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III

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Da die Ursachen, welche den Kapitän Paul an die Küste der Bretagne brachten, mit unserer Geschichte in keinem andern Zusammenhange stehen, als in dem, der eben erzählten, Ereignisse, werden wir unsere Leser in derselben Ungewißheit lassen, als wie die Bewohner von Port-Louis: ob uns aber auch unsere Bestimmung und unser Beruf natürlich auf das Land zieht, wollen wir ihn dennoch einige Tage auf seiner abentheuerlichen Fahrt auf dem Ocean begleiten.

Das Wetter war so schön, als es in den abendländischen Gestaden in den ersten Herbsttagen nur sein kann. Die Indianerin segelte brav vor dem Winde. Die sorglosen Matrosen verließen sich auf den Anblick des Himmels, und mit Ausnahme einiger am Steuer beschäftigter Männer, brachte die auf die verschiedenen Partien des Schiffes zerstreute Equipage die Zeit nach Gefallen zu, als plötzlich eine, wie vom Himmel herabschallende Stimme rief: »Ohe! ohe! ein Segel!«

»Holla!« antwortete der vorn stehende Hochbootsmann; »Herr Officier von der Wacht! melden sie es dem Kapitän!«

– — »Ein Segel! ein Segel!« wiederholten die Matrosen auf dem Verdecke, denn in diesem Augenblicke hatte eine Welle das Fahrzeug so gehoben, daß es den geübten Augen der Seeleute am Rande des Horizontes sichtbar ward, ob sie gleich der minder scharfe Blick eines Passagiers oder Landsoldaten für den ausgespannten Flügel einer Möve hätte halten können.

»Ein Segel!« rief seinerseits ein junger Mann von fünfundzwanzig Jahren, der von der Treppe einer Kajüte aufs Verdeck stürzte; »fragt Herrn Arthur, für was er es hält?«

»Holla, Sir Arthur!«, fragte der Lieutenant auf englisch durchs Sprachrohr, um sich nicht vergebens anzustrengen; »der Kapitän will wissen was sie von jener Nußschale halten?«

»Ei, ich meine,« antwortete der junge Midshipman in derselben Sprache von der Wacht herab, »es ist ein großes Schiff, das uns den Wind abschneidet und sich nach uns richtet. Ha! ha! da läßt es sein Hauptsegel fallen.«

»Ja, ja,« sagte der junge Mann, dem Walter den Titel Kapitän gegeben hatte; »es hat eben so gute Augen als wir und hat uns gesehen. Gut, liebt es Unterhaltung, so werden wir ihm Rede stehen. Auch möchten unsere Kanonen ersticken, so lange haben sie den Mund nicht aufgethan. – Mein Herr«, fuhr der Kapitän fort, »setzen sie den Chef der Batterie in Kenntniß, daß wir ein verdächtiges Segel vor uns haben und daß er sich bereit hält. Gut, Sir Arthur, was denken sie von dem Gange des Schiffes?« ebenfalls englisch sprechend und den Kopf zu jenem aufhebend.

»Es ist ganz und gar militairisch, Kapitän, und wiewohl wir eine Flagge noch nicht sehen, wollt' ich wetten, daß er eine gute Commission des Königs Georg am Bord hat.«

»Ja, nicht wahr, die dem Commandanten befiehlt: eine gewisse Fregatte, die Indianerin genannt, herauszufordern, und ihm, im Falle, daß er sie nimmt, den Grad des Kapitäns, wenn er Lieutenant, und des Commandeurs, wenn er Kapitän ist, verspricht. Ha, ha! jetzt steckt er seine Bramstange auf! Ja, ja, gewiß wittert uns der Spürhund und will Jagd auf uns machen. Laßt die Fregatte unter dieselben Segel bringen, Herr Walter, und uns unsern Weg fortsetzen, ohne uns eine Linie breit davon zu entfernen. Wir wollen sehen, ob er sich untersteht, sich uns in den Weg zu stellen!«

Diese Ordre ward sogleich von dem Lieutenant wiederholt, und das Schiff, daß sich unter einem Marsegel befand, entrollte die Leinwand einer Bramstangen, wie eine dreifache Wolke, und als sähe es den Feind gern in seiner Nähe, schoß es vorwärts und drückte sein Vordertheil tiefer in die Wogen, daß der Funken stäubende Schaum alle Seiten seines Rumpfes umspühlte.

