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Die Feuertaufe

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s war glühend heiß, als wir, das schussbereite Gewehr unterm Arm, hinter jedem Busch den bösen Feind witternd, in den ersten Augusttagen 1914 den steilen Vogesenpfad hinaufkeuchten. Vor uns lag die Kuppe des Donon. Weit und breit kein Franzose zu sehen. Drunten, nördlich von uns, da rollte und grollte es in der Ebene, da durften unsere Kameraden dem Franzmann schon deutsche Hiebe versetzen. Wir hier oben im Grenzschutz, mit dem Armeeoberkommando verbunden durch die Telefonstrippe, fürchteten bereits, überhaupt nie zum Schuss zu kommen. Ab und zu zog ein feindlicher Flieger über unsere Köpfe weg, und dann schlug ein wütendes Gewehrfeuer gen Himmel, immer ohne Erfolg. Es war zum Verzweifeln.

Ich lag mit dreißig Leuten aus dem Hochgebirge Südbayerns in einem kleinen Neste hoch droben und spähte nun schon sechs Tage vergebens auf französische Kavallerie aus. Mein Bursche kochte in des Bürgermeisters Küche für uns alle, und meine braven Kerle, die täglich weite Fernpatrouillen gehen oder auf dem Rade fahren mussten, entwickelten einen mächtigen Appetit. Alles war bei Tag und Nacht bis an die Zähne bewaffnet, denn es war ja Krieg. Schon ein Ausziehen der Stiefel nachts dünkte uns unvorsichtig und gefährlich.

Eines frühen Morgens kam von den Grenzförstereien eine telefonische Meldung nach der andern, der Feind wäre in dicken Massen auf verschiedenen Straßen im Anmarsch. In edlem Kampfeszorn zogen wir ihm entgegen. Bei Vallerystal gab es den ersten Zusammenstoß. Einen überraschenden Feuerüberfall auf nichtsahnende französische Kavallerie aus nächster Entfernung. Nicht umsonst trug die Hälfte meiner Leute die Schützenschnur. Wir sahen und fühlten zum ersten Male die Schrecken des Krieges. Mehr und mehr mussten wir zurück, bedrängt von großer Überzahl. Die ersten Schrapnelle Pfiffen über die Dächer unseres kleinen Vogesendörfchens, und wie die Not am größten war, da erschien von Süden her die Hilfe in Gestalt des 40. preußischen Regiments „Hohenzollern“, dem ich mich mit meinen Leuten unterstellte. Von meiner eigenen Division war ich seit Tagen abgeschnitten und ohne Nachricht; sie kämpfte drunten bei Saarburg.

Frohgemut zog ich als Kompagnieführer im 40. Infanterie-Regiment am Abend über Berge, durch Wald und Schluchten dem Feind entgegen. Am frühen Morgen standen wir in einem Walde, bereit zum Angriff. Zwei bis drei Kilometer vor uns lag drunten im Grunde Hochwalsch; dort sah man mit dem Glase deutlich die Rothosen herumwimmeln. Uns lachte das Herz im Leibe. Dicht neben und hinter uns waren zwei 15-Zentimeter-Batterien aufgefahren und sandten ab 11 Uhr vormittags mit mathematischer Genauigkeit ihre ehernen Grüße hinüber in den dicht-besetzten Ort. Wir sahen unter den Volltreffern Häuser zusammenbrechen und die Kerle drüben wie eine wild gewordene Herde umherlaufen, um Schutz zu suchen vor den einschlagenden Geschossen. Wir lagen inzwischen, noch unerkannt von der feindlichen Artillerie, nicht weit vor unseren Batterien und verpflegten uns aus unseren Feldküchen, während über uns hinüber und herüber die Geschosse heulten. Um 2 Uhr nachmittags kam der Angriffsbefehl. Noch einige Worte an die Kompagnien, dann ging es vorwärts durch Gestrüpp und Unterholz, allen voran unser tapferer Bataillonskommandeur, immer die lange Pfeife im Mund. Noch deckte uns der Wald. Der Gefechtslärm kam näher und näher. Einige eingesehene Lichtungen werden im Marsch-Marsch überschritten. Am Waldesrand legten wir eine kurze Schnaufpause ein. Und nun klopfte doch jedem etwas das Herz, als wir hinausblickten aus den Ort, etwa 1 Kilometer vor uns, und das große Feld mit den fast mannshohen Ähren, das wir im Sturm durchmessen sollten. Doch zu Gedanken war keine Zeit mehr. Der Feind hatte den Angriff erkannt. Mit metallenem Klang zersprangen dicht über und hinter uns ein, zwei Lagen französischer Schrapnelle. Nun vorwärts. Über Zäune und Hecken geht‘s ins Ährenfeld hinein. Trocken knattert von unten das Maschinengewehr- und Infanteriefeuer. Die Querschläger streichen pfeifend durchs Getreide, durch das eine lange Linie, nur mit Helm und blitzendem Seitengewehr die Ährenköpfe überragend, entschlossen vorwärts hastet. Näher und näher kommt der Ortsrand, wir sind noch 600, 500 Meter weg, da erschallt aus viel zu weite Manöversturmentfernung ein vielhundertstimmiges, brausendes Hurra und alles stürzt vorwärts, jeder will der erste am Feind sein. Dort wird das Feuer schwächer. Außer Atem und keuchend kommen wir an. Der Franzose läuft in den Ort zurück, verfolgt von rasendem Feuer. Rechts von mir ist eine Fahne erbeutet. Außerdem haben wir zwei Maschinengewehre genommen, die nicht mehr rechtzeitig abgebaut hatten und deren Besatzung im Nahkampf niedergemacht worden war. Aber nun hatte sich unser Gegner erholt. Aus allen Häusern krachte es uns entgegen, einzeln mussten die Gebäude erstürmt werden. Es floss viel Blut. Kaum hatte unsere Artillerie ihr Feuer etwas zurückverlegt, als schon die französischen Haubitzen eine Lage nach der anderen ins Dorf setzten. Mit Einbruch der Dämmerung war auch der jenseitige Ortsrand genommen. Die Nacht benutzte der Franzose zum Abbau, und am nächsten Morgen ging‘s in rascher Verfolgung über die Grenze auf die Festung Epinal zu.


Stürme und Luftsiege

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