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Gegen elf Uhr starteten Katharina Ledermacher und Rudolf Thielke in ihrem VW-Golf die Fahrt zum Rüdersdorfer Kalkberg östlich von Berlin.

Thielke hatte sich auf dem Rücksitz in eine Ecke gedrückt und presste die Tasche mit dem Geld fest an sich. Ein besorgter Ausdruck lag auf seinem Gesicht.

„Die Sache gefällt mir nicht“, meinte er. „Wir hätten uns auf einen anderen Treffpunkt einigen sollen. Das ist eine ideale Gegend, um uns auszurauben.“

„Dazu gehören immer zwei“, gab Katharina gelassen zurück.

Es herrschte nicht viel Verkehr. An einer Kreuzung fuhr ihr ein anderer Wagen, der die Vorfahrt missachtete, beinahe links in die Seite. Bremsen quietschten. Katharina ließ das Fenster herunter. Der andere Fahrer ebenfalls.

„Tut mir leid“, sagte er. „Ich habe Sie nicht gesehen.“

Zwischen die beiden Fahrzeuge passte kaum noch eine Zeitung.

„Schlafen Sie immer hinterm Lenkrad?“, erkundigte sich Katharina. „Passen Sie nächstes Mal besser auf, verdammt noch mal.“

Er entschuldigte sich wortreich. Katharina ließ den Motor wieder an und fuhr weiter. Glück gehabt, dachte sie. Es gab Zeitgenossen, die bei so einem Vorfall aus dem Wagen sprangen und den anderen Fahrer am Kragen packten; aber zu denen gehörte sie nicht. Trotzdem hatte sie sich ziemlich erschreckt, und sie fuhr langsamer. Immer wieder schaute sie in den Rückspiegel. Einmal glaubte sie, von einem Wagen verfolgt zu werden. Es war ein gelber Mercedes. Nach einigen Minuten merkte Katharina, dass sie sich getäuscht hatte. Der Wagen verschwand in einer Seitenstraße. Sie warf einen Blick in den Innen- und Außenspiegel, warf sogar einen Blick zurück über die Schulter. Thielke blieb das natürlich nicht verborgen.

„Irgendetwas nicht in Ordnung?“, fragte er.

„Ich weiß es nicht“, antwortete Katharina.

Hinter ihnen fuhr ein dunkelblauer Wagen. Es ließ sich leicht feststellen, ob es der Fahrer auf sie abgesehen hatte. Sie brauchte nur den nächsten Block zu umrunden. Wenn das dunkelblaue Fahrzeug dann immer noch hinter ihnen war, hatte sie Gewissheit. Sie blinkte rechts. Der blaue Wagen ebenfalls. Katharina behielt das Fahrzeug im Auge und bog um die Ecke. Der Wagen folgte ihnen. Sie blinkte abermals rechts. Der Insasse des anderen Wagens tat es nicht. Aber das musste nicht unbedingt bedeuten, dass er geradeaus weiterfahren würde.

Katharina bog ab und verringerte die Geschwindigkeit. Gespannt wartete sie, was der Fahrer im blauen Wagen nun tun würde. Er bog nicht ab. Aber vielleicht fuhr er in die nächste Straße und nahm dann wieder die Verfolgung auf. Katharina kehrte auf die ursprüngliche Route zurück. Den blauen Wagen konnte sie nirgendwo entdecken.

„Und?“, fragte Thielke.

„Nichts. Der Wagen ist verschwunden. Vielleicht sehe ich schon Gespenster.“

„Solange es nur Gespenster bleiben, ist es halb so schlimm“, sagte er.

Kurz vor zwölf Uhr erreichten sie ihr Ziel. Katharina hielt an und stellte den Motor ab. Sie blickte in sämtliche Richtungen, konnte aber niemanden entdecken. Thielke richtete sich auf und sah durch das Fenster.

„Ein merkwürdiger Ort, um ein solches Geschäft abzuwickeln“, flüsterte er.

