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Die Höllen der Sexualität

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Um die Dämonen in meinem Kopf zu bannen, die von meinen Gedanken aufgescheucht worden waren, legte ich mich in die Badewanne und drehte den heißen Duschstrahl auf. Das Wasser strömte über meinen Körper. „Zerbrich dir nicht den Kopf über diese Hölle! Bemühe dich lieber, mich besser zu spüren“, vernahm ich auf einmal eine krächzende Stimme.

„Wer spricht da?“ Ich konnte niemanden sehen, aber plötzlich spürte ich unter der Brause eine starke Energie. Ich hatte das Gefühl, als ob mich im perlenden Strom eine Botschaft erreichte, während die Handbrause spielerisch zwischen meinen Beinen kreiste.

„Glotz nicht so blöd! Ich bin dein Freund…“, gurgelte es spöttisch unter dem Strahl.

„Träum’ ich oder was ist hier los?“ seufzte ich weniger erschrocken als erstaunt, denn ich war mir sicher, zu träumen, und im Zustand der Träume ist man sich allerhand Seltsames gewohnt.

„Warum glaubst du mir nicht? Wenn du akzeptierst, daß hier alles ganz anders ist, bist du bereits ein Teil unserer Welt. Schließlich hältst du mich ja in der Hand!“ kam es postwendend zurück. Ich schaute auf und bemerkte sofort einen glühenden Effekt, der über meinem Wurzelchakra erschien. Es war wie ein wellenförmiges Reflektieren der Lampen im Sprühnebel der tanzenden Wasserperlen.

„Das ist nicht zu fassen“, antwortete ich und wurde langsam erregt, „du fühlst dich wirklich an, als wärst du mein bestes Stück…“ Ich ließ meinen Blick durch den irisierenden Perlenschleier hindurchgleiten, und sofort begann er, seinen Glanz zu verlieren, und darunter kamen die vertrauten Züge meines Geschlechtsteils zum Vorschein.

„Nun ja, ich bin seit Urzeiten der beste Freund des Mannes, der ihn begleitet und zu seinen Zielen treibt.“ Irgendwie hörte sich seine Aussage ironisch an.

„Also doch mein Schwanz“, erwiderte ich und spürte, wie die Substanz in meiner Hand anschwoll, „das einzige, was mir unerklärlich ist, daß du sprechen kannst…“

„Ich bin nicht nur dein Schwanz, ich bin auch dein Freund, und es ist auch nicht ungewöhnlich, daß ich sprechen kann, es ist nur so, daß du mich bisher nicht hören konntest. Normalerweise haben Menschen für mich nur taube Ohren.“

„Und wieso kann ich dich dann verstehen?“ Ich richtete meine Aufmerksamkeit auf mein Genital und stellte fest, daß die Energie dort immer stärker wurde.

„Weil du jetzt bereit bist…“

„Bereit zu was?“ Was ich sah, war ein energetisches Funkenmeer. Diese Funken strahlten tatsächlich so etwas wie Bewußtsein aus, das mich in einer seltsamen Weise zu durchdringen begann.

„Bereit den Stöpsel herauszuziehen!“

„Welchen Stöpsel?“ Durch den Verschmelzungsprozeß flogen mir unversehens Erinnerungsbruchstücke zu, die mit sichtlicher Kraft auf mich zugeschossen kamen, bevor sie wieder zurückschnellten, so als wären sie Pingpong-Bälle, die gegen die Mauer meines Bewußtseins prallten.

„Der Stöpsel, der dein abgegrenztes, kleines und kontrolliertes Bewußtsein vom dunklen Unbekannten trennt!“

„Ich habe keine Ahnung, was du mir mitteilen willst“, sagte ich offen. Ich versuchte, einen Fuß in den Spalt zu kriegen, der hinter seinen Worten zum Vorschein kam.

„Der Stöpsel hält das Wasser in der Wanne zurück. Ziehst du ihn ‘raus, dann fließt es über komplizierte Ablaufsysteme und Kanalisationsschächte in die Welt hinaus und transformiert sich, bis es irgendwann wieder in eine Form einfließt.“

„Wie du willst“, brummte ich und bückte mich vor. „Ich bin sowieso gleich fertig und zieh ihn ‘raus.“

„Nicht so…“, rief mich die Stimme sofort zurück.

