Читать книгу My Little Pony - Daring Do und die verbotene Wolkenstadt - A.K. Yearling - Страница 6
Kapitel 3
ОглавлениеDie Rettung von Ravenhoof
Daring Do klopfte erneut das schwere Hufeisen aus Messing gegen die antike Holztür. „Halloooo? Ist hier irgendein Pony?“ Sie hielt ihren Kopf schief und lauschte. Stimmen. Zwei. Sie wartete kurz, bevor sie rief: „Ravenhoof, alter Kumpel, mach die Tür auf! Ich muss duschen und brauche was zu essen! Oh, und ich habe eine Theorie, an der du sicher interessiert bist, über einen besonderen Schatz, den ich dir mitgebracht habe. Es ist das Dia–“ Die Tür schwang auf und A.B. Ravenhoof erschien sichtlich erschöpft im Türrahmen. Sein fusseliger grüner Cardigan war falsch geknöpft und seine Nickelbrille saß schief im Gesicht. Daring Do lächelte. „Du siehst furchtbar aus.“
„Psst!“, fauchte Ravenhoof sie an und hielt Daring die Schnauze zu. „Keinen weiteren Pieps.“ Er wich langsam zurück ins Haus und zeigte auf den Schrank im Flur. „Ah, wie schön, dich wiederzusehen, Compass Rose! Aber ich bin gerade eigentlich beschäftigt …“
„Tut mir leid, dass ich so hereinplatze, Sir“, antwortete Daring Do, die seinen Hinweis verstanden hatte und sich jetzt als Pony namens Compass Rose ausgab. Ravenhoof saß eindeutig in einer Art Geiselnahme oder Überfall fest. „Schenken Sie mir nur einen Augenblick Ihrer Zeit. Den werden Sie doch sicherlich haben, oder?“
Ravenhoof lächelte nervös. „Natürlich. Wie wär’s mit einem süßen Löwenzahntee? Den trinkst du am liebsten, nicht wahr?“
„Wie schön, dass Sie sich erinnern!“ Daring Do sprach in einer Stimmlage, die zu einem Pony passte, das etwas eleganter war als sie. „Zwei Stück Zucker und gerne einen Apfelkeks dazu, falls Sie einen haben.“ Sie ließ sich auf dem geblümten Ohrensessel nieder und gab vor, in einem Buch auf dem Beistelltisch zu lesen, während Ravenhoof in der Küche hantierte. Sie untersuchte das stille Zimmer. Alles schien in Ordnung zu sein, aber sie konnte spüren, dass irgendwas nicht stimmte. „Hatschi!“ Aus der Richtung des Schrankes ertönte ein unterdrücktes Niesen. Aha! Das mysteriöse Pony versteckte sich also dort. Wie unpraktisch. Eigentlich wollte Daring Ravenhoof unbedingt ihren hart erkämpften Preis zeigen und das Diadem von Xilati zur Krone von Teotlale zurückbringen. Ihnen lief die Zeit davon.
Es schien, als würde sie das nur können, wenn sie zunächst das andere kleine Problem aus der Welt schaffte. Ohne weiter darüber nachzudenken, sprang Daring Do – mit den Hinterbeinen voran – quer durch den Raum. Ihre Hufe zertrümmerten die Schranktür und sie entdeckte eine hockende Gestalt, die sich unter einem Haufen aus Umhängen und Hüten versteckte. „Ich kann dich sehen“, erklärte Daring Do. „Wer du auch bist, komm heraus, bevor ich ... argh!“ Daring wurde plötzlich herumgerissen und stürzte zu Boden. Als sie sich wieder umdrehte, sah sie, dass ihr Angreifer ein blassgraues Pony mit einem lila Hemdkragen um den Hals war. Sein Schönheitsfleck war eine lila-gelbe Explosion, die von vier schwarzen Sternen umgeben war. Seine kurze schwarze Mähne war zerwühlt und er grinste sie boshaft an. Sie kannte den Hengst – es war Withers, einer von Dr. Caballerons Handlangern! Normalerweise trug er eine schwarze Sonnenbrille, aber die hatte er wohl im Schrank verloren.
Daring Do warf das Diadem auf Ravenhoofs Schreibtisch und rollte sich weg von Withers über den Boden. Sie war sich nicht sicher, was er hier wollte, aber wenn Withers den Schatz in seine Hufe bekam, würde er sicher versuchen, sich damit davonzumachen – wie auch mit allem anderen, was Daring Do entdeckt hatte.
