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Am Dienstag, den 3. März 2020 schauten die weltweiten Finanzmärkte fassungslos dabei zu, wie Notenbankchef Jerome Powell eine unerwartete Senkung der Leitzinsen um 50 Basispunkte ankündigte. Damals betrug die Federal Funds Rate 1,75 Prozent und der Dow Jones notierte bei 26 703 Punkten.

»Meine Kollegen und ich haben uns zu diesem Schritt entschlossen, um der US-Wirtschaft zu helfen, angesichts der neuen Risiken im Hinblick auf die wirtschaftlichen Aussichten stark zu bleiben. Die Fundamentaldaten der US-Wirtschaft bleiben stark.«

Jerome Powell

Innerhalb von Minuten fiel der Dow Jones über 1000 Punkte. Powells Notmaßnahme war der Zündfunke für die volatilsten Wochen in der Geschichte des Aktienmarkts und sie führte dazu, dass der Markt in den kommenden Tagen wilde 1000-Punkte-Sprünge nach oben und unten vollführte. Am Ende war der bis dato höchstfliegende Aktienmarkt der Geschichte um zehn Prozent niedergeknüppelt worden und der Zinssatz der »risikolosen« Zehn-Jahres-Schatzwechsel mit fast 0,3 Prozent auf die niedrigste Rendite ihrer Geschichte gesunken. Leider war das erst der Anfang eines sehr langen Monats.

Präsident Trump, der während der ersten drei Jahre seiner Präsidentschaft so gut es ging auf der Welle des Börsenbooms geritten war und seinen gesamten Wahlkampf für die Wiederwahl an den wirtschaftlichen Erfolg im Allgemeinen und die Höhe der Aktienmärkte im Besonderen geknüpft hatte, schien gegenüber der Situation vollkommen unbeteiligt. Wochen vorher, im Februar, hatte er die besten Zustimmungswerte seiner Amtszeit, als der Aktienmarkt auf immer neue Allzeithochs gestiegen war. Am Abend, bevor die Fed ihre Notmaßnahme verkündete, pries Trump die amerikanische Wirtschaft als stärkste Wirtschaft der Geschichte und postete folgenden Tweet:

»Das ist eine unglaubliche Zeit für unsere Nation – wir sind mitten im großen amerikanischen Comeback! Die Jobs boomen, die Einkommen steigen, die Armut sinkt, die Zuversicht wächst und wir haben die tolle Macht des US-Militärs wieder komplett aufgebaut. VERSPROCHEN, GEHALTEN!«

Original-Tweet 2. März, Donald Trump

Was wusste die Notenbank, was der Präsident nicht zu wissen schien? Der Ausbruch eines Virus namens Corona in China hatte sich pandemisch auf der Welt verbreitet. Obwohl das Virus in China entstanden war und sich dort schnell ausbreitete, was die Regierung dazu veranlasste, einen Großteils ihres Landes stillzulegen und die globale Lieferkette zu unterbrechen, wurde es vom Großteil der Welt zunächst als weit entfernt und vorübergehend betrachtet. Diese Sichtweise änderte sich schnell, als sich das Coronavirus in Europa, Japan, Südkorea und den Vereinigten Staaten ausbreitete.

Die Notenbank erkannte den Ernst der Lage. Weniger aufgrund des medizinischen Wissens, sondern vielmehr, weil sie schnell begriffen, dass das Virus der Auslöser sein könnte, vor dem sie schon so lange Angst hatten. Das Coronavirus konnte der Schwarze Schwan sein, der die gesamte Weltwirtschaft als das entlarven konnte, was sie war – ein Kartenhaus, das auf einem Berg von Schulden aufgebaut war und jederzeit einstürzen konnte.

