Читать книгу My Little Pony - Daring Do und der gezeichnete Dieb von Marapore - A.K. Yearling - Страница 5

Kapitel 1

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Auf hoher See

Als Daring Do in ihrer Satteltasche wühlte, wurde ihr etwas übel. Das lag jedoch nicht am Schaukeln des riesigen Schiffes auf der aufgewühlten, rauen See, sondern eher daran, dass von ihren Vorräten – einer einst stolzen Auswahl an getrockneten Äpfeln, gesalzenen Karotten und knusprigem Körnerbrot – nur noch eine trockene Kante Brot übrig war. Damit bekam sie nicht einmal mehr ein Fohlen satt.

Wäre sie nicht gezwungen gewesen, ihre Vorräte während des Sturms auf dem Philippinischen Meer aufzubrauchen, hätte sie länger an Bord der SS Blauer Peter aushalten können. Doch das Leben auf See war unvorhersehbar, und die Strömung hatte das Schiff weit von seinem Kurs abgebracht, sodass sich die Abenteurerin an keinem Hafen von Bord hatte schleichen können, um ihre Vorräte aufzufüllen - die auch der Besatzung auszugehen begannen.

Natürlich bestand immer die Möglichkeit, sich heimlich aus der Kombüse zu bedienen, doch das war ein riskantes Unterfangen. Die Matrosen führten sorgfältig Buch über ihre Bestände, und sollte etwas fehlen, würde man Daring Do sicher schnell auf die Schliche kommen. Drei Tage zuvor hatte sie der Versuchung dennoch nachgegeben und eine Pastete aus einem Stapel gefischt, der als Nachtmahl für die Besatzung angerichtet worden war. Niemandem war etwas aufgefallen, und Daring hatte genüsslich in die blättrige, buttrige Kruste und den weichen Kern gebissen.

Doch als sie später am Abend mit vollem Bauch über ihrer zerfledderten Karte der Unbekannten Tiefe brütete – einen seltenen Reiseführer über die Versunkenen Tempel von Tehuti – überhörte sie, wie der Koch, Greasy Spoon, seiner Küchenhilfe Square Meal vorwarf, mehr als die ihm zustehende Portion gegessen zu haben. Greasy hatte Square sogar gedroht, ihm die komplette Wochenration zu streichen, wenn er nicht gestand. Aus purer Verzweiflung hatte Square schließlich zugegeben, tatsächlich zwei Pasteten gegessen zu haben, aber schlauerweise Greasys genialen Kochkünsten die Schuld gegeben, was seinen Boss milde gestimmt hatte.

Daring hatte sich schrecklich gefühlt, hätte sich aber auf keinen Fall zu erkennen geben können. Sie hatte in den Küstenkneipen viel zu viele haarsträubende Geschichten darüber gehört, was einem blühte, wenn man sich an Bord des Schiffes von Captain Pony dem Älteren schmuggelte und entdeckt wurde, und hatte nicht vor, herauszufinden, ob die Geschichten stimmten, oder nicht. Der Captain war zwar kein Pirat, stand jedoch im Ruf, blinde Ponypassagiere noch schlechter zu behandeln als Hoofbeard.

Plötzlich ging ein Ruck durch das Schiff. Die dreckigen Töpfe, die sich im Waschbecken stapelten, schepperten gegeneinander und Greasy Spoon stieß einen Fluch aus. Daring krachte mit ihrem bereits geschwächten Körper gegen die Holztür und quetschte sich ihren rechten Flügel. Sie stöhnte vor Schmerz auf. Der Flügel war seit ihrem schrecklichen Absturz im Dschungel unweit der Halbinsel Yucatán nicht mehr derselbe, und Verletzungen verärgerten sie mehr als alles andere.

Sie biss die Zähne zusammen, als sie die schmerzende Stelle untersuchte. Es tat schrecklich weh. Daring Do wollte es sich vielleicht nicht eingestehen, aber die vielen Wochen, die sie auf der Suche nach der Kristallkugel von Khumn auf See verbracht hatte, hatten sie ermüdet. Der Legende nach befand sich dieses magische Artefakt knapp zweihundert Meter unter der Meeresoberfläche in einem der Versunkenen Tempel von Tehuti und wurde von einer Statue zwischen zwei goldenen Hufen gehalten. Es hieß, dass die Kugel die Macht besaß, jedes Pony zu heilen, das sie berührte, egal wie krank es war. Zu dumm nur, dass die sagenumwobene Stadt schwerer zu finden war als die Galoppagosinseln! Und wie bei fast jedem Schatz verspürte Daring nicht nur das dringende Bedürfnis, ihn zu finden, sondern auch, ihn zu behalten. Oder zumindest zu verhindern, dass er in die falschen Hufe oder Klauen geriet.

Aber auch wenn ihre Suche bisher nicht erfolgreich gewesen war, war sie nicht bereit, aufzugeben. Daring musste einfach nur noch mehr forschen und noch tiefer in die unergründlichen Tiefen von Tehuti und Khumn abtauchen. Danach würde sie umgehend die Heimreise antreten – natürlich mit mehr Vorräten, dieses Mal vielleicht sogar mit getrockneten Pfefferbirnen, ein paar Apfelküchlein und einem kleinen Kissen.

Ein kräftiger, kalter Windstoß blies in den Kabinenschrank, in den sie eingepfercht war. Das klapprige alte Mahagoniholz war an einigen Stellen so stark abgesplittert, dass sich Löcher gebildet hatten, durch die sie jedoch Captain Pony und seine seefahrenden Rabauken (alias die Königliche Marine) an Bord der SS Blauer Peter wunderbar ausspionieren konnte. Warm war ihr dabei allerdings leider nicht geworden.

