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Warum die Welt ohne Geld nicht funktioniert
ОглавлениеSo einen komischen Traum hat mir noch niemand erzählt. Aber ehrlich gesagt, wenn es so etwas wie die Gesellschaft in deinem Traum geben würde, möchte ich dort leben, denn es hört sich sehr unbeschwert an. Für mich fühlt es sich so an, als ob die Menschen in dem Traum sehr glücklich waren, oder?
Weißt Du, ich hatte dabei ein ganz eigenartiges Gefühl, so als ob es wirklich passieren würde. Als ich heute Morgen aufgewacht bin, war ich traurig, weil es nur ein Traum war. Ich werde jetzt einmal zur Arbeit gehen und dann erzähle ich dir heute Abend den Rest, einverstanden?
Ja, gut, aber beeil dich jetzt, du musst noch die Kinder zur Schule bringen, und auch wenn du schnell bist, wirst du zu spät zur Arbeit kommen. Dein Chef hat dafür kein Verständnis und du weißt, wir brauchen deinen Job. Seitdem ich meinen verloren habe, ist alles ohnehin schon sehr schwierig. Das fehlte uns gerade noch, dass du wegen so einem blöden Traum deine Arbeit verlierst. Ich wüsste ehrlich gesagt nicht, was wir dann machen sollten. Also, hopphopp!
Guten Morgen, Chef, es tut mir echt leid aber …
Aber, aber, das interessiert mich nicht. Sie wissen genau, wie spät es ist. Ich dulde solche Sachen nicht. Wir haben schon unseren Abgabetermin für den neuen Motor versäumt. Es kann doch nicht so schwierig sein, einen Motor fertigzustellen, der ganz normal funktioniert. Es ist ja nicht so, als ob sie einen Null-Emission-Motor zu bauen sollten. Also los, gehen sie an die Arbeit, und wenn so etwas noch einmal vorkommt, überlege ich mir, einen anderen Ingenieur zu suchen, der Ihre Arbeit macht. Heutzutage reißen sich die Menschen um solche Jobs, das wissen sie doch sicher selbst auch!
Ja, Chef, ich bin Ihnen auch sehr dankbar, dass ich diesen Job habe. Ich fange sofort an.
Herr Ingenieur Matetschek, ich kann aufgrund Ihrer Pläne nicht genau sagen, wie wir das schaffen sollen. Es handelt sich hier um ein ganz anderes Konzept. Sie wissen ja, wie unser Boss so tickt, der will Ergebnisse und keine Motoren, die vielleicht ein wenig weniger Sprit verbrauchen.
Jetzt machen Sie mal halblang, Herr Kurz. Ein wenig? Das ist wohl leicht untertrieben. Wenn wir diesen Motor bauen und er auch so funktioniert, wie ich mir das vorstelle, dann braucht der fast keinen Sprit mehr. Das ist ja das Geniale daran.
Sind Sie sicher Herr Ingenieur, dass irgendjemand so einen Motor braucht?
Natürlich, ich glaube sie leben nicht auf dem gleichen Planeten wie ich. Schauen sie sich doch mal um. Die Ölvorkommen gehen unweigerlich zur Neige und außerdem ersticken wir früher oder später an den Abgasen, von der Klimaveränderung ganz zu schweigen.
