Читать книгу La San Felice Band 6 - Александр Дюма - Страница 3
Sechster Theil
Drittes Capitel.
Ein Schüler Macchiavellis
ОглавлениеPronio ließ nicht auf sich warten.
Der König und der Cardinal bemerkten, daß die Lectüre des heiligen Buches ihm nichts von jenem ungezwungenen Wesen geraubt, welches sie an ihm bemerkt hatten.
Er trat ein, blieb auf der Schwelle stehen und verneigte sich ehrerbietig erst vor dem König, dann vor dem Cardinal.
»Ich erwarte Euer Majestät Befehle,« sagte er.
»Meine Befehle werden sehr leicht zu befolgen sein, mein lieber Abbé! Ich befehle, daß Sie Alles thun, was Sie mir zu thun versprochen haben.«
»Ich bin bereit, Sire.«
»Verständigen wir uns jetzt.«
Pronio sah den König an. Es war augenscheinlich, daß er diese Worte: »verständigen wir uns jetzt« nicht verstand.
»Ich frage, welches Ihre Bedingungen sind,« sagte der König.
»Meine Bedingungen?«
»Ja.«
»Ich stelle Euer Majestät keine Bedingungen.«
»Ich frage, wenn es Ihnen so lieber ist, welche Vergünstigungen Sie von mir erwarten?«
»Keine anderen, als Euer Majestät dienen zu dürfen, und wenn es sein muß, mein Leben für Sie zu lassen.«
»Das ist Alles?«
»Ja wohl.«
»Sie verlangen kein Erzbisthum, kein Bisthum, nicht einmal die kleinste Abtei?«
»Wenn ich Euer Majestät gut diene, wenn Alles beendet ist, wenn die Franzosen wieder zum Lande hinausgejagt sind, wenn ich Euer Majestät gut gedient habe, dann werden Sie mich belohnen. Habe ich Ihnen schlecht gedient, so lassen Sie mich erschießen.«
»Was sagen Sie zu dieser Sprache, Cardinal?«
»Ich sage, daß dieselbe mich nicht in Erstaunen setzt, Sire.«
»Ich danke Ihnen, Eminenz,« sagte Pronio, indem er sich verneigte.
»Dann,« sagte der König, »handelt es sich ganz einfach darum, Ihnen ein Patent zu geben.«
»Mir eins, Sire, Fra Diavolo eins und Mammone eins.«
»Sind Sie der Bevollmächtigte dieser Beiden?« fragte der König.
»Ich habe sie nicht gesehen, Sire.«
»Und ohne sie gesehen zu haben, stehen Sie für sie?«
»Wie für mich selbst.«
»Schreiben Sie das Patent für den Abbé, Eminentissime.«
Ruffo setzte sich an den Tisch, schrieb einige Zeilen und las dann Folgendes:
»Wir Ferdinand von Bourbon, König beider Sicilien und von Jerusalem, thun hiermit kund und zu wissen:
»Da wir zu der Beredsamkeit, dem Patriotismus und dem kriegerischen Talent des Abbé Pronio volles Vertrauen haben, so ernennen wir ihn hiermit zu unterm Capitän in den Abruzzen, in der Terra di Lavoro und im Nothfalle in allen andern Theilen unseres Königreichs.
»Wir billigen im Voraus Alles, was er zur Vertheidigung des Gebietes unseres Königreichs und zur Verhinderung des Eindringens der Franzosen thun wird, ermächtigen ihn, Patente gleich diesem zu Gunsten der beiden Personen auszufertigen, die er für würdig erachten wird, ihn in dieser edlen Aufgabe zu unterstützen, und versprechen, diese von ihm gewählten beiden Personen als Anführer von Volksmassen anzuerkennen.
»Urkundlich alles dieses haben wir ihm gegenwärtiges Patent ausgestellt.
»So geschehen auf unserem Schlosse Caserta, am 10. September 1798.«
»Ist es so recht?« fragte der König den Abbé, nachdem er das von dem Cardinal aufgesetzte Document von diesem vorlesen gehört.
»Ja, Sire,« entgegnete der Abbé, »nur bemerke ich, daß Euer Majestät nicht die Verantwortlichkeit der Unterzeichnung der Patente für die beiden Capitäne hat auf sich nehmen wollen, welche ich die Ehre hatte, Ihnen zu empfehlen.«
»Nein, aber ich habe Ihnen das Recht zuerkannt, diese Patente auszufertigen. Ich will, daß diese Leute Ihnen dafür verpflichtet seien.«
»Ich danke Euer Majestät, und wenn Sie dieses Patent mit Ihrer Unterschrift und Ihrem Siegel versehen wollen, so habe ich dann weiter nichts zu thun, als Ihnen meinen unterthänigsten Dank auszusprechen und mich zu entfernen, um Ihre Befehle in Ausführung zu bringen.«
Der König ergriff die Feder und unterzeichnete. Dann nahm er das Siegel aus seinem Sekretär und drückte es neben seine Unterschrift.
