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Einleitung

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Das vorliegende Heft wird Sie beim Aufbau von grundlegenden Führungskompetenzen in Ihrer Rolle als Lehrperson begleiten. Als Arbeitsheft konzipiert hilft es Ihnen, sich in die Thematik der Führung von Schülerinnen und Schülern einzudenken, und unterstützt Sie auf dem Weg zu einer eigenen Konzeption von Führung im Unterricht.

Das Führen von Lerngruppen (bis hin zu ganzen Schulklassen) verstehen wir dabei als einen zielgerichteten (z. B. Unterricht ermöglichen, Arbeitsfähigkeit herstellen, Sozialkompetenz aufbauen) und aktiven (z. B. eingreifen, vorsorgen, aushandeln) Prozess, der sowohl der Lehrperson als auch den Schülerinnen und Schülern eine hohe Leistung abverlangt und sich ständig und im guten Fall konstruktiv entwickelt.

Lehrpersonen sind in vielen Bereichen selbst «Geführte». In ihrer Rolle als Lehrperson sind sie aber auch institutionell mit Führungsaufgaben betraut und ausgestattet mit eigenen Führungskompetenzen gegenüber den ihnen anvertrauten Schülerinnen und Schülern. Schule ohne führungsgewandte Lehrpersonen kann keine hohe Qualität erlangen.

Fachliches Lernen gelingt nur optimal, wenn die dazu vorgesehene Zeit genutzt werden kann. Dazu führen Lehrpersonen verhaltenswirksame Regeln und Handlungsroutinen ein, von denen sie annehmen, dass sie Lernen begünstigen. Sie sorgen für deren Einhaltung. Sie versuchen vorausschauend Störungen im Unterricht zu verhindern und verfügen über ein Handlungsrepertoire, wie diese gegebenenfalls schnell und effizient zu beheben sind. Lehrpersonen führen, um Lernprozesse zu unterstützen.1

Ausgeprägte Führungskompetenzen sind zudem nötig, um mit Schülerinnen und Schülern an unterschiedlichen und individuellen Zielen arbeiten zu können und anspruchsvolle Lehr- und Lernarrangements einzusetzen.2

Kompetentes Führen ist eine Voraussetzung für den gezielten Aufbau von Sozialkompetenzen und die Gemeinschaftsbildung. Führen bedeutet in diesem Zusammenhang das bewusste Gestalten und Erleben von Regeln des Zusammenlebens. Das Schul- und Unterrichtsklima, ein wichtiges Qualitätsmerkmal einer guten Schule, wird durch die Lehrperson unter Mitgestaltung der Schülerinnen und Schüler geprägt.3

Kinder und Jugendliche jeden Alters handeln als Einzelpersonen oder als Gruppe nicht immer rücksichtsvoll. Mobbing und Ausgrenzungen sind auf allen Stufen und in allen Gruppenzusammensetzungen möglich. Jedes Kind hat das Recht auf Schutz durch die Lehrperson. Kompetentes Führen garantiert dieses Recht so weit wie möglich.4

Schülerinnen und Schüler, die sich in der Schule sicher fühlen, mit Wertschätzung behandelt werden, in Klassen mit gutem Unterrichtsklima geschult werden, kommen gerne in die Schule. Sie haben es mit freundlichen und führungssicheren Erwachsenen zu tun, die mit ihrem fürsorglichen und die Gerechtigkeit sichernden Handeln stark zum Wohlbefinden der Schülerinnen und Schüler beitragen.5

Wenn es Lehrpersonen gelingt, ihre Schülerinnen und Schüler souverän, mit transparenten Regeln, situationsangepasst und wertschätzend zu führen, werden sie von ihnen als verbindliche Bezugspersonen wahrgenommen. Der Aufbau einer vertrauensvollen Beziehung steht dabei im Zentrum. Sie genießen bei Lernenden in der Regel eine höhere Akzeptanz, als wenn ihnen dies nicht gelingt.6

Mit dem Ziel, sich dem eigenen Kompetenzaufbau und der Kompetenzentwicklung in Führungsfragen zu widmen, bekunden Lehrpersonen die professionelle Absicht, Mitverantwortung für das Lernen ihrer Schülerinnen und Schüler und das Gelingen von Schule zu übernehmen. Dabei ist es wichtig zu wissen, dass Kinder und Jugendliche jeden Alters ein Bedürfnis nach Führung haben, dass sie aber im Zusammenhang mit ihrer Entwicklung Führungsansprüche Dritter unterschiedlich gewichten und in unterschiedlichem Maß akzeptieren. Wie beispielsweise Gehorsam und Ungehorsam begründet werden oder in welchem Grad ein Führungsanspruch akzeptiert wird, hängt auch vom Alter der Kinder ab.7 Diese Tatsache ist im Schulkontext bedeutsam8 und muss demzufolge stufenspezifisch berücksichtigt werden.9

Die Führungsaufgabe fordert angehende, aber auch routinierte Lehrpersonen ständig heraus, sich mit ihrem Wissen, ihrem Verhalten, ihren subjektiven Haltungen, Erfahrungen, Beobachtungen, Handlungspräferenzen und -konsequenzen auseinanderzusetzen. Auf der Grundlage eines differenzierten Führungsverständnisses müssen Folgerungen, Ziele und Vorsätze, die daraus resultieren, in das eigene Führungshandeln transferiert werden.

Das Arbeitsheft greift diese Perspektive konsequent auf. Um handlungssteuernde subjektive Theorien bearbeitbar zu machen10, wird systematisch dazu aufgefordert, die eigenen biografisch bedingten Erfahrungen und Haltungen zu reflektieren. Es werden Vorschläge gemacht, wie das eigene und fremde Handeln im erzieherischen und schulischen Umfeld wahrgenommen und verarbeitet werden kann. Und schließlich werden zentrale Wissenselemente dargeboten, welche als Analyse- und Reflexionshilfen dienen sollen. Transferfragen erleichtern den Bezug zur Praxis des Führens. Die Arbeit mit diesem Arbeitsheft soll ferner eine Hilfe sein, weiterführende Fachliteratur und eigene Beobachtungen – aber auch Erfahrungen und Ratschläge von Kolleginnen und Kollegen – zunehmend als Fachperson zur Kenntnis zu nehmen, kritisch zu reflektieren und in das Planen und Handeln zu integrieren.

Es gibt allerdings kein Idealbild, wie Schülerinnen und Schülern zu führen sind. Wir haben es mit einer Vielzahl möglicher Handlungsoptionen zu tun, aus denen Lehrerinnen und Lehrer für sich selbst ein maßgeschneidertes Führungskonzept generieren müssen, das aus ihren Kompetenzen und Präferenzen11 bestehen wird und sich zugleich im Rahmen des Berufsauftrages bewegen muss. Es gibt auch keine einfachen Rezepte und Werkzeugkisten, aus denen man Instrumente wie Lob, Kritik, Bestrafung, Belohnung, Erzeugen von Schuldgefühlen, Ignorieren, Strafaufgaben, Humor usw. unbedacht herausnehmen und ohne Weiteres damit operieren kann.

Die Autorinnen und Autoren beschränken sich inhaltlich auf wenige zentrale Aspekte: Führungsverhalten als Schwerpunktthema sowie die Themen Gruppen im Klassenraum und Regeln, Routinen, Rituale. Sie gehen davon aus, dass diese geeignet sind, das herausfordernde Berufsfeld «Schülerinnen und Schüler führen» thematisch zu eröffnen, und dass sie gleichzeitig eine Grundlage für erweiternde und vertiefte Auseinandersetzungen bieten. Sie rechnen damit, dass Themengebiete wie Kommunikation, Konfliktbearbeitung, Intervention u. a. flankierend bearbeitet werden, im Vorfeld oder im Anschluss an die Arbeit mit diesem Heft.


Täglich treten Lehrpersonen im Schulfeld den Beweis an, dass Führen gelingen kann und mit Freude an der Arbeit einhergeht. Sie haben ein eigenes Führungsprofil entwickelt, das sich durch ihre persönlichen Stärken, ihr Hintergrundwissen und ihre reflektierten Erfahrungen auszeichnet. Sie haben dort begonnen, wo sie auf der Basis ihrer Ressourcen den größten Erfolg vermuteten, und haben sich darauf aufbauend ständig weiterentwickelt.12 Sie wissen zugleich, dass auch kompetentes Führungshandeln an Grenzen stoßen kann.

Führungsarbeit, die sich an einem persönlichen, gewachsenen Konzept orientiert, und eine überraschungsoffene Grundhaltung13 sind die besten Voraussetzungen, um sich beim Unterrichten in einen gemeinsamen Lernprozess zu begeben, der für alle Seiten gewinnbringend ist.

Schülerinnen und Schüler kompetent führen (E-Book, Neuausgabe)

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