„Wie dann?“ Ich merkte, daß mich mein Schwanz wie eine unsichtbare Hand vorwärtszog. „Wie soll ich den Stöpsel herausziehen?“

„Der Stöpsel ist der Durchgang zu einer anderen Welt, und du ziehst ihn aus deinem kontrollierten Verstand, indem du mich zum Abspritzen bringst…“

„Erzähl keinen Mist… das glaub ich dir nicht!“ Ich schüttelte den Kopf. Es war wie ein halbwacher Zustand mit dem alptraumähnlichen Bild einer als Geschlechtsteil von mir abgespaltenen Gestalt.

„Wenn du ejakulierst, wirst du in die klaustrophobische Hölle deiner verdrängten Geburtserinnerungen gespült. Dort erwartet uns der Drache in seiner schrecklichsten Emanation. Der Kampf mit dem Ungeheuer ist der einzige Sinn dieser Hölle, sonst bleiben wir auf ewig in deinem Geburtstrauma gefangen!“

„Das klingt ja so, als ob du einen starken Kerl bräuchtest, der dir hilft…“, lachte ich laut.

„Das stimmt!“ entgegnete er gequält und keuchte schwer: „Gleich komme ich… es ist soweit…“

Ich spürte die Erektion in meiner Hand und merkte, daß der Schwanz der Führer war, der mich auf die andere Seite hinüberzog. Die verdrängten Bilder in meiner Erinnerung ballten sich zu einer Feuerspirale in meinem Hirn, und auf einmal erschien eine Pyramide mit einem irisierenden Leuchten an den Kanten der Ränder, in deren Mitte ein glühendes Auge schimmerte. Sie öffnete sich wie eine Teichrose im Sumpf der Verderbnis. In der Mitte der sich auseinanderfaltenden Blüte leuchtete der spiralförmig gewundene Todeswurm, der sich zu einem aufklaffenden Chromosomenkern spaltete, in dem meine Nukleoiden einprogrammiert waren. „Ich will hier ‘raus!“ kreischte ich. Das Auge in der Pyramide begann sich zu drehen und vor meinem inneren Sehen spulte sich mein ganzes Leben ab. Ich folgte den Spuren meiner Entwicklung bis zu meinem Geburtstrauma zurück. „Das Kind erstickt!“ hörte ich plötzlich einen Schrei aus einer der danteischen Schreckenskammern, und im nächsten Moment stand meine Mutter vor mir und führte mich zur Tür: „Willkommen in der Hölle!“

„Und wer ist dieses Ungeheuer?“ stöhnte ich ekstatisch und ein eruptiver Schauer jagte durch meinen Körper. Mein Schwanz wurde total hart, aus der Eichel züngelten Flammen.

„Die Große Mutter, die uns geboren hat!“

„Was ist passiert?“ erwiderte ich erschöpft. Ein kreisender Strom zerschnitt die Sicht. Alles um mich herum erschien mir wie eine rasende Gischt. Es war, als hätten Himmel und Hölle ihre Schleusen geöffnet. Zwei rötliche Augen funkelten aus den aufgepeitschten Fluten hervor. Wir befanden uns in einem steuerlosen Schiffchen. Weit über uns sah ich den Badewannenablauf, der die eingesaugte brüllende Masse in die Tiefe spie.

„Frag nicht so blöd!“ Die reißenden Wasser verursachten einen solchen Lärm, daß ich Akron kaum hören konnte, der nur eine Handbreit neben mir am Steuerrad stand: „Hast du nicht eben ejakuliert?“ Dann wurden wir von einer riesigen Welle in die Tiefe gerissen und fielen senkrecht in einen tosenden Trichter. „Du wurdest aus dem Bewußtsein herauskatapultiert und nun befinden wir uns im Abstieg zur Geburt“, drang seine Stimme durch den rauschenden Strom. Ich schloß meine Augen vor Grauen, unter uns gähnte der Abgrund wie ein gefräßiges Maul.

„Zum Teufel mit deinen Erklärungen“, übertönte ich das höllische Gedröhn. Ich bekam keine Luft; gleichzeitig erfaßte mich ein Gefühl von Panik. Der Schleier zerriß, die Bilder zerfielen und ein blutiges Embryo kroch aus dem Bauch der Mutter heraus. Ich taumelte zurück und fiel rücklings gegen die Reling des Boots.

„Der Abstieg assoziiert alle unbewußten Ängste der Geburt“, tat mir Akron donnernd kund und zeigte auf ein glänzendes Loch, das wie ein gespenstischer Lichtkegel unter uns erschien, „der Weg führt durch die Dunkelheit ins Licht.“ Als ich einen Blick hinunter in den Strudel warf, war mir, als ob es eine saugende Vagina war. „Komm zu uns“, brauste es aus dem trichterförmigen Mund, „das Geheimnis des Todes ruht im Mutterschoß!“

„Das halt’ ich nicht aus… ich will hier ‘raus!“ heulte ich und sah direkt in den Schlund.