Der Cardinal näherte sich dem König und sagte ihm leise einige Worte.
»Sie glauben?« fragte der König.
»Es ist dies meine bescheidene Ansicht, Sire.«
Der König wendete sich nach Pronio herum.
»Der Cardinal,« sagte er, »behauptet, daß Sie, Herr Abbé, besser als sonst Jemand –«
»Sire,« unterbrach Pronio, sich verneigend, »ich bitte Euer Majestät um Verzeihung, aber seit fünf Minuten habe ich die Ehre, Capitän der freiwilligen Truppen des Königs zu sein.«
»Entschuldigen Sie, mein lieber Capitän,« sagte der König, lachend. »Ich vergaß es, oder vielmehr ich erinnerte mich dessen, indem ich eine Ecke Ihres Breviers aus Ihrer Tasche hervorragen sah.«
Pronio zog das Buch, welches die Aufmerksamkeit des Königs erregt hatte, aus der Tasche und bot es ihm dar.
Der König schlug die erste Seite auf und las:
»Den Fürst von Macchiavelli.«
»Was ist das?« fragte er, denn er kannte weder das Werk noch den Verfasser desselben.
»Sire,« antwortete Pronio, »es ist das Brevier den Könige.«
»Kennen Sie dieses Buch?« fragte der König den Cardinal.
»Ich weiß es auswendig.«
»Hm!«, sagte der König. »Ich habe niemals etwas Anderes auswendig gewußt als einige Gebete und glaube selbst diese, seitdem San Nicandro sie mich gelehrt, wieder ein wenig vergessen zu haben. Also, ich sagte Ihnen, Capitän, da Sie nun einmal so genannt sein wollen, daß der Cardinal behauptete – es war dies das, was er mir leise in's Ohr sagte – daß Sie besser als irgend Jemand verstehen würden, eine Proclamation an die Bewohner der beiden Provinzen zu entwerfen, in welchen Sie zunächst Ihr Commando auszuüben, haben werden.«
»Seine Eminenz ist ein guter Rathgeber, Sire.«
»Sie sind also einer Meinung?«
»Vollkommen.«
»Dann setzen Sie sich und entwerfen Sie die Proclamation.«
»Soll ich im Namen Eurer Majestät oder in dem meinigen sprechen?«, fragte Pronio.
»Im Namen des Königs, Herr Capitän, im Namen des Königs,« beeilte Ruffo sich zu antworten.
»Jawohl, im Namen des Königs, weil der Cardinal es will,« sagte Ferdinand.
Pronio verneigte sich gegen den König, um ihm für die Erlaubniß zu danken, daß er nicht blos im Namen seines Souveräns schreiben, sondern sich auch in seiner Gegenwart setzen durfte.
Dann schrieb er, ohne sich lange zu besinnen, ohne etwas auszustreichen, und in einem Fluse Folgendes:
»Während ich mich in der Hauptstadt der christlichen Welt befinde und beschäftigt bin, die heilige Kirche wieder herzustellen, drohen die Franzosen, welchen gegenüber ich Alles gethan habe, um den Frieden zu erhalten, in den Abruzzen einzudringen. Trotz der Gefahr, welcher ich mich dabei aussetze, wage ich mich durch ihre Reihen hindurch, um meine bedrohte Hauptstadt zu erreichen. Sobald ich einmal in Neapel bin, werde ich ihnen mit einer zahlreichen Armee entgegenmarschieren, um sie auszurotten. Mittlerweile erwarte ich, daß die Völker zu den Waffen greifen, daß sie der Religion zu Hilfe eilen, daß sie ihren König oder vielmehr ihren Vater vertheidigen, welcher bereit ist, sein Leben zu opfern, um seine Unterthanen, ihre Altäre ihre Güter, die Ehre ihrer Frauen und ihre Freiheit zu wahren. Ein Jeder, der sich nicht unter die Fahne des heiligen Krieges schaart, wird als Verräther am Vaterland betrachtet, und Jeder, der diese Fahnen, nachdem er einmal zu ihnen geschworen, wieder verläßt, als Rebell und als Feind der Kirche und des Staates betrachtet werden.
»Rom, am 7. December 1798.«
Pronio überreichte seine Proclamation dem König, damit er sie lese. Der König gab sie jedoch weiter an den Cardinal und sagte:
»Ich verstehe nicht gut, Eminentissime.«
Ruffo begann nun seinerseits zu lesen.