Das unmittelbarste Problem der Fed war, dass das smarte Geld sich der zugrunde liegenden Schwäche der Wirtschaft bewusst war. Über ein Jahrzehnt lang hatte die Notenbank mithilfe einer Reihe von Zinssenkungen und Bilanzausweitungen Liquidität in das System gepumpt. Die Wall Street hatte das voll ausgenutzt. Mehr als zehn Jahre lang waren CEOs und Unternehmensvorstände mit dem Fahrstuhl des freien Geldes aufwärtsgefahren, indem sie sich massiv verschuldeten und Aktienrückkaufprogramme durchführten. Das Ergebnis war ein Aktienmarkt, der auf schwindelerregende Höhen geklettert war, die völlig von den wirtschaftlichen Rahmenbedingungen losgelöst waren. Die Aktienkurse waren im Jahr zuvor um fast 30 Prozent gestiegen, während das Wachstum der Unternehmensgewinne sieben Quartale in Folge im negativen Bereich lag. Der Jahreschart, der die Trendlinien zwischen Aktien und Gewinnen zeigt, stellte einen »Alligatorkiefer« dar, der jeden Augenblick zuschnappen konnte. Die Notenbank hoffte, dass die Ankündigung der Notfall-Zinssenkung Ruhe in den Markt bringen würde. Das Gegenteil trat ein.

Sofort nach Bekanntwerden flohen Wall-Street-Insider, die nach einer Entschuldigung für einen Ausstieg gesucht hatten, gleichzeitig aus dem Markt. Das war eindeutig Neuland. Im Verlauf der vorangegangenen Dekade hatte der Aktienmarkt immer positiv auf zusätzliche Notenbank-Liquidität reagiert. Was für die Wirtschaft oft eine schlechte Nachricht war, war für die Wall Street eine gute. Die Geldwechsler stellten fest, dass die Fed umso mehr Bonbons verteilte, je schlechter die tatsächlichen Zahlen waren. Je mehr »leichtes Geld« es gab, desto größer war der Zuckerrausch und desto höher kletterten die Kurse. Jeder, der diese Wahrheit anzweifelt, muss nur die Bilanz der Zentralbank betrachten. Seit 2009 stiegen die Aktien jedes Mal, wenn die Fed ihre Bilanz ausweitete. Jedes Mal, wenn sie ihre Bilanz kürzte, stürzten die Aktien ab. In dieser Zeit wurde der Ausspruch »Don't fight the Fed«, »Kämpfe nicht gegen die Notenbank«, einst ein Geheimnis von Wall-Street-Insidern, zu einer beliebten Anlagestrategie für Kleinanleger.

Diesmal war es jedoch anders. Unmittelbar nach der Notfall-Zinssenkung durch die Fed begann die Wirtschaft zu krampfen. Jedem, der erwartete, dass die Märkte nach der Ankündigung der niedrigeren Zinssätze steigen würden, wurde auf brutale Art klar gemacht, dass das Spiel vorbei war. Die Zinssenkung half nicht dabei, die Märkte zu beruhigen. Stattdessen fielen die Wertpapiermärkte wie ein Stein. Das nächste planmäßige Treffen der Fed war erst für zwei Wochen später angesetzt, was bedeutete, dass die Märkte auf mehr Zucker wohl noch warten mussten. Diejenigen, die glaubten, dass die zugrunde liegende Wirtschaft stark wäre, wurden von der Geschwindigkeit des Ausverkaufs überrascht. Diejenigen, die sich der massiven Schuldenblase bewusst waren, auf denen die Wirtschaft beruhte, stellten sich sofort auf eine Baisse ein. Sie wussten, dass die Märkte noch viel, viel weiter fallen konnten.

