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Drittes Kapitel
Mathias Goguelue

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Franz ging geraden Weges nach dem Kamine und stellte seine Flinte in die Ecke, während sein Hund, welcher den charakteristischen Namen Schielax hatte, ohne weiteres sich in die vom vorigen Abende her noch warme Asche setzte.

Den Namen hatte der Hund von einem Buschelchen rother Haare, einer Art Schönheitsfleckchen, erhalten, das am Augenlidwinkel gewachsen war und ihn bisweilen, nicht immer, schielen ließ.

Schielax galt übrigens für die feinste Spürnase drei Stunden in der Runde, während Franz, obgleich noch zu jung, als daß er sich bereits durch große Jagdtaten hätte ausgezeichnet haben können, in ziemlich gleichem Rufe stand, das heißt für einen derjenigen galt, welche der Fährte eines Wildes mit der größten Sicherheit zu folgen vermögen. Wenn irgend ein angeschossenes Wild aufzusuchen, ein Wildschwein abzutreiben war und dergleichen, so erhielt stets Franz den Auftrag dazu.

Für ihn hatte der Wald, so düster und dunkel er auch war, kein Geheimniß; ein zertretener Grashalm, ein umgewendetes Blatt, ein an einem Dornbusch hängen gebliebenes Haarbüschelchen enthüllte ihm ein ganzes nächtliches Drama, von der ersten bis zur letzten Szene, welches keine andern Zeugen gehabt zu haben glaubte, als die Bäume und keine andere Leuchte, als die Sterne am Himmel.

Da am nächsten Sonntag das Kirchweihfest in Corcy war, so hatten die Aufseher in der Nähe dieses Dorfes von dem Inspektor Deviolaine die Erlaubniß erhalten, ein Wildschwein zu schießen, und damit man nicht viele Mühe dabei habe, hatte Franz den Auftrag erhalten, das Tier an einen Ort zu treiben, wo man es leicht finden und schießen könne.

Er hatte diesen Auftrag mit seiner gewöhnlichen Geschicklichkeit ausgeführt, als wir ihm durch den Wald nach dem neuen Hause zukommen und dann an der Türe anpochen sahen.

»Was?« fragte Watrin. als Franz seine Flinte hingestellt und Schielax sich in die Asche gesetzt hatte. »Kalt wäre es? Im Mai? Was würdest Du da bei dem russischen Feldzuge gesagt haben?«

»Nun, warten Sie nur. Wenn ich sage kalt, so ist das eine Redensart, wie Sie sich wohl denken können, Vater Watrin. Ich meine, in der Nacht ist's kalt. Sie wissen recht gut, daß die Nächte nicht so geschwind vorrücken, wie die Tage, wahrscheinlich weil's in der Nacht finster ist. Am Tage haben wir richtig Mai, aber in der Nacht ist's noch Februar. Ich bleibe also dabei: 's ist kalt. Brrr!«

Watrin schlug Feuer an, blickte dabei von der Seite, wie Schielax, nach Franz hin und fragte:

»Soll ich Dir was sagen?«

»Immer zu, Vater Watrin,« antwortete Franz, der seinerseits einen schelmischen, pfiffigen Blick von der Seite auf den Alten richtete; »immer zu! Sie wissen ja so gut zu reden, wenn Sie einmal zu reden anfangen.«

»Du machst Dich zum Esel, um Kleie zu bekommen.«

»Das verstehe ich nicht.«

»Nicht?«

»Auf Ehre!«

»Du sagst, es sei kalt, damit ich Dir einen Schnapps anbieten soll.«

»So wahr Gott lebt, daran habe ich nicht gedacht, aber damit will ich nicht etwa sagen, ich würde ihn ausschlagen, wenn Sie mir einen anböten; o nein, nein, Vater Watrin, ich weiß zu gut, daß ich Ihnen nicht widersprechen darf.«

Und er sah fortwährend den Alten pfiffig von der Seite an.