Pronio, welcher sich um den Ausdruck der Züge des Königs nicht sonderlich gekümmert, beobachtete dagegen die Wirkung, welche das Lesen der Proclamation auf das Gesicht des Cardinals äußerte, mit der größten Aufmerksamkeit.
Zwei- oder dreimal während des Lesens richtete Ruffo seine Augen auf Pronio und jedesmal sah er die Blicke des neuen Capitäns auf die einigen geheftet.
»Ich hatte mich in Ihnen nicht getäuscht, Herr Capitän,« sagte der Cardinal, als er fertig war, zu Pronio. »Sie sind ein gescheiter Mann.«
Dann wendete er sich zu dem König und fuhr fort: »Sire, ich glaube, Niemand in Ihrem ganzen Königreich hätte eine so geschickte Proclamation zu verfassen vermocht, und Eure Majestät können sie dreist unterzeichnen.«
»Das ist also Ihre Meinung, Eminentissime, und Sie haben nichts daran auszusetzen?«
»Ich bitte Eure Majestät auch nicht eine Sylbe daran zu ändern.«
Der König ergriff die Feder.
»Sie sehen es,« sagte er; »ich unterzeichne vertrauensvoll.«
»Ihr Taufname, Herr Capitän?«, fragte Ruffo, während der König unterzeichnete.
»Joseph, Monseigneur.«
»Und nun, Sire, sagte Ruffo, »da Sie einmal die Feder in der Hand haben, so können Sie Ihrer Unterschrift noch die Worte hinzusetzen:
»Der Capitän Joseph Pronio ist beauftragt, für mich und in meinem Namen diese Proclamation zu verbreiten und darauf zu sehen, daß den darin von mir ausgesprochenen Absichten treulich nachgegangen werde.«
»Das kann ich hinzufügen?« fragte der König.
»Ja, das können Sie, Sire.«
Der König schrieb ohne Widerrede die von Ruffo dictierten Worte.
»Es ist geschehen,« sagte er.
»Nun, Sire,« sagte Ruffo, »während der Capitän Pronio uns ein Duplicat von dieser Proclamation fertigen wird – Sie verstehen, Capitän, der König ist mit Ihrer Proclamation so zufrieden, daß er eine Abschrift davon zu haben wünscht – werden Eure Majestät eine Anweisung von zehntausend Ducati an die Ordre des Capitäns unterzeichnen.«
»Monseigneur!« rief Pronio.
»Laffen Sie mich nur machen, Herr Capitän.«
»Zehntausend Ducati! Ei! ei!« rief der König.
»Sire, ich bitte Eure Majestät –«
»Gut, gut,« sagte der König; »auf Corradino?«
»Nein, auf das Haus André Baker & Comp. Es ist dies viel sicherer und geht ganz besonders weit rascher.«
Der König setzte sich, schrieb die Anweisung und unterzeichnete sie.
»Hier ist das Duplicat der Proclamation,« sagte Pronio, indem er dem Cardinal die Abschrift überreichte.
»Jetzt haben wir es blos miteinander zu thun, Herr Capitän,« sagte Ruffo. »Sie sehen das Vertrauen, welches der König auf Sie setzt. Hier ist eine Anweisung auf zehntausend Ducati. Laffen Sie in einer Buchdruckerei von dieser Proclamation so viel tausend Exemplare drucken, als man in vierundzwanzig Stunden liefern kann. Die ersten zehntausend Exemplare werden heute noch in Neapel angeschlagen, wenn es möglich ist, ehe der König dort ankommt. Jetzt ist es Mittag. In anderthalb Stunden können Sie in Neapel und um vier Uhr können die Proclamationen gedruckt sein. Nehmen Sie zehntausend, zwanzigtausend, dreißigtausend davon mit, verbreiten Sie dieselben in Massen und sorgen Sie dafür, daß bis morgen Abend wenigstens zehntausend Exemplare sich in den Händen des Volkes befinden.«
»Und was soll ich mit dem übrigen Gelde machen, Monseigneur?«
»Dafür kaufen Sie Flinten, Pulver und Kugeln.«
Pronio wollte, außer sich vor Freude, sofort davoneilen.
»Wie!« sagte Ruffo »Sie sehen nicht, Capitän?«
»Was denn, Monseigneur?«
»Der König reicht Ihnen eine Hand zum Kusse.«
»O, Sire!« rief Pronio, die Hand des Königs küssend, »an dem Tage, wo ich mich für Eure Majestät tödten lasse, werde ich meine Schuld noch nicht abgetragen haben.«
Und Pronio entfernte sich, in der That bereit, sich für des König tödten zu lassen.
Der König erwartete Pronios Entfernung augenscheinlich mit Ungeduld. Er hatte an diesem großen Auftritt theilgenommen, ohne recht zu wissen, welche Rolle er dabei spielte.