„Aus Sicht der Erpresser nicht“, erwiderte Katharina. „Wir sitzen hier auf dem Präsentierteller. Man kann uns von allen Seiten beobachten, ohne selbst gesehen zu werden. Natürlich wollen sie sichergehen, dass sich hier keine Polizisten herumtreiben.“ Sie lehnte sich zurück, blickte abwechselnd nach vorn und in den Rückspiegel. „Warten wir ab.“

„Berlin wird vom Rüdersdorfer Kalk zusammengehalten“, lautete ein alter Spruch. Das gilt sowohl für das Brandenburger Tor als auch für die Mietshäuser in Prenzlauer Berg. Zu DDR-Zeiten gehörte der Kalksteinbruch zum Zementwerk Rüdersdorf. Nach der Wende verkaufte es die Treuhand an die Firma „Readymix“, die das Zementwerk übernommen hatte. An dem stillgelegten Abraumgelände hatte das Unternehmen jedoch kein Interesse und übergab die Grundstücksrechte an die Gemeinde Rüdersdorf.

Immer wieder blickte Katharina auf ihre Armbanduhr. Eine halbe Stunde verging, ohne dass etwas geschah. Die Erpresser ließen sich nicht blicken. Thielke wurde allmählich ungeduldig.

„Die lassen sich aber verdammt viel Zeit“, meinte er.

„Was haben Sie erwartet? Die Lösegeldübergabe ist der heikelste Punkt bei einer Erpressung. Die Täter müssen aus der Unsichtbarkeit auftauchen und ihre Festnahme riskieren. Deshalb werden sie alles unternehmen, um sicherzustellen, dass die Operation nicht unter Polizeibeobachtung steht.“

„Trotzdem geht mir die Warterei auf die Nerven.“

Eine weitere halbe Stunde verging, ohne dass sich etwas ereignete.

„Was hat das nun wieder zu bedeuten?“, fragte Thielke, während Katharina den Wagen wendete. „Vielleicht wollen sie uns auf dem Rückweg abfangen.“

„Unwahrscheinlich“, erwiderte die Detektivin nachdenklich. „Für sie war das Ganze eher eine Art Generalprobe. Sie wollten sich vermutlich davon überzeugen, dass wir Wort halten und ohne Polizei anrücken. Mit Sicherheit werden sie sich morgen wieder melden, um die Premiere ihres Spiels zu starten.“

Thielke sagte nichts. Er drückte sich noch tiefer in die Ecke und senkte den Kopf. Er atmete erst wieder auf, als sie eine bewohnte Gegend erreichten.

„Soll ich Sie zum Hotel bringen?“, fragte Katharina.

„Nicht nötig“, winkte Thielke ab. „Setzen Sie mich am nächsten Taxistand ab.“

„Wollen Sie die halbe Million die ganze Zeit mit sich herumschleppen?“, erkundigte sich die Detektivin besorgt.

„Im Hotel-Safe ist das Geld bestens aufgehoben.“

An der Tauentzienstraße ließ Katharina den Mann hinaus. Sie beobachtete, wie Thielke in ein Taxi stieg, das mit ihm davonfuhr. Dann gab sie wieder Gas und lenkte ihren VW-Golf Richtung Charlottenburg. Wenig später parkte sie den Wagen vor dem Hochhaus in der Krummen Straße. Sie stieg aus und ging auf den Eingang zu. Katharina war so in Gedanken versunken, dass sie den dunkelblauen BMW nicht bemerkte, der ihr folgte. Sie betrat das Gebäude, stieg die Stufen empor und schloss die Wohnungstür auf.

Im selben Moment klingelte das Telefon, das auf einem kleinen Tisch im Flur stand. Katharina hob den Hörer ab und meldete sich. Sie war einigermaßen überrascht, die Stimme des Erpressers zu hören.

„Sie haben sich bestimmt gewundert, weshalb wir nicht am vereinbarten Treffpunkt waren, wie?“, fragte der Mann.

„Vermutlich hatten Sie Angst“, gab Katharina kühl zurück.

„Irrtum, Frau Ledermacher“, sagte der andere gelassen. „Wir wollten feststellen, ob Sie versuchen, uns auszutricksen. Sie sind Privatdetektivin. Aber damit können Sie uns nicht beeindrucken.“

„Das hatte ich auch nicht vor. Wie soll es jetzt weitergehen? Das Angebot steht noch.“

„Wir vertrauen Ihnen nicht“, erwiderte der Mann.

