Читать книгу Das Abendmahl im Zusammenhang mit dem Leben Jesu und der Geschichte des Urchristentums - Albert Schweitzer - Страница 11

b) Der Leidensgedanke und die eschatologische Erwartung.

Оглавление

Die Untersuchung der Abendmahlsberichte ergab einen engen Zusammenhang zwischen dem eschatologischen Schlusswort und dem Ausspruch vom vergossenen Blut. Die übrigen Stellen über das Leiden führen auf eine ähnliche Verbindung.

Nachdem Jesus mit seinem »ja« sich selbst das Todesurteil gesprochen, redet er von seiner »Wiederkunft« auf den Wolken des Himmels. Dabei denkt er, dem Markustext zufolge, beide Geschehnisse in einem Gedanken. Mk 14 62: Ich bin es und ihr werdet den Menschensohn sitzen sehen zur Rechten der Macht und kommen mit den Wolken des Himmels. Dieser logische Zusammenhang ist, wie für das Kelchwort, bei Matthäus schon erweicht, indem er an die Stelle des »und« die rein zeitliche Folge setzt. Mt 26 64: Du sagst es. Doch ich sage euch, von nun an werdet etc. Bei Lukas fehlt der eschatologische Hinweis; er hat ihn auch beim Kelchwort ausfallen lassen.

Eine enge Verbindung zwischen dem Leidensgedanken und der Eschatologie setzt auch das Gespräch über den Leidensweg der Nachfolger voraus (Mk 8 34-9 1). Wer sich Jesu schämt, wenn er Schmähung und Verfolgung in der ehebrecherischen und sündigen Welt erduldet, dessen wird sich auch der Menschensohn schämen, wenn er in der Herrlichkeit seines Vaters mit den heiligen Engeln kommt. Denn dieses Geschlecht wird nicht in den Tod sinken, bis sie sehen das Reich Gottes kommend in Macht!

Dieser Zusammenhang muss für die Hörer stark hervorgetreten sein. Nach dem Aufbruch von Cäsarea Philippi, unter dem Eindruck des Leidensgeheimnisses, das ihren Sinn mit Trauer und Angst erfüllt (Mk 9 30-32) — streiten sich die Jünger darum, wer den höchsten Platz im Reich einnehmen wird. Im Hause zu Kapernaum muss Jesus sie darüber zurechtweisen (Mk 9 33-37). Das war, nachdem er zum zweitenmal von seinem Leiden gesprochen hatte.

Auf dem Weg nach Jerusalem wiederholt sich derselbe Auftritt im engsten Anschluss an die dritte Leidensweissagung (Mk 10 32-41). Die Zebedaiden erheben ihre Ansprüche auf die Thronplätze. Es handelt sich hier gar nicht um kindischen Missverstand der Anhänger, denn Jesus geht ja ganz ernsthaft auf ihren Gedanken ein. Die eschatologische Erwartung muss also für die Jünger in dem Leidenswort Jesu so stark zur Geltung gekommen sein, dass sie sich notwendig Gedanken machen über die Stellung, welche sie im zukünftigen Reich einnehmen werden.

Der modern-historische Erklärungsversuch eliminiert den eschatologischen Begriff des Reiches Gottes aus dem Leidensgedanken, indem er ihn auf die apotheosenhafte Vorstellung von der »Wiederkunft« reduziert. Dieser Ausdruck ist vollständig falsch. Jesus hat nie von seiner »Wiederkunft«, sondern nur von seiner Ankunft oder der Zukunft des Menschensohnes geredet. Wir gebrauchen den Ausdruck »Wiederkunft«, weil wir Tod und Herrlichkeit durch Kontrast verbinden, als bezöge sich der neue Zustand nur auf eine sieghafte Verklärung Jesu. Unsere Auffassung lässt ihn sagen: »Ich werde sterben, aber ich werde durch meine Wiederkunft verherrlicht werden«. Thatsächlich hat er aber gesagt: »Ich muss leiden und der Menschensohn wird auf den Wolken des Himmels erscheinen.« Das bedeutet aber für seine Zuhörer viel mehr als eine Apotheose — denn mit der Erscheinung des Menschensohnes brach das eschatologische Reich an. Jesus setzt also seinen Tod mit dem eschatologischen Anbruch des Reichs in einen zeitlich-ursächlichen Zusammenhang. Der eschatologische Reichsbegriff, nicht der modern-ethische, beherrscht seinen Leidensgedanken.

Das Abendmahl im Zusammenhang mit dem Leben Jesu und der Geschichte des Urchristentums

Подняться наверх