Der Begriff Liquidität bedeutet in Bezug auf Wertpapiere, dass es bei einer Transaktion sowohl Käufer als auch Verkäufer auf der jeweiligen Seite gibt. Wenn es mehr Käufer als Verkäufer gibt, steigt der Wert der Papiere; wenn es mehr Verkäufer als Käufer gibt, fällt der Wert. Wenn alle verkaufen und keiner kauft, nennt man das eine Liquiditätskrise. Als die Märkte in den Tagen nach der Notfall-Zinssenkung der Fed abstürzten, trockneten die Kreditmärkte komplett aus. Die Spanne zwischen dem Geld- und dem Briefkurs von Wertpapieren wurde erheblich größer. Der Mangel an Liquidität bedeutete höhere Volatilität. Der VIX, ein Index, der die Volatilität misst und einen Großteil der vorangegangenen fünf Jahren um die 15 Punkte herum geschwankt hatte, stieg auf 82 Punkte. Der abrupte Anstieg ruinierte zahlreiche Hedgefonds, die den Volatilitätsindex leer verkauft und dabei massive Hebelwirkung eingesetzt hatten. Innerhalb weniger Tage fiel der Aktienmarkt um mehr als 20 Prozent, der schnellste Absturz in einen Bärenmarkt, den die Börse je erlebt hat. Die Abwärtsbewegung beendete eine elf Jahre andauernde Hausse, die der längste Bullenmarkt der Geschichte war. Märkte, die noch ein paar Wochen zuvor gebrummt hatten, stürzten ab. Weitere Notmaßnahmen wurden erforderlich, und zwar vor dem nächsten geplanten Treffen der Notenbank.

Was buchstäblich Öl ins Feuer der Liquiditätskrise goss, war die gleichzeitig stattfindende Entwicklung an den Ölmärkten. Zwischen den ehemaligen OPEC-Partnern Russland und Saudi-Arabien war ein Feiglingsspiel in Form eines Preiskriegs ausgebrochen. Statt sich auf eine Senkung der Fördermengen zu einigen – ein Standardinstrument der Preispolitik des Ölkartells bei einem Nachfrageschock –, beschlossen die Saudis, die Produktion zu erhöhen, und überschwemmten den Weltölmarkt mit ihrem Angebot. Innerhalb von einer Woche fielen die Ölpreise um 50 Prozent von 44 Dollar auf 22 Dollar pro Barrel. Die Saudis steigerten ihre tägliche Fördermenge von zehn Millionen auf fast 13 Millionen Barrel pro Tag. Dieser Anstieg des Angebots trat genau in dem Augenblick ein, als die gesamte Reisebranche weltweit zusammenbrach. Dieses Zusammentreffen bedeutete einen furchtbaren Schock, sowohl für das Angebot als auch für die Nachfrage. Der Kollaps des Ölpreises übte weiteren Druck auf die globalen Wertpapiermärkte aus. Verschwörungstheoretiker fragten sich, ob es sich bei diesem Ölpreiskrieg nicht um einen verdeckten Angriff des russischen Präsidenten Wladimir Putin auf die Vereinigten Staaten handelte.

Egal, was der wirkliche Grund beim Öl war – es war klar, dass die Notenbank mit viel aggressiveren Mitteln eingreifen musste. Eine zweite Notfall-Pressekonferenz fand am Sonntag, den 15. März statt und wurde absichtlich abgehalten, bevor die Vormärkte öffneten. In einer Live-Konferenzschaltung gab ein nervöser Jerome Powell bekannt, dass die Federal Reserve die Zinssätze offiziell auf null Prozent gesenkt hatte. Außerdem kündigte er an, dass die Fed verschiedene andere Maßnahmen ergriffen habe, um zu gewährleisten, dass die Kreditmärkte weiterhin funktionieren würden. Powell beharrte weiterhin darauf, dass diese Aktionen dazu dienten, die Wirtschaft stark »zu halten«.

