Читать книгу Die Flucht nach Varennes - Александр Дюма - Страница 4

III

Оглавление

Aber die Vorkehrungen zu einer etwa nothwendigen früheren Flucht wurden in aller Stille getroffen. Schon im Februar 1791 schrieb der König an den Grafen von Bouillé, er habe ihm im Einverständnisse mit Mirabeau wichtige Mittheilungen zu machen. Der Graf von Lamark sollte der Vermittler seyn.

»Obschon diese Leute wenig achtbar sind,« schrieb der König an Bouillé, »und obschon ich Mirabeau sehr theuer bezahlt habe, so glaube ich doch, daß er mir sehr nützlich seyn kann.«

Der Graf von Bouillé antwortete:

»Mirabeau ist ein schlauer Fuchs, welcher das Unheil, das er aus Rache angerichtet, durch Habgier wieder gut machen kann; aber trauen Sie Lafayette nicht, er ist ein Schwärmer der nach Volksgunst hascht; er ist vielleicht fähig zu einem Parteiführer, aber eine Stütze der Monarchie wird er nie werden.«

Es ist nicht zu übersehen, daß Lafayette der leibliche Vetter des Grafen von Bouillé war, man kann diesem daher seine Parteilichkeit zur Last legen.

Gegen Ende des Aprils schrieb der König von neuem an Bouillé:

»Ich reise sofort mit meiner ganzen Familie in einem einzigen Wagen ab, den ich jetzt heimlich zu diesem Zwecke anfertigen lasse.«

Der Graf von Bouillé antwortete:

»Statt dieses eigens angefertigten Reisewagens, welcher Aufsehen machen wird, dürfte es vielleicht besser seyn, wenn Ew. Majestät zwei englische Diligencen benutzten.«

Die damaligen englischen Diligencen waren dasselbe, was jetzt die Postkutschen sind.

Der Rath war gut, aber die Königin hinderte Ludwig XVI. ihn zu befolgen. Sie wollte sich durchaus nicht von ihm und ihren Kindern trennen.

Der Graf von Bouillé setzte hinzu:

»Vor Allem müssen Ew. Majestät einen klugen, entschlossenen Mann bei sich haben, der Ihnen mit Rath und That an die Hand geht, falls sich Gefahren auf der Reise darbieten sollten. Wenn Ew. Majestät einen solchen Mann nicht zu finden wissen, so will ich Ihnen den Marquis d’Agoult, Major in der Garde, vorschlagen.

Der König nahm diesen zweiten Rath an.

Wir werden später sehen, wie es kam, daß der Major d’Agoult nicht in Varennes war, und die Veränderungen andeuten, welche seine Anwesenheit den Ereignissen hätte geben können.

In einem dritten Briefe befahl der König dem Grafen von Bouillé, von Châlons nach Montmédy eine Reihe von Poststationen mit frischen Pferden zu errichten; denn seine Absicht sey nicht nach Rheims zu gehen, wo er gekrönt worden sey und leicht erkannt werden könne; er wolle den Weg über Varennes nehmen.

Der Graf von Bouillé antwortete, der König könne in Rheims die Jalousien seines Wagens geschlossen halten; der Weg über Varennes sey gefährlich, weil an zwei Orten keine Post sey und Pferde dahin geschickt werden müßten. Überdies liege auf der ganzen Straße, welche sich von der geraden Linie entferne, gar kein Militär, und die Absendung von Truppen könne leicht Verdacht erregen.

Der König blieb bei seinem Entschlusse. Er schickte eine Million in Assignaten an den Grafen von Bouillé, um die mit den Truppensendungen verbundenen Kosten zu bestreiten, und gab ihm den Befehl, die Straße, welche von Châlons über Varennes nach Montmédy führt, durch einen klugen und entschlossenen Offizier recognosciren zu lassen.

Der Graf von Bouillé konnte nicht umhin, diesem gemessenen Befehle Folge zu leisten. Er schickte am 10. Juni Herrn von Goguelat ab, um diesen Auftrag zu vollziehen, für welchen in der That ein kluger, entschlossener Offizier nothwendig war. Wir werden sehen, ob Goguelat beide Eigenschaften besaß.

Der Graf von Bouillé hatte alle Truppen von Lothringen, Elsaß, Franche-Comté und Champagne unter seinem Befehle. Diese aus neunzig Bataillonen und hundertvier Escadrons bestehende Streitmacht deckte die ganze Grenze, von der Marne bis zur Maas. Er mußte indeß eine Auswahl treffen und die Franzosen, d. i. die Patrioten, so viel als möglich entfernen.

An dem bestimmten Tage setzten sich die verschiedenen Corps in Marsch. Sechzehn Kanonen wurden nach Montmédy beordert. Das Regiment Royal-Allemand rückte gegen Stenay vor. Eine Escadron Husaren stand zu Dun; eine andere wurde nach Varennes verlegt. Außerdem sollten dort noch zwei Escadrons Dragoner am Tage der Durchreise des Königs eintreffen. Der Graf von Damas, der den Befehl über dieselben führte, hatte Befehl, eine Abtheilung nach St. Ménehould zu entsenden, und außerdem sollten fünfzig Husaren die Sommebrücke zwischen Châlons und Varennes besetzen.

