Читать книгу Tardelli und die Rache der Sizilianer: Ein Roberto Tardelli Thriller #72 - A. F. Morland - Страница 8
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ОглавлениеRoberto Tardelli durchschritt die mehrfachen Sicherungen am Eingang der COUNTER CRIME-Zentrale in Washington. Im Fahrstuhl wurde er von einer Fernsehkamera beobachtet, und bevor er das Büro seines Chefs Colonel Myer betrat, musste er seine Luger abgeben. Diese Sicherheitsmaßnahmen galten für alle COUNTER CRIME-Agenten. Also auch für den Top-Mann dieser geheimen Organisation des Justizministeriums, deren Aufgabe es war, das organisierte Verbrechen in den Staaten zu bekämpfen.
Myer, ein großer Mann mit kantigen Gesichtszügen, kurzgeschnittenem silbergrauem Haar und metallischer Stimme, begrüßte seinen besten Agenten freundlich.
„Geht es Ihnen gut?“
„Vielen Dank für die Nachfrage, Sir“, erwiderte Roberto. „Ich fühle mich bestens.“
„Freut mich zu hören.“
„Wo brennt’s denn diesmal?“
„Das erfahren Sie gleich. Wir werden uns einen kleinen Lichtbildervortrag ansehen.“
„Hoffentlich zeigt man etwas Interessantes.“
„Das kann ich garantieren“, sagte Myer.
„Als Ihr Anruf mich in Portland erreichte, hatte ich gerade den Entschluss gefasst, ein paar Tage auszuspannen. Ich bin schließlich keine Maschine, und an meinen letzten Urlaub kann ich mich schon nicht mehr erinnern.“
„Sie kennen doch den guten alten Spruch: Wer rastet, der rostet. Damit es dazu nicht kommt, halte ich meine Leute stets auf Trab“, meinte Myer lächelnd.
„Stachanow hätte von Ihnen noch etwas lernen können“, sagte Roberto sarkastisch.
Sie verließen, das Büro des Chefs von COUNTER CRIME und betraten wenig später einen kleinen Vorführraum mit mehreren Sitzreihen, einer Kinoleinwand und allem technischen Gerät, das benötigt wurde, damit man auf der Leinwand auch etwas zu sehen bekam.
Roberto und der Colonel setzten sich in die erste Reihe. Myer drückte auf einen Knopf, der in die Lehnen eingelassen war. Damit schaltete er ein Mikrophon ein.
„Wir können beginnen“, sagte er, und der Mann in der Vorführkabine vernahm die Stimme des Chefs aus einem kleinen Lautsprecher.
Das erste Foto wurde projiziert. Es zeigte eine männliche Leiche. Sie lag in einer Baugrube.
„Wer ist der Tote?“, fragte Roberto.
„Mario Craccante. Er wurde vor zwei Wochen in der Nähe von Rom ermordet. Ein Schuss in die Hüfte. Die zweite Kugel traf den Hinterkopf.“
„Rom ist nicht gleich hier um die Ecke.“
„Das ist richtig, und wir würden uns dieses Falles nicht annehmen, wenn er nicht so weite Kreise gezogen hätte. Craccante war von Beruf Autoverkäufer. Nebenbei tätigte er auch krumme Geschäfte. Aber alles in allem war er nur ein kleines Licht.“
„Warum hat man ihn ermordet?“
„Er hatte zu viel für schöne Mädchen übrig und geriet dabei an Angela Messari“, erklärte der Colonel.
Gleichzeitig erschien auf der Leinwand das Bild eines gutaussehenden jungen Mädchens. Roberto pfiff anerkennend durch die Zähne.
