Читать книгу Die große Geldentwertung - Adam Baratta - Страница 17

4 Hustle & Flow

Оглавление

Stellen wir uns einen Moment lang vor, Geld hätte einen eigenen Verstand. Stellen wir uns außerdem vor, Geld hätte sein eigenes Ziel, nämlich den besten Platz zu finden, an den es hinfließt, um sein Wachstum zu maximieren. Wenn die Zinssätze steigen, fließt das Geld aus Finanzwerten in Investments mit einer festen Rendite und in physische Sachwerte. Steigende Zinssätze deuten auf Wachstum hin und regen das Geld dazu an, Verschuldung zu verringern und Schulden abzuzahlen, bevor die Kosten zu hoch werden. Wenn Zinssätze gesenkt werden, geschieht das Gegenteil, und statt in Investitionen zu fließen, fließt das Geld in Kreditaufnahmen, weil das Geld von den niedrigeren Zinssätzen profitiert. Diese Gezeiten erfolgen in einem gesunden Umfeld organisch. In einer gesunden Wirtschaft ist dieses Steigen und Fallen von Zinssätzen organisch und wird Konjunkturzyklus genannt.

In schwierigen wirtschaftlichen Zeiten senken die Zentralbanken durch Interventionen den Preis des Geldes, um Anreize zu bieten. Zu niedrigeren Zinssätzen kann mehr Geld geliehen werden und Schulden können mit geringeren Kosten refinanziert werden. In der Vergangenheit haben diese Interventionen der Zentralbanken dazu gedient, genug Liquidität zu schaffen, um das System zu schmieren und ein höheres Niveau zu erzielen. Das funktioniert nur, wenn es eine Nachfrage nach höherer Kreditaufnahme gibt. In Zeiten großer Unsicherheit wird selbst kostenloses Geld gemieden.

In der Vergangenheit hat die Notenbank angesichts eines Abschwungs die Zinssätze immer sofort um 500 Basispunkte gesenkt. Der finanzielle Kollaps im Jahr 2008 war so extrem, dass diese Standardmaßnahme, nämlich die Senkung der Zinssätze um fünf Prozent, nicht ausreichte. Die niedrigeren Sätze trugen wenig zur Stimulation bei und die Wirtschaft blieb in einer Rezession. Erst nachdem die Fed mit der quantitativen Lockerung begann und Billionen von Dollars druckte, setzte die Erholung ein. Das Verständnis, wohin all dieses neu gedruckte Geld geflossen ist, ist aber essenziell, um zu begreifen, wie groß die heutigen Probleme wirklich sind. Das ganze Geld ist nach oben geflossen. Die Notenbank hat das Finanzsystem beeinflusst. Es wurde so verzerrt, dass alle Vorteile, die neues Geld bietet, auf Kosten aller anderen nur an der Spitze angekommen sind.

Eine kurze Erklärung der quantitativen Lockerung – auch »quantitative easing« oder QE genannt – und ihrer Funktionsweise ist nützlich. Die Fed »kauft Anleihen« und bringt damit Bargeld ins Bankensystem. Dadurch sind die Banken in der Lage, das Geld zu leihen. Der Kauf von Anleihen steigert die Geldmenge und die gesamte Kreditversorgung. Mit jedem Dollar, der geschaffen wird, wird das Kreditvolumen im System verzehnfacht. Wenn die Fed »Anleihen verkauft«, geschieht das Gegenteil. Die Geldmenge sinkt und die Zinssätze steigen.

Ergibt das einen Sinn? Sollte es nicht. Ein vernünftiger Mensch wird fragen: »Woher bekommt die Fed das Geld, um diese Anleihen zu kaufen?« Und während das eine fabelhafte Frage ist, ist es die Antwort weniger, weil die Antwort lautet: Die Fed schafft es aus dem Nichts. Na gut, sagen Sie sich vielleicht, aber wohin geht das ganze neu geschaffene Geld? Das Geld geht an die Banken der Wall Street.

