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Die Vorgeschichte

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berichtet von Albert

Wir waren bereits über 40 Jahre verheiratet, als sich etwas ereignete, das nicht - wie üblich - mit „das kann ja einmal passieren“ zu erklären war.

Meine Frau besuchte im Jahr 2002 mit einer Freundin die Türkei. Nach ihrer Rückkehr sah ich auf einmal auf unserem gemeinsamen Konto eine sehr hohe Abbuchung für einen Schmuckkauf. Meine Frau hatte mir nichts davon erzählt, zeigte mir aber dann den Schmuck und erzählte mir, dass der abgebuchte Betrag nur eine Anzahlung war und sie noch weitere Wechsel ausgestellt hat, die später abgebucht würden. Helene, meine Gattin, ist immer sehr sparsam gewesen und ich konnte mir nicht erklären, wie sie auf einmal so große Summen ohne Rücksprache mit mir ausgeben konnte. Irgendwie habe ich das dann in den kommenden Jahren wieder vergessen.

Dann passierte es, ich glaube im Jahr 2004, dass auf einmal unsere Pässe verloren waren. Wir wollten zu unseren Kindern in die USA fliegen, aber die Pässe waren weg. Jahre später wurden sie irgendwo unter der Wäsche gefunden. Auch das war sehr wahrscheinlich ein Symptom der unterschwellig voranschreitenden Demenz. Ich erinnere mich heute, dass Helene sich häufig in der Küche den Arm verbrannte, oder auch beim Bügeln. Ich sah dann die Brandwunden am Arm, aber Helene konnte sich nicht erinnern, dass sie sich verbrannt hatte. In den kommenden Jahren bemerkte ich dann, dass Helene einfache Sachen vergaß oder nach Worten suchen musste. Sie funktionierte aber ansonsten in allen anderen Lebenslagen ganz normal.

Wir besuchten im Jahre 2005 wieder die USA. Dieser Besuch sollte entscheiden, ob wir wieder nach Kalifornien übersiedeln. Es stellte sich jedoch heraus, dass es nicht mehr realisierbar war. Das war in vieler Hinsicht ein Schock für Helene, da sie mit ihren Kindern zusammen leben wollte. Statt dessen kauften wir eine Immobilie in Deutschland und zogen noch in diesem Jahr in das neue Haus. Da sich die Anzeichen mehrten, empfahl unser Hausarzt ihr im Herbst 2005, einen Neurologen für bestimmte Tests aufzusuchen. In einem nachfolgenden Gespräch mit dem Hausarzt wurde uns dann eröffnet, das Helene an Alzheimer leidet. Ich glaube, wir waren beide bestürzt. Der Arzt erläuterte uns verschiedene Wege, wie man die Krankheit aufhalten kann, welche Medikamente es gibt und dergleichen mehr. Soweit ich mich erinnere, sind wir beide schweigend aus der Praxis herausgekommen und haben auch anschließend nie über ihr Krankheitsbild gesprochen. Leider war dieses typisch für uns und wir lebten weiter, als ob dieses Arztgespräch nicht stattgefunden hätte.

In den nächsten zwei Jahren wurden die Symptome etwas sichtbarer, aber wir führten ein normales Leben. Es zeigte sich, das Helene orientierungslos wurde. Zum Beispiel wollte sie eine gute Freundin besuchen, kehrte dann aber wieder zurück, weil sie nicht mehr wusste, wie man dort mit dem Wagen hinfährt. Ich habe dies zunächst nicht mitbekommen. Aber es passierte dann mehrmals und Helene brach in Tränen aus, weil sie sich ihrer Lage bewusst wurde. Kurz danach haben wir uns dann entschlossen, dass sie den Wagen nicht mehr fährt. Das war dann im Herbst 2006.

Im Jahr 2007 verkaufte ich unser Zweitauto. Es war für mich eine Zäsur; wir hatten immer zwei Wagen und waren somit immer unabhängig. In diesem und in den weiteren Jahren mehrten sich die Anzeichen, dass Helene nicht immer in der Lage war, allein Freundinnen zu besuchen. Sie kam dann nach kurzer Zeit von einem Besuch zurück und erzählte mir, dass ihre Freundin nicht im Hause gewesen wäre. Auch hier, nachdem es sich öfter zugetragen hatte, beichtete sie mir, dass sie das Haus nicht gefunden hätte. Es geschah auch, dass sie auf ihren Spaziergängen die Richtung verlor. Ich bekam dann einen Anruf einer gemeinsamen Freundin, die mir sagte, dass ihr Helene begegnet ist und dass sie sie mit sich nach Haus genommen hat. Ich könnte sie dort abholen.

Helene und ich haben nie wirklich über diese Vorkommnisse geredet, obgleich wir beide darunter gelitten haben. Aber keiner von uns konnte diesen Graben überspringen.