Jetzt entstand ein Augenblick des Schweigens und der Erwartung, welche wir dazu benutzen wollen, die Aufmerksamkeit unserer Leser auf den Officier zu lenken, dem der Lieutenant den Titel Kapitän gegeben hatte.

Diesesmal war es weder der junge, zweifelsüchtige Seekadett, den wir dem Grafen d'Auray an den Bord der Fregatte bringen sehen, noch der alte Meerwolf mit dem gekrümmten Rücken und der rauhen und kurzen Stimme: es war ein schöner Jüngling von vierundzwanzig bis fünfundzwanzig Jahren, wie wir bereits gesagt haben, der, von aller Verkleidung frei, in seiner wahren, natürlichen Gestalt und in einer willkührlichen Uniform nach seiner Phantasie erschien, die er allemal annahm, wenn er auf dem Meere nur von Gott und dem Sturme gekannt war.

Es war eine Art von Redingote von schwarzem Sammet mit goldnen Schnüren, durch einen türkischen Gürtel um den Leib befestigt, in welchem Pistolen, nicht zum Entern, sondern zum Zweikampfe steckten, die ausgeschnitzt und eingelegt waren, wie Waffen des Luxus, die zum Putze, nicht aber zur Vertheidigung bestimmt sind. Er trug Pantalons von blauem Casimir, mit kurzen, gefältelten Stiefeln, die ihm bis über die Kniee gingen. Um den Hals hing eine aufgemachte Cravate, ein indisches Tuch von durchsichtigem Gewebe mit Blumen von natürlichen Farben, und über eine Sonnengebräunten Wangen fielen zu beiden Seiten eine langen, rabenschwarzen, ungepuderten Haare. Neben ihm, auf der Kanone des Hinterdecks, lag ein kleiner eiserner Helm, der unter dem Halse zugemacht werden konnte: dies war ein Schmuck im Kampfe und die einzige Schutzwaffe, die er trug. Einige tiefe Einschnitte in den Stahl bewiesen übrigens, daß er mehr als einmal das Haupt gegen die schrecklichen Verletzungen der Enterbeile geschützt hatte, deren sich die Seeleute bedienen, wenn sie Bord an Bord gelangen. Die andere Equipage trug die Uniform der französischen Marine mit der genauesten und strengsten Eleganz.

Unterdessen war das von der Wacht zwanzig Minuten vorher signalisierte Schiff, welches wie ein kleiner Punkt am Horizonte erschienen war, nach und nach zu einer Pyramide mit Segeln und Takelwerk geworden. Alle Blicke waren darauf gerichtet, und obgleich keine Ordre gegeben war, hatte schon Jeder eine persönlichen Vorkehrungen – zum Kampfe getroffen, als wäre er entschieden. So herrschte also am Bord der Indianerin ein tiefes, feierliches Schweigen, welches immer auf einem Kriegsschiffe den entscheidenden Befehlen des Kapitäns voranzugehen pflegt. Als endlich das Schiff noch einige Minuten gewachsen war, schien der Rumpf nach und nach aus dem Wasser zum Vorscheine zu kommen, wie früher die Segel. Man konnte nun sehen, daß es ein der Indianerin in Etwas überlegenes Fahrzeug von sechsunddreißig Kanonen war. Uebrigens segelte es, wie die Fregatte, ohne Flagge auf der Spitze, so daß, da die Mannschaft im Fundamente verborgen war, es unmöglich erkannt werden konnte, welcher Nation es gehöre, wenn es nicht gewisse Zeichen von sich gab. Beides bemerkte der Kapitän, jedoch schien nur die letzte Beobachtung Eindruck auf ihn zu machen.