Vater Watrin sagte weiter nichts, als »hm,« wodurch er wohl seine Zweifel über Franzens Uneigennützigkeit und dessen Nichtwidersprechendürfen ausdrücken wollte, fing von Neuem an, den Stahl an den Stein zu schlagen, und bei dem dritten Schlage fing der Schwamm sprühend Feuer. Dann legte er mit einem Finger, der gegen Feuer völlig unempfindlich zu sein schien, den Schwamm auf den frisch eingestopften Tabak und begann den Rauch einzuziehen, den er anfangs in kaum bemerklichem Dunste, dann in immer stärker werdenden Wolken ausstieß, bis er die Überzeugung erlangt zu haben schien, daß die Pfeife hinreichend brenne, worauf er in den gewöhnlichen ruhigen und regelmäßigen Zügen weiter rauchte.´

In der Zeit, welche er zu diesem wichtigen Geschäfte verwendete, drückte sein Gesicht nur die demselben gewidmete Aufmerksamkeit aus, als aber die Sache genügend im Gange war, stellte sich das Lächeln auf seinem Gesichte wieder ein, er trat an den Schrank, holte aus demselben eine Flasche und zwei Gläser und sagte:

»Nun meinetwegen, so wollen wir erst ein Wörtchen mit der Cognacflasche und dann von unsern Geschäften reden.«

»Ein Wörtchen nur? Ach wie wortkarg Vater Watrin ist!«

Als wolle Vater Watrin Franz auf der Stelle Lügen strafen, schenkte er die beiden Gläser voll bis an den Rand, dann stieß er das seinige an das des jungen Mannes und sagte:

»Auf Deine Gesundheit!«

»Auf die Ihrige auch und auf das Wohl Ihrer Frau und daß der liebe Gott sie nicht mehr so eigensinnig sein lasse!«

»Gut!« antwortete Watrin und verzog das Gesicht, womit er wohl ein Lächeln vorstellen wollte. Dann nahm er seinen Pfeifenstummel in die linke Hand, legte dieselbe nach seiner Gewohnheit auf den Rücken, führte mit der Rechten das Glas an die Lippen und leerte es in einem Zuge.

»Ei da warten Sie doch'« fiel Franz lachend ein; »ich war noch nicht fertig und wir werden nun noch einmal von vorn anfangen müssen. – Auf die Gesundheit Bernhards!«

Darauf trank er selbst sein Glas aus, mit mehr Behagen, nicht so hastig, wie der Alte. Als der letzte Tropfen verschwunden war, stampfte er aber, wie in Verzweiflung, mit dem Fuße auf und sagte:

»Nun habe ich das Beste doch vergessen!«

»Was hast Du vergessen?« fragte Watrin, indem er eifrig an der Pfeife zog, die während ihres Aufenthaltes in der linken Hand auf dem Rücken beinahe ausgegangen war.

»Was ich vergessen habe?« antwortete Franz. »Katharine, Ihre Nichte, 's ist doch recht schlecht, die Abwesenden zu vergessen, aber das Glas ist leer – sehen Sie, Vater Watrin.«

Er machte die Nagelprobe.

Watrin verzog das Gesiebt nochmals, um zu sagen:

»Spaßvogel, ich kenne Dich, aber der guten Absicht wegen soll es verziehen sein.«

Watrin sprach, wie gesagt, wenig, aber groß war er in der Pantomime.

Er nahm die Flasche noch einmal und schenkte so reichlich ein, daß die Gläser überliefen.

»Da!« sagte er.

»Das lasse ich mir gefallen,« antwortete Franz; »heute knickert Vater Watrin nicht. Man sieht's, daß er seine hübsche Nichte lieb hat.«

Er führte das Glas an die Lippen mit einem Enthusiasmus, von dem das Mädchen und der Cognac einen Teil für sich in Anspruch nehmen konnten und sagte:

»Wer sollte auch die liebe Mamsell Katharine nicht lieb haben! 's ist mit ihr, wie mit dem Cognac.«

Nach dem Beispiele, mit dem ihm der Alte vorangegangen war, stürzte er dies Mal den Inhalt des Glases auf einmal hinunter.

Watrin machte dieselbe Bewegung mit ganz militärischer Regelmäßigkeit, aber Jeder der beiden Trinker drückte seine Befriedigung über den Genuß in verschiedener Weise aus.

»Hm!« sagte der Eine.

»H. . .m!« sagte der Andere.

»Kommt Dir's noch immer kalt vor?« fragte Vater Watrin.