„Sehe ich so aus, als würde ich meinem Auftraggeber in den Rücken fallen? Sie haben sich doch selber davon überzeugt, dass ich allein war. Oder?“

Katharina war auf die Antwort gespannt. Sie fragte sich, ob die Erpresser den Mann von der Versicherung im Wagen bemerkt und gesehen hatten, wie er in ein Taxi umgestiegen war.

„Ja, Sie waren allein. Trotzdem möchte ich Sie noch einmal davor warnen, etwas zu unternehmen, das uns missfallen könnte.“

„Sie haben Angst“, stellte Katharina spöttisch fest. „Wie wäre es, wenn wir das Geschäft in einer halben Stunde abwickeln? Sie haben mein Wort, dass ich die Polizei erst fünf Stunden später informieren werde. Der Vorsprung dürfte Ihnen doch genügen.“

„In Ordnung. Einverstanden. Wir sind in einer halben Stunde bei Ihnen. Halten Sie das Geld bereit.“

„Und Sie die Filme“, entgegnete Katharina, aber der Mann hatte bereits aufgelegt. Deshalb konnte sie ihm auch nicht mehr sagen, dass sie das Geld erst noch beschaffen musste. Sie wählte die Nummer des Hilton-Hotels, ließ sich mit Rudolf Thielke verbinden und erklärte ihm die Situation.

„Wir bringen die Sache noch heute zum Abschluss. Kommen Sie sofort mit dem Geld in meine Wohnung.“ Sie nannte ihm die Hausnummer und das Stockwerk.

„Okay, ich nehme mir ein Taxi.“

Katharina legte auf und traf die nötigen Vorbereitungen. Sie ließ die Wohnungstür angelehnt und schaltete die Deckenlampe im Flur ein. Falls sich die Gelegenheit ergab, wollte sie sich die Gesichter der Erpresser einprägen. Dann ging sie ins Wohnzimmer und setzte sich in einen Sessel.

Zehn Minuten später klopfte es an der Tür.

„Kommen Sie herein“, sagte Katharina. Sie glaubte, Thielke sei mit dem Geld eingetroffen, doch das war ein Irrtum. Ein Mann betrat die Wohnung. Sofort schaltete er die Deckenbeleuchtung im Flur aus. Der Besucher trug einen Hut, den er tief in die Stirn gezogen hatte. Er machte einige Schritte und blieb im Rahmen der Wohnzimmertür stehen. Katharina musterte ihn. Er war breit und schwammig. Seine behandschuhten Finger umklammerten eine braune Ledertasche. Ein breitflächiger Schnurrbart dominierte sein Gesicht und verlieh ihm das Aussehen eines Seehundes. Der Blick seiner hellblauen Augen wirkte starr. Mit einer Handbewegung lud Katharina ihren ungebetenen Besucher ein, Platz zu nehmen.

„Ich stehe lieber.“

„Auch gut.“

„Haben Sie das Geld?“, erkundigte er sich.

„Sie sind ein bisschen zu früh. Ich warte selber noch darauf.“

„Wenn Sie mich aufs Kreuz legen wollen, dann …“

„Das will ich nicht. Wenn ich Ihnen eine Falle stellen wollte, wäre sie längst zugeschnappt. Ich habe einen Auftrag. Und ich stehe zu meinem Wort. Die Versicherung ist daran interessiert, den Fall so schnell wie möglich abzuschließen.“

„Wann ist das Geld hier? Ich habe wenig Zeit.“

Katharina sah auf ihre Armbanduhr. Thielke musste jeden Augenblick eintreffen.

„In ungefähr zehn Minuten“, sagte sie. „Solange müssen Sie sich noch gedulden. Wie wär‘s, wenn Sie mir in der Zwischenzeit die Filmdosen zeigen?“

Der Mann schüttelte den Kopf. „Nicht, bevor Sie das Geld haben. Wer bringt es überhaupt?“

„Ein Mann von der Versicherung.“

„Gut, dann warten wir. Aber ich warne Sie, wenn Sie versuchen, uns auszutricksen, dann werden wir sehr unangenehm.“

Die besten 12 Strand Krimis Juni 2021

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