Читать книгу Akrons Crowley Tarot Führer - Akron Frey - Страница 94
Deutungen
ОглавлениеIn der Kampfbahn des alltäglichen Erlebens ist der Eremit ein Symbol des Willens, dem nächsten Elefanten zu begegnen, auf dem der Elefant steht, der die Welt trägt, als Orakel, das uns mitteilt, was wohl das wirkliche Ziel hinter unserer Sehnsucht darstellt. Dabei wählt er mit Absicht die Einfachheit, um sich nicht von äußeren Dingen ablenken zu lassen und seinen Bewusstseinsfokus lieber seinen inneren Erkenntnisprozessen zur Verfügung zu stellen. Manchmal steht er auch für eine Phase des Rückzugs, die wir uns erlauben, um uns über unsere inneren und äußeren Motivationen klar zu werden. Das Ziel liegt darin, durch Beharrlichkeit, innere Reife, Ausgewogenheit und Kompetenz der eigenen Nichtigkeit und Sinnlosigkeit zu begegnen, um zu spüren, was uns wirklich wichtig ist. Sicher keine Zukunft, die in rosaroten Farben geschildert wird, und auch keine Luftschlösser und hohlen Versprechungen – die sind uns ein Gräuel. Hier ist nicht der schnelle Gewinn, sondern der langfristige Erfolg das Ziel. Deshalb ist es uns wichtig, Illusionen zu hinterfragen und unkontrollierte Emotionen aus unserem Umfeld zu vertreiben. Diese Operationen bezahlen wir aber wiederum mit dem Fehlen himmelhoch jauchzender Vorfreuden und schäumender Erwartungen – darin liegt der Preis dieser seriösen Karte: Die Evokation eines depressiven inneren Seelenanteils, der sich Wahrheit nennt. Der asketische Ruf des Eremiten nach heilender Beschränkung gereicht uns nur dann zum Vorteil, wenn wir nicht nach marktschreierischer, übertriebener Einsicht streben, sondern Wissen und Erkenntnis einfach nur als die Pflastersteine auf dem Weg zu nehmen, auf dem wir uns zur (inneren) Wahrheit bewegen. Dann, aber nur dann, eignet er sich als weiser innerer Ratgeber, der die ihm Folgenden im sprichwörtlichen Sinn nicht hinters Licht führt.
Auch in Liebe und Beziehung ist diese Karte ziemlich widersprüchlich. Im spröden Verlangen, uns von den betörenden Illusionen angenehmer Selbsttäuschungen zu befreien und uns stattdessen mit der mentalen Verarbeitung und Vertiefung der Wirklichkeit zu konfrontieren, übernimmt sie gerne die Rolle des asexuellen Alten, der wie Diogenes mit seiner Laterne auf der Suche nach Menschen oft auch nur auf der Flucht vor sich selbst ist. Dieser fühlt sich am wohlsten dabei, wenn er nicht von außen behelligt wird, denn die Suche nach Wahrheit und Erkenntnis absorbiert viel libidinöse Energie und Kraft. Er ist der Sachwalter der geistigen Verdichtung und misstraut der Schwingung der Emotionen, die für ihn als Luftschlösser schon immer Unüberprüfbarkeit und Irrationalität verkörpern. Auf der anderen Seite ist es manchmal auch ein Misstrauen gegen sich selbst, weil er eine gefühlsmäßige Übereinstimmung mit dem Sinn seines Lebens ohne tiefere Erkenntnis nicht akzeptieren kann. Gefühle sind für ihn ein derart beängstigendes Terrain, dass er sie so sehr in sich verschließt, dass er sich selbst den Weg zu ihnen versperrt, bis sich die nicht gelebte Energie dann als Frust oder einem Gefühl des Unbehagens bemerkbar macht. Diesen Mangel kompensiert er wiederum durch pflichtbewusstes Streben in die Tiefe, und Zielstrebigkeit oder Pünktlichkeit stellt er folgerichtig über Leidenschaft. Das zeigt: Der depressive und schmerzgeile Hagestolz steht für das Fehlen jeglichen libidinösen Gewürzes mit Ausnahme vielleicht der Masturbation, womit er seine Sparflamme-Leidenschaft ein bisschen aufpeppen kann. Er mag zwar nur der sichtbare Däumling an der Brust des höheren Selbst darstellen, der aus der Vogelperspektive mehr den Anteil seiner eigenen Projektionen als den anderer Menschen aus Fleisch und Blut erkennt; andererseits kann er seine eigenen Beziehungsmuster hinterfragen und feststellen, was ihm am anderen wirklich wichtig ist. Deshalb beruht die Karte auf einer die Libido nicht so sehr unterstützenden Haltung, die mehr die inneren Ziele und geistige Haltung pflegt, denn ihr Credo gipfelt in der Einsicht, dass der suchende Mensch mehr einer starken inneren Führung als einer äußeren Begleitung bedarf.