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Erste Denkpause

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Eine Denkpause ist eine Pause, um zu denken. Ich möchte Ihnen ja nicht irgendeinen Blödsinn erzählen oder nur meiner Fantasie freien Lauf lassen, sondern solche lebenswichtigen Dinge müssen durchdacht werden. Sie müssen geprüft werden, ob sie dem Leben und dem, was sonst über Gott und das Jenseits gesagt worden ist, standhalten, und ob es vielleicht Leute gibt, die das bestätigen, was ich Ihnen hier serviere. Dazu ist zum Beispiel das Literaturverzeichnis am Ende da.

Wenn Sie das aber nicht interessiert, dann lassen Sie die Denkpausen einfach weg und lesen Sie diese Reise durch Himmel und Hölle wie eine unterhaltsame Erzählung.

Aber beschweren Sie sich dann nicht bei mir, wenn Sie geistigen Durchfall bekommen!

Wie kommt eigentlich ein normaler Mensch aus dem einundzwanzigsten Jahrhundert dazu, an eine Lebensweise zu glauben, die nach dem Tod real existiert? Oder die parallel zu unserer dreidimensionalen Welt existiert? Ist das nicht ziemlich weit hergeholt?

Zunächst einmal: An diese Lebensweise haben bis ins achtzehnte Jahrhundert fast alle Menschen aller Religionen geglaubt. Natürlich in unterschiedlicher Weise. Traditionelle Religionen aus Afrika und Asien glaubten schon immer daran, dass ihre Ahnen nach dem Tod weiterlebten in einem anders gearteten Reich. Judentum, Christentum und Islam glauben bis heute an eine jenseitige Welt, die einerseits paradiesisch schön ist und mit Lebewesen bevölkert ist, die wie wir Wille, Verstand und Gefühl haben. Andererseits halten sie einen Zustand für möglich, in dem boshafte Menschen wegen ihrer Boshaftigkeit leiden.

Das andere Leben sollte also eine Art Ausgleich zu der grotesken Ungerechtigkeit schaffen, die wir hier erleben. Der Buddhismus fällt da etwas heraus, weil er an einen Zustand glaubt, in dem unser Streben, unsere Gier nach mehr, unsere unersättlichen Wünsche, die uns quälen, endlich zur Ruhe kommen und wir nach langen Irrfahrten einen Grad erreichen können, wo wir in das Meer der Ruhe eingegangen sind und unsere Individualität aufhört.

Aber, so unterschiedlich sie auch sind, allen war und ist der Glaube gemeinsam: Es geht weiter. Diese Welt ist nicht alles.

Noch im Mittelalter war es für einen Menschen der westlichen Welt praktisch unmöglich, nicht an Gott und an Himmel und Hölle zu glauben.

Es war einfach nicht denkbar. Er hätte einen Lachanfall bekommen, wenn jemand behauptet hätte: „Gott – das ist reine Einbildung und den Himmel gibt es gar nicht.“ Vergessen Sie also alle Mittelalterromane, in denen ein kritischer Atheist durch die Seiten pilgert. Historischer Blödsinn!

Dass es also ein intensives, individuelles Leben nach dem Tod gibt, ist nicht ganz so weit hergeholt, wie Sie denken. Das hat bis vor Kurzem zu unserer geschichtlichen Tradition gehört.

Nun könnte man ja sagen: Na und? Die Menschheit hat sich eben weiterentwickelt. Wir haben erkannt, dass wir diesen ganzen himmlischen Überbau oder höllischen Unterbau nicht brauchen. Wir sind „aufgeklärte“ Menschen, die sich von solchen Illusionen befreit haben. Wir sind Realisten, die nur an das glauben, was man sehen, fühlen, tasten und begreifen kann. Wie sagte mein Mathelehrer immer? „Ich glaube daran, dass ein Pfund Rindfleisch eine gute Suppe ergibt.“

Er und andere meinten: Man muss irgendwann aus der heilen Traumwelt aufwachen und den harten Tatsachen ins Gesicht sehen.

Wie kam das?

