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Das Schlangenei

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Als ich durch das unsichtbare Tor hindurchglitt, war mir, als ob ich durch ein Fenster meiner Seele blickte und mir selbst zuschaute, wie ich auf einer Welle mysteriösen Erkennens in eine Welt der Leere und der endlosen Einsamkeit eintauchte, denn in mir formte sich das Bild von Sündern, die sich zu den embryonalen Gestaden des Unbewußten träumten. Schritt für Schritt sah ich mich von blasenförmigen Gebilden umzingelt. «Was sind das für schemenhafte Wesen?» fragte ich Akron, meinen Begleiter.

«Es sind die Spiegelbilder der Nacht», gab dieser zur Antwort, «die Ungeborenen, die sich in den Schatten der Nacht manifestieren.»

«Sie fühlen sich so tot an, so ohne Leben», stellte ich fest.

«Das rührt daher, weil sie keinen Körper haben», sagte er.

«Wo haben sie denn ihre Gestalt, mein Seelenführer?»

«Sie halten sie vor sich selbst verborgen, weil sie sich als die geheimnisvollen Instrumente einer höheren Eingebung wähnen, was in Wahrheit aber nur der schiefen Wahrnehmung ihrer Wirklichkeit entspricht.»

«Wie läßt sich das verstehen», erwiderte ich.

«Sie benutzen uns gewissermaßen als Spiegel, um sich in unseren Gedanken reflektieren zu können», versuchte er mir das Geschehen um mich herum näherzubringen, «da sie ihre Träume aber ebenso in unsere Vorstellungen wie wir unsere Vorstellungen in ihre Träume einbringen, führt das zu einem doppelten Umkehrschluß, daß nämlich ihre Träume durch unsere Lebensperspektive in dem Ausmaß schärfere Konturen gewinnen, wie sich unsere Lebensperspektive durch ihre Träume auflöst.»

«Jetzt versteh ich überhaupt nichts mehr!» Das war keine Übertreibung.

«Sie löschen den Verstandeszensor im Hirn der Opfer aus und ziehen die armen Sünder in ihre ewigen Träume hinüber. Doch warum willst du sie nicht selbst fragen?» Akrons Blick und sein schelmisches Lächeln verwirrten mich: «Du bist doch selbst ein Teil ihrer Wirklichkeit geworden. Siehst du das Wesen neben dir? Es hat dich soeben in seinen Traum einbezogen.»

Erschrocken drehte ich mich um. Ein mächtiges Lichtei schwebte auf mich zu. Ich konnte sein Äußeres nicht befühlen, aber es wirkte so seltsam glatt wie eine polierte Kugel, und es strahlte eine starke Bewußtheit aus. Dann stieß es mich an. Ich empfand es nicht als Berührung, eher wie ein leises Eindringen, und mir war, als sei ein Teil von mir, der in mir eingeschlafen war, durch diese Berührung wieder aufgeweckt worden.

«Wer bist du?» fragte ich. Ich hatte das Gefühl, als erwachte ich aus einem Traum, doch gleichzeitig hatte ich meine Bedenken, ob diese schimmernde Kugel nicht mehr war als nur ein Traum. Weder bewegte sie sich, noch veränderte sie ihre Gestalt. Und trotzdem übte sie eine so mächtige Anziehung aus, daß ich meine Aufmerksamkeit nicht von ihr lösen konnte. Eine sonderbare Kraft hielt mich wie festgewurzelt an der Stelle: «Ich bin der Horizont deines Traums», antwortete die Kugel, «der sich über deine Bilder wölbt und an deren Schnittpunkten Realität und Einbildung miteinander verwoben sind, und ich habe über uns einen spinnennetzfeinen Schleier ausgespannt, in dem alle Grobheiten des materiellen Imperativs festkleben und hängenbleiben und nur der Geist des Konjunktivs transparent genug ist, die Maschen des Netzes zu überwinden und in unsere Traumwelt vorzudringen. Diese Verfeinerung der Realität, die alles Grobstoffliche aussiebt und uns eine andere Wirklichkeit träumen läßt, ist unser Ziel: das Paradies.»

«Laß dich vom Dämon nicht aufs Glatteis führen», Akron schlug mir mit seinem Schlangenstab aufs Haupt, «sonst bist du auf ewig in seinem Traum gebannt! Sieh ihn nicht an, sondern versuche, durch ihn hindurchzuschauen, dann siehst du seine wirkliche Gestalt!»