Ach wissen sie Herr Ingenieur, ich denke wir machen uns zu viele Sorgen. Anscheinend haben jetzt Klimaforscher herausgefunden, dass diese Klimaveränderung ganz normal ist und auf der Erde immer wieder mal vorkommt. Es ist sozusagen ein natürliches Phänomen. Und wegen des Erdöls brauchen wir uns auch keine Sorgen zu machen. Das reicht noch lange. Ehrlich gesagt, mache ich mir ein wenig Sorgen um sie. Sie schauen in letzter Zeit ein wenig blass aus. Der Chef sitzt Ihnen auch ständig im Nacken. Dabei will er doch nur einen Motor, der ganz normal funktioniert. Gut, wenn er ein bisschen weniger verbraucht, ist das sicher in Ordnung. Aber viel wichtiger ist die Leistung die er bringt, ein Liter auf oder ab spielt keine Rolle. Außerdem habe ich läuten hören, dass unser Chef gerade eine Fusion mit einem Ölmulti einfädeln will. Der finanziert angeblich dann die ganze Entwicklung. Und wenn das stimmt, haben wir mit einem Motor, der keinen Sprit mehr braucht, sicher nicht ins Schwarze getroffen. Ich fürchte sogar, dass wir dabei beide unseren Job verlieren könnten. Also bitte werden sie vernünftig und konstruieren sie einen Motor, der den Anforderungen des Chefs genügt. Ich habe zwei Kinder und brauche schließlich meine Arbeit.
Na gut Herr Kurz, ich brauche meinen Job ja auch, also machen wir einen Motor der funktioniert und keine große Revolution einläutet. Angesichts der Geschichte mit dem Ölmulti und der angespannten Finanzlage ist das sicher das Vernünftigste. Allerdings möchte ich Ihnen gerne etwas erzählen. Können wir uns heute in der Mittagspause treffen? Wir arbeiten jetzt schon so viele Jahre zusammen. Ihre Meinung zu einer bestimmten Sache wäre mir wichtig, was sagen sie dazu?
Einverstanden Herr Ingenieur, – wir treffen uns um 12:00 Uhr in der Kantine, dann können sie mir gerne alles erzählen.
Mahlzeit, Herr Ingenieur, also wo drückt der Schuh.
Wissen sie Herr Kurz, ich hatte einen ganz seltsamen Traum von gestern auf heute. Dabei ging es um eine Gesellschaft, in der es kein Geld gibt. Es war irgendwie seltsam, aber auch sehr schön. Wir hatten keinen Stress, meine Arbeit hat mir richtig Spaß gemacht, und unsere Diskussion von vorhin wäre undenkbar gewesen. Wir hätten mit Sicherheit diesen Motor gebaut. Denn in dieser Welt ging es nicht darum die Interessen jener zu vertreten, die ohnehin schon genug haben. Es ging darum das zu tun, was man für richtig hielt. Das zu tun was für jeden das Beste ist, also für die ganze Gesellschaft in der wir leben. Können Sie mir folgen?
Ja schon, aber wie soll denn das funktionieren? Eine Welt, in der es kein Geld gibt. Also mal ehrlich. So was können wirklich nur sie träumen. Jetzt sage ich Ihnen mal, warum das nicht funktionieren kann. Es gibt keinen Menschen auf unserem Planeten, der etwas tut und keine Gegenleistung dafür möchte. Mal abgesehen von ein paar Spinnern und vielleicht noch einigen religiösen Fanatikern, die mit Sandalen durch die Welt tingeln. Aber sonst fällt mir niemand ein.
Mal angenommen, unsere Firma würde diesen Motor bauen, von dem sie so fasziniert sind. Wer sollte denn diesen Motor kaufen, wenn es kein Geld gibt? Wer sollte dann damit fahren und was hätten sie davon? Irgendjemand sollte doch Ihren Lohn bezahlen, und wenn kein Motor verkauft wird, kommt auch kein Geld in unsere Kasse. Das Unternehmen, für welches wir arbeiten, hat dann schnell kein Geld mehr um uns zu bezahlen. Wir werden ratzfatz arbeitslos, sie und Ihre Kinder müssten verhungern, ganz abgesehen davon, dass dies nicht nur für uns beide gelten würde, sondern für alle unsere Kollegen. Bei dem Gedanken wird mir ganz schlecht. Da bekomme ich richtig Angst.