Na gut, sagen Sie, aber was machen die Banken dann mit diesem Geld? Natürlich verleihen sie es, weil Banken das nun einmal tun. Aber sie verleihen es nicht an Sie und mich. Das ganze kostenlose Geld aus der quantitativen Lockerung wurde von den Wall-Street-Banken an große Unternehmen verliehen. Dieses Geld ging nicht an den Durchschnittsamerikaner mit einem Jahreseinkommen von 50 000 Dollar. Tatsächlich brauchte jeder, der in den letzten zehn Jahren versuchte, einen Kredit aufzunehmen, mehr Geld, als er leihen wollte, weil nur diejenigen mit den besten Ausfallrisiken Zugang zu diesem »kostenlosen Geld« hatten. Wenn Ihre Kreditwürdigkeit nicht maximal war, wenn Sie Student oder ein ganz normaler Typ waren, waren Kredite nicht umsonst. Diese Sorte von Kreditnehmern wurde gezwungen, höhere Zinssätze zu zahlen. Nein, nur die Reichen und die großen Unternehmen hatten Zugang zu dem »kostenlosen Geld«. Statt die Wirtschaft anzuregen und das neue Geld an Leute zu verteilen, die es tatsächlich in der realen Wirtschaft ausgeben würden, verliehen die Banken es also an wichtige Unternehmen und große Firmen, die es nur zu ihrem eigenen Nutzen einsetzten, nicht zum Nutzen von anderen.

Aber dann wurde das Problem noch schlimmer. Bei den niedrigen Zinssätzen brauchten die Banken Kreditnehmer, die hohe Zinssätze bezahlten. Sie fanden ihre Kunden bei Subprime-Kreditnehmern. Laut dem Magazin Forbes beläuft sich der gesamte Markt für Unternehmensanleihen auf 15,5 Billionen Euro. Von dieser Gesamtsumme wurde knapp ein Drittel, oder fünf Billionen Dollar, an Kreditnehmer verliehen, die kein erstklassiges Bonitätsranking hatten. Wenn ein Unternehmen mit höherem Kreditrisiko Geld leihen will, kann es das am Markt für Unternehmensanleihen tun. Indem Banken Geld an weniger kreditwürdige Schuldner verleihen, können sie höhere Zinssätze erzielen. Wenn solche Subprime-Unternehmen Geld leihen, nennt man ihre Schulden Junk Bonds oder Schrottanleihen.

Da die Fed das Bankensystem mit Liquidität versorgte, hatten immer mehr Banken Geld zur Verfügung, das sie verleihen konnten. Die Banker jagten dem Markt für Schrottanleihen hinterher. Die riskanten Subprime-Kreditnehmer waren im Vorteil, weil immer mehr Banken sich bemühten, mit ihnen Geschäfte zu machen. Dadurch sanken die Zinssätze für Ramschanleihen und die von den Kreditgebern geforderten Auflagen wurden geringer. Das Ergebnis war, dass Firmen mit miserabler Bonität Billionen an geliehenem Geld zu niedrigeren Zinssätzen erhielten, als ein finanziell verantwortungsbewusster Hochschulabsolvent bekommt, während die Investoren, die ihnen Geld leihen, weniger Sicherheiten haben als je zuvor in der Geschichte.

Eine BBB-Anleihe wird aufgrund des höheren Ausfallrisikos als Schrott bezeichnet. Der durchschnittliche Zinssatz von Junk Bonds lag in der Vergangenheit bei zwölf Prozent. Dieser hohe Zinssatz hat Hand und Fuß. Kreditgeber verlangen höhere Renditen als Ausgleich für die Risiken, die es mit sich bringt, wenn man dieser Sorte von Institutionen Geld leiht. Aufgrund des manipulierten Systems und der verzerrten Anreize haben die Banken ihre Kreditbedingungen gelockert und gehen höhere Risiken ein als je zuvor in der Geschichte. Laut Jeffrey Gundlach von DoubleLine Capital müssten 45 Prozent aller Unternehmensschulden mit BBB bewertet sein. Gundlach ergänzt, dass der Markt für Subprime-Unternehmensanleihen ein fünf Mal größeres Volumen hat als der Subprime-Hypothekenmarkt vor der Immobilienkrise. Diesen Vergleich sollten Anleger besser zur Kenntnis nehmen. Genau dieselbe Konstellation wie bei den Subprime-Darlehensnehmern hat sich in der Welt der Unternehmensschuldverschreibungen eingestellt: Gierige Banker vergeben notleidende Kredite, für die der Normalbürger geradestehen muss, wenn alles den Bach runtergeht. Wir sind auf dem Weg zurück in die Zukunft.