„Lassen Sie sich von dem engelhaften Aussehen dieses Mädchens nicht täuschen“, warnte der Colonel. „Die Dame ist brandgefährlich. Die Polizei ist davon überzeugt, dass sie Mario Craccante erschossen hat.“
„Und wieso das?“
„Weil er ihr den Laufpass gab.“
„So etwas kommt doch alle Tage vor.“
„Craccante war mit Angela Messari verlobt. Das Mädchen stammt aus Sizilien.“
„Jetzt verstehe ich“, sagte Roberto. „Verletzte Ehre und so.“
„Genau. Angela Messari ist keine Heilige. Gemeinsam mit ihrem Bruder Luigi hat sie eine Vielzahl von Verbrechen verübt.“
Luigi Messari erschien auf der Leinwand.
Myer fuhr fort. „Es wird angenommen, dass er dabei war, als Angela ihren Verlobten ermordete. Die beiden errichteten für Mario Craccante eine Falle und zeigten ihm, was es heißt, ein Verlöbnis mit einem sizilianischen Mädchen zu brechen. Gleich nach dem Mord verließen sie Italien.“
„Darf ich raten, wohin sie abgereist sind?“
Der Colonel nickte.
„Nach Amerika“, sagte Roberto. „Gewonnen.“
„Und zwar nach Philadelphia.“
„Hatten die beiden einen bestimmten Grund, ausgerechnet dort hinzugehen?“
„Sie sammeln immer mehr Punkte. Haben Sie schon mal von Dino Lo Bianco gehört?“
„Das ist ein hohes Mafiatier in Philadelphia. COUNTER CRIME bemüht sich seit langem, diesem gefährlichen Hai etwas anzuhängen.“
„Lo Bianco soll Angela und Luigi Messari mehrmals aufgefordert haben, zu ihm nach Philadelphia zu kommen. Luigi wäre seinem Ruf gern gefolgt, aber Angela wollte nicht, weil sie sich in Craccante verliebt hatte.“
„Nach dem Mord hielt die beiden nichts mehr in Italien.“
„Sehr richtig, und sie hatten einen triftigen Grund, das Land so schnell wie möglich zu verlassen. Interpol vermutet, dass die beiden bei Lo Bianco, der ein Freund ihrer Familie ist, untergeschlüpft sind. Die Fahndung erreichte das FBI. Die Leute von der Bundespolizei setzten sich mit uns in Verbindung, weil ihnen bekannt ist, das Dino Lo Bianco auf unserer Wunschliste steht, und so wurde die Angelegenheit zu unserem und in der weiteren Folge zu Ihrem Fall.“
„Nett, dass Sie so häufig an mich denken, Sir“, sagte Roberto ätzend.
„Suchen und finden Sie Angela und Luigi Messari, und weisen Sie Dino Lo Bianco nach, dass er sie versteckt hat, damit wir ihn endlich aus dem Verkehr ziehen können.“
„Okay.“
„Ich warne Sie lieber einmal zu viel als einmal zu wenig: Nehmen Sie Ihren Job nicht auf die leichte Schulter. Unterschätzen Sie Angela Messari nicht. Dieses Mädchen ist brandgefährlich. Sie schreckt auch vor einem Mord nicht zurück. Sie ist eine Todeslady.“
„Ich werde an Ihre Warnung denken, wenn ich dem Girl begegne, Sir“, versprach Roberto.
Es folgten Dias von Dino Lo Bianco und einigen seiner Leute. Roberto sah Aufnahmen von Lo-Biancos-Haus am Delaware River. Dreißig Minuten dauerte der Lichtbildervortrag, dann kehrte der Colonel mit seinem besten Mann in sein Büro zurück. Dort händigte Myer dem Agenten sämtliche verfügbaren Unterlagen aus, die Roberto benötigte, um sich für seinen neuen Fall das nötige Rüstzeug anzueignen, und zwei Stunden später befand sich Roberto Tardelli auf dem Weg nach Philadelphia.
Er fuhr einer turbulenten Zukunft entgegen, das wusste er. Was er nicht wusste, war, wie der Fall für ihn enden würde. Er konnte nur hoffen, einigermaßen gut über die Runden zu kommen.