Читать книгу Spezial Krimi Koffer Juli 2021 - 9 Thriller auf 1500 Seiten - A. F. Morland - Страница 75
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Fünfzehn Geschosse eines Bürogebäudes waren in den letzten Monaten emporgewachsen – und zehn weitere Stockwerke sollten noch folgen. Die Lage war für den Schützen ideal – und obwohl auf der Baustelle gearbeitet wurde, hatte sicherlich niemand den Überblick, wer dort eigentlich alles auf das Gelände gehörte und wer dort vielleicht gar nichts zu suchen hatte. Dutzende von Firmen waren an dem Bau beteiligt.
Wir riefen im Präsidium an, damit das Gebäude weiträumig umstellt werden konnte. Unsere eigenen Kräfte reichten dazu natürlich weder aus, noch wären sie schnell genug am Ort des Geschehens gewesen. Die Berliner Bereitschaftspolizei half uns aus. Martinshörne heulten durch die Straßenschluchten. Dutzende von Einsatzfahrzeugen waren unterwegs.
Wir begaben uns natürlich so schnell wie möglich auch dorthin.
Wir saßen im Dienstwagen. Rudi stellte den Bordrechner an. Wenig später hatten wir ein aktuelles Satellitenbild mit einem überblendeten Stadtplan auf dem Schirm. Die Bauarbeiten an dem Bürogebäude hatten für eine veränderte Verkehrsführung gesorgt. Viele Flächen, die sonst als Parkplätze verwendet wurden, waren jetzt mit Kränen und Baumaschinen zugestellt.
„Wir kommen wahrscheinlich zu spät“, sagte Rudi. „Der Kerl ist doch längst über alle Berge! Vorausgesetzt, wir haben überhaupt das richtige Gebäude im Auge!“
„Vertrau meinem Instinkt, Rudi!“
„Ja, aber Ludwigs Laserpeilung wäre mir jetzt ehrlich gesagt etwas lieber!“
„Rudi, wo würdest du anstelle von Purland alias Schmitt hingehen?“
„Was?“
„Du hast mich doch verstanden! Stell dir vor, du hast gerade in Darko Grusics Krankenzimmer hineingeballert und jetzt weißt du, dass gleich die Polizei auftaucht und du möglichst schnell verschwinden musst.“
„Zur nächsten U-Bahn-Station.“
„Wo ist die?“
„Ist wegen der Bauarbeiten geschlossen. Man muss eine Station weiter.“
„Zu weit!“
„Dann ist er mit dem Wagen da! Das heißt, er muss zum Parkplatz!“ Rudi ließ die Finger über die Tastatur unseres Bordrechners gleiten. „Es gibt zur Zeit auf Grund der Baumaßnahmen nur einen einzigen Ort, wo er den Wagen abstellen kann – mal vorausgesetzt, er will nicht lange zu Fuß gehen! Dieses Parkhaus hier!“ Rudi tickte mit dem Zeigefinger auf einen bestimmten Punkt auf dem TFT-Schirm.
„Dann nichts wie hin“, meinte ich.
Rudi setzte unterdessen das Blaulicht auf unser Dach und ich schaltete das Martinshorn ein.
Ich rechnete fieberhaft.
Wie viele Minuten brauchte Purland, um vom obersten Stock des Rohbaus zum Parkhaus zu gelangen?
Es gab dort keinen Aufzug.
Das war der Punkt, der mir Hoffnung gab.
Ich fuhr direkt zur Ausfahrt des Parkhauses und setzte den Dienstwagen vollkommen verkehrswidrig auf den Grünstreifen, der Ein- und Ausfahrt voneinander trennte.
„Er muss hier her kommen“, sagte Rudi. „Zwar gibt es eigentlich noch zwei weitere Ausfahrten, aber die sind gesperrt, weil die Straßen, in die sie münden zurzeit wegen der Bauarbeiten nicht passiert werden können.“
„Dann sollten wir jetzt auf einen blauen Toyota achten“, meinte ich.
Das Handy klingelte.
Wir nahmen das Gespräch über die Freisprechanlage entgegen. Es war Kriminaldirektor Bock.
„Harry, wo sind Sie jetzt?“
Normalerweise bin ich ein höflicher Mensch und gerade gegenüber einem Mann wie Kriminaldirektor Bock, der sich sein Leben lang im Kampf gegen das Verbrechen engagiert hat, empfinde ich höchsten Respekt. Aber in diesem Moment konnte ich ihm einfach nicht antworten. Ein blauer Toyota erreichte die Schranke an der Ausfahrt. Die Nummer stimmte mit der überein, die uns Herr Guthmann genannt hatte. Der Insasse reckte die Hand aus dem Fenster, um seine Karte einzuführen. Die Schranke hob sich. Für einen Moment war das Gesicht des Fahrers zu erkennen, als es aus dem Schatten hervortauchte,
Es war Benny Purland alias Benny Schmitt alias vielleicht noch ein paar anderer, uns bisher nicht bekannte Namen.
Purland und ich traten annähernd gleichzeitig auf das Gas. Der Chevy machte einen Satz nach vorn. Der Toyota krachte gegen unsere Motorhaube. Wir sprangen aus dem Wagen und zogen unsere Waffen.
Als Rudi an der Fahrertür war und sie aufriss, war Purlands Hand unter der Jacke.
„BKA! Die Hände so ans Lenkrad, dass ich sie sehen kann!“, rief Rudi.
Purland zögerte.
Aber der Blick in die blanken Läufe unserer Waffen zeigte ihm wohl, dass er keine Chance mehr hatte. Er legte die Hände ans Lenkrad. Sein Ärmel rutschte dabei hoch. Das Sonnenblumen-Tattoo war dadurch zur Hälfte sichtbar.
Rudi nahm ihm die Waffe ab, die Purland unter der Jacke trug. Auf dem Rücksitz lag seine berüchtigte Golftasche, in der sich wohl die MK-23 befand.
„Benny Purland, Sie sind wegen mehrfachen Mordes verhaftet!“, sagte ich, nachdem Rudi ihn aus dem Wagen gezerrt und Handschellen angelegt hatte. „Sie haben das Recht zu schweigen.“
Und von diesem Recht machte Benny Purland ausgiebig Gebrauch – denn er sagte kein einziges Wort.
Auch später nicht, bei den Vernehmungen. Aber die Beweislage war so eindeutig, dass die Justiz auf seine Kooperation wohl auch nicht angewiesen sein würde.