Aber warum gehen die Banker auf unsere Kosten in diesem Spiel immer wieder aufs Ganze? Es geht nur um ihre Boni. Je mehr Kredite ein Banker vergibt, desto höhere Vergütungen kann er einstreichen. Als die Fed die Zinssätze auf null Prozent senkte, begannen die Banken ihre Jagd auf Subprime-Kreditnehmer, die bereit waren, mehr zu zahlen. Als immer mehr Banken auf solche Geschäfte setzten, kippte die Situation zugunsten der Kreditnehmer, weil viel mehr Geld zur Verfügung stand, als es entsprechende Kreditnehmer gab.

Diese Situation führt zu zwei Dingen. Die Banken senken ihre Kreditstandards und verringern ihre Zinssätze ebenfalls, um mit anderen Banken mitzuhalten. Heute liegt der durchschnittliche Subprime-Zinssatz für Unternehmenskredite nicht bei zwölf Prozent, wie man bei solchen Kreditrisiken erwarten würde. Heute liegt der Zinssatz für Unternehmensanleihen im Schnitt unter vier Prozent. Schlimmer noch, diese Darlehen sind covenant lite, was bedeutet, dass sie weniger strengen Bedingungen unterliegen. Diese Kredite sind für die Welt der Unternehmensfinanzierung das, was »Stated-Income«-Darlehen1 für den Immobilienboom waren.

Nun gut, sagen Sie vielleicht, das verstehe ich alles, aber haben die Unternehmen, die all das kostenlose Geld geliehen haben, es nicht benutzt, um neue Leute einzustellen, Löhne zu erhöhen und in die Infrastrukturanlagen zu investieren, die die reale Wirtschaft ankurbeln? Die einfache Antwort ist nein. Das haben sie nicht. Das hätten sie tun sollen. Das passierte früher, wenn die Fed die Zinssätze senkte und die Wirtschaft nicht kaputt war. Diesmal ist es leider nicht passiert. Im Verlauf des letzten Jahrzehnts hat die Wall Street dieses Geld nicht investiert. Stattdessen haben Unternehmen Billionen Dollar kostenloses Geld geliehen – was die Notenbank ermöglichte –, und mit dem Geld etwas völlig anderes gemacht: Sie kauften ihre Aktien zurück.

Versetzen wir uns in die Rolle eines CEO, der kostenlos Geld leihen kann, damit wir ein besseres Gefühl dafür bekommen, was passiert ist. Uns wurden Kredite mit einem Zinssatz von null Prozent angeboten. Die Frage ist, was wir mit dem Geld tun sollen, nachdem wir es geliehen haben. Wir haben eine Reihe von Möglichkeiten. Wir können es investieren und versuchen, unser Geschäft zu vergrößern. Wir können neue Leute einstellen, mehr Marketing betreiben, neue Fabriken bauen und die Geschäftstätigkeit erweitern. Unser Problem bei dieser Option ist, dass es nicht viel Nachfrage gibt und dass es den realen Menschen, die unsere Produkte normalerweise kaufen, finanziell nicht besonders gut geht und sie es sich nicht leisten können, mehr dieser Produkte zu kaufen. Der Versuch, in diesem Szenario das Geschäft durch Investitionen zu vergrößern, ist also ein riskantes Unterfangen. Es besteht die Wahrscheinlichkeit, dass wir dieses Geld verschwenden, wenn wir es investieren. Als CEO entscheiden wir, dass das nicht der beste Nutzen des Kapitals ist, selbst wenn es nichts kostet.

Wir haben noch eine zweite, weitaus attraktivere Option. Wir können kostenlos Geld leihen, und statt es zu riskieren, indem wir es investieren und versuchen, unser Geschäft zu vergrößern, können wir das geliehene Geld auf andere Weise benutzen. Wir können die Aktien unseres Unternehmens zurückkaufen. Das ist, wie sich herausstellt, eine wunderbare Option. Vergessen Sie nicht, dass unsere einzige Aufgabe als Mitglied der C-Riege (CEO, CFO usw.) darin besteht, den Shareholder-Value, also den Nutzen für unsere Aktionäre, zu steigern. Für die Aktieninhaber ist das ein todsicheres Geschäft.

Aktienrückkauf ist eine einfache Rechnung. Nehmen wir an, es sind eine Million Anteile unseres Unternehmens im Umlauf und jede Aktie hat einen Wert von 50 Dollar. Das bedeutet, dass unsere Firma eine Marktkapitalisierung von 50 Millionen Dollar hat. Wenn wir jetzt unsere Aktien zurückkaufen, verringern wir die Anzahl der im Umlauf befindlichen Anteile. Sagen wir in diesem Beispiel, dass wir die Hälfte der Aktien mit geliehenem kostenlosem Geld zurückkaufen. Was wir gerade geschafft haben, ohne irgendwie dafür arbeiten zu müssen, ist unglaublich. Nachdem wir die Anteile zurückgekauft haben, sind jetzt nur noch 500 000 Aktien im Umlauf, die sich auf ein 50-Millionen-Dollar-Unternehmen verteilen. Wie von Zauberhand ist jede Aktie 100 Dollar statt 50 Dollar wert. Das ist eine Win-win-win-Situation. Als CEO haben wir nichts dafür getan, den Gesamtwert des Unternehmens zu steigern und wir haben die Aktieninhaber reich gemacht und sie lieben uns dafür. Wir haben auch uns selbst reich gemacht, weil unsere Vergütung und unser Bonus auf unserem Aktienkurs beruhen. Tatsächlich besitzen wir als Führungskräfte eine Menge Aktien des Unternehmens. Kostenloses Geld zu leihen und unsere Anteile zurückzukaufen ist also für die Aktieninhaber das Beste und für uns persönlich auch. Wir verdienen selbst Millionen von Dollar mehr, indem wir mehr Geld für sie verdienen. Unsere Aktieninhaber sind glücklich und keiner hat einen Schaden. Zumindest reden wir uns das ein.

Aktienrückkäufe machten in den letzten zehn Jahren mehr als 50 Prozent der Rendite am Aktienmarkt aus. Dieses tolle neue Nebenprodukt der durch die Notenbank geschaffenen quantitativen Lockerung hat nur eines stimuliert, nämlich die Wertpapiere im Besitz der Investorenklasse. Das hat die Aktien auf historische Allzeithochs getrieben. Diese Höchststände sind auf Schulden aufgebaut, nicht auf Wachstum. Die Notenbank hat den Boom am Aktienmarkt finanziert, während die Schulden unseres Landes bis in die Stratosphäre geschossen sind.

Als CEO verstehen wird das, aber hey, das ist nicht unser Problem. Wenn die Leute auf all diesen Schulden sitzenbleiben, dann ist es halt so. Als CEO haben wir eine Verantwortung gegenüber unseren Aktionären, oder nicht? Selbst wenn wir ein hochmoralischer CEO wären, der die Risiken und negativen Auswirkungen dieses Vorgangs versteht, könnten wir sowieso nichts dagegen tun. Wir haben Wettbewerber. Wenn unsere Konkurrenz dieses Spiel spielt, werden ihre Aktien steigen und sie erhalten uns gegenüber einen Wettbewerbsvorteil. Aus diesem Grund haben wir als CEO, auch wenn uns die Wahrheit nicht gefällt, eine Verantwortung: die Rendite der Aktionäre zu maximieren. Oder nicht? Das kommt Ihnen bekannt vor? Das war genau die Ausrede der Banken, die wussten, dass sie während der Immobilienkrise toxische Kredite vergaben, die unweigerlich platzten und ein Notprogramm der Steuerzahler erzwangen. Die Banken und CEOs verstehen alle miteinander, wie riskant das ist, entschuldigen ihr schädliches Verhalten aber mit dem Argument, sie hätten keine andere Wahl. Wenn wieder alles in die Luft geht, hat das auf uns CEOs keine Auswirkungen, weil wir das System um zehn Millionen von Dollars abgezockt haben werden, die wir persönlich »verdient haben«, indem wir Shareholder-Value geliefert haben. Die Fed hat den Wilden Westen geschaffen. Ihre Politik hat die gesamte Mentalität und den Fluss von Anlagekapital verändert.

Die große Geldentwertung

Подняться наверх