„Keine Angst! Es sind nur die alten embryonalen Ängste, die in dir ausbrechen“, fügte Akron hinzu, „dieses Thema erscheint den Sündern im Skorpion oft während der Rekapitulation ihrer Geburt.“

„Besteht da ein Zusammenhang zwischen diesem Ort und meiner Geburt?“

„Ja! Immer dann, wenn die Seele die negativen Geburtsschwingungen in der Gebärmutter assoziiert, steigt Panik in ihr auf.“

„Du glaubst, die Ungeheuer im Hirn gehen auf die Ängste des Embryos im Uterus zurück?“ Langsam fand ich Zugang zu seinen Erklärungen.

„Sagen wir auf die Enge im Mutterleib“, seufzte Akron erleichtert, als unser Boot unten am Grund ankam. Das Licht war sehr trüb, aber alles war erkennbar. Ich sah einen weiten unterirdischen See, dessen Wasser von tintenschwarzer Farbe war. Ein paar Steinwürfe von der Stelle entfernt, an der unser Boot auf der Oberfläche aufschlug, erblickte ich einen finsteren Turm. Auf den ersten Blick schien mir, als schwebte erüber dem Wasser, doch dann merkte ich, daß er in der Mitte gespalten war. Wie ein glänzender, kohlschwarzer Phallus stand er auf zwei riesigen Fundamenten, die bis zum Grund des Wassers reichten.

„Hier, das ist der Turm der Verdrängung“, faßte er seine Äußerungen zusammen und wies auf den Turm, „oder der Phallus sexueller Angst!“ Dann setzte er sich ans Steuer und wir fuhren durch den gespaltenen Sockel des Gemäuers wie in eine monströse Vagina hinein. Der Turm schien auf irgendeine Weise lebendig zu sein, visionäre Erinnerungen reflektierten sich wie Projektionen an den Wänden, und auf einmal sah ich eine Pyramide mit einem irisierenden Leuchten an den Kanten der Ränder, in deren Mitte ein Auge schimmerte. Das Auge begann sich zu drehen und saugte mich an, und irgendwie schien mir in dieser Sekunde nicht nur meine Gegenwart, sondern auch meine eigene Zukunft zugänglich, die zukünftige Erfahrung meiner persönlichen Entwicklung, die auf den Quadern der Vergangenheit stand. Ich folgte den Spuren meines Wachstums bis zum Augenblick der ersten Bewußtwerdung zurück, als ich bei meiner Geburt keine Luft bekam. Gleichzeitig erfaßte mich ein Gefühl von Panik. Ich spürte, wie in mir selbst die Antworten auf alle Fragen lagen, und ich war mir sicher, daß ich hier der Antwort näherkam.


„Du befindest dich hier an einem verborgenen Ort, der den Sündern die Luft abdreht“, sagte Akron abschließend und sprang an Land.

Ich sah mich um. Wir befanden uns in einer nach zwei Seiten zum Wasser hin offenen Riesenhöhle, die mich an den Bauch einer Riesenkrake erinnerte.

„Ein seltsamer Zufahrtsweg für eine Hölle“, entgegnete ich keuchend und fuhr dann fort: „Ist sie nur mit einem Schiff zugänglich?“

„Ganz recht“, antwortete er und streckte mir seine Hand entgegen, um mir aus dem schwankenden Kahn zu helfen, „man kann sie nicht im Kopf, sondern nur im dunkelsten Bereich der Seele über die Atemwege erreichen.“

„Ich ringe immer noch nach Luft“, wimmerte ich gequält und packte seine Hand.

„Das betrifft nicht dich, das betrifft nur die Sünder. Ihr Zugang erfolgt oft über den Zustand emotionaler Besessenheit mit der Neigung zum Erstickungstod“, differenzierte er seine Aussage und zog mich aus dem Boot. „Paß auf, daß die sauerstoffarme Atmosphäre nicht deine verdrängten Geburtsszenen auslöst, sonst bleibst du möglicherweise in den Fragmenten deiner erwachenden Erinnerung hängen!“

„Was willst du damit sagen, Akron?“ wollte ich wissen, als ich wieder festen Boden unter meinen Füßen fand.