Sie wissen ja dass wir schon 2000 Mitarbeiter entlassen mussten und die meisten leben jetzt vom Staat. Mehr schlecht als recht. So kann das nicht gehen. Ich sage ihnen mal, wie die Welt funktioniert. Jeder schaut auf sich, und wenn man genug hat, kann es ruhig noch ein wenig mehr sein. Aber auf keinen Fall weniger. Außerdem sind wir dazu verpflichtet, mehr zu wollen. Wenn das nicht so wäre, gäbe es keinen Fortschritt. Dann gäbe es Stillstand und Stillstand ist gleich, Rückschritt. Schon mal gehört?
Ja, Herr Kurz, sie haben ja Recht. Mir wird auch ganz übel bei dem Gedanken an die letzte Kündigungswelle und an die Kollegen, die jetzt auf der Straße stehen.
Sie können sich doch sicher noch an Herrn Bilchgruber erinnern. Der hat sich letzte Woche, nachdem ihn seine Frau verlassen hat, das Leben genommen. Angeblich hatte sie eine Affäre mit einem Börsenmakler.
Herr Bilchgruber konnte das wohl nicht verkraften. Ich habe ihn mal getroffen, vor zwei Wochen circa, da hat er schon sehr schlecht ausgesehen. Irgendwie hatte ich damals ein komisches Gefühl, so, als ob er mir unbedingt etwas sagen wollte, aber sich dann doch nicht überwinden konnte. Im Nachhinein bereue ich, dass ich ihm nicht richtig zugehört habe.
Ach, machen Sie sich keinen Kopf, Herr Ingenieur, was hätten sie denn schon machen können. Klar ist der depressiv gewesen. Zuerst der Job weg, dann das Auto, das Haus am See und dann auch noch die Frau und die Kinder. Da würde ich mich wahrscheinlich auch aufhängen. Wissen sie, Herr Ingenieur, ich kann das gut nachempfinden, aber was hätten sie denn schon groß machen können? Ihm einen Job verschaffen, das Haus zurückholen oder vielleicht die Frau?
Nein, sicher nicht, aber ich hätte mir mehr Zeit nehmen können. Vielleicht wäre ihm durch ein Gespräch geholfen gewesen.
Quatsch mit Soße. Machen sie sich nicht selbst fertig. Sie haben das schon richtig gemacht. Dafür gibt es Ärzte. Die wissen schon was in solchen Fällen zu tun ist.
Schon, aber Sie wissen ja wie die meisten Kassenärzte sind. Die müssen ja auch schauen, dass sie irgendwie durchkommen und so viele Patienten wie möglich durchschleusen. Da ist nicht mehr viel Zeit für ein Gespräch. Das habe ich selbst auch schon erlebt.
Was, sie waren auch depressiv?
Nein, ich habe ein Jahr lang an einer Sehnenscheidenentzündung herumlaboriert und alle drei Monate ein neues Medikament bekommen. Nichts hat geholfen. Den Arzt habe ich in dieser Zeit vielleicht drei Mal persönlich gesprochen. Alles andere hat die Sprechstundenhilfe gemacht.
Und das Beste daran war, dass ich gar keine Sehnenscheidenentzündung hatte, es wurde auch nicht besser, bis ich zu einem Heilpraktiker gegangen bin. Der hat mir dann geholfen.
Dem Arzt kann man dabei gar keinen Vorwurf machen, er hatte einfach nicht mehr Zeit. Bedenklich finde ich es trotzdem. Das ist doch ganz klar ein Fehler im System, wenn ein Arzt keine Zeit für seine Patienten hat, weil er sonst selbst zu wenig Geld verdient.
Warum ich mir gerade jetzt darüber Gedanken mache ist schon seltsam.
Hängt sicher mit diesem komischen Traum zusammen.
Schwachsinn, ich sollte mich besser auf die Realität besinnen. Wie sie schon sagten Hr. Kurz, ohne Geld kann es nicht funktionieren.
Na eben Herr Ingenieur, sehen sie, so gefallen sie mir schon besser. Meine Rede. Bauen sie einen vernünftigen Motor, vergessen sie Ihren Traum, und kommen sie wieder auf den Boden der Realität zurück. Dann behalten wir unseren Job und alle sind zufrieden.