»Es waren die Esterhazy-Husaren,« sagte mir »Herr Mathieu, ein vierundachtzigjähriger Greis, der vormals Notar in St. Ménehould gewesen war, »ich sehe sie noch mit ihren braunen Pelzen.«

Der alte Mann hat viel gesehen und mir Alles sehr bereitwillig mitgetheilt.

Jenseits Châlons sollte der König auf jeder Station eine Truppenabtheilung finden; zuerst in Pont-Somme-Vesle; dann in St. Ménehould; dann in Varennes, in Dun und in Stenay.

Am 27. Mai schrieb der König an den Grafen von Bouillé, daß seine Abreise auf den 19. Juni festgesetzt sey.

Man hatte die Abreise anfangs auf den 11. festgesetzt, aber man setzte Mißtrauen in Madame de Rochereuil, die Kammerfrau des Dauphin. Sie war die Geliebte Gouvion’s, des Adjutanten Lafayette’s, und hatte bis zum 12. Dienst; man konnte daher am 11. nicht abreisen.

Am 15. mußten die Oesterreicher die Posten bei Montmédy besetzt haben.

Der König sollte mit der königlichen Familie in einer gewöhnlichen Stadtkutsche abreisen. Der große Reisewagen sollte ihn in Bondy erwarten. Wenn der König nicht um zwei Uhr Nachts in Bondy ankam, so war vorauszusetzen, daß man ihn vor den Tuilerien oder an der Barriere angehalten. In diesem Falle sollte der zu Bondy wartende Courier rasch nach Pont-Somme-Vesle reiten und dem Herzoge von Choiseul melden, daß der Fluchtplan mißlungen sey. Der Herzog von Choiseul sollte die Nachricht an den nächsten Postencommandanten und dieser wieder weiter befördern, so daß zuletzt der Graf von Bouillé benachrichtigt würde. Jedermann sollte dann auf seine Sicherheit bedacht seyn.

Der Graf von Bouillé erhielt genaue Weisungen und traf demgemäß seine Anordnungen. Er schickte den Herzog von Choiseul sogleich nach Paris, wo dieser die Befehle des Königs erwarten und zwölf Stunden früher abreisen sollte.

Die Reiter Choiseul’s sollten am Morgen des 18. in Varennes eintreffen, um am 19., nach hinlänglicher Rast, den Reisewagen nach Dun zu begleiten.

In Varennes war, wie schon erwähnt, keine Post. Außerhalb des Städtchens sollte der König durch einen auf der Landstraße wartenden Vertrauten erfahren, wo er frische Pferde finden würde. Es sollte schnell umgespannt werden.

Der Herzog von Choiseul sollte nach seiner Rückkehr von Paris den Befehl über die zu Pont-Somme-Vesle aufgestellten Husaren wieder übernehmen, den König und die königliche Familie erwarten und bis St. Ménehould begleiten. Dort sollten die Husaren von den unter Andoin’s Befehl stehenden Dragonern abgelöst werden und den Weg absperren. Hinter dem Könige sollte Niemand mehr durchgelassen werden. Nach vierundzwanzig Stunden sollte die Absperrung der Straße aufgehoben werden.

Der Herzog von Choiseul sollte eine schriftliche Ordre, vom Könige unterzeichnet, erhalten, und dadurch ermächtigt werden, nöthigenfalls Gewalt anzuwenden. Er sollte sechshundert Louisd’or unter den Soldaten vertheilen.

Der Graf von Bouillé der sich in Metz befand, sollte sich unter dem Vorwande einer Inspectionsreise nach Montmédy begeben.

So war Alles verabredet und festgesetzt. Der König hatte genügende Zeit zum Nachdenken; es sollte nichts abgeändert werden. Am 2. Juni ist der Herzog von Choiseul in Paris; am 14. ist der Graf von Bouillé in Longwy, wo er den Brief des Königs erhält.

Die Abreise war um vierundzwanzig Stunden aufgeschoben. Wozu dieser Aufschub? Aus einem sehr wichtigen Grunde. Der König hatte das Quartal seiner Civilliste erst am 20. Morgens zu bekommen. Ludwig XVI., der sparsame König, wollte dieses Quartal nicht einbüßen. Wenn Paris, wie Heinrich IV. sagte, wohl eine Messe werth war, so konnte für sechs Millionen wohl ein Tag geopfert werden.

Dieser ganz triftige Grund trieb den Grafen von Bouillé fast zur Verzweiflung; mußte er doch auf der ganzen Straße Gegenbefehle ertheilen, mußten doch die Truppen einen Tag länger auf ihren Stationen verbleiben. Aber er mußte sich fügen.

Am 20. Juni rückte der Graf von Bonillé bis Stenay vor. Dort fand er das Regiment Royal-Allemand, auf welches er sich verlassen konnte.

Wir wollen jetzt sehen, was sich in diesen letzten Tagen zu Paris begab.