Ich hatte ein seltsam milchiges Objekt vor Augen, eine Art gefleckten Nebels, der in ständig metamorphosierenden Farbtönen vor mir pulsierte. In der Mitte war ein mächtiges Loch, das mich einsaugte und sich als das Maul einer Schlange entpuppte, die mich verschluckte und Stück für Stück hinunterwürgte, und ich spürte, wie mich dabei ein starkes Lustgefühl ergriff. Meine Wirbelsäule geriet ins Schwingen, der Raum wurde zum Raumschiff, zur Pagode, zum Tempel, und ich fühlte, wie das göttliche Licht in mich einströmte. Es war eine faszinierende Vision, als sich die Träume wie eine Glaskuppel über die Säulengänge meiner inneren Gehirnkammern wölbten und ich aus der Tiefe eine erhabene Stimme vernahm: «Ich bin der Sternenhimmel für die Einstrahlung des Kosmos in den erahnenden menschlichen Geist oder das versunkene Atlantis als Symbol für das aus den Tiefen leuchtende Licht, denn ich bin die in dir wurzelnde letzte Frage nach dem inneren Selbst, die in dir erwacht ist, um dir zu zeigen, welche Erkenntnisse du aus deinen Träumen ziehen kannst. In mir lernst du das Göttliche in dir selbst erkennen, das sich aus dem Kokon untauglicher Lebensmuster herausgeschält hat, und in mir werden deine Sehnsüchte in die Kelter der sich vermischenden Weltbilder geworfen, in deren Verdichtungen die Prägungen deines Bewußtseins zugunsten höherer Entwicklungsstufen jetzt transformiert werden. Bist du soweit? Der Countdown läuft!»

Gleichzeitig vernahm ich Akrons Stimme. Sie flüsterte mir zu, daß ich sofort handeln müsse, wenn mir mein Leben noch einen Pfifferling wert wäre. Der Dämon dieser Hölle sei der Geist der Delirien und Drogenräusche, der den Gespenstern als Zwischenwelt diene, der ätherische Schleier der kollektiven Sehnsüchte, der meine inneren Bilder erwecke oder die Illusion aus dem Reich der Tiefe, die mich anziehe und mich niemals mehr loslassen würde, wenn ich ihr verfiele. Ich solle direkt auf das Phantom zugehen und es aus dem hüllenden Lichtkreis ziehen. Dann erst könne ich sein wahres Gesicht sehen.

Plötzlich erkannte ich, daß ich wie der doppelgesichtige Januskopf zwei Ebenen gleichzeitig wahrnahm. Links neben mir stand mein Seelenführer im tiefen Morast. Und direkt vor mir sah ich die schwebende Blase in einem kränkelnden grünen Licht. Sie zitterte, wich zurück, als ob sie ahnte, was ich vorhatte. Ich konzentrierte mich einen Augenblick, dann faßte ich mit meinen Händen dorthin, wo sich nach meinem Ermessen ungefähr der Hals befinden mußte, und packte zu. Das aber, was ich zwischen den Fingern hielt, als ich zugegriffen hatte, war kein Phantom, sondern eine zappelnde, grünschillernde Schlange.

«Erwürg sie nicht, sonst bist du verloren – küsse die Schlange auf den Mund», hörte ich Akron abermals sagen. Als ich meine Lippen an ihr Gesicht brachte, explodierte direkt vor meinen Augen ein Blitz, dann öffneten sich die pharaonischen Totenkammern in meinem Gehirn: vegetative, insektoide Gebilde, um die tieferen Schichten meiner Reptilien-Anfänge gewunden, die sich als larvale Kreaturen in den Spiegelräumen meines Egos suhlten und vom Höllenwurm träumten, der sich durch seine eigenen Gesichter hindurchfressen mußte. Durch meinen Kuß schien die Schlange erlöst, denn ihre zuckenden Energien schlüpften elegant in den schützenden Schleier der Nacht zurück. Und wieder ertönte mir Akrons Stimme im Ohr, ich solle das Phantom jetzt aus dem hüllenden Schatten ziehen, dann könne ich sein wahres Gesicht sehen.

Plötzlich leuchtete das Gesicht der Wahrheit vor mir auf: Ein tiefer Donnerschlag erschütterte die Luft, die Erde erzitterte, ich stürzte zu Boden und hielt mich an Akrons Beinen fest. Es war der Schock, der mich durchdrang, denn was ich aus dem Schatten herauszog, war mein eigener Kopf, der lächelte und mich dabei mit meinem eigenen Blick ansah.

Ich habe dich gewarnt», polterte auf einmal Akron und schlug mir mit seinem Caduceus auf den Kopf: «Versuch, deine Vorliebe für Horrorinszenarien zu zügeln, sonst kommst du aus dieser Hölle nicht mehr lebend heraus. Mach die Augen auf! Was hast du gesehen?»

Als ich die Augen öffnete, sah ich die scheußliche Schlange direkt neben mir. Sie war groß und häßlich und ringelte sich um Akrons Bein. Ich versuchte sofort sein Bein loszulassen, doch es gelang mir nicht, denn ich konnte meine Arme nicht bewegen. Erst da bemerkte ich, daß sie zu einem Teil der Schlange geworden waren, denn als ich an mir herunterblickte, sah ich, daß ich mich in eine Schlange verwandelt hatte. Dieses Bild verschwand in dem Augenblick, als Akron der Schlange mit seinem Stock den Kopf einschlug.

Dantes Inferno I

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