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Der Leser wird sich erinnern, daß ich die Reise nach Varennes nicht unternommen hatte, um Madame Lingot oder den Diogenes von Châlons zu sehen. Ich war gekommen, um den Ort zu sehen, wo die Pferde, welche den Wagen Ludwigs XVI. zogen, zweimal stürzten und sich dergestalt in die Stränge verwickelten, daß man sie losmachen und wieder anspannen mußte, wodurch mehr als eine Stunde Zeit verloren ging.

Von einem sehr gefälligen, geistreichen alten Herrn begleitet, begab ich mich in das Posthaus. Man hatte mir versichert, die Post sey immer in diesem Hause gewesen und hier habe daher Ludwig XVI. am 21. Juni um halb fünf Uhr Nachmittags die Pferde gewechselt.

Der jetzige Posthalter Duquet, welcher zu jung ist, um sich auf seine eigenen Erinnerungen zu verlassen, war so gefällig unter seinen Papieren sorgfältige Nachsuchungen anzustellen. Er entdeckte die Ursache dieses Irrthums in dem Titel; Messageries Royales, welchen man den jetzt von ihm bewohnten Gebäuden beilegt. Diese sind nicht mehr das Bureau der Messageries, sondern das Posthaus.

Die Post von 1791 befand sich am Ende der Straße St. Jacques, in dem Hause, welches gegenwärtig von einem Herrn Perrier bewohnt wird. Der Postmeister hieß Viet.

»Wenn wir unerkannt nach Châlons kommen,« hatte der König gesagt, »so sind wir gerettet.«

Man war unerkannt nach Châlons gekommen.

Wir wollen sehen, wie man bis dahin gekommen war. Dieser Abschnitt der französischen Geschichte hat mich immer so lebhaft beschäftigt, daß ich alle mit der Flucht nach Varennes verbundenen Umstände erforscht zu haben glaubte.

Wer war der erste Rathgeber zu dieser verhängnißvollen Flucht gewesen? Das Bild Carls I.

Wer dieses herrliche Bild gesehen hat, ist gewiß gedankenvoll vor demselben stehen geblieben. Da steht er, der stolze Stuart, nachsinnend, die rechte Hand auf den Stock gestützt, die linke an dem Degengefäß; er steht da mit seynem langen Haar, im Kampfe gegen die geschorenen Köpfe, die Rundköpfe, die Puritaner; hinter ihm steht sein Pferd, von dem Pagen Barry gehalten; vor ihm breitet sich das Meer aus, welches sich verschworen zu haben scheint gegen den »König der vier Meere,« wie sich seine Vorgänger, die Könige der rothen und weißen Rose, nannten.

Dies ist alles was man auf dem Bilde sieht. Aber hinter dem halb abgewendeten Könige, hinter dem ungeduldig mit dem Huf scharrenden Pferde, hinter dem sorglosen Pagen, der weder die Besorgnisse des Königs noch den Instinct des Thieres hat – hinter dieser Gruppe ahnt man das düstere Fenster von Whitehall, das schwarzbehängte Blutgerüst, den verlarvten Scharfrichter.

Dieses Bild hat auf das Geschick Frankreichs einen unheilvollen Einfluß gehabt. Wir wollen die Geschichte dieses Meisterwerkes mit wenigen Worten erzählen.

Es war in England, wo man den Werth dieses Kunstwerkes nicht kannte. Ein Mann, der sich für einen französischen Kaufmann ausgab, kam einst zu dem Besitzer des Bildes und bot ihm tausend Louisdor dafür. Das glänzende Gold verlockte den Engländer und das Gemälde wurde das Eigenthum des Kaufmanns.

Der Kaufmann war ein Emissär des Herzogs von Richelieu. Was in aller Welt wollte der Herzog von Richelieu mit diesem Bilde machen? Es war eine Verschwörung gegen das Parlament im Zuge: man wollte einen alten König bewegen, sein Parlament zu cassiren, und um dem Könige einige Willenskraft wieder zu geben, mußte man ihn zu verjüngen suchen. Der König war Ludwig XV.

Der Herzog von Richelieu erfand Madame Dubarry, eine junge hübsche Intrigantin, welche gerade unbedeutend genug war, um keinen persönlichen Einfluß zu bekommen, und geistreich genug, um fremden Einfluß zu unterstützen.

Richelieu und Aiguillon erwiesen der kleinen Grisette anfangs die Ehre, ihr den Hof zu machen, dann vermälte man sie mit einem armen Edelmann, der ihr seinen Namen lieh, und endlich schmuggelte man sie in den Palast Ludwigs XV. ein.

