm den Brief zur Hand. Er las halblaut: „Meine liebe Angela! Bitte sei mir nicht böse, wenn ich Dir auf diesem Wege mitteile, dass es mit uns nicht mehr so wie bisher weitergehen kann. Unsere Verbindung – das wirst du vermutlich auch schon gemerkt haben – war ein Irrtum. Wir passen nicht zueinander, deshalb ist es besser, wenn wir uns nicht wiedersehen. Ich habe dir zwar ein Eheversprechen gegeben, aber Du bist sicherlich so einsichtig, nicht darauf zu bestehen. Es wäre falsch, eine gemeinsame Zukunft auf einem Irrtum aufzubauen. Dadurch würden wir beide nur unglücklich werden. Ich werde Dich immer in Erinnerung behalten und in Freundschaft an dich denken. Es war eine schöne Zeit mit Dir. Sie ist nun vorbei, und wir sollten nicht mit Wehmut zurückblicken. Ich umarme Dich. Dein Mario.“
„Das soll er mir büßen!“, zischte Angela. „Mir gibt man nicht einfach den Laufpass. Mir versetzt man nicht ungestraft einen Fußtritt. Ich werde Mario dafür töten. Er hat meine Ehre beschmutzt. Ich bin eine Messari. Mir darf kein Dreckskerl so etwas antun. Er hat mir die Ehe versprochen. Dieses Versprechen gilt nicht mehr. Ich will Mario nun nicht mehr haben. Aber es soll ihn auch keine andere Frau kriegen, dafür werde ich sorgen. Noch heute Nacht!“
Luigi erhob sich. Angela tobte zu Recht. So etwas hätte ihr Mario Craccante nicht antun dürfen. Kalter Hass keimte in Luigi auf. Er liebte seine Schwester. Wenn sie litt, machte ihn das rasend.
Er legte seine Hand auf ihre Schulter. „Du hättest auf mich hören sollen, cara. Sagte ich nicht immer, dass Mario Craccante kein Mann für dich ist? Aber du hast nicht auf mich gehört. Die Liebe machte dich blind. Ich wusste sofort, als ich Mario zum ersten Mal sah, dass er nichts taugt, dass er nicht zu dir passt. Du dachtest, ich wäre eifersüchtig auf ihn. Ich habe ihn nur richtig gesehen, und ich habe mich nicht geirrt.“
„Er wird sterben!“, sagte Angela mit gepresster Stimme.
„Ja, cara. Er soll sterben. Er hat es nicht anders verdient. Wir werden Mario bestrafen und dann nach Amerika gehen. Jetzt hält dich nichts mehr in Italien. Der Boden hier fängt ohnedies an, ein bisschen heiß für uns zu werden. Dino Lo Bianco hat uns mehrfach aufgefordert, zu ihm zu kommen. Er wird sich freuen, uns wiederzusehen, und er wird alles tun, damit wir in den Staaten so rasch wie möglich Fuß fassen.“
„Gut“, sagte Angela und nickte langsam, während ihr zorniger Blick in die Ferne gerichtet war. „Du darfst mir helfen, Luigi. Aber töten ... töten will ich Mario Craccante allein!“