Die Maßnahmen widersprachen der Rhetorik einer starken und gut funktionierenden Wirtschaft. Im Verlauf mehrerer Pressekonferenzen und weiterer Verlautbarungen der Fed nach ihrer ersten Notfallaktion am 3. März entzündete die Fed eine Liquiditätsbazooka. Neben der Senkung der Zinssätze auf null kündigte sie an, auch den Ankauf von Vermögenswerten wie zu Zeiten der Krise von 2008 wiederaufzunehmen. Sie bot Dollar-Swap-Vereinbarungen und lockerte Bankenregeln, um die Kreditvergabe zu fördern. Sie kündigte den Kauf länger laufender Staatsanleihen und Rückkaufprogramme mit einer Gesamtsumme von mehr als einer Billion Dollar an, um einer Situation zu begegnen, die als »äußerst ungewöhnliche Störungen des Markts für Staatsanleihen im Zusammenhang mit dem Ausbruch des Coronavirus« erachtet wurden.

Die Schritte trugen nicht dazu bei, dem Markt zu helfen. Sie führten vielmehr weiter zum Kollaps, weil die Investoren sich fragten, was die Fed wohl sah, was sie nicht sahen.

Die extremen Maßnahmen signalisierten der Wall Street ein viel tiefer gehendes Problem. Am folgenden Tag erlitt der Aktienmarkt seinen größten Tageseinbruch seit dem Crash vom Schwarzen Montag im Jahr 1987 und fiel in einer einzigen Sitzung um zwölf Prozent.

Bis zum 23. März war der Dow Jones von seinen Höchstständen nur sechs Wochen zuvor um 37 Prozent gefallen. Laut Bloomberg vernichtete der Zusammenbruch 26 Billionen Dollar in den Wertpapiermärkten seit ihren Höchstständen im Februar, ein drei Mal so hoher Verlust an Vermögenswerten wie während der Immobilienkrise im Jahr 2008. Trotz der Beteuerungen der Regierung und der Fernsehmoderatoren verkauften die Anleger zuerst und stellten danach Fragen. Als die Investoren aus dem Markt flohen, verstopften die Rohrleitungen des gesamten Systems.

Die Aktienbörsen haben »Notschalter«, die dazu gedacht sind, das Ausbluten bei einem Ausverkauf zu stoppen. Der Vorgang wird Limit down genannt, und sobald der Markt im regulären Handel um sieben Prozent oder mehr oder im nachbörslichen Handel um fünf Prozent fällt, wird der Handel für 15 Minuten angehalten. Dieser Kollaps-Schutzmechanismus wurde nach dem Schwarzen Montag 1987 eingeführt, als die Aktien an einem einzigen Tag um 27 Prozent abstürzten. Er wurde eingerichtet, um durch Massenhysterie verursachte Verkäufe zu verhindern. Seit der Einführung kam es im aktiven Handel nur zwei Mal innerhalb von 33 Jahren zu einem »Limit down« an den Märkten. In den zwei Wochen, die auf die erste Notfall-Zinssenkung der Fed folgten, kam es zu derart heftigen Aktienverkäufen, dass der Markt sowohl im regulären als auch im Übernachthandel fünf Mal dicht gemacht wurde – ein absoluter Rekord. Das Gemetzel war so blutig, dass selbst sichere Häfen wie Gold verkauft wurden, weil die Anleger nicht schnell genug aussteigen konnten und zu jedem Geldkurs liquidierten.

Der gewaltige Kollaps kennzeichnete die schnellste Bärenmarktrallye in der Geschichte des US-Aktienmarkts. Leider waren die Nachrichten von der übrigen globalen Wirtschaft genauso schlecht. Italien und Frankreich, die schon wirtschaftliche Rezessionen erlitten hatten, verhängten im Bemühen, die Ausbreitung des Virus einzudämmen, einen landesweiten Lockdown. Die Aktienmärkte rund um den Globus stürzten gleichzeitig ab. Zentralbanker von Australien über Japan bis hin zur Europäischen Union hielten Eilpressekonferenzen ab und alle kürzten die bereits auf Rekordtief befindlichen Zinssätze noch weiter, sogar bis hinein in den negativen Bereich. Alle versprachen einmütig, jedes nur mögliche zur Verfügung stehende »Instrument« einzusetzen, um den wirtschaftlichen Zusammenbruch abzuwenden. Sie baten um fiskalpolitische Unterstützung durch die Regierungen in Form von Steuersenkungen und Konjunkturpaketen.