„Withers!“, rief Daring Do und sprang wieder auf die Hufe. „Was willst du hier?“ Sie ging einen Schritt auf ihn zu und lehnte sich mit einem misstrauischen Blick vor. „Ist Caballeron auch auf dem Weg hierher?“
Das Pony lachte hochmütig und sprang auf den Esstisch aus Holz. Sein Blick schoss alle paar Sekunden hinauf zur Decke. Er sprang immer wieder hinauf zur rostigen Deckenlampe. Irgendwas, das er unbedingt haben wollte, war dort versteckt. In Ravenhoofs Haus gab es viele Gegenstände von großem Wert, daher konnte man nicht so leicht sagen, was es war. Dennoch musste sie es beschützen.
„Hey!“, knurrte Daring, breitete die Flügel aus und flog quer durch den Raum. Sie schwebte über Withers Kopf und versuchte, seinen Blick auf sich zu ziehen, doch er ignorierte sie weiterhin und versuchte die Lampe zu packen. Als er sie schließlich in die Hufe bekommen hatte, begann er hin- und herzuschaukeln, indem er das Lampenkabel so einsetzte, wie Daring Do Lianen im Dschungel. Seine Technik war jedoch schlampig. Withers war eindeutig nicht das sportlichste Pony. Jetzt wurde Daring Do langsam auch klar, dass es sich um eine Solomission handelte. Ohne Verstärkung hatte er keine Chance.
„Ich. Habe. Dir. Eine. Frage gestellt!“, rief Daring Do nun ungeduldig. „Wo ist Caballeron?“ In der Hoffnung, dass es ihn verwirren und nervös machen würde, begann sie um ihn herzumzufliegen. Schon bald verlor Withers den Halt und fiel zusammen mit der Lampe polternd zu Boden. Sein Blick fuhr wieder zu der Stelle hinauf, die er hatte erreichen wollen, und endlich sah Daring Do das Objekt seiner Begierde – ein zusammengerolltes Stück Pergament auf dem höchsten Bücherregalbrett. Ging es bei all dem Aufheben um ein kleines Stück Schriftrolle? Es könnte alles darauf geschrieben stehen. Es musste aber pikant sein. Jetzt verspürte auch Daring Do den heftigen Wunsch, es zu besitzen.
„Ich weiß, was du haben willst, Withers“, bluffte Daring und hielt Withers am Boden fest. „Und du wirst es auf keinen Fall bekommen. Geh, und ich erzähle Caballeron dann vielleicht auch nicht, dass du sogar zu feige warst, um mit mir zu reden. Das kann unter uns bleiben.“
Withers stöhnte besiegt, nickte und richtete sich auf. Das Pony schoss in die Zimmerecke, hob seine Sonnenbrille vom Boden und setzte sie wieder auf. Dann lief er zur Tür hinaus, ohne sich noch einmal umzudrehen.
Daring Do lachte, als sie ihn davon galoppieren sah. Was für ein kläglicher versuchter Diebstahl das gewesen war!
„In Ordnung, da wären wir!“ Ravenhoof betrat mit einem kitschigen Teeservice in den Hufen den Raum. Einladender Dampf stieg aus dem Schnabel der Kanne. Er sprach sehr laut und betonte das ein oder andere Wort, um den Eindringling in Sicherheit zu wiegen. „Ich glaube, ich konnte uns ein paar leckere, äh, Häppchen auftreiben!“ Plötzlich bemerkte er das unglaubliche Chaos aus umgestürzten Möbelstücken und der abgerissenen Deckenlampe. Ravenhoof fiel die Kinnlade herunter. „Was in aller Welt hast du getan, Do?!“ Sein Blick schnellte zum Schrank.
„Ach, der ist weg.“ Daring rieb die Hufe aneinander, als würde sie sie nach einer schweren Aufgabe säubern. Sie sah grinsend über ihre Schulter. „Ich war so frei, mich um Ihre Problemchen zu kümmern … damit wir jetzt zu meinem kommen können.“
Das alte Pony sah noch einmal hinüber zum Schrank, der weit offen stand, und zu der Lawine aus Kleidung, die sich auf den Boden ergossen hatte. Er war ein wenig verdattert, wie so viel in so kurzer Zeit hatte passieren können, doch der Ex-Abenteurer und Aufrührer in ihm war nicht allzu überrascht. „Na, das wäre wohl geklärt.“
„Okay, wo war ich stehengeblieben?“ Daring Do griff in ihre Satteltasche und zog die glitzernde Krone hervor. „Ach ja, bei meinem kostbaren Artefakt, das ich gerade noch rechtzeitig vor verschiedenen San-Palomino-Banden retten konnte und das nun mit seinem Schwesternstück vereint werden soll, damit sich nicht für immer die Dunkelheit über uns herabsenkt.“ Sie drehte die Krone in ihren Hufen herum, damit sie im Licht glitzerte und noch beeindruckender aussah.