»Nein,« antwortete Franz, »im Gegenteil, es wird mir warm.«

»So geht's besser?«

»Sapperlot, ja; es steht bei mir auf beständig schön wie bei Ihrem Wetterglas.«

»In diesem Falle können wir auch von der Hauptsache, von dem Wildschwein, reden,« sagte Watrin.

»O, das Wildschwein?« entgegnete Franz; »ich glaube, das haben wir.«

»Wie das letzte Mal wohl?« sagte eine kreischende, höhnische Stimme plötzlich hinter den beiden Männern.

Sie drehten sich gleichzeitig um, obgleich sie beide recht wohl Denjenigen erkannt hatten, welchem die Stimme angehörte. Dieser ging, als gehöre er in das Haus, weiter, und setzte nur hinzu:

»Guten Morgen mit einander!«

Dann setzte er sich an den Kamin, störte die hier und da noch glühende Asche auf, und warf ein Stück Holz darauf, das bald Feuer fing. Aus der Tasche seiner Jacke nahm er einige Kartoffeln, legte sie neben einander in die Asche und deckte sie vorsichtig zu.

Der, welcher die Erzählung unterbrach, welche Franz eben beginnen wollte, verdient wegen der Rolle, die er in dieser Geschichte spielen wird, eine ausführlichere Beschreibung.

Es war ein Bursch von zwanzig bis zweiundzwanzig Jahren mit schlichtem, rothen Haar, niedriger Stirn, schielenden Augen, aufgestülpter Nase, vorstehendem Munde, zurückweichendem Kinn und dünnem schmutzigen Barte. An seinem, durch den zerrissenen Hemdkragen so gut als nicht verhülltem Halse bemerkte man einen Kropf. Seine ungeschickt angefügten Arme schienen verhältnismäßig zu lang zu sein und gaben seinem schleppenden, gewissermaßen schläfrigen Gang, die Bewegung der großen Affen, welche die Naturforscher Schimpanse nennen. Kauerte er auf den Fersen, oder saß er auf einem Bänkchen, so wurde die Ähnlichkeit zwischen dem verfehlten Menschen und dem vollkommenen Affen noch auffallender, denn dann konnte er, gleich jenen Menschen-Carricaturen, die verschiedenen Gegenstände, die er haben wollte, mit den Händen oder Füßen fassen, und zwar fast ohne den Rumpf zu bewegen, der so schlecht geformt war als das Übrige. Die ganze unangenehme Person ruhte auf Füßen, die der Größe und Breite nach mit denen Karls des Großen hätten sich messen können.

In geistiger Hinsicht war die Gabe, welche die Natur dem armen Teufel zugeteilt hatte, vielleicht noch geringer. Während schlechte und schmutzige Scheiden bisweilen eine gute und schöne Klinge bergen, enthielt der Körper des Mathias Goguelue – so hieß der Bursch – eine schwache Seele. So viel ist gewiß, daß jedes Wesen, das schwächer war als Mathias, einen Schmerzenslaut von sich gab, sobald er es berührte: Der Vogel, weil er ihm die Federn auszupfte; der Hund, weil er ihn auf die Pfote trat; das Kind, weil er es am Haar zupfte. Dagegen war Mathias neben den Stärkeren demütig, wenn er auch Spott und Hohn nicht ließ; empfing er eine Beleidigung, einen Schimpf, einen Schlag, wie heftig und empfindlich sie auch waren, so behielt sein Gesicht das stumpfsinnige Lächeln, aber die Beleidigung, der Schimpf, der Schlag blieb unvertilgbar in dem Herzen eingeprägt; irgend einmal wurde das Leid, ohne daß man ahnte, woher es kam, hundertfach vergolten und Mathias hatte in der tiefsten Tiefe seines Innern einen Augenblick unheimlicher Freude, die ihn oftmals zu dem Gedanken brachte, das Böse, das er erlitten, sei ein Glück für ihn, da er Böses habe dafür tun können.