Am Dienstag, den 17. März kündigte Präsident Donald Trump gemeinsam mit seinem Finanzminister Steve Mnuchin Pläne für Konjunkturpakete in Höhe von über einer Billion Dollar an. Das Finanzministerium machte klar, dass man außerdem darauf vorbereitet sei, alle Register zu ziehen. In ihren Pressekonferenzen mahnten sie Maßnahmen an, die extremer waren als alles, was bis dato je in Erwägung gezogen worden war, vor allem von einer republikanischen Regierung. Zwei Wochen, nachdem er die »beste Wirtschaft in der Geschichte Amerikas« angepriesen hatte, schlug der Präsident der Vereinigten Staaten vor, dass das Finanzministerium jedem amerikanischen Bürger einen Scheck über 1000 Dollar ausstellen und die Steuertermine auf unbestimmte Zeit verschieben solle. Innerhalb von zwei Wochen wechselte das Land vom Kapitalismus zum Sozialismus. Allein diese Verordnung würde im Fall einer Zustimmung bedeuten, dass die Staatskasse eine Billion Dollar in Form direkter Zahlungen aufbringen musste. Außerdem würden ihr die 400 Milliarden Dollar Steuereinnahmen fehlen, die sie für den Monat April eingeplant hatte, der stärkste Steuermonat des Jahres.

Bis Sonntag, den 22. März war das vorgeschlagene Konjunkturpaket von einer Billion Dollar auf insgesamt vier Billionen Dollar an Notfallliquiditätshilfe angewachsen. Natürlich erforderte jedes Konjunkturpaket die Zustimmung durch den Kongress. Am Sonntagabend, den 22. März wurde der Fed-Gouverneur von Minneapolis, Neil Kaskari, in der ältesten US-Fernsehsendung, 60 Minutes, zur Hauptsendezeit interviewt. In dem inszenierten Interview sendete Kaskari eine Botschaft an die Märkte. Die Fed würde so viel und so lange neues Geld drucken wie nötig. Das war so nahe an Maslows Hammer1, wie Sie es jemals von einem Zentralbanker hören werden. Die Botschaft war klar. Die Notenbank würde alles in ihrer Macht Stehende tun, um den Dollar zu schwächen. Bis Dienstag stieg der Goldkurs um über 200 Dollar pro Unze, seine größte Zwei-Tages-Bewegung in der Geschichte.

Die Maßnahmen der Notenbank und anderer Zentralbanken rund um den Globus, gepaart mit den Versprechen von Steuererleichterungen der US-Regierung, stellten eine historische Offensive nie dagewesener monetärer und fiskalischer Impulse dar. Solche Konjunkturpakete wurden überall auf der Welt in Gang gesetzt. Die große Geldentwertung hatte offiziell begonnen.

Während diese Maßnahmen die meisten Anleger auf der Welt schockierten, waren doch manche darauf vorbereitet. Ich gehörte zu Letzteren. Das waren genau die Ereignisse, die ich seit über zwei Jahren vorhergesagt hatte. Ich hatte nicht nur erwartet, was kam, ich hatte sogar einen Spielplan entwickelt, was als Nächstes passieren würde. All das ereignete sich, als ich das fertige Manuskript von Die große Geldentwertung beim Verlag einreichte. Obwohl ich damals nicht sicher war, was kurzfristig passieren würde, war ich doch überzeugt, dass der Weg, der vor uns lag, eine lange und schmerzhafte Depression sein würde und wir dabei den größten Vermögenstransfer in der Geschichte der Menschheit erleben würden. Die große Geldentwertung, die in den 2020er-Jahren kommen wird, könnte sich als schmerzhafter herausstellen als die Große Depression der 1930er-Jahre.