»Es scheint,« sagte er zum Lieutenant, »daß wir den Auftritt zu einem Maskenballe haben werden. Lassen sie einige Flaggen aufhissen, Arthur, wir wollen den Unbekannten beweisen, daß die Indianerin eine Kokette ist, die mehrere Verkleidungen zu ihrem Befehle hat. Und sie, Herr Walter, befehlen sie, daß man die Waffen bereit hält, denn schwerlich, können wir in diesen Gewässern etwas Anderem zu begegnen glauben, als einem Feinde.«

Beide Befehle wurden sogleich vollzogen. Der junge Midshipman zog ein Dutzend verschiedene Flaggen hervor, und Walter öffnete die Waffenkisten und ließ ein Depot von Lanzen, Enterbeilen und Messern auf verschiedene Orte des Verdecks legen. Ein jeder nahm seinen Posten ein, sowohl aus Instinkt, als aus Pflicht, denn noch war der Tanz nicht losgegangen, noch kein Alarm geschlagen, so daß die Unordnung, die nach und nach auf der Fregatte geherrscht hatte, nachließ, und wieder alles aufmerksam und schweigend ward. Indessen setzten beide Fahrzeuge ihre zusammenlaufenden Linien fort, sich einander nähend. Als sie etwa drei Kanonenschüsse entfernt waren, sagte der Kapitän: »Ich glaube, Sir Walter, jetzt wird's Zeit sein, unsern Freund zu mystifizieren. Zeigen sie ihm die schottische Flagge.

Der Lieutenant winkte dem Obersteuermann, und das rothe, himmelblau beränderte Tuch stieg wie eine Flamme am Hintertheil des Schiffes empor; aber kein Zeichen am Bord des unbekannten Schiffes deutete auf das geringste Interesse an diesem Manoeuver.

»Ja, ja!« brummte der Kapitän, »der englische Leopard hat den schottischen Bären Zähne und Klauen so stumpf gemacht, daß er ihn nicht mehr beachtet, und da er ohne Vertheidigung ist, hält er ihn für gezähmt. Zeigen sie ihm ein andres Sinnbild, Herr Walter, vielleicht lösen wir ihm die Zunge.«

»Welches, Kapitän?«

»Nehmen sie aufs Ohngefähr, der Zufall mag uns dienen.«

Kaum war diese Ordre erheilt, so senkte sich die schottische Flagge, und die sardinische nahm ihren Platz ein. Das Schiff blieb stumm.

»Vorwärts,« sagte der Kapitän, »es scheint Sr. Majestät der König Georg steht im guten Vernehmen mit seinem Bruder von Cypern und Jerusalem. Wir wollen sie nicht veruneinigen, indem wir den Scherz weiter treiben. Herr Walter, pflanzen sie die amerikanische Flagge auf und begründen sie diese mit einem Kanonenschuß.«

Dasselbe Manöver wiederholte sich, die himmelblaue Fahne mit den Löwenrachen und den silbernen Kreuz fiel aufs Verdeck, und die Sterne der vereinigten Staaten erhoben sich langsam, begleitet von einem Kanonenschuß gen Himmel. Was der Kapitän vorausgesehn hatte, geschah, bei diesem rebellischen Symptom, das sich so unverschämt in der Luft zeigte, verrieth das Schiff sein Incognito, indem es die Flagge von Großbritannien aufzog. Zugleich erschien eine Rauchwolke auf dem Flanken des royalistischen Schiffes, und eine Kanonenkugel, von Woge zu Woge springend, platzte hundert Schritt von der Indianerin.

»Lassen sie Appell schlagen, Herr Walter!« schrie der Kapitän, »sie sehn, wir haben's getroffen.« »Vorwärts, Jungen !« fuhr er fort, sich an die Equipage wendend, »Hurrah für Amerika! Tod für England!« Ein allgemeiner Schrei antwortete ihm, und hatte nicht aufgehört, als man am Bord des Drako Alarm schlagen hörte, denn das war der Name des Schiffes; der Tambour der Indianerin antwortete sogleich, und jeder rannte auf einem Posten; die Kanoniere zu ihren Stücken, die Officiere zu ihren Batterien, und die mit dem Manöver beauftragten Matrosen zu diesem. Der Kapitän stieg mit dem Sprachrohr aufs Hinterdeck, denn der Commandant führt gewöhnlich dieses Symbol des höchsten Ranges, den Scepter des Königs der Seefahrer, im Augen blick des Streits oder Sturms in der Hand.

Indessen hatten die Rollen gewechselt; jetzt war's der Brite, der Ungeduld zeigte und die amerikanische Fregatte, welche ruhig schien. Kaum waren die Fahrzeuge auf Schußweite, als eine Rauchwolke sich über die ganze Länge hin verbreitete, und ein Getöse, wie das Rollen des Donners ausbrach; die eisernen Boten aber, welche ausgesandt worden, den Rebellen den Tod zu geben, in ihrem Ungestüm schlecht berechnet, platzten an den Flanken der Fregatte. Uebrigens fuhr diese fort den Wind abzuschneiden, als ob sie nicht Antwort geben möge, und zwar so, daß sie dem Feind dadurch den Weg ersparte.