„Damit möchte ich nur sagen, daß wir uns den Bildern deiner zukünftigen Alpträume nähern, und dazu brauchen wir mehr Licht“, gab er unserem Gespräch eine andere Richtung und riß eine der Fackeln, die den Anlegeplatz markierten, aus der Halterung. „Alle Seelen, die sich zu dieser Hölle hingezogen fühlen, werfen die brennende Fackel des Schmerzes in die offene Wunde ihrer Schuld. Dahinter wirkt die verborgene Schwerkraft des Todestriebes, die deshalb etwas so ungemein Fesselndes für uns hat, weil die Schwester der Lust am Untergang die Lust an der Erlösung ist!“

Im Lichtschein der Fackel sah ich, daß in der Höhle ein riesiges Fresko wie über eine gewölbte Zirkuskuppel aufgespannt war. Sämtliche Flächen waren mit Sado-Maso-Szenen übersät und stellten eine Vielzahl von Folterszenen dar. Einigen der geräderten oder gepfählten Sünder wurden brennende Fackeln an den Leib gedrückt, anderen wurde das Fleisch mit glühenden Zangen vom Leib gerissen. Die meisten Motive waren von Hieronymus Bosch, doch das Hauptmotiv stellte der „Baphomet“ von H. R. Giger dar, der auf einem schwarzen Würfel inmitten einer riesigen Menge saß.

„Akron, was sind das nur für schreckliche Bilder?“ Irgendeine unangenehme Energie schien von ihnen auszugehen, zumindest fühlte ich eine üble Kraft, die auf mich einwirkte.

„Es ist die Lust am Schmerz, die jede Seele befällt, die diesen Ort betritt, und zwar umso stärker, desto tiefer sie tritt.“ Er zeigte mit der Hand auf eine Öffnung im Boden: „Unten in den Katakomben werden diese Bilder real erlebt, wenn die Sünder die Szenen in ihrem lebendigen Ausdruck erfahren müssen.“

„In welchen Katakomben…?“ versuchte ich den Punkt zu klären, denn die Räume darunter konnten nicht viel größer als der Grundriß dieses Bauwerks sein.

„Die Hölle befindet sich in den unergründlichen Kellerschächten dieses Turms“, bemerkte er und steuerte auf das dunkle Loch in der Mitte des Raumes zu.

„Wie hat die Hölle in diesem engen Gemäuer Platz?“ Ich versuchte ihm zu folgen, so gut ich konnte, und so kamen wir nach etwa zwanzig Fuß an eine enge Wendeltreppe, die sich wie ein Korkenzieher in die Tiefe drehte.

„So wie jeder Baum nach unten Wurzeln hat“, erklärte Akron und betrat die Stufen, „genau so hat auch dieser Turmbau einen Keller. Und der Keller reicht genauso weit in die Tiefe, wie der Turm über der Erde in die Höhe ragt.“ Nach etwa sechzig spiralförmigen, engen Serpentinen kamen wir unten in einem kleinen Vorhof an, von dem verschiedene, in den Felsen gehauene Gänge wie Wurmlöcher abzweigten. „Die Umwandlung von Libido in Schmerz ist das Thema dieser Hölle“, fuhr er fort, „und indem die Sünder ihren Untergang feiern, sind sie ihr eigener Opfergott, der sich in der Selbstzerstörung erlöst.“

Ich folgte ihm durch einen der schmalen Seitengänge, der vom Vorhof abzweigte, und kroch durch einen unterirdischen Schacht, aus dem von oben durch merkwürdige Löcher ein schummriges Licht hereinfiel, obwohl wir uns nach meinem Ermessen direkt unter dem See befinden mußten. „Die Sünder stehen mit großer Angst vor dem Verlust ihrer Identität - angesichts der Tatsache, daß sie sich selbst opfern müssen, um das ganze Loch ihrer Schuldgefühle auszufüllen. Deshalb ist dieser Ort die Hölle ihrer inneren Bilder, denn sie wähnen sich in der Schöpferrolle, und ihr einziges Ziel ist es, die Welt ihren inneren Ängsten nachzubilden. Doch genug geredet, wir sind da“, sagte Akron, „vor dir befindet sich der Eingang zur Hölle!“

„Was glaubst du, Akron, was mich hier erwartet…“, wagte ich schüchtern einzuwenden.

„Geh einfach hinein, dann erfährst du es gleich“, lächelte er freundlich und trat einen Schritt beiseite.

Dantes Inferno II, Das Auge der Hölle

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