Die wichtigste Frage, die niemand zu stellen schien, war: »Woher sollte all das viele Geld kommen?« Alle Regierungen rund um den Globus waren pleite. Im Verlauf der vorangegangenen 20 Jahre hatten sich die globalen Schulden versiebenfacht. Kein Land auf der ganzen Welt war solvent. Selbst Deutschland, das seit den Tagen der Weimarer Republik ein stoischer Verteidiger soliden Geldes gewesen war, brach ein. Deutschland kündigte an, dass es über 400 Milliarden Dollar neue Schulden machen würde, was sich auf zehn Prozent des gesamten BIP beläuft. Was die Sache noch realistischer machte, war die Ankündigung der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel am Sonntag, den 22. März, dass sie sich in eine 14-tägige Eigenquarantäne begeben würde, da Grund zu Sorge bestand, dass sie sich das Virus zugezogen hatte.

Die Kombination aus dem Ölschock und dem Coronavirus stellte einen Schwarzen Schwan dar. Ein Schwarzer Schwan ist ein Ereignis, das so bedeutend ist, dass es die gesamte Perspektive der Menschheit verändert. Diese Ereignisse sind dadurch gekennzeichnet, dass sie äußerst selten sind. Sie richten verheerende Schäden in der Wirtschaft an und können von keinem Prognoseinstrument vorhergesehen werden. Ein Schwarzer Schwan ist per Definition unvorhersehbar. Das Coronavirus ist ein medizinischer Schwarzer Schwan, der sich global ausbreitete. Das Virus greift vor allem das menschliche Atemsystem an und ist hochansteckend. Frühe Berichte besagten, dass die Sterblichkeitsrate fast drei Prozent betrug. Für junge und starke Menschen ist das Virus meist nicht tödlich. Diese Tatsache erhöht die reale Gefahr für die am stärksten gefährdeten Menschen zusätzlich. Die meisten Leute bemerken keine Anzeichen. Viele, die sich infiziert haben, zeigen keinerlei Symptome. Bei vielen dauert es bis zu 14 Tage nach der Ansteckung, bis sie Symptome zeigen. Dadurch wird es viel schwieriger, das Virus einzudämmen, weil die Menschen, die das Virus in sich tragen und weiterverbreiten, oft nicht einmal wissen, dass sie infiziert sind.

Der Präsident bezeichnete das Virus am Anfang als eine »Falschmeldung von den Linken«. Er behauptete, dass das Virus ein politischer Schachzug sei, der von den Demokraten benutzt würde, um die Regierung schlecht aussehen zu lassen. Selbst nach der Notfall-Zinssenkung der Notenbank schien Trump die Schwere der Situation nicht zu erfassen. Er erzählte dem Land weiterhin, dass die Pandemie »unter Kontrolle« sei. Während die Gouverneure von New York, Kalifornien, Illinois, Ohio und Pennsylvania einen Lockdown für ihre Bundesstaaten angeordnet hatten, weigerte sich Trump zuzugeben, dass ein landesweiter Shutdown notwendig wäre. Sein abschätziger Tonfall in den frühen Stadien verstärkte das bevorstehende Chaos. Trump und seine auserkorenen Wissenschaftler hielten fast täglich Pressekonferenzen ab. Während sein Spitzenwissenschaftler Anthony Fauci vor der tatsächlichen Gefahr warnte, bestand Trump darauf, dass das alles schnell vorbei sein würde und die meisten Amerikaner keinen Grund zur Sorge hätten. Er schien sich weitaus mehr Gedanken um den Aktienmarkt zu machen als über die drohende Gesundheitskrise. Bis zum St. Patrick's Day änderte sich seine Tonlage. Es war nicht mehr zu leugnen, dass es eine Gesundheitskrise gab. Die Menschen starben.