Die Dame entsprach den Erwartungen. Ludwig IV. fand Gefallen an der vertraulichen Keckheit, mit welcher die Favoritin sprach, ihre feurigen Küsse wirkten elektrisch auf den abgelebten Greis, und endlich hielt man ihn für fähig, eine Staatsumwälzung auszuhalten.

Zu jener Zeit kaufte Richelieu das Gemälde von Van Dyk und gab es der Favoritin unter dem Vorwande, jener Page, welcher das Pferd Carl’s I. hielt und Barth hieß, sey ein Ahnherr ihres Gemahls.

Dieses Porträt Carl’s l. wurde im Schlosse zu Versailles an einen Ort gehängt, wo Ludwig XV. es immer vor Augen haben konnte, nemlich in das Boudoir der Favoritin, ihrem Sofa gegenüber. Das Gemälde nahm die ganze Wand der niedrigen Dachstube ein.

Dieses herrliche Bild, welches man nicht nur als Kunstwerk, sondern als eine Erinnerung an die Unbeständigkeit des Schicksals hätte achten sollen, war sieben oder acht Jahre Zeuge der frechen Coketterien dieser Buhlerin, welche, wie Lamartine so schön sagt, den Thron durch ihr Gelächter und das Blutgerüst durch ihre Thränen entweihte.

Angesichts dieses Bildes, sagt Michelet, pflegte sie den König beim Kopf zu nehmen und auf Carl l. zu deuten.

»Siehst Du wohl, la France,« so pflegte sie Ludwig XV. zu nennen, »da ist ein König, dem man den Kopf abgeschnitten hatte, weil er schwach gegen sein Parlament war; jetzt wage es, das deine zu schonen!«

Der König Ludwig IV. cassirte sein Parlament. – Dann wurde Ludwig XV. von Gott cassirt. Die Buhlerin wurde aus dem königlichen Palast verwiesen. Das Gemälde kam in die Gemächer des Dauphin, welcher unter dem Namen Ludwig XVI. König geworden war.

Der 6. October kam, Ludwig XVI. kehrte nach Paris zurück; die Tuilerien wurden ihm zur Residenz angewiesen und auf Kosten des Schlosses zu Versailles möblirt.

Das Porträt Carls l. folgte dem Könige. Es war gleichsam eine Mahnung, welche zu sagen schien: »Bourbon, gedenke des Stuart’s eine Mahnung, welche Carl in seinem letzten Worte »Remember« ausgesprochen hatte.

Ludwig XVI., der sehr geläufig deutsch und englisch sprach, beschäftigte sich viel mit der englischen Geschichte. Er hatte sonderbarerweise sogar die Apologie Richards III. von Horace Walpole übersetzt. Er las Hume im Orginal. Und Hume sagte ihm, wie die Dubarry zu Ludwig XV.: »Da ist ein König der das Leben verloren hat, weil er seinem Parlament nachgegeben hat.«

Ludwig war unschlüssiger als je, wenn er vor diesem sinnenden, schwermüthigen Antlitz stand und das letzte Wort Carls in Gedanken wiederholte. Er wollte seinem Parlament nicht nachgeben, wie Carl I.; aber er hatte nicht genug Kraft zu widerstehen, wie Ludwig XIV. Er wählte einen Mittelweg, er entschloß sich zur Flucht. Der Rath Mirabeau’s kam erst nach dem Rathe Carls I.

Dann trat ein Ereigniß ein, welches einen großen Eindruck auf ihn machte. Am 18. April 1791, am Ostermontage, wollte sich der König nach Saint-Cloud begeben. Der König, die Königin, die Bischöfe, die Diener saßen schon in den Kutschen, in denen man die kurze Fahrt machen wollte, aber das Volk hinderte den König die Tuilerien zu verlassen. Der König wollte seinen Willen durchsetzen. Die Sturmglocke von St. Roch ertönte. Der König lehnte sich aus dem Wagen. Tausende von Stimmen riefen: »Nein, nein, nein! Der König will fliehen.«

»Ich liebe Euch zu sehr, Kinder, um Euch zu verlassen,« sagte der König.

»Wir lieben Sie auch, Sire,« sagte ein Grenadier, »aber Sie allein

Die Königin, welche an der Liebe Frankreichs keinen Antheil hatte, weinte und wurde ungeduldig; aber sie wurde gezwungen, sich wieder in die Tuilerien zu begeben.

Von jenem Augenblicke an war der König thatsächlich ein Gefangener. Einem Gefangenen ist es wohl erlaubt zu fliehen. Der König entschloß sich daher zur Flucht und traf alle Vorkehrungen.