In diesem Augenblicke wendete sich der Kapitän zu einem nochmaligen raschen Ueberblick der Fregatte, und mit Verwunderung heftete sich ein Blick auf eine neue Person, die diesen erhabenen und schrecklichen Auftritt zu ihrem Aufenthalte in dieser Scene gewählt hatte.

Es war ein Jüngling zweiundzwanzig bis dreiundzwanzig Jahren, mit sanftem, blassen Gesicht, einfach aber elegant gekleidet, und welchen der Kapitän noch nicht an einem Bord kannte; er lehnte am Besanmast, mit in einander geschlagenen Armen, und sah mit schwermüthiger Gleichgültigkeit nach dem englischen Schiffe, daß sich mit vollen Segeln nahte. Ueber diese Ruhe in einem solchen Augenblick, und bei einem Menschen, der dem Waffendienst fremd schien, erstaunte der Kapitän; er erinnerte sich an den Gefangenen, den der Graf von Auray gemeldet, und in der letzten Nacht, die er in Port-Louis vor Anker lag, an seinen Bord hatte bringen lassen.

»Wer hat ihnen erlaubt, aufs Verdeck zu kommen, Herr?« fragte er so sanft als möglich, so daß man nicht mußte, ob seine Worte eine Frage war oder ein Vorwurf.

»Niemand, mein Herr!« antwortete der Gefangene mit sanfter, trauriger Stimme; »allein ich dachte, sie würden bei einer solchen Gelegenheit die Ordre, die mich zu ihrem Gefangenen macht, weniger streng beobachten.«

»Haben sie vergessen, daß es ihnen unterlag ist, mit der Equipage zu verkehren?«

»Das ist auch nicht meine Absicht, ich will blos sehn ob keine Kugel für mich bestimmt ist.«

»Da können sie bald finden, was sie suchen, wenn sie an diesem Platze bleiben. Darum, glauben sie mir, Herr, bleiben sie im unteren Schiffsraume.«

»Ist das ein Rath oder ein Befehl, Herr Kapitän?«

»Nehmen sie es wie sie wollen!«

»Dann danke ich Ihnen, und bleibe!« versetzte der junge Mann.

Ein neuer Kanonenschuß ließ sich hören; jetzt aber waren beide Schiffe kaum dreiviertel Länge auseinander, und der Eisensturm fuhr durch das Takelwerk der Indianerin. Zwei Spieren fielen herab, und man vernahm das Geschrei und die unterdrückte Klage mehrerer von der Mannschaft, Der Kapitän hatte die Augen auf den Gefangenen in diesem Augenblicke geheftet; eine Kanonenkugel ging zwei Fuß hoch über seinem Kopfe hinweg, splitterte den Besanmast, an welchem erlehnte, und trotz diesem Todeswink, blieb er in derselben stillen, ruhigen Stellung, als wäre der Flügel des Würgengels nicht über ihm hingefahren. Der Kapitän verstand sich auf Muth; diese Probe war ihm hinreichend, den Mann zu beurtheilen, den er vor sich hatte.

»Gut, mein Herr!« sagte er zu ihm, »bleiben sie wo sie sind, und kommt's zum Entern und sie wären des Zusehns müde, so nehmen sie einen Säbel oder ein Beil und helfen uns ein wenig. Vergeben sie, daß ich mich jetzt nicht weiter mit ihnen beschäftigen kann, aber ich habe anders zu thun. – Feuer, meine Herrn,« fuhr er fort, durchs Sprachrohr mitten durch die Batterien redend, – »Feuer!«

»Feuer!« antwortete wie ein Echo, der, an welchem die Ordre gerichtet war.

Augenblicklich bewegte sich die Indianerin vom Kiel bis zu den entferntesten Masten; eine furchtbare Salve ließ sich hören; eine Rauchwolke legte sich wie ein Schleier über das Steuerbord und zertheilte sich im Winde. Der Kapitän, auf der Wachbank stehend, wartete ungeduldig, bis sie zerstreut war, um die Wirkung zu sehn, die diese Ladung auf das feindliche Schiff gemacht hatte. Als er das Dunstgewölk durchschauen konnte, sah er, daß der große Mastgefallen war, der die hintere Takelage des Drako verwirrt und belastet hatte, und das übrige Takelwerk durchlöchert war.

