Читать книгу Killer & Cosa Nostra: Sammelband 4 Krimis - A. F. Morland, Pete Hackett - Страница 7
Оглавление2
EINE VIERTELSTUNDE zuvor...
Milo Tucker und ich saßen zusammen mit District Attorney James McFarlane und Jonathan D. McKee, dem Chef des FBI-Field Office New York in einem der Verhörräume unseres Hauptquartiers an der Federal Plaza 26.
Durch eine Spiegelscheibe konnten wir beobachten, wie unsere Vernehmungsspezialisten Dirk Baker und Irwin Hunter gerade in die letzte Phase eines Lügendetektortests gingen. Der Mann, um den es ging war kein gewöhnlicher Gefangener. Er hieß Brent J. Atkinson, gehörte eigenen Aussagen nach einer Terror-Organisation von Globalisierungsgegnern an, die sich AUTONOMY nannte und ganz in der Tradition des berüchtigten Una-Bombers stand.
Die Globalisierung sei nichts anderes als eine Ausdehnung des Einflusses der USA, so das Credo dieser Gruppe. Aber nach der Auffassung von AUTONOMY würde das letztlich zu einer Art weltweitem Superstaat führen, den man schon in der Entstehungsphase bekämpfen müsste, wollte man ihn noch verhindern.
Wir wussten leider nicht viel über AUTONOMY.
Die Organisation wurde mit einigen spektakulären Anschlägen in Verbindung gebracht. Vor zwei Wochen war vor dem New York Stock Exchange eine Autobombe gezündet worden, während gleichzeitig ein Hacker-Angriff auf die Systeme der Börsen von New York, Tokio, London und Frankfurt stattgefunden hatten. Der internationale Kapitalfluss war für AUTONOMY so etwas wie das Symbol dessen, was die Anhänger dieser Organisation ablehnten.
Ein hoher Manager eines Software-Konzern war mitsamt seiner Familie und seinem Haus in die Luft gesprengt worden. Bei mehreren Sendern waren Bekenneranrufe von AUTONOMY-Mitgliedern eingegangen.
Seit dem Anschlag auf das World Trade Center war es für Terroristen vom Schlage der AUTONOMY-Leute richtig schwer geworden, die Aufmerksamkeit von Medien und Öffentlichkeit auf sich zu lenken. Aber es lag auf der Hand, dass AUTONOMY den Kampf nicht aufgeben würde.
Allenfalls konnte es sein, dass bestehende Pläne verschoben wurden - in eine Zeit etwa, in der die Sicherheit nicht mehr ganz so groß geschrieben wurde und beispielsweise Politiker sich wieder öfter und ungeschützter in die Öffentlichkeit wagten.
Brent J. Atkinson war ein hochgewachsener Mann mit dunklen Haaren. Er war 35 Jahre alt.
Atkinson war Sprengstoffspezialist bei der Army gewesen, bevor er zur Überzeugung gelangte, dass der Staat an sich (und der amerikanische im besonderen) abgeschafft gehörte.
Bei AUTONOMY hatte er vor allem bei der Vorbereitung von Sprengstoffattentaten mitgewirkt, wie er uns mitgeteilt hatte.
Das besondere war, dass er sich freiwillig in unsere Hände begeben hatte.
Andernfalls hätte es wohl auch noch Jahre dauern können bis wir ihm auf die Spur gekommen wären.
"Ganz gleich, was dieser Test auch auch aussagen mag - ich glaube, dass Atkinson lügt", meinte Milo in die Stille hinein.
Er trank dabei seinen Kaffeebecher leer.
"Sie sollten versuchen, etwas unvoreingenommener zu sein, Agent Tucker", meldete sich District Attorney James McFarlane zu Wort.
Milo zuckte mit den Schultern.
Was wusste ein Mann wie McFarlane schon von dem Instinkt, den man sich im Außendienst erwarb. Den Instinkt für die Gefahr und dafür, ob jemand die Wahrheit sagte oder einen nur an der Nase herumführen wollte!
McFarlane hob die Augenbrauen. "In Atkinsons Aussagen werden detaillierte Angaben über bevorstehende Anschläge von AUTONOMY gemacht! Es ist der erste Aussteiger aus dieser Gruppe. Für seine Sicherheit will er uns sein gesamtes Wissen überlassen. Ich finde, dagegen ist nichts einzuwenden!"
"Vorausgesetzt, der Test fällt positiv aus", meinte Mister McKee nüchtern. Er wirkte abwesend. Die Hände waren in den Taschen vergraben.
Ich hatte die Protokolle von Atkinsons ersten Vernehmungen gelesen.
Danach plante AUTONOMY angeblich Anschläge mit Plutonium und Tollwuterregern. Im Fadenkreuz der Terroristen stand dabei die Stadt New York, weil sie nach Lesart dieser Leute das Zentrum einer globalistischen Verschwörung darstellte, die es abzuwehren galt.
Ich verstand gut, in welcher Zwickmühle sich der District Attorney befand. Er hatte die Wahl zwischen Pest und Cholera. Wenn er Atkinson glaubte und auf seine Bedingungen einging, riskierte er womöglich einem Verbrecher zu helfen.
Denn zumindest wegen Beihilfe zum Mord wäre Atkinson unter normalen Umständen dran gewesen. Aber wenn eines der angekündigten Attentate dann tatsächlich durchgeführt wurde und sich herausstellte, dass man es mit Atkinsons Hilfe hätte verhindern können, hätte nicht nur District Attorney McFarlane seinen Hut nehmen müssen.