Mit diesem Wunsche des Königs, Frankreich zu verlassen, stimmten zwei Parteien überein. Die royalistische Partei, damit der König, sobald in Freiheit, die Anträge des Auslandes benutzen könne, und die republikanische Partei,welche dann ungehindert die Republik ausrufen konnte. Wir werden später beweisen, daß die Personen, welche den König verhafteten, keine Republikaner, sondern constitutionelle Royalisten waren.

Es handelte sich nun um die Mittel zur Ausführung des Fluchtplans. Der König hätte allein und zu Pferde abreisen können; als rüstiger Jäger und guter Reiter hätte er als Courier verkleidet, leicht die Grenzen erreichen können. Aber in der Nacht vom 5. zum 6. October mußte er der Königin schwören, nicht allein abzureisen und Frankreich nur mit ihr und seinem Sohne zu verlassen. Als guter Ehemann und Familienvater wollte er sein gegebenes Wort nicht brechen.

Es wurde daher beschlossen, daß der König, die Königin und die Kinder Frankreichs zusammen abreisen sollten. Die Schwierigkeiten und Gefahren wurden dadurch unendlich größer, die Flucht wurde fast unmöglich.

Alle diese Hindernisse suchte die Königin durch List zu beseitigen.

Um die Beweggründe zu dieser Flucht richtig zu würdigen. muß man sich auf den Standpunkt des damaligen Königthums stellen. Was die französischen Staatsbürger den Fremdling, den Feind nannten, war für einen König von Frankreich weder ein Feind noch ein Fremdling; leider war ihm sein Volk stets fremd. Die Vermälungen der Bourbons mit deutschen, spanischen, italienischen Prinzessinnen hatten eine Bundesverwandtschaft mit den verschiedenen Fürstenhäusern zu Folge. Der Vater Ludwig XVI. hatte sich mit einer sächsischen Prinzessin vermählt, das Blut der Könige von Frankreich war daher nur zur Hälfte französisch.

Als daher Ludwig XVI. zu Varennes erkannt und mit Gewalt nach Paris zurückgeführt wurde, war sein Volk in seinen Augen der Feind, und nur im Auslande sah er seine Freunde. Alle europäischen Fürsten waren näher oder entfernter mit ihm verwandt; wenn er nun das Unglück hat sich mit seinem Volke zu entzweien, an wen soll er sich wenden? An die mit ihm verwandten Fürsten. Diese sind die Freunde des Königs von Frankreich, aber die Feinde des französischen Volkes.

Ein Mitglied des Convents, welches am 18. Jänner 1793 den Muth gehabt hätte, diese einfache Theorie auf der Rednerbühne auseinanderzusetzen, würde den König vielleicht gerettet haben.

Wir leben in einer Zeit der klaren Anschauung, der ruhigen, vorurtheilsfreien Beurtheilung; ist es daher nicht billig, die Standesverhältnisse und die Lebenssphäre eines jeden der in jenem großen Drama handelnd auftrat, in Rechnung zu bringen?

Vom Standpunkte des Königthums glaubte sich Ludwig XVI. eben so berechtigt aus Frankreich zu fliehen, als Drouet sich vom Standpunkte des Volkes berechtigt glaubte, ihn anzuhalten.

Ueberdies fehlte es ihm auch nicht an Aufmunterung. Katharina II., die Semiramis des Nordens, wie Voltaire sie nennt, die Messaline des Nordens, wie sie jetzt von der Geschichte genannt wird, schrieb ja an Marie Antoinette den bekannten, oft abgedruckten Brief. Der König von Preußen bot bereits im Jahre 1789 ein Hilfsheer von hunderttausend Mann. Gustav III., der Scheinkönig von Schweden, welcher die Laster des Hauses Valois auf den Thron Gustav Adolphs verpflanzt hatte, forderte die Königin auf ihn unter dem Vorwande einer Badecur in Aix zu erwarten und mit ihm über die Grenze zu gehen. Ueberdies war der Schwede Fersen bei ihr, trieb sie zur Flucht und erbot sich die Reisewagen anfertigen zu lassen.

Die Königin hatte noch mehr Ursache als der König, Frankreich zu verlassen: sie war nicht beliebt, sie war unter dem Volke sogar, ja selbst unter den Emigranten verhaßt. Sie wußte, daß man damit umging, Ludwig XIV. abzusetzen und einen Regenten zu ernennen; sie selbst sollte nach Oesterreich zurückgeschickt oder in ein Kloster gebannt werden. Die Halsbandgeschichte war auch noch nicht vergessen.

Es war daher nicht zu verwundern, daß in dem königlichen Familienrathe die Flucht beschlossen wurde.

Die Abreise sollte in den letzten Tagen des April stattfinden.

Die Flucht nach Varennes

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