Uebrigens muß man zu seiner Entschuldigung hinzufügen, daß sein Leben immer ein schmerzensreiches und unsicheres gewesen. Eines Tages hatte man ihn aus einer Schlucht hervorkommen sehen, wo ihn ohne Zweifel herumziehende Zigeuner zurückgelassen. Er war damals drei Jahre alt gewesen, halb nackt und konnte kaum sprechen. Der Bauer, der ihn zuerst gesehen, hieß Mathias, die Schlucht aus der er gekommen, Goguelue, deshalb wurde das Kind Mathias Goguelue genannt. Von einer Taufe war niemals die Rede gewesen und Mathias vermochte nicht zu sagen, ob er überhaupt getauft worden sei, oder nicht. Wer sollte sich auch mit seiner Seele beschäftigen, da der Körper in einem Zustande sich befand, daß er doch immer von Almosen und Diebstahl leben mußte.

So war er herangewachsen. Obgleich schlecht geformt und hässlich, besaß er doch Kräfte, und obgleich scheinbar stumpfsinnig, war er schlau und pfiffig. Wäre er in Ozeanien, an den Ufern des Senegal, oder im japanischen Meere geboren worden, hätten die Wilden von ihm sagen können, was sie von den Affen sagen: »sie reden nicht, weil sie fürchten, man würde sie für Menschen halten und sie zum Arbeiten nötigen.«

Mathias stellte sich schwach und stellte sich blödsinnig; zeigte sich aber eine Gelegenheit, daß er seine Körperkraft oder seinen Verstand gebrauchen mußte, so gab er Beweise von der rohen Kraft des Bären und der Schlauheit des Fuchses. War dann die Gefahr vorüber, oder der Wunsch befriedigt, so wurde Mathias wieder Mathias, der bekannte, verspottete, kraftlose, blödsinnige Mathias.

Der Abbé Gregoire, – der vortreffliche Mann, von dem ich in meinen »Memoiren« spreche, und der auch in dieser Geschichte eine Rolle zu spielen hat – hatte Mitleid mit dem armen, geistesschwachen Wesen gehabt, sich als den geborenen Vormund des Verwaisten angesehen und ihn um eine Stufe in der Reihenfolge der Geschöpfe höher stellen wollen, deshalb ein Jahr lang sich unsägliche Mühe gegeben ihm lesen und schreiben zu lehren. Nach einem Jahre hatte er den Versuch als unausführbar aufgeben müssen. Der allgemeinen Meinung nach, welcher auch der würdige Abbé folgte, kannte Matthias keinen Buchstaben und vermochte keinen zu schreiben, aber Alle täuschten sich; Mathias las zwar nicht vortrefflich, aber er las und sogar ziemlich geläufig; er schrieb nicht wie in Kupfer gestochen, aber er schrieb und recht leserlich. Nur hatte Niemand ihn jemals lesen hören und schreiben sehen.

Auch Vater Watrin hatte das Seinige getan, Mathias aus seiner Vertierung zu reißen, und zwar aus der körperlichen, wie der Abbé aus der geistigen. Er hatte bemerkt, daß Mathias die Gabe oder das Geschick besaß, das Geschrei der Thiere, den Gesang der Vögel nachzuahmen und einer Fährte zu folgen; er hatte erkannt, daß Mathias mit seinen Schielaugen einen Hasen oder ein Kaninchen im Lager recht gut sehe; es war ihm mehrmals aufgefallen, daß ihm Pulver und Blei fehlte, und geschlossen, daß er die Anlagen des Mathias vielleicht nützlich verwenden, und ihn zu einem brauchbaren Gehilfen im Walde machen könne. Er hatte deshalb mit dem Inspector Deviolaine gesprochen und von diesem die Ermächtigung erhalten, seinem Schützlinge eine Flinte in die Hand zu geben.

Das war denn geschehen, aber nach einer halbjährigen Probezeit hatte Mathias zwei Hunde erschossen, einen Treiber verwundet, aber nie ein Stück Wild getroffen. Da hatte Vater Watrin erkannt, Mathias habe alle Anlage zu einem Wilddiebe, aber keine zu einem Aufseher, und ihm die Flinte wieder abgenommen, von der er einen so schlechten Gebrauch gemacht, worauf der Bursch ohne Scham sein früheres Bettelleben von Neuem angefangen.

Auf seinen Wanderungen blieb das neue Haus und der Heerd des Vaters Watrin ein Lieblingsruhepunkt, trotz dem Hasse, oder vielmehr dem Abscheu, welche Mutter Watrin gegen ihn empfand, die eine zu gute Hausfrau war, als daß sie nicht hätte bemerken sollen, wie sehr die Anwesenheit des Mathias ihren Garten und ihren Speiseschrank benachteiligte, und trotz der Abneigung, mit welcher Bernhard, der Sohn vom Hause, ihn stets angesehen.