Wahrscheinlich weil unser bisheriges, einfaches Weltbild zerbrochen war. Vor Kopernikus entsprach die äußere Welt der inneren Welt. Oben war das Licht, die Sonne, Gott. Unten war die Erde, und unter der Erde war es dunkel. Da war die Hölle. Als nun Kopernikus und andere Forscher entdeckten, dass wir auf einer Kugel leben, die sich dreht, und dass wir mit anderen Planeten um die Sonne kreisen und dass es sinnlos ist, von oben und unten zu sprechen, schüttete man irgendwann das Kind mit dem Bad aus und sagte sich: Wenn das alles eine Täuschung war, dann ist auch die geistige Welt eine Täuschung. Gott und die Engel kamen in Platznot, weil man eine geistige Welt bislang in ein materielles Universum platziert hatte, und als dieses Modell zerbrach, dachte man, dass alles andere auch zerbrechen müsste.

Ein Herr namens Feuerbach behauptete schließlich, dass Gott und die jenseitige Welt Projektionen unserer Wünsche sind. Weil der Mensch es nicht aushielt endlich zu sein, erfand er ein unendliches, göttliches Wesen, sagte er. Um uns selbst zu trösten, wenn wir im Dunkeln Angst hatten, erfanden wir – so stellte es sich Herr Feuerbach vor – einen großen Tröster: Gott und den Himmel, mitsamt den Engeln. Und unsere Sehnsucht nach einem Himmel oder nach Gott kann nicht gestillt werden, weil es ihn nicht gibt. Basta. Das Leben ist eben hart. Und Ameisen, die von Ihnen totgetreten werden, beschweren sich schließlich auch nicht.

Diese Argumente leuchteten vielen Leuten ein und sie haben sich Herrn Feuerbach angeschlossen, der gesagt hatte: Jetzt gilt es, dass die Menschheit sich ganz auf sich selbst und auf die Gegenwart konzentriere! Und so wurde der Himmel den Tauben und den Spatzen überlassen.

Unter uns: Ich hab mir wirklich Mühe gegeben, aber mir haben diese Argumente nie richtig eingeleuchtet. Es ist ungefähr so, als ob jemand sagt: „Dass ich Durst habe und dass ich den Wunsch habe, etwas zu trinken, das ist verständlich. Ich kann aber nicht davon ausgehen, dass es irgendwo einen Raum gibt, der kühl und angenehm ist, wo man sich auf einen Stuhl setzen kann und von einer netten Dame bedient wird, die einem ein großes Glas Orangensaft auf den Tisch stellt.

Das ist eine schöne Illusion, die man überwinden muss. Dieser Raum mit der Kellnerin und dem Saft wäre irgendwie kitschig und ein billiger Trost. Nein, wenn ich Durst habe, muss ich mich eben damit abfinden, dass es nichts zu trinken gibt und dass ich nach ein paar Tagen elend zugrunde gehen werde. So ist das Leben nun mal. Es ist grausam. Konzentrieren wir uns also auf den gegenwärtigen Durst.

Sie und ich wissen aber, dass dieser kühle Raum und die nette Kellnerin und das Glas Orangensaft tatsächlich real existieren.

Und wenn man nun statt Durst von einem Lebensdurst redet, könnte man sich fragen: Vielleicht ist die Tatsache, dass mein Lebensdurst irgendwann gestillt wird, gar nicht so abwegig?

Pascal Mercier hat einmal geschrieben: Wenn es so ist, dass wir nur einen Teil von dem leben, was in uns ist – was geschieht mit dem Rest?

Das ist zumindest eine Frage wert. Also, lassen wir Herrn Feuerbach weiter verdursten, weil er nicht an tolle Restaurants mit Getränken glauben will und sie zu Illusionen erklärt, und sagen stattdessen: Zumindest kann es niemand schlüssig beweisen, dass es Gott, den Himmel oder die Hölle nicht gibt.

Apropos Hölle. Sie wollten ja gerade einen Ausflug dorthin machen. Viel Spaß!

Wie Sie garantiert in den Himmel kommen - und auch wieder heraus

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