„Beim großen Trab!“ Ravenhoof ließ das Tablett mit Tee und Keksen fallen. Klappernd und klirrend verteilte sich alles über dem Boden. Mit ehrfürchtigem Blick eilte er zu Daring Do und nahm ihr die Krone behutsam aus den Hufen. „Du hast es tatsächlich geschafft!“ Ravenhoof war beeindruckt und untersuchte das Diadem – inklusive Juwelen, Inschrift und Kratzer. „Du hast das Diadem von Xilati rechtzeitig gefunden!“
„Genau genommen habe ich es einen Tag zu früh gefunden.“ Daring Do tippte gegen ihren Helm. „Aber wer zählt schon mit?“, witzelte sie. Sie liebten es, sich gegenseitig herauszufordern und zu sehen, wie schnell sie ihr Ziel erreichten. Manchmal wetteten sie um Taler, manchmal nur zum Spaß. Da Ravenhoof langsam in die Jahre kam, war es mittlerweile öfter so, dass er sich die Herausforderung ausdachte und nur Daring auf die Abenteuerjagd ging.
„Ich schätze, ich schulde dir ein paar Taler, du schlaue Stute.“ Ravenhoof lächelte und trottete hinüber zu seinem Schreibtisch. Er griff nach einer Lupe. „Ich dachte, das Diadem wäre für immer verloren, nachdem die Krone von Teotlale auf diesem Trödelmarkt am Fluss aufgetaucht war. Ich dachte, wir müssten aus erstem Huf erfahren, ob die Legende über den Fluch wahr ist oder nicht.“ Ravenhoof ging zu einem Regal in der Ecke, auf dem weiße Wachzylinder gestapelt standen. „Ich habe sogar Kerzen gebunkert!“
„Wofür?“ Daring Do schüttelte den Kopf. „Eine Mahnwache für meinen verlorenen Stolz?“
„Ewige Dunkelheit und all das.“ Er zuckte mit den Achseln und kehrte zu wichtigeren Angelegenheiten zurück. „Aber darum müssen wir uns jetzt nicht mehr sorgen.“ Er hielt die Krone unter die Lupe, die er gegen sein Auge presste. „Faszinierend! Siehst du den Kratzer dort?“ Er zeigte mit seinem Huf auf eine zackige Stelle auf der Krone, die ein wenig der Silhouette einer Stadt in Equestria glich. „Das ist das exakte Gegenstück von dem Umriss auf der Krone der Sandherrscherin! Ich glaube, die zwei Kronen können sich miteinander verbinden!“ Seine grünen Augen leuchteten vor Neugier – es wirkte fast, als hätte er schon vergessen, dass er noch vor wenigen Augenblicken als Geisel gehalten worden war. A.B. Ravenhoof bewegte sich flink. „Sehen wir es uns doch mal an, oder?“
Ravenhoof trabte hinüber zum niedrigsten Bücherregal und fuhr mit seinem Huf über die verstaubten Bücher. Dann zog er ein besonders dickes Exemplar heraus. „Pilze im Südlichen Wald“, stand in bronzefarbenen Lettern auf dem dunkelblauen Buch. Eine kleine Tür an der Rückwand des Buchregals sprang auf, hinter der sich ein Metallsafe befand – der mit einem riesigen, rostigen Schloss verriegelt war! Ravenhoof fummelte an einem Schlüsselbund an seinem Gürtel herum und fand den zum Schloss passenden Schlüssel. Währenddessen murmelte er etwas vor sich hin. Daring Do ragte hinter ihm, um einen Blick auf die anderen Gegenstände im Safe zu erhaschen, aber der alte Abenteurer fand sehr schnell, wonach er suchte: eine kleine, blaue Kiste. Dann verschloss er den Safe, bevor er seine Aufmerksamkeit auf die zwei Kronen richtete.
„Hey, Professor?“
„Ja, Daring?“, antwortete Ravenhoof, ohne den Blick von seiner Aufgabe – das Zusammensetzen der beiden Kronen – zu wenden. Aber es funktionierte nicht.
„Was, glauben Sie, wollte das Pony?“ Daring setzte sich auf ein Sofakissen. „Caballerons Handlanger. Withers ist sein Name. Wissen Sie noch? Oder wurden Sie heute mehr als einmal in Ihrem eigenen Haus als Geisel gehalten?“ witzelte Daring Do.