Wie übrigens Niemand die Fortschritte kannte, welche Mathias bei dem Unterrichte des Abbé Gregoire im Lesen und Schreiben gemacht hatte, war es auch Allen unbekannt, daß die Ungeschicklichkeit im Schießen von Mathias ebenfalls nur erheuchelt wurde, und daß er, wenn er wollte, ein Rebhuhn und ein Wildschwein so gut traf wie, der beste Schütze im Walde.

Warum entzog Mathias seine Talente den Blicken? Weil er glaubte, es könne ihm nicht blos nützlich sein, lesen, schreiben und schießen zu können, sondern vielleicht in höherem Grade nützlich, wenn man ihm das Geschick dazu nicht zutraue.

Derjenige also, welcher eintrat und Franz gleich im Anfange seiner Erzählung unterbrach, war also ein böswilliger Bursch.

»Wo ist das Wildschwein?« fragte Vater Watrin, der eben die Zunge frei hatte, da er die Pfeife wieder stopfen mußte.

»Im Pökelfaß, da es Franz ja schon hat,« sagte Mathias.

»Noch nicht,« erwiderte dieser, aber ehe die Uhr da die siebente Stunde vermeldet, wird es da sein. Nicht wahr, Schielax?«

Der Hund, den das neu auflebende Feuer in eine wahre Glückseligkeit versetzte, drehte sich auf den Ruf seines Herrn um, kehrte mit dem langen Schweife die Asche hin und her und ließ ein freundliches Knurren hören, welches bejahend auf die gestellte Frage zu antworten schien.

Franz wendete, zufrieden mit der Antwort seines Schielax, die Augen von Mathias mit einem Unwillen ab, den er gar nicht zu verheimlichen suchte, und setzte sein Gespräch mit Vater Watrin fort, der, mit der frisch gestopften Pfeife im Munde, den jungen Mann behäbig anzuhören sich anschickte.

»Das Wildschwein ist etwa eine Viertelstunde von hier,« begann Franz, »in dem Dickicht der Tétes des Salmon. Halb drei Uhr früh ist es von dem Gebüsch am Wege von Dampleur aufgebrochen . . .«

»Woher weißt Du das,« fragte Mathias, »da Du erst um drei hinausgegangen bist?

»Hören Sie nur, Vater Watrin! Fragt der, woher ich das weiß! – Ich will es Dir erzählen, Schielax, und merke es Dir.«

Franz hatte eine üble Gewohnheit, welche Mathias sehr verletzte, die nämlich, den Burschen und den Hund gleichmäßig Schielax zu nennen, obgleich, seiner Meinung nach, der Hund um Vieles zierlicher schielte.

Auf den ersten Blick schienen Beiden – dem Hunde und dem Burschen – die Benennung gleichgültig zu sein, aber die Äußerung dieser Gleichgültigkeit war doch nur bei dem Hunde unverstellt.

Franz selbst achtete nicht darauf und fuhr fort:

»Um welche Zeit fällt der Thau? Um drei Uhr früh, nicht wahr? Nun, wenn das Wildschwein nach dem Thaufalle sich aufgemacht hätte, würde es über die nasse Erde gegangen sein und kein Wasser in seinen Fährten stehen, während es über die trockene Erde gegangen, der Thau erst später gefallen ist, und längs des Weges Tränkstellen für die Rotkehlchen gemacht hat.«

»Wie alt ist es?« fragte Watrin, welcher entweder der Bemerkung des Mathias gar keine Bedeutung beilegte, oder die gegebene Erklärung für vollkommen genügend hielt.

»Sechs bis sieben Jahre,« antwortete Franz ohne Zögern.

»Oho! Nun hat das Schwein dem gar seinen Geburtsschein vorgewiesen!«

»Allerdings, und so deutlich unterzeichnet, wie es nicht Jeder kann . . . Wenn das Tier nicht besondere Gründe hat, sein Alter zu verheimlichen, stehe ich dafür, daß ich mich nicht um drei Monate irre. Nicht wahr, Schielax? Sehn Sie's, Vater Watrin, Schielax bestätigt, daß ich mich nicht irre.«

»Ist es allein?« fragte Vater Watrin.