Daring Do massierte ihren empfindlichen Flügel. Die starken Winde waren viel zu gefährlich gewesen, um Flugversuche zu wagen. Davon abgesehen hätte Daring es niemals riskiert, entdeckt zu werden. Nicht in einer Million Jahren. Man hätte sie bestimmt im nächsten Hafen von Bord geworfen, und das Hunderte von Meilen von ihrem Zuhause entfernt. Also war sie in ihrem Versteck geblieben und hatte es so zumindest in einem Stück ans Ziel geschafft.

Daring musste an ihr warmes Bett in ihrer Hütte im Wald denken. Sie zermarterte sich den Kopf, konnte sich jedoch nicht erinnern, wann sie das letzte Mal dort geschlafen hatte. Bevor sie losgezogen war, um die Kristallkugel von Khumn zu finden, hatte sie nach dem Talisman von Tenochtitlan gesucht. Und davor war sie mit ihrem verletzten Flügel im Dschungel in einen Hinterhalt geraten, als sie Ahuizotls Tempel gesucht hatte. Daring Do lebte nun einmal gerne auf der Überholspur, und Müßiggang führte ihrer Meinung nach zu Langeweile. Es gab schließlich immer Schätze zu entdecken und Ponys in Not zu retten!

Plötzlich näherte sich der Bootsmann, ein stämmiger gelber Hengst namens Steel Anchor, Darings Versteck. Sie erkannte ihn am schweren Schritt seiner Hufen auf den Planken. Tatsächlich hatte sie in den Wochen auf dem Schiff alleine durch genaues Hinhören gelernt, fast die gesamte Crew an ihren Gewohnheiten zu unterscheiden.

„Hey!“ Steel Anchor blieb genau vor ihrer Tür stehen. „Hast du das vom alten Mo gehört? Er hat sich verwandelt …“

„Wirklich? Was für ’ne Schande …“, antwortete Sea Storm, ein junger Kadett, und senkte seine Stimme zu einem Flüstern. Daring presste ihr Ohr gegen das Holz, um kein Wort zu verpassen. Sie hatte zwar keine Ahnung, wer dieser Mo war und in was er sich verwandelt hatte, aber Informationen waren wertvoll – egal welche. Und das hier könnte interessant werden … „Hätte man sich ja denken können“, fuhr Sea Storm flüsternd fort. „Der arme Kerl hat’s echt nicht leicht mit seiner Flanke und so. Fiese Sache. Zu blöd, dass er nicht …“

Doch da wurde da Gespräch abrupt von einem „Land in Sicht!“ unterbrochen. Weitere Rufe folgten, und die Besatzung begann aufgeregt herumzuwuseln und das Schiff zum Anlegen bereitzumachen. Sie hatten endlich den Hafen erreicht.

„Wurde auch Zeit“, grummelte Daring. Sie stopfte ihre Karte, die trockene Brotkante und den gestohlenen Krug Apfelsaft in ihre Tasche und machte sich bereit, von Bord zu gehen. Falls ihre Berechnungen stimmten, würde die SS Blauer Peter in der Hufeisenbucht anlegen, einer kleinen, glitzernden Bucht an der Ostküste von Equestria. Wenn es ihr gelang, das Schiff unbemerkt zu verlassen, würde sie etwa einen Tag bis nach Hause brauchen.

Nach langer Zeit auf See an Land zu gehen, fühlte sich immer seltsam an. Aber wenigstens hätte sie dann mehr Optionen. Es würde wunderbar sein, wieder festen Boden unter sich zu spüren, auch wenn sich ihre Hufe bei jedem Schritt schwer wie Blei anfühlten. Autsch!, dachte sie, als sie versuchte, ihre Flügel zu strecken. Die Massage hatte nicht viel gebracht. Anscheinend würde ihr sogar das Fliegen schwerfallen.

Ach, wird schon schiefgehen!, sagte sie sich und stürzte aus der Kombüse. Sie machte einen großen Satz über die Reling und sauste so schnell sie ihre Flügel trugen in den kalten, azurblauen Himmel hinauf. Die Besatzung war so beschäftigt, dass nur einer sie bemerkte.

Square Meal, die magere Küchenhilfe des Kochs, kratzte sich verblüfft die Mähne, während der blinde Passagier immer kleiner wurde. Hatte er wirklich gerade ein goldenes Pony mit einer grauschwarzen Mähne aus dem Küchenschrank fliegen sehen? Square Meal, dem die verschwundene Pastete wieder einfiel, runzelte die Stirn.

„Auf Wiedersehen, Captain Pony!“, lachte Daring, als das Schiff unter ihr immer kleiner wurde und mit seinen gehissten Segeln aussah, als könnte man es direkt neben die Bauklötze und Puppen in die Spielzeugkiste eines Fohlens stecken. „Vielen Dank für die Mitfahrgelegenheit!“, rief sie und tippte sich an ihren Tropenhelm, obwohl sie schon viel zu weit weg war, als dass die Seefahrer sie hätten hören können. Sie jagte durch den Wind und fühlte sich so frei wie ein Drache, der zum ersten Mal in den Süden flog.

Obwohl sie ausgehungert, erschöpft und verletzt war, konnte sie ein Lächeln nicht unterdrücken, als sie sich auf den Heimweg machte. Frische, salzige Luft füllte ihre Lungen, und sie dachte darüber nach, was wohl als Nächstes geschehen würde. Was auch immer es war, Daring Do konnte nicht erwarten, es herauszufinden. Wenn das Abenteuer rief, musste alles andere warten.

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