Zu diesem Zeitpunkt jedoch haben wir uns entschlossen, uns gegenseitig Patientenverfügungen, Testament, Vorsorgevollmachten und so weiter auszustellen. Ich hatte Angst, dass mir so etwas auch passieren kann und ich wollte sicher gehen, dass ich Helene so helfen kann, wie es ihrer Krankheit gemäß erforderlich ist. Das war dann schon Ende 2007. Fünf Jahre waren seit dem Türkeiaufenthalt vergangen. Das Leben jedoch verlief meistens noch in normalem Rhythmus. Wir besuchten weiterhin unsere Kinder in Amerika. Wir machten Urlaub, besuchten die Familie, aber viele Sachen wurden schlechter. Ich musste mich schon an den Kopftopf stellen. Helene wusste viele Rezepte nicht mehr; sie konnte jedoch noch Kartoffeln schälen und andere Arbeiten nach Anweisung machen. Ich muss gestehen, dass ich häufig so genervt war, dass ich sie anfuhr und kritisierte. Dann passierte es bisweilen, dass Helene weinte und mir sagte: „Du weißt doch, dass ich krank bin“. Ich fühlte mich dann erst recht schlecht. Aber es war für mich auch eine Situation, die ich nicht kannte und in der ich mich zurecht finden musste.

Irgendwann passierte es, dass Helene sich eine Weste verkehrt herum anzog. Wir lachten noch darüber.

Aber dann geschah es häufiger und es blieb nicht bei einer Weste, es kam der Pullover, die Hose. Ich musste mehr und mehr beim Anziehen helfen. Musste die Kleidung und auch die Unterwäsche heraussuchen, weil sie die verschiedenen Kombinationen nicht mehr zusammenstellen konnte.

Anfang 2009 war ich bereits hundertprozentig in den Haushalt eingespannt. Ich musste aufpassen, wohin sie geht, sie war nicht mehr in der Lage unser Haus zu finden, aber sie ging gern spazieren. Also musste ich mitgehen. Ich musste die Türen zuschließen, damit sie nicht allein hinausging.

Zu diesem Zeitpunkt konnte sie sich noch einfach ausdrücken. Denn es geschah, dass sich Helenes Vokabular minderte und sie nicht mehr komplette Sätze bilden konnte. Um jedoch selbst etwas Zeit für mich zu haben und auch Erledigungen zu machen, entschloss ich mich, Helene für einen Tag in die Tagespflege zu geben. Sie ging nicht sehr gern dorthin, weil viele der Pflegebedürftigen älter waren als sie oder bereits im Rollstuhl saßen. Ich wurde auch mehr und mehr für ihre körperliche Pflege verantwortlich. Ich brauchte mehr Zeit für mich und erhöhte deshalb die Tagespflege, erst auf 2 Tage und dann auf 3 Tage in der Woche. Helene wurde jedoch unruhiger und wollte auf eigene Faust die Pflege verlassen.

Bereits vor der Krankheit war unsere Ehe durch die vergangenen vielen Umzüge sehr gestört, weil Helene die Ortswechsel nicht bewältigen konnte, die jedoch durch meinen Job erforderlich waren. Wir führten, jeder von uns, ein einsames Zusammenleben. Jetzt kam auch noch die Krankheit hinzu. Ich brauchte eine Person mit der ich mich aussprechen und mit der ich auch etwas Freude haben konnte. So kam Berta über Umwege in mein Leben. Helene wurde ihr vorgestellt, dabei war sofort eine gegenseitige Sympathie zu spüren. Helene war nie eifersüchtig, selbst dann nicht, als Berta und ich uns näher kamen und sie hin und wieder bei uns übernachtete. Für Berta war es jedoch nicht ganz so einfach. Sie wollte einen Partner haben und nicht einen verheirateten Mann.

Ende 2010 wurde es schwierig für das Personal der Tagespflege, weil Helene nicht dorthin wollte und immer wieder versuchte, nach Hause zu gehen. Es war ja keine geschlossene Anstalt und somit konnte Helene leicht nach draußen gelangen. Man musste mich anrufen, damit ich Helene am Telefon sagen konnte, dass sie noch etwas warten muss, bis ich sie abholen werde. Manches Mal wurde ich 2- und 3-Mal angerufen.

Zum Schluss, es war Anfang 2011, wurde mir von dem Heim mitgeteilt, dass man Helene nicht mehr halten kann. Seit der Zeit ist sie zuhause und nimmt 100% meiner Zeit in Anspruch. Das war auch der Zeitpunkt, zu dem Berta ganz bei uns einzog.

Es war ein Segen, dass ich Berta kennengelernt habe. Ohne Berta wäre ich nicht mehr in Lage, für Helene zu sorgen.

Ich, mein Mann und seine Ehefrau!

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