»Wohlan,« sagte der König, als die Thür sich wieder geschlossen hatte, »wahrscheinlich ist abermals Nicandro daran Schuld, aber der Teufel soll mich holen, wenn ich Ihren Enthusiasmus für diese Proclamation begreife, welche kein wahres Wort sagt.«
»Gerade eben weil sie kein wahres Wort sagt und weil weder Eure Majestät noch ich gewagt hätten schreiben, eben deshalb bewundere ich diese Proclamation.«
»Aber dann,« sagte Ferdinand, »erklären wenigstens, damit ich sehe, ob sie meine zehntausend Ducati werth ist.«
»Wenn Eure Majestät sie ihrem Werth nach sollten, so wären Sie gar nicht reich genug, dies zu thun.«
»Eselskopf«, sagte Ferdinand, indem er sich Faust vor die Stirn schlug.
»Wollen Eure Majestät mir beim Durchlesen der Abschrift folgen?«
»Ich folge Ihnen,« sagte der König und gab dem Cardinal die Abschrift der Proclamation. [Wir ändern kein Wort an dem Text dieser Proclamation, vielleicht einem der unverschämtesten historischen Documente, die Welt aufzuweisen hat.]
Ruffo las:
»Während ich mich in der Hauptstadt der christlichen Welt befinde und beschäftigt bin, die heilige Kirche herzustellen, drohen die Franzosen, welchen gegen über ich Alles gethan habe, um den Frieden zu erhalten, Abruzzen einzudringen!«
»Sie wissen, daß ich noch nicht bewundere.«
»Daran thun Sie Unrecht, Sire. Bemerken Tragweite dieser Worte. Sie sind in dem Augenblick wo Sie diese Proclamation schreiben, in Rom. Sie sind aller Ruhe und ohne andere Absicht, als die heilige wieder herzustellen. Sie lassen dort nicht die Freiheitsbäume umhauen, Sie wollen nicht die Consuln hängen lassen, Sie lassen das Volk nicht die Juden verbrennen oder in die Tiber werfen. Sie sind dort ganz in aller Unschuld und blos im Interesse des heiligen Vaters.«
»Ah,« rief der König, welcher allmälig anfing zu begreifen.
»Sie sind, fuhr der Cardinal fort, »nicht dort, um Krieg gegen die Republik zu führen, denn Sie haben ja den Franzosen gegenüber. Alles gethan, um mit ihnen in Frieden zu leben. Wohlan, obschon Sie Alles gethan haben, um mit ihnen in Frieden, das heißt auf freundschaftlichem Fuße zu leben, drohen die Franzosen doch, in die Abruzzen einzudringen.«
»Ah!« rief der König und verstand nun.
»Folglich,« fuhr Ruffo fort, »geht in den Augen Aller, welche dieses Manifest lesen, und die ganze Welt wird es lesen, der Friedensbruch, der Verrath nicht von Ihnen, sondern von den Franzosen aus. Trotz der Drohungen, welche der Gesandte Garat gegen Sie ausgestoßen, vertrauen Sie ihnen wie Bundesgenossen, welche Sie sich um jeden Preis erhalten wollen. Erfüllt von Vertrauen auf die Redlichkeit dieser Bundesgenossen gehen Sie nach Rom, und während Sie in Rom sind, während Sie nichts Arges ahnen, während Sie ganz ruhig und unbesorgt sind, greifen die Franzosen Sie unversehens an und schlagen Mack. Sie werden selbst zugeben, Sire, daß es durchaus nicht zu verwundern ist, wenn ein unversehens angegriffener General geschlagen wird.«
»Ja,« sagte der König, der immer mehr und mehr begriff, »das ist in der That wahr.«
»Eure Majestät fügen hinzu: Trotz der Gefahr, welcher ich mich dabei aussetze, wage ich mich durch ihre Reihen hindurch, um meine bedrohte Hauptstadt zu erreichen. Sobald ich jedoch einmal in Neapel bin, werde ich ihnen mit einer zahlreichen Armee entgegenmarschieren, um sie auszurotten.« – Sehen Sie, Sire, trotz der Gefahr, welcher Sie sich dabei aussetzen, wagen Eure Majestät sich durch die Reihen der Feinde hindurch, um die bedrohte Hauptstadt zu erreichen. Verstehen Sie, Sire? Sie fliehen nicht vor den Franzosen, Sie wagen sich durch ihre Reihen hindurch, Sie fürchten nicht die Gefahr, sondern bieten ihr vielmehr die Spitze. Und warum setzen Sie Ihre geheiligte Person in so verwegener Weise aufs Spiel? Um Ihre Hauptstadt zu erreichen, zu beschützen, zu vertheidigen, um mit einem Worte mit einer zahlreichen Armee dem Feinde entgegen zu marschieren, um die Franzosen auszurotten.«