Im Lauf von nur zwei Wochen ließ die Federal Reserve eine bunte Mischung geldpolitischer Anreize vom Stapel. Am Dienstag, den 17. März legte die Fed wieder ihre CPFF- und PDCF-Programme auf. Das CPFF oder Commercial Paper Funding Facility versorgt Unternehmen und Haushalte mit Liquidität, während das PDCF Primärhändler unterstützt, die auf großen Beständen von Wertpapieren sitzenbleiben. Am Mittwoch richtete die Fed das MMLF (Money Market Mutual Fund Liquidity Facility) ein, ein Notfall-Liquiditätsprogramm zur Stützung der Geldmärkte. Am Donnerstag schloss die Fed Liquiditäts-Swap-Abkommen mit einer Reihe von Zentralbanken ab. Die Notenbank übernahm in unvorstellbarem Ausmaß die Verantwortung als Kreditgeber der letzten Instanz. Nur wenige Menschen verstanden, dass diese extremen Maßnahmen durch die jahrzehntelange Vorgehensweise der Zentralbanken auf der ganzen Welt notwendig wurden. Die Zentralbanken waren die Brandstifter und wurden jetzt herbeigerufen, um die Brände zu löschen, die sie selbst gelegt hatten.

Bis zum 22. März, nur sechs Wochen nach dem Allzeithoch des Aktienmarkts, hatten die Zentralbanken und Regierungen rund um den Globus zusätzliche drei Billionen Dollar an Liquidität in den Markt gepumpt und kündigten weitere geschätzte sieben Billionen Dollar für die kommenden Wochen an.

Es stellte sich heraus, dass das Coronavirus ein wirtschaftlicher Schwarzer Schwan war. Der Begriff underlying conditions, also Rahmenbedingungen oder Vorerkrankungen2, bezieht sich auf strukturelle Probleme unter der Oberfläche, die sich auf das Fundament auswirken. Der Ausdruck wurde schnell zu einem Teil der Umgangssprache auf der ganzen Welt. Medizinisch betrachtet bezieht er sich auf die Gefahren, die das Virus für schwächere Personen mit gesundheitlichen Problemen darstellt. Während das Virus für die Starken manchmal unangenehm ist, erweist es sich für diejenigen mit hohem Blutdruck, Diabetes, Herzproblemen, Krebs, Asthma und anderen chronischen Krankheiten als tödlich.

Der Begriff Vorerkrankungen passte aber auch in wirtschaftlicher Hinsicht perfekt. Nichts beschreibt die Weltwirtschaft besser. Die Wahrheit war, dass die Wirtschaft, die als stärkste in der Geschichte Amerikas gepriesen wurde, eine Illusion war – etwas, das von außen stark aussah, aber an ernsten Vorerkrankungen litt. Das gesamte Fundament der globalen Wirtschaft war auf einem Haufen billiger und gehebelter Schulden aufgebaut. Das Coronavirus könnte sich auch für das ganze, seit mehr als 75 Jahren bestehende Geldsystem als tödlich erweisen. Das System war nicht nur alt, es stand auch auf einem brüchigen Fundament und litt an der Vorerkrankung Insolvenz, die zu schlimm war, um sie in den Griff zu bekommen.

Die Probleme, vor denen die Welt stand, waren allerdings viel größer als nur die finanzielle Zahlungsunfähigkeit. Eine Vorerkrankung namens Polarisierung und Wut hatte sich bei vielen Menschen auf der ganzen Welt rasant ausgebreitet. Es war die Wut, die von der Ungleichheit herrührte, die durch jahrzehntelange geldwirtschaftliche Interventionen entstanden war. Die Schuldigen waren die Zentralbanken selbst, allen voran die US-Notenbank, und ihre Reaktion auf die Krise rückte ihre Schuld ins Rampenlicht.

Die große Geldentwertung

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