»Nein, mit seiner trächtigen Sau . . .«

»Oho!«

»Die bald werfen wird.«

»Ohoho!« fiel Mathias ein.

»Vater Watrin, der Mensch da ist im Walde gefunden worden, und weiß nicht einmal, wenn eine Sau trächtig ist, oder nicht . . . Was hast Du denn gelernt?«

»Ein neues Tier?« fragte Vater Watrin, der zu wissen wünschte, ob die Zahl der Wildschweine in seinem Revier zu- oder abnähme oder sich gleich bliebe.

»Die Sau, ja,« antwortete Franz mit seiner gewöhnlichen Sicherheit; er nicht. . . Sie kenne ich nicht, ihn sehr gut. Er ist derselbe, dem ich vor vierzehn Tagen eine Kugel in die linke Schulter geschickt habe.«

»Warum glaubst Du das?«

»Das muß ich Ihnen sagen, der dem Schielax da anzuraten geben kann? Daß ich ihn getroffen hatte, wußte ich; aber die Kugel war nicht neben dem Schulterblatte hineingegangen, sondern in die Schulter selbst.

»Hm!« entgegnete Watrin; »er hat nicht geschweißet . . .«

»Nein, weil die Kugel zwischen Haut und Fleisch, im Speck sitzen geblieben ist. Jetzt fängt die Wunde an zu heilen; das juckt und das Thier reibt sich an den Bäumen; er hat an einem sogar ein Büschelchen Haar hängen lassen. Sehen Sie einmal.«

Bei diesen Worten nahm Franz aus seiner Westentasche ein Büschelchen Haar, das feucht von geronnenem Blut war, und seine Angabe bestätigte.

Watrin nahm es, sah es mit Kennerblick an, und gab es zurück als sei es etwas höchst Kostbares.

»'s ist so,« sagte er dabei, »und 's ist so gut als sähe ich das Tier. Ich habe nicht übel Lust, einen Gang ihm zu Gefallen zu tun.«

»Thun Sie das; Sie werden Alles finden, wie ich es gesagt habe. Sie brauchen mit ihm auch gar nicht besonders vorsichtig zu sein, sondern kennen sich ihm nähern so weit Sie wollen, er wird sich nicht rühren; die Frau Gemahlin befindet sich nicht recht wohl, und der Herr ist galant.«

»So werde ich auf der Stelle gehen,« sagte Vater Watrin mit einer Gebärde der Entschlossenheit, bei der er die Zähne so fest auf einander drückte, daß er noch ein Stück von dem schon so kurzen Pfeifenstummel abbiß.

»Wollen Sie Schielax mitnehmen?«

»Wozu?«

»Nun ja, Sie haben selbst gute Augen; Sie werden suchen und finden . . . den Namensvetter des Mathias will ich lieber in seine Hütte bringen, nachdem ich ihm ein Stück Brod gegeben habe, das er diesen Morgen redlich verdient hat.«

»Hast Du Alles gehört, Mathias?« sagte Watrin, welcher ruhig seine Kartoffeln verzehrte. »So gute Augen wirst Du nie bekommen.«

»Ist mir auch ganz und gar einerlei,« antwortete der Angeredete.

Watrin zuckte die Achseln über diese Gleichgültigkeit des Mathias, die ihm unerklärlich war; dann zog er seinen Uniformrock an, legte die Halbgamaschen an, nahm sein Gewehr, blos weil er ohne dasselbe nicht gewusst haben würde, was er mit dem rechten Arme anfange, reichte Franz die Hand und ging fort.

Dieser trat an den Schrank, schnitt etwa ein halbes Pfund Schwarzbrot ab, und murmelte:

»Dem Alten juckten die Beine als ich erzählte. . . Na, komm, Schielax, da ist ein tüchtiges Stück Brod. Jetzt vorwärts in die Hütte!«

Er ging mit dem Hunde hinaus, dem die Aussicht auf das Stück Brot die Verweisung in die Hütte in etwas versüßte, und ließ Mathias mit den Kartoffeln in der Asche allein.

Katharine Blum

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