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1-stes bis 5-tes Bändchen
Die Gaëtani

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Sobald er sich auf der Via Appia befand und in den Umkreis der seltsamen Vorstadt eingetreten war, welche Rom auf der Straße nach Neapel verlängerte, ungefähr wie das Schwert des Sägesisches seinen Leib verlängert, war der Reisende mitten unter der sonderbaren Bevölkerung, von der wir gesprochen, und die Einzelheiten, die ihm entgangen, als er vom Grabe von Aurelius Cotta herab einen unbestimmten Blick auf Rom warf, mußten ihm nicht nur sichtbar werden, sondern sich sogar in unmittelbare Berührung mit ihm setzen.

In der That, während sich die großen Banditen, wie die Orsini, die Gaotani, die Savelli, die Frangivani der großen Gräber bemächtigt und Garnisonen hinein gelegt hatten, so hatten sich die Zigeuner, die Bettler, die Landstreicher, kurz die kleinen Diebe der kleinen Gräber bemächtigt und ihre Wohnungen darin ausgeschlagen.

Ein Theil von diesen Gräbern war auch zu öffentlichen Zwecken verwendet worden; ausgegraben durch Bestrebungen der Privathabgier, hatte man sie in Folge ihrer Verwüstung zum allgemeinen Nutzen eingerichtet. Das Columbarium von einigen derselben hatte in der That den erstaunten Blicken der Plünderer ein gerundetes, solid von Backsteinen gemauertes Gewölbe geboten, und nachdem man darüber nachgedacht, was man ans diesen halbkreisförmigen Oeffnungen machen könnte, beschloß man, Oefen daraus zu machen; Jeder kam dahin, wie zu der Banngerechtigkeit eines Normannischen Dorfes, um sein Brod zu backen und sein Fleisch zu braten. Ueberdies ließen sich in der Umgegend dieser Oefen Garköche von geringerer Stufe nieder und verkauften Speckwaaren, geräuchertes Fleisch, Geflügel, getrocknete Fische und Backwerk an die Soldaten, welche an den Tagen, wo ihnen die Löhnung ausbezahlt wurde, mit den unglücklichen, vom Luxus des Elendes lebenden Buhlerinnen sich im Innern oder vor den Thüren dieser improvisirten Schenken zu Tische setzten und nach dem Mahle den Tag, wenn es der Tag war, die Nacht, wenn es der Abend war, in diesen todbringenden Häusern der Prostitution beendigten, deren ganze Ausstattung aus einer auf einem Sarkophage ausgebreiteten Matratze bestand, – unselige Häuser der Ausschweifung, ganz im Einklange mit der Bevölkerung und den Oertlichkeiten, unter denen sie sich erhoben.

Dann, da die Kirche eine Nothwendigkeit des fünfzehnten Jahrhunderts war, mehr noch als Asyl, denn als Mittelpunkt der Gebete, ragte von Zeit zu Zeit mitten unter diesen, einer verschwundenen Civilisation angehörenden, Trümmern eine Art von Tempel, heidnisch durch seine Base, christlich durch seine Spitze, empor, mit seinen ausgezackten Glockenthürmen, seinem befestigten Kloster und seiner Garnison von Mönchen, die der Prior oder der Abt mit ebenso viel Sorgfalt und ebenso viel Stolz vollzählig erhielt, als die Officiere und Kapitäne ihre Garnison von Soldaten vollzählig zu erhalten sich bestrebten.

Schon mehr als einmal haben wir den Reisenden von der Vergebung reden hören, die er in Rom erflehen wollte, schon mehr als einmal haben wir ihn in Beziehung aus seine Person die Anwendung der göttlichen Barmherzigkeit, welche man doch als unendlich darstellt, in Zweifel ziehen hören; es bot sich ihm eine schöne Gelegenheit, diese Barmherzigkeit Gottes zu versuchen und diese Vergebung zu erstehen, welche zu bewilligen den Dienern seiner Kirche gestattet ist. Die Mönche, die das Wort des Herrn unter dieser Welt von Verworfenen zu verbreiten beauftragt waren, mußten an lichtscheue Geständnisse gewöhnt sein, und wenn nicht die Absolution, – wie es übrigens der Reisende hatte durchblicken lassen, – nur von den höchsten Gipfeln der geistlichen Hierarchie aus ihn herabsteigen konnte, so war, wir wiederholen es, die Gelegenheit schön, und es lohnte sich für ihn wohl der Mühe, daß er in einem dieser Tempel anhielt und einem von diesen Mönchen zu beichten suchte, welche oft kaum, – sei es wegen ihrer Tracht, sei es wegen ihrer Sprache, sei es sogar wegen ihrer Sitten, – von den Zigeunern aller Art, unter denen sie lebten, zu unterscheiden waren

Doch der Fremde ging an der Kirche Santa Maria Nova vorüber, ohne anzuhalten, und zog seines Weges; nach ungefähr einer Meile aber fand er die Straße versperrt durch ein gewölbtes Thor, das sich einerseits an die Ringmauer der St. Valentins»Kirche, andererseits an die Außenwerke eines befestigten Schlosses anlehnte, über dessen Wall man den Gipfel des Grabes von Cäcilia Metella erblickte.

Außer dem großen gewölbten Thore, von dem wir gesprochen, gewährte ein anderes, fünfzehn Schritte von der Straße rechts stehendes Thor Eingang in den Hof dieser Feste, die den Gaëtani, den Neyoten von Bonifaz VIII,, gehörte, welche es versuchten, durch Räubereien die riesenhafte Macht wieder an sich zu reißen, die sie in den ersten Jahren des Papstthums von Benedetto Gaëtano erlangt hatten, als die Könige von Ungarn und von Sicilien diesen, zu Fuße gehend und den Zaum seines Pferdes haltend, nach San Giovanni di Laterano führten, – eine Macht, die sie allmälig wieder verloren seit der Ohrfeige, welche der Papst und das Papstthum von der Hand von Colonna in der Person ihres Vorfahren erhielten.

Das Grab von Cäcilia Metella spielte für die Gaëtani dieselbe Rolle, welche das Grab von Aurelius Cotta für die Corsini spielte: es diente ihnen nämlich als Hauptfeste.

Von allen Gräbern der Via Appia war übrigens vielleicht das der Frau von Crassus, der Tochter von Metellus dem Kritiker, das, wie es noch heute ist, am Besten erhaltene. Der kegelförmige Gipfel war allein verschwunden, um einer mit Zinnen versehenen Plattform Platz zu machen, und eine von den neuen Werken auf den alten Bau gesprengte Brücke führte von den Wällen nach der riesigen Bastei.

Erst fünfundsiebzig Jahre später sollte das Grab der edlen, geistreichen, künstlerischen, Poetischen Frau, welche in ihrem Hause Catilina, Cäsar, Pompejus, Cicero, Lucullus, Terentius Varo, kurz Alles vereinigte, was Rom an Adel, Eleganz und Reichthum besaß, auf Befehl von Papst Paul III. ausgegraben werden, der die ihre Asche enthaltene Urne in eine Ecke des Vestibule des Farnesischen Palastes bringen ließ, wo man sie noch sieht.

Diese Frau mußte einen sehr großen Werth haben, daß ihr nach ihrem Tode Crassus ein solches Grab errichten ließ. – Ihr Grab und die Cäsar geliehenen fünfzehn Millionen sind die einzigen Flecken im Leben von Crassus.

Wie die Feste der Orsini auf der Villa des Quintilian erbaut war, so war die Feste der Gaëtani auf dem Boden erbaut, den einst die ungeheure Villa von Julius Atticus bedeckt hatte. Die Geschichte von Julius Atticus ist minder tragisch als die des Quintilian, ohne weniger seltsam zu sein. – Zum Präfecten von Asien durch den Kaiser Nerva ernannt, fand er, die Festung von Athen zerstörend, einen ungeheuren Schatz. Erschrocken beim Anblicke dieser Reichthümer, schrieb er an den Nachfolger von Domitian und den Vorgänger von Trajan und meldete ihm sein Glück, doch der Kaiser, der kein Recht auf diesen Schatz zu haben glaubte, erwiederte ihm nur: »Desto besser für Dich!« mit einem Ausrufungszeichen.

Diese Antwort befriedigte aber Julius Atticus nicht ganz; er befürchtete, Nerva glaubte, er habe einen gewöhnlichen Schatz, etwas Elendes wie ein paar Millionen Sestertien gefunden. Demzufolge nahm er die Feder und schrieb abermals an den Kaiser: »Cäsar, der Schatz, den ich gefunden, ist ein bedeutender Schatz.«

Nerva hielt es jedoch nicht für angemessen, etwas Anderes zu erwiedern, als das, was er schon in seinem ersten Briefe erwiedert hatte, wobei er nur ein zweites Ausrufungszeichen beifügte: »Desto besser für Dich!!«

Julius Atticus hatte ein ängstliches Gewissen; er befürchtete, dem Kaiser in seinen zwei ersten Briefen keinen hinreichenden Begriff von den Reichthümern, die er sich nicht anzueignen wagte, gegeben zu haben, und schrieb zum dritten Male:

»Aber, Cäsar, der Schatz, den ich gefunden, ist ungeheuer.«

»Desto besser für Dich!!!« antwortete der Kaiser, indem er ein drittes Ausrufungszeichen den zwei ersten beifügte.

Dieses dritte Ausrufungszeichen beruhigte Julius Atticus; er zögerte nicht mehr, sich den Schatz anzueignen, der in der That so groß war, daß er, nachdem er seinem Sohne 6,300,000 Franken, um Bäder zu bauen, gegeben, nachdem er einen Palast in Athen, einen Palast in Rom, einen Palast in Neapel und Villas überall errichtet, nachdem er mit sich von Attica fünfzehn bis zwanzig Philosophen, fünfzehn bis zwanzig Dichter, zehn bis zwölf Tonkünstler, sechs bis acht Maler, für deren Bedürfnisse er so freigebig sorgte, daß Jeder von ihnen ein Leben führte, daß man ihn für einen Senator halten konnte, in seine Heimath zurückgebracht, nachdem er dreißig Millionen dem Kaiser und sechzig Millionen seinem Sohne hinterlassen, noch neunzig Franken Leibrente jedem Athenienser vermachen konnte.

Ach! wie Karl der Große beim Anblick der Normannen über den Verfall des Reiches weinte, so konnte Julius Atticus, trotz seiner Millionen, über den Verfall seines Geschlechtes weinen. Dichter, Redner, Künstler, Vater eines Redners, sah er seinen Enkel so entartet hinsichtlich der erblichen Intelligenz, daß, um ihn lesen zu lehren, sein Vater Herodes Atticus genöthigt war, ihm vierundzwanzig Sklaven zu geben, welche die vierundzwanzig Buchstaben des Alphabets vorstellten und von denen jeder aus seiner Brust die Figur des Buchstaben, dem er entsprach, trug.

Diese ganze Oertlichkeit, – Grab von Cacilia Metella, Villa von Julius und Herodes Atticus, Circus von Mazentius, der nur etwa hundert Schritte davon entfernt ist, Alles dies gehörte Enrico Gaëano, und stand für den Augenblick unter dem Befehle von Gaëtano von Agnani, einem Bastard der Familie.

Die Gaëtani hatten den Flecken Agnani bewohnt, wohin sich während seiner Streitigkeiten mit dem König von Frankreich der Papst Bonifaz VIII. geflüchtet, und hatten ihn mit Bastarden bevölkert.

In der Stunde, zu der wir gekommen sind, nämlich gegen Mittag, belustigte sich Gaëtano der Bastard, – dies war der Name, den man ihm gab, – damit, daß er seine Garnison in Circus von Maxentius übte.

Diese Garnison bestand hauptsächlich aus Engländern, Deutschen und Gebirgsleuten, Basken, Picmontesen, Tyrolern, Schweizern, Schottländern, Bauern der Abruzzen.

Dadurch, daß sie sich beständig an einander rieben, miteinander lebten, denselben Bedürfnissen unterworfen waren, dieselben Gefahren liefen, hatten sich diese Leute unter sich eine Art von Sprache geschaffen, ähnlich jenem Patois, das man aus den Küsten des Mittelländischen Meeres spricht, und mit dessen Hilfe die Reisenden die Wanderung um den großen See machen können, den die Alten das Innere Meer nannten. Diese Sprache genügte für den, Austausch ihrer Gedanken und für die Mittheilung ihrer Wünsche.

In demselben Patois gab ihnen auch ihr Anführer seine Befehle.

Am Tage des Kampfes beseelte ein Geist diese Menschen; man hätte glauben sollen, es seien Landsleute, Freunde, beinahe Brüder; war aber das Schlachtfeld geräumt, so gewannen für die Garnison die verschiedenen Nationalitäten wieder die Oberhand: der Engländer ging zum Engländer, der Deutsche zum, Deutschen, der Gebirgsmann zum Gebirgsmann.

Sie waren also, nach ihrer Gewohnheit an Ruhetagen und in Garnisonsstunden, in Gruppen abgetheilt, und jede Gruppe vertrat gewisser Maßen ein Volk; das Gefühl der Nationalität, welches besonders in der Fremde vorherrscht, war das Element der Anziehung und des Zusammenhangs, das diese Söhne derselben Erde vereinigte; indem sie mit einander die Sprache ihres Landes sprachen, indem sie sich mit den Uebungen ihrer Heimath belustigten, gab eine Illusion des Augenblicks dem Engländer die Nebel Britanniens, dem Deutschen das Gemurmel der germanischen Flüsse, dem Gebirgsmann den Schnee seiner Alpenspitzen zurück, und solche Illusionen trösteten diese verhärteten Herzen, liebkosten diese rohen Phantasien, denn sie glaubten sich in ihrem Heimathlande.

Die Einen schossen mit dem Bogen; – das waren englische Schützen, Ueberreste von jenen großen Banden, die uns Franzosen in den Schlachten von Crécy, von Poitiers und von Azincourt so viel Blut abgezapft; sie waren erfahren in der Kunst, einen Pfeil nach dem Ziele abzuschießen, und diese modernen Parther, welche gewöhnlich zwölf Pfeile in ihrem Köcher hatten, sagten kühn, sie tragen den Tod von zwölf Menschen an ihrer Seite.

Die Anderen übten sich im Ringen; – das waren Deutsche; diese blonden Abkömmlinge von Arminius hatten die gymnastischen Hebungen ihrer Väter nicht vergessen; Niemand wagte es auch, mit ihnen dieses furchtbare Spiel zu spielen; man hätte glauben sollen, man sehe die alten Gladiatoren, welche Germanien nach Rom schickte, um mit den Bären und Löwen zu kämpfen. Der Ort, an welchem man sich befand, der Circus von Maxentius, vermehrte noch die Illusion.

Wieder Andere, das waren die Männer von den Gebirgen, üblen sich mit dem Stocke. Oft wurde im heftigsten Gemenge das Eisen der Lanze mit einem kräftigen Schwertstreiche abgeschlagen, dann hatte der Reiter oder der Fußgänger nur noch seinen Stock; er mußte sich also eine Waffe hieraus machen. Das war das Studium, welchem sich diese Leute widmeten, und sie hatten einen solchen Grad von Geschicklichkeit erlangt, daß es besser schien, wenn man es mit ihnen zu thun hatte, so lange das Eisen am Ende der Lanze stak, als wenn der Schaft allein sich in ihren Händen bewegte.

Gaëtano der Bastard ging von einer dieser Gruppen zur andern, ermuthigte und belobte die Sieger, verspottete die Besiegten, schoß mit dem Bogen mit den Engländern, rang mit den Deutschen, spielte mit dem Stocke mit den Gebirgsleuten.

Dadurch, daß er die Spiele dieser Menschen an Ruhetagen theilte, zog er sie nach sich, trieb er sie vorwärts, oder sammelte er sie um sich an Tagen des Kampfes.

Die Schildwachen waren übrigens aus den Mauern und an den Thoren ausgestellt, als hätte sich der Feind aus einen Pfeilschuß gelagert. Die Befehle waren streng, die Disciplin unbeugsam: man durfte nicht trauen.

Für den Augenblick saß Gaëtano auf dem Piedestal einer fehlenden Statue und dachte: woran? an die Dinge, von denen die Condottieri träumen; an die schönen Frauen, an das Geld, an den Krieg.

Er hörte hinter sich den regelmäßigen Gang mehrerer Personen und wandte sich um.

Drei Soldaten brachten ihm einen Fremden.

Einer der Soldaten trat aus ihn zu und sprach ein paar Worte leise mit ihm, während die Anderen zehn Schritte hinter dem Ersten rechts und links von dem Mann, den sie zu ihrem Ches mehr wie einen Gefangenen als wie einen Gast führten, stehen geblieben waren.

Die Gaotani hatten nicht, um die Gastfreundschaft am grünen Donnerstag zu üben, dieselbe Ursache wie die Örsini, da weder an diesem, noch an einem andern Tage einer von den Ihrigen auferweckt worden war.

Gaëtano neigte den Obertheil seines Körpers, um die Meldung des Soldaten zu hören; dann, als er ihn angehört hatte, sagte er:

»Ah! ah! nun, er mag näher kommen!«

Der Soldat winkte; seine Kameraden schoben den Unbekannten gegen Gaëtano den Bastard vor.

Dieser sah ihn kommen, ohne auszustehen, spielte mit der rechten Hand mit seinem Dolche, woran ein vergoldeter Griff, und mit seiner linken an seinem schwarzen Schnurrbart.

Als er ihm sodann gegenüberstand, sagte er:

»Du hast also die Frechheit, unsere Besitzungen durchschreiten zu wollen, ohne Dein Wegegeld zu bezahlen?«

»Gnädiger Herr Gaëtano,« erwiederte der Fremde, indem er sich verbeugte, »ich würde mich nicht weigern, zu bezahlen, besäße ich die Summe, welche Eure Leute von mir fordern; doch ich komme vom andern Ende der Welt, um den Segen des heiligen Vaters zu erlangen, und ich bin arm wie ein Pilger, der aus die Unterstützung der guten Herzen und der frommen Seelen zählt, um zum Ziele seiner Fahrt zu gelangen.«

»Wie viel hat man von Dir gefordert?«

»Einen römischen Thaler.«

»Ah! ein römischer Thaler ist also eine bedeutende Summe?« fragte lachend der Bastard.

»Alles ist beziehlich, gnädiger Herr,« erwiederte demüthig der Fremde; »ein römischer Thaler ist eine bedeutendere Summe für denjenigen, welcher sie nicht hat, das heißt: für mich, als eine Million für den wäre, der dieses Denkmal hat errichten lassen . . . «

Und er deutete mit dem Ende seines Stabes ans das Grab von Cäcilia Metella.

»Du hast also nicht einmal einen römischen Thaler?«

»Eure Soldaten haben mich durchsucht, gnädiger Herr, und nur ein paar Bajocchi bei mir gefunden.«

Gaetano schaute die Soldaten mit einem fragenden Blicke an.

»Es ist so!« sagten diese; »das ist Alles, was er besaß.«

Und sie zeigten ein paar Kupfermünzen, welche zusammen ungefähr einen halben Paol machten.

»Gut, sprach Gaittano, »man wird Dir Dein Geld zurückgeben; doch damit kommst Du nicht davon . . . es ist hier Gewohnheit, daß man auf die eine oder andere Weise bezahlt; die jungen und hübschen Mädchen bezahlen, wie die heilige Maria die Aegypterin mit ihrer Person; die Reichen bezahlen mit ihrer Börse, die Kaufleute mit ihren Waaren; die Musikanten spielen uns eine Melodie; die Improvisatoren sprechen Verse, die Tänzer tanzen uns Etwas; die Zigeuner prohezeihen uns . . . Jeder hat seine Weise auf dieser Welt und bezahlt uns mit seiner Münze. Sage uns, was Deine Münze ist, und bezahle uns mit dieser!«

Der Pilger schaute umher, und als er in einer Entfernung von ungefähr hundert Schritten einen von jenen großen englischen, in Form von fliegenden Drachen gemachten Schilden sah, der mit der Spitze in der Erde stak und ganz mit Pfeilen gespickt war, sagte er demüthig: »Wohlan, ich will diese wackeren Leute mit dem Bogen schießen lehren.«

Gaëtano der Bastard brach in ein Gelächter aus, und da die Engländer die Worte des Unbekannten nicht begriffen hatten, weil er Italienisch gesprochen, so fragte er in dem Patois, von dem wir gesagt, es sei die gewöhnliche Sprache der Condottieri gewesen:

»Wißt Ihr, was er Euch anbietet? . . . Er er»bietet sich, Euch eine Geschicklichkeitslection zu geben.«

Die Bogenschützen lachten ebenfalls laut auf.

»Was soll ich antworten?« fragte Gaëtano.

»Oh! nehmt es an, Kapitän, und wir werden uns belustigen,« sagten die Engländer.

»Wohl! es sei,« sprach Gaittano, indem er sich gegen den Fremden umwandte. »Die Engländer werden zuerst alle nach einander nach dem Schilde schießen, den Du dort siehst. Die drei, welche dem Zielpunkte am nächsten kommen, werden sodann mit Dir bei einem neuen Versuche um den Preis streiten, und wenn Du den Sieg über sie davon trägst, so sollst Du nicht nur freien Durchzug haben, sondern ich gebe Dir sogar, bei meinem Worte, fünf römische Thaler aus meiner Tasche, damit Du Dein Wegegeld an den andern Schranken bezahlen kannst.«

Ich nehme es an,« sagte der Fremde; »doch sputet Euch; ich muß um drei Uhr aus dem Sanct Peters-Platze sein.«

»Oh! gut!« versetzte Gaëtano, »dann haben wir Zeit; es ist kaum Mittag!«

»Es ist eine halbe Stunde mehr,« entgegnete der Fremde, nach der Sonne schauend.

»Gebt wohl Acht, meine Braven,« sagte Gaëtano zu den Bogenschützen, »denn Ihr habt mit einem Manne zu kämpfen, der mir aussieht, als besäße er einen richtigen Blick.«

»Oh!« bemerkte einer von den Schützen Namens Herbert, welcher unter den Besten der ganzen Schaar zählte, »meiner Ansicht nach ist es leichter, die Stunde an der Sonne zu sehen, als aus fünfzig Schritte mit dem Eisen eines Pfeiles in einen halben Paol zu treffen.«

Ihr täuscht Euch, mein Freund,« erwiederte der Fremde in vortrefflichem Englisch, »das Eine ist nicht schwieriger, als das Andere.«

»Ah! rief Herbert, »wenn Ihr jenseits der Meerenge geboren seid, wie dies Eure Art, unsere Sprache zu sprechen, andeutet, so darf man sich nicht wundern, daß Ihr ein so guter Bogenschütze.«

»Ich bin nicht jenseits der Meerenge geboren sondern nur in England gereist,« erwiederte der Pilger. »Doch sputen wir uns, wenn es Euch beliebt; ich sagte Eurem Chef, ich habe Eile, und er erlaubt daß wir unsern Versuch unverzüglich machen.«

Auf, Edwards! aus, Georges!« rief Herbert;«haltet einen Schild bereit, der die Stelle von diesem einnehmen soll; zieht einen Kreis von sechs Zoll im Durchmesser und in der Mitte dieses Kreises klebt eine Mücke an.«

Die zwei von ihrem Kameraden ausgerufenen Engländer gehorchten schleunigst, Sie richteten einen völlig unversehrten Schild zu, während die andern Schützen die Pfeile aus dem Schilde rissen, der als Ziel gedient.

Dann, um dem Fremden einen höheren Begriff von ihrer Geschicklichkeit zu geben und ihm eine größere Schwierigkeit zu bieten stellten sie den Schild in einer Entfernung von hundert Schritten aus.

Als endlich der alte Schild in geeigneter Entfernung aufgepflanzt und der neue zugerichtet war, gruppirten sich die Bogenschützen wie ein Bienenschwarm um Herbert, den sie als den Mann anerkannten, welcher über sie das Königthum der Geschicklichkeit und des Blickes übte.

Man sah nun, was bei den Menschen ein großer Wetteifer thun kann: Jeder schoß seinen Pfeil ab, und trotz der um das Doppelte vermehrten Entfernung drangen alle fünfzig Pfeile, – die Bogenschützen waren ihrer fünfzig, – in den Schild ein, Elf Pfeile hatten in den innern Kreis getroffen, doch, wie man vorhergesehen, waren die drei der Mücke nächsten Pfeile die von Edwards, von Georges und von Herbert.

»Gut geschossen, Kinder!« sprach Gaëtano, in die Hände klatschend; »man wird heute Abend vom besten Wein des Kellers auf die Gesundheit derjenigen trinken, welche diese fünfzig Pfeile abgeschossen haben . . . Und nun ist es an den drei Siegern und unserem Pilger. Seid Ihr bereit, meine Meister?«

Der Fremde nickte bejahend mit dem Kopfe.

Gut,« rief der Bastard, »Ihr wißt, daß fünf römische Thaler dem zufallen, welcher seinen Pfeil am nächsten zu der Mücke bringt! . . . . Auf, nach dem Schilde!«

Ein Bogenschütz riß aus der Erde den alten, wie ein Stachelschwein ganz mit Spießen beladenen, Schild und setzte den unversehrten an dessen Stelle.

»Platz! Platz!« rief man von allen Seiten, Es waren nicht mehr allein die Bogenschützen, die sich für den Wettstreit interesssirten, es waren alle diese Menschen, welche, wie gesagt, eine Art von Nationalität unter einander verband.

Die Deutschen hatten zu ringen aufgehört; die Gebirgsleute hatten ihre Stöcke weggeworfen; Alle waren herbeigelaufen und bildeten einen ungeheuren Kreis um die Gruppe, die aus Gaëtano dem Bastard, dem Pilger und den drei Schützen bestand, welche die Ehre von Alt-England, dem Fremden gegenüber, behaupten sollten.

»Beeilen wir uns!« murmelte der Pilger, indem er abermals nach der Sonne schaute; »es ist drei Viertel auf ein Uhr.«

»Wir sind bereit,« erwiederte Herbert, »und wir werden nach der Reihe schießen, welche die Anfangsbuchstaben unserer Namen im Alphabet einnehmen. Du, Edwards hast den ersten Buchstaben, Du, Georges, den zweiten, der meinige ist der dritte . . . Der Pilger wird zuletzt schießen: Ehre dem Ehre gebührt!«

Beim Bogenspiele ist wirklich derjenige der Geehrte, welcher zuletzt schießt.

»Aufgeschaut!' sprach Edwards vortretend, Edwards hatte zum Voraus denjenigen von seinen Pfeilen, welchen er für den besten hielt, ausgewählt und auf seinen Bogen gelegt. Als er zu der Stelle kam, von wo aus er schießen sollte, blieb er stehen, zog zweimal die Sehne seines Bogens an und spannte sie zweimal wieder ab. Endlich, beim dritten Male, entschwirrte der Pfeil und drang in den ans dem Schilde gezogenen Kreis, kaum zwei Zoll über der Mücke, ein.

»Ah!« murmelte er, »wäre der Schild nur zehn Schritte weiter entfernt gewesen, so traf ich mit meinem Pfeile mitten ins Ziel; doch gleichviel! ich glaube, der Schuß war nicht schlecht . . .«

Seine Kameraden klatschten ihm Beifall und bewiesen dadurch, daß sie seine Ansicht theilten.

»Nun ist es an Dir, Georges,« sagte Gaëtano, »miß genau Deine Entfernung.«

»Ich werde mein Möglichstes thun, gnädiger Herr,« erwiederte der Bogenschütze.

Und er zog hinter einander drei Pfeile aus seinem Köcher, warf aber die zwei ersten als mangelhaft auf den Boden und behielt den dritten.

Er legte diesen dritten Pfeil aus seinen Bogen, spannte ihn mit einer zugleich langsamen und festen Bewegung und schoß.

Der Pfeil drang in den Schild ein, und trotz der Entfernung konnte man leicht sehen, daß er den von Edwards um einige Linien übertraf.

»Bei meiner Treue!« sagte Georges, »das ist Alles, was ich thun kann . . . Ein Anderer mache es besser.«

»Bravo, Georges! Bravo, Georges!« riefen die Zuschauer Beifall klatschend.

Nun kam die Reihe an Herbert, das heißt an denjenigen, auf welchen man am meisten zählte.

Er trat ernst und langsam vor, wie ein Mensch, der das ganze Gewicht der Verantwortlichkeit, die auf ihm lastet, fühlt.

Er ging auch mit einer noch größeren Aufmerksamkeit als Georges bