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Prolog

Der alte Mann sitzt wie jeden Tag auf der Holzbank am Hafen. Ihre Farbe ist an manchen Stellen durch die salzige Meeresluft verblasst, an anderen fast gänzlich abgeblättert. An den groben Stoff seines Hosenbeins schmiegt sich eine dicke, rotbraune Katze, die nur ein Auge hat. Den Daumen seiner linken Hand hakt er in den Hosenträger. Obwohl er sitzt, stützt er sich schwer auf einen derberen Holzstab. Unter seiner Schiebermütze zeichnen sich glitzernde Schweißperlen ab. Auch wenn es noch früh im Jahr ist, ist es bereits warm und der Himmel makellos blau. Gleich schlägt die Glocke im Uhrenturm, es ist früher Nachmittag. Seine tiefblauen Augen, die gerade das gegenüberliegende Festland fixiert hatten, gleiten über das sanft wogende Wasser und erfassen die einlaufende Fähre. Ihr Signal erklingt durchdringend. Kurz darauf legt sie an, spuckt aufgeregt plappernde Menschen aus aller Welt auf die kleine griechische Insel. Alles ist wie immer. Wie seit Jahrzehnten. Menschen kommen und gehen. Tag für Tag, Jahr für Jahr. Heute bleibt sein Blick an einer jungen Frau hängen, die auf der Reling steht. Sie ist allein. Ihr Koffer hat eine auffällige Farbe und ist so groß, dass sie ins Schwanken gerät, als sie das schmale wackelige Brett betritt, das als Gangway dient. Sie ist sehr jung. Der alte Mann seufzt, denn ihm erscheinen viele Menschen sehr jung. Lebt er doch schon ewig. Und hat er doch schon so viel gesehen. Seine Gedanken kehren in den Augenblick zurück, und er schaut sie sich genauer an. Sie hat recht kurzes braunes Haar, das sich wie ein Rahmen um ihr hübsches Gesicht legt. Ihre weichen Rundungen, die sich unter ihrem Kleid zu verstecken versuchen, zaubern ihm ein Lächeln ins faltige Antlitz. Sie erinnert ihn an seine große Liebe. Genau hier hat er sie vor langer Zeit getroffen, als er seinerseits zum ersten Mal einen Fuß auf die Insel gesetzt hatte. Vor viel zu langer Zeit. Sie hatte ihn augenblicklich verzaubert und ihn nie wieder losgelassen… Ein Ruck durchfährt den alten Mann. Denn die junge Frau gerät auf der schmalen Gangway erneut ins Straucheln. Er ist viel zu weit entfernt und inzwischen viel zu schwach, um dem Mädchen, wie er sie in seinen Gedanken zärtlich nennt, zur Hilfe zu eilen. Ein anderer übernimmt diese Aufgabe. Der alte Mann beobachtet, wie der Fährkapitän mit einer Hand nach ihrem Ellenbogen greift, ihn zu fassen bekommt. Mit der anderen Hand ebenfalls den Koffer packt. Nach ein paar Schritten haben beide festen Boden unter den Füßen. Sie lächelt ihn unsicher an und sagt etwas, das der alte Mann nicht hören kann. Aber er ist sich sicher, dass sie in einer fremden Sprache miteinander sprechen. Kurz darauf wird der Blick des Mädchens wieder sicherer, sie zieht sich ihre viel zu warme Jacke aus und nimmt ihren Koffer in die Hand, schlägt den Weg in seine Richtung ein. Als sie an ihm vorbeigeht, schenkt er ihr ein Lächeln aus seinen müden, wissenden Augen, das sie schüchtern erwidert.

Keine Liebe der Welt

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