Die Königin suchte, wie schon erwähnt, alle Schwierigkeiten durch List zu überwinden. Am 19. besuchte sie mit dem Dauphin die Promenade auf den äußersten Boulevards. Am 20. sagte sie zu Herrn von Montmorin, dem Minister der auswärtigen Angelegenheiten: »Haben Sie Madame Elisabeth gesehen? Sie macht mir viel Verdruß; ich war so eben bei ihr, ich habe Alles aufgeboten, um sie zur Theilnahme an der Frohnleichnamsprocession zu bewegen; sie lehnt es entschieden ab. Suchen Sie sie doch zu überreden, daß sie uns ihre Vorurtheile zum Opfer bringe.«

An demselben Tage begegnete sie einem Commandanten der Nationalgarde und fragte ihn lachend:

»Nun, spricht man in Paris noch von der Flucht des König?«

»Nein, Majestät,« antwortete der Commandant. »man ist jetzt von der Anhänglichkeit des Königs an die Verfassung und von seiner Liebe zum Volke zu fest überzeugt.«

»Man hat Recht,« erwiederte Maria Antoinette mit ihrem huldreichsten Lächeln.

Dann beschäftigte man sich mit den materiellen Einzelheiten.

Am 17. wurde de Moustier, vormaliger Leibgardist, in den Tuilerien von einem Unbekannten angeredet. Dieser forderte ihn im Namen des Königs auf, ihm zu folgen.

De Moustier gehorchte, und zehn Minuten nachher befand er sich im Zimmer des Königs.

Der König redete ihn bei seinem Namen an und ersuchte ihn, seinen ehemaligen Cameraden Valory und von Malden zu sagen, sie möchten sich gemsfarbene Courierjacken machen lassen.

Dies war etwas unbesonnen. Die Gemsfarbe war die Jagdlivrée des Prinzen von Condé, der seit einem Jahre im Auslande war.

Außerdem ersuchte er de Moustier sich Abends auf dem Quai am Pont-Royal einzufinden. Dort werde ihm eine vertraute Person die letzten Befehle des Königs mittheilen.

Am Abend des 19. erhielt de Moustier wirklich folgenden Befehl:

»Herr de Moustier hat sich morgen Abends um neun Uhr mit seinen Begleitern im Schloßhofe einzufinden; dort wird man Ihnen sagen, was Sie zu thun haben.«

Es mußte noch ein Reisepaß besorgt werden. Dies war keineswegs leicht. Man konnte damals wegen der häufigen Auswanderungen nicht ohne Paß reisen. Herr von Fersen wußte Rath. Die Baronin von Korff wollte mit ihren beiden Kindern, mit einem Kammerdiener und zwei Zofen Paris verlassen. Dies wollte man benützen, die Königin sollte sich für die Baronin von Korff, Madame Royale und der Dauphin für die beiden Kinder derselben ausgeben; der König sollte die Rolle des Kammerdieners übernehmen, und die Hofdamen Berrier und Neuville würden als Kammerfrauen die Reise mitmachen.

Unter dieser Reisegesellschaft befanden sich freilich weder Madame Elisabeth noch d’Agoult, den der Graf von Bouillé so dringend als Begleiter empfohlen hatte; aber man mußte doch auch dem Zufall etwas überlassen.

Um der Baronin von Korff einen andern Paß zu verschaffen, gab Herr von Fersen vor, der erste sey nebst andern Papieren aus Versehen ins Feuer geworfen worden. Der zweite Paß wurde sogleich ausgefertigt. Aber um die Sache nicht zu verwickeln, sollte die Baronin erst nach der Ankunft der königlichen Familie in Montmédy ihre Reise antreten.

Am Morgen des 20. stellte de Moustier seine beiden Cameraden dem Könige vor. Sie erhielten nun ihre Befehle. Malden sollte Jean, de Moustier Melchior, Valory François heißen.

Der König, welcher immer unschlüssig war, wollte die Abreise bis in die Nacht vom 21. zum 22. verschieben. Aber der Herzog von Choiseul hatte gemessene Befehle erhalten, und er hatte erklärt, er werde alle Truppen, die auf der Landstraße aufgestellt waren, am 21. um vier Uhr Früh nach Dun, Stenay und Montmédy zurückführen, wenn der König nicht am 20. um Mitternacht abreise.

So lauteten die gemessenen Befehle des Grafen von Bouillé. Der Herzog von Choiseul erwartete in seiner Wohnung die Befehle vom Hofe. Am 20. um neun Uhr Abends hatte er noch keine Nachricht erhalten, und er sollte zwölf Stunden vor dem Könige abreisen. Er begann schon zu verzweifeln, da wurde ihm von dem einzigen Diener, den er bei sich hatte, gemeldet, ein Mann verlange ihn im Namen der Königin zu sprechen.

Er ließ den Mann sogleich kommen. Der Bote war in einen großen Mantel gehüllt und hatte den Hut tief ins Gesicht gedrückt.

Ungeachtet dieser Vorsicht erkannte Choiseul auf den ersten Blick den Friseur der Königin, den berühmten Léonard, welcher seine Memoiren geschrieben hat.

Die Flucht nach Varennes

Подняться наверх