Ich betrachtete Atkinsons Gesicht durch die Spiegelscheibe. Der AUTONOMY-Überläufer wirkte sehr ruhig und gefasst. Kein bisschen Nervosität war ihm anzusehen. Er schien genau zu wissen, was er tat.
"Sieht so ein Mann aus, der die größte Angst vor seinen eigenen Leuten hat?", raunte Milo mir zu.
Ich zuckte die Schultern.
"Welches Motiv sollte er sonst haben, zu uns überzulaufen?"
"Gezielte Desinformation vielleicht."
Es dauerte noch ein paar Minuten, dann war der Test abgeschlossen. Mell Horster machte uns ein entsprechendes Zeichen. Nachdem Atkinson durch die Tür trat, nahmen Milo und ich ihn in Empfang. Atkinson trug keine Handschellen.
Er blieb vor dem District Attorney stehen und sah McFarlane direkt in die Augen. Atkinson war einen halben Kopf größer als der Staatsanwalt. "Sie werden feststellen, dass ich nichts als die Wahrheit gesagt habe", murmelte er düster.
"Das hoffe ich. Für Sie."
"Für Ihre Entscheidungen sollten Sie sich nicht allzu lange Zeit lassen. AUTONOMY schläft nicht."
"Möglicherweise blasen Ihre Genossen sämtliche Aktionen ab", meinte McFarlane.
Atkinsons Zähne blitzten. "Das Gegenteil wird der Fall sein! Jetzt, da ich in Ihre Hände gefallen bin, werden sie versuchen, so viel wie möglich unserer Pläne noch durchzuführen!"
"Sie sagen immer noch 'unsere Pläne'", stellte Mister McKee fest. Sein Tonfall war sachlich und nüchtern.
Atkinson wandte sich zum Chef unseres Field Office herum.
"Alte Gewohnheiten legt man nicht von heute auf morgen ab."
Mister McKee zuckte die Achseln.
"Mag sein."
"Noch weiß AUTONOMY nicht, dass ich ein Überläufer bin. Jedenfalls hoffe ich das und Sie sollten auch auf diese Karte setzen. Sie könnten also einen gewissen Vorsprung gewinnen. Eine Zeitspanne, in der die AUTONOMY-Leute noch glauben, dass ich vielleicht die Aussage verweigere und mir von Ihren Verhörspezialisten jedes Detail aus der Nase gezogen werden muss..."
Mister McKee wandte sich an Milo und mich.
"Bringen Sie ihn in seine Gewahrsamszelle."
"Ja, Sir."
"Wir sehen uns nachher zur Besprechung."
Wir nahmen Atkinson in die Mitte und führten ihn ab. In unserem FBI Field Office verfügen wir über einige sogenannte Gewahrsamszellen, in denen Verdächtige und kurzfristig Verhaftete eingesperrt werden können.
Hier war auch Atkinson untergebracht.
Vor seiner Zelle blieben wir einen Augenblick stehen.
Er sah mich an.
"Sie haben keine Ahnung, wozu AUTONOMY fähig ist, G-man!"
"Aber Sie!"
"Ich gehörte zu Ihnen."
"Bislang sind mir die Motive für Ihren Sinneswandel nicht so recht klar."
"Ich habe erkannt, dass der Weg von AUTONOMY ein Irrweg war. Die politischen Ziele dieser Organisation teile ich nach wie vor. Aber ich lehne es ab, Unschuldige dafür büßen zu lassen."
"Späte Erkenntnis!"
"Besser spät als nie. Und außerdem verdanken Sie dieser späten Erkenntnis vielleicht die einzigartige Möglichkeit, Verbrechen zu verhindern, von deren Ausmaß hier in diesem ehrenwerten Federal Building wohl niemand eine rechte Vorstellung zu haben scheint. Was glauben Sie, was es allein schon bedeuten würde, wenn die Wasserversorgung eines Komplexes wie diesem hier mit Plutonium oder Tollwut-Erregern versetzt werden würde!"
"Sagen Sie es mir!"
"Das Chaos würde ausbrechen. Eine angeblich so mächtige Organisation wie das FBI wäre innerhalb kürzester Zeit enthauptet - zumindest hier im Big Apple. Aber etwas Vergleichbares ließe sich ja auch landesweit organisieren. Die ostdeutsche Stasi verwendete Tollwut-Erreger als Mordwaffe."
"Ich habe davon gehört."
"Das Tückische ist, dass die meisten Ärzte gar nicht darauf kommen, dass der Betreffende unter Tollwut leiden könnte. Die Symptome sind zunächst sehr unspezifisch bis es dann zu spät ist. Und über die Wirkung von Plutonium muss ich ihnen ja wohl nichts sagen."
"Warten wir die Testergebnisse ab", mischte sich Milo ein.
Atkinson drehte sich kurz zu ihm um, nickte dann langsam.
Anschließend trat er in seine Zelle.
Die Gittertür schloss sich hinter ihm.
Wir drehten uns um.
Ich hörte noch, wie Atkinson sich auf seine Pritsche warf.
Nur ein paar Schritte hatten wir uns entfernt, da verwandelte sich Atkinsons Zelle in eine Flammenhölle.
Wir warfen uns zu Boden. Eine Welle aus Druck und Hitze fegte über uns hinweg. Ich schützte das Gesicht mit dem Arm, lag bäuchlings auf dem Fußboden.
Die Wucht der Detonation war derart gewaltig, dass die Zellentür aus ihren Halterungen herausgesprengt worden war.
Wir rappelten uns auf. Ein einziger Blick zeigte schon, dass wir für Atkinson nichts mehr tun konnten.
Die Explosion hatte ihn regelrecht zerrissen.