»Gut, Kinder!« schrie er durchs Sprachrohr. Jetzt haben sie alle Hände voll zu thun, um uns eine Ladung zuzuschicken! Gebt Feuer! und jetzt geht ihm so nahe als möglich zu Gesicht!«

Die Matrosen beeilten sich, dieses Manoeuver auszuführen; das Schiff kehrte sein Vorderteil mit Anmuth herum, ohne, wie er vorhersah, vom Feinde daran gehindert zu werden. Dann erbebte die Fregatte von Neuem wie ein Vulkan und spie wie ein solcher Feuer und Flammen.

Diesmal hatten die Kanoniere die Ordre buchstäblich vollzogen. Die Stege, die starken und kleineren Taue waren abgeschnitten. Nur zwei Masten fanden noch; aber von allen Seiten von den Lumpen der Segel umflattert. Es schien, als sei dem Schiffe eine Havarie zugestoßen, die bedeutender war, als man in der Ferne unterscheiden konnte, denn die Ladung zögerte, und statt die Indianerin von vorn nach hinten zu nehmen, geschah es schräg. Allein sie war darum nur noch furchtbarer und ging gänzlich durch die Flanken übers Verdeck, zugleich das Schiff und die Equipage berührend; aber durch ein an Zauberei grenzendes Ohngefähr, hatte sie noch die drei Masten verschont. Nur einiges Seilwerk war durchschnitten, und das war nicht von Wichtigkeit und hinderte die Fortsetzung der Manoeuver nicht. Ein Blick reichte hin, den Kapitän zu unterrichten, daß er Menschen verloren hatte und die Verwüstung Fleisch, statt Holz getroffen habe. Freudig setzte er wieder das Sprachrohr an den Mund.

»Das Querholz Backbord!« rief er, »wir wollen sie auf dieser Seite angreifen. Zum Entern, ihr Enterer! – Ein Ladung noch, um das Verdeck zu ebnen, dann ersteigen wir es, wie eine Veste!«

Die feindliche Fregatte begriff das Manoeuver der Indianerin im Augenblicke und wollte eine gleiche Bewegung vornehmen; allein als sie im Begriffe war, es auszuführen, ließ sich an ihrem Bord ein fürchterliches Krachen hören, und der große Mast, von der letzten Ladung der Indianerin halb zerschnitten, wankte einen Augenblick wie ein entwurzelter Baum, dann fiel er auf die Vorderseite und erfüllte das Verdeck mit seinen Segeln und Takelwerk. Paul sah ein, was die Abfeuerung der Geschütze vollzogen hatte.

»Jetzt, Kinder, habt ihr es,« rief er, »als wär' es umsonst; ihr dürft nur nehmen! Noch eine solche Ladung in Pistolenschußweite und zum Entern!«

Die Indianerin gehorchte, wie ein wohl zugerittenes Roß, und ging auf den Feind los, ohne Widerstand, dessen einziges Hilfsmittel nun in einem Kampf Mann gegen Mann bestand, denn da er nicht mehr manoeuvrieren konnte, wurden seine Kanonen überflüssig. Der Drako befand sich also in den Händen seiner Gegner, die, wenn sie sich in der Entfernung gehalten hätten, ihn so lange beschießen konnten, bis er ins Meer sank, die aber, eine solche Gattung des Sieges verachtend, ihm die letzte Ladung auf fünfzig Schritt zuschickten. Dann, als sie den Erfolg gesehen hatten, gingen sie auf ihn los, und die Fregatte warf ihre Segelstangen in die ihres Feindes und warf die Enterhaken aus. Sogleich leuchteten die Marsegel und Vordertheile der Indianerin wie Tarusbäume bei einem Freudenfeuer; glühende Granaten fielen auf den Bord des Drako, schnell und unaufhörlich wie Hagel. Dem Donner der Kanonen folgte das Geprassel des Gewehrfeuers, und mitten in diesem Höllenlärme ließ sich eine Stimme hören, wie die eines übermenschlichen Wesens:

»Muth! Kinder, Muth! hackt das Bugspriet an seinem Hinterdecke ab! Gut! befestigt sie an einander, wie den Verdammten an den Galgen! Feuer! die letzten Caronaden vor!«

Alle diese Befehle wurden wie durch Zauberei ausgerichtet: die beiden Fahrzeuge lagen wie durch Eisenbande an einander geschmiedet; die beiden Geschütze, die noch nicht gebraucht worden waren, fingen an zu dröhnen und kehrten das feindliche Verdeck durch einen Flug von Eisen. Dann erklang der furchtbare Schrei: »Geentert!«

Und das Beispiel zur Vorschrift fügend, warf der Kapitän Paul das Sprachrohr von sich, da es jetzt überflüssig ward, hestelte seinen Helm unter dem Halse zu, nahm den Säbel, den er am Gürtel trug, zwischen die Zähne und schwang sich auf das Bugspriet, um auf das feindliche Hinterdeck zu springen. Allein, wiewohl der Befehl, den er gegeben hatte, so schnell ausgeführt worden war, als der Donner auf den Blitz folgt, so war er doch nur der Zweite auf dem Verdecke des britischen Schiffes: der Erste darauf war der junge Gefangene, der seinen Rock von sich geworfen hatte, und nur mit einem Enterbeile bewaffnet, vor Allen dem Tode entgegen ging.

»Herr! die Disciplin an meinem Borde ist ihnen wohl nicht bekannt?« lachte Paul; »ich muß der Erste sein auf dem Schiffe, das ich entern will. Diesmal vergebe ich ihnen; aber daß sie mir nicht wiederkommen!«

Jetzt drangen die Matrosen der Indianerin, so wie sie es vermochten, überall und auf allen Seiten aufs Verdeck und fielen wie reife Früchte, wenn sie der Wind von Baume schüttelt, auf dasselbe. Die Engländer, die sich aufs Vorderdeck zurückgezogen hatten, demaskierten jetzt eine Caronade, die sie in Sicherheit brachten. Ein Wolkenbruch von Feuer und Flammen fuhr mitten unter die Belagerer. Verstümmelt fiel die Hälfte von Pauls Equipage auf das feindliche Deck, unter Geschrei und Fluchen . . . Allein stärker als lästernde Stimmen, erhob sich eine, die über Alles schallte:

»Vorwärts, Alles was lebt!«

Nun entstand ein Auftritt der schrecklichsten Verwirrung, ein allgemeiner Zweikampf: auf den furchtbaren Lärm des Geschützes und der Gewehre folgte die bloße Waffe, schweigend, sichrer, besonders bei Seeleuten, die sich diese Riesenwaffen seit zwei Jahrhunderten, da sie von den Schlachtfeldern verbannt sind, zugeeignet haben. Mit Äxten spalten sie sich die Köpfe; mit Messern öffnen sie sich die Brust; mit breiten eisernen Lanzen nageln sie sich an die Trümmer der Maste. Von Zeit zu Zeit fällt ein Pistolenschuß in diese Metzelei, aber isoliert und wie darüber beschämt, sich in ein solches Schlachten zu mischen. Das gegenwärtige dauerte in der unbeschreiblichsten Verwirrung etwa eine Viertelstunde; dann senkte sich Englands Flagge, und die Matrosen des Drako stürzten sich durch die Oeffnungen der Batterien in den untern Schiffsraum; auf dem Verdecke blieb Niemand als die Sieger, die Verwundeten und Todten, in deren Mitte aber stand der Kapitän der Indianerin, von seiner Equipage um geben, den Fuß auf der Brust des feindlichen Commandeurs, zu einer Rechten den Lieutenant Walter, zur Linken den jungen Gefangenen, dessen Hemd starr war vom Blute und seine Theilnahme an dem Siege bezeigte.

»Jetzt ist. Alles vorüber!« sprach Paul, den Arm ausstreckend, »und wer noch einen Schlag thut, hat es mit mir zu thun!«

Dann reichte er dem jungen Gefangenen die Hand. »Herr,« sagte er, »diesen Abend werden sie mir ihre Geschichte zum Besten geben, nicht wahr? Denn dahinter steckt eine niederträchtige Kabale: man deportiert nur Verbrecher nach Cayenne, und sie, der sie so brav sind, können keiner sein!«

Der Schiffs-Capitain

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