„Nein, nur das eine Mal. Ich wurde auch nicht wirklich gefangen gehalten, weißt du“, sagte Ravenhoof. „Es war nur ein Spaß. Ich war gelangweilt und dachte, es wäre lustig, ihn für eine Weile zur Gesellschaft hier zu haben.“
„Natürlich!“ Die Geschichte klang unglaubwürdig, doch Daring Do ließ es auf sich beruhen. Sie zog eine Augenbraue hoch. „Okay, aber nur, dass Sie es wissen, er schien darauf aus, etwas von dort oben zu stehlen.“ Daring zeigte auf die Schriftrolle auf dem höchsten Regalbrett. „Was steht denn in der Rolle?“
„Ach, das ist nur ein Rezept für einen Bananen-Leinsamen-Muffin.“ Ravenhoof lachte. „Ich muss wohl immer wieder hinaufgesehen haben, während er mich verhört hat. In der Ecke hing ein Spinnennetz, das ich die ganze Zeit schon wegmachen wollte.“ Er schob seine Brille zurecht und sah wieder auf die Kronen. „Na, jedenfalls schien er zu denken, ich wüsste etwas über Cirrostrata. Er hat mich immer wieder nach einer Karte gefragt …“
„Cirrostrata?“, wiederholte Daring und kramte in ihrem Gedächtnis nach dem Namen. Er kam ihr nicht mal bekannt vor. „Was ist das?“
„Die verbotene Wolkenstadt! Die unsichtbare Himmelstadt!“ Der Professor legte die Kronen auf seinen Schreibtisch und trabte hinüber zu Daring Do. „Sag nicht, dass du noch nie davon gehört hast!“
Daring schüttelte den Kopf. Sie gab nie gern zu, nicht alle Antworten zu haben, aber ihre Neugier war geweckt. Insbesondere das Wort verboten brachte sie immer dazu, genau das Gegenteil von dem machen zu wollen, was empfohlen wurde.
„Es ist sehr gefährlich …“ Ravenhoof sah von seiner Aufgabe auf und hatte einen sehr ernsten Gesichtsausdruck. „Cirrostrata ist angeblich anders als jeder andere Ort auf der Welt. Eine Stadt der Wolkenbewohner, die so geheim sein soll, dass jeder Außenseiter, der versucht hat, sie zu betreten, nie wieder zurückgekehrt ist.“ Ravenhoof stand auf und sah ihr direkt in die Augen. „Deshalb weiß man auch so weniger darüber. Und sie ist unsichtbar.“
„Wie ist es dann möglich, dass wir von ihrer Existenz wissen?“, fragte Daring Do. „Sie könnte eine Fantasie sein – eine Art Märchen.“ Daring Do war in ihrer Karriere schon genügend falschen Hinweisen gefolgt, um nicht allem zu trauen, was sie hörte. Ravenhoof jedoch war eine ihrer zuverlässigsten Quellen. Er wusste, was sie anstachelte, denn ihn stachelte dasselbe an.
Der alte Professor seufzte tief. „Gut, es gibt ein Pony, das behauptet, dort gewesen zu sein. Sein Name ist Brumby. Brumby Cloverpatch. Aber …“
„Aber was?“, unterbrach Daring Do ihn voller Vorfreude. „Ich muss ihn finden!“
„Ich bezweifele, dass er dir helfen wird. Die ganze Geschichte hat seine Karriere ruiniert. Er war mal einer der berühmtesten Entdecker der Welt. Doch nachdem er Cirrostrata entdeckt hatte, aber den Schatz – den Lichtbogen – nicht bergen konnte, ist er nie wieder auf ein Abenteuer gegangen. Kein Pony weiß, was mit ihm da oben passiert ist.“ Ravenhoof schüttelte verzweifelt den Kopf und ein tiefes Dreieck aus Falten bildete sich auf seiner Stirn. „Wirklich eine Schande, ehrlich. Und so ein Rätsel!“ Er sah an Darings Gesichtsausdruck, dass sie nicht mehr aufzuhalten war.
„Wenn ein Pony ihn zum Reden bringen kann, dann ich!“ Daring Do stand auf und auf ihrem Gesicht war ein stolzes Grinsen zu sehen. „Ich werde ihn finden. Dann fliege ich nach Cirrostrata und berge den Schatz. Merken Sie sich meine Worte.“
Das Diadem und die Krone in Ravenhoofs Hufen verbanden sich endlich mit einem lauten Klicken. „Das bezweifle ich nicht.“ A. B. Ravenhoof schüttelte lachend den Kopf. „Aber jetzt trink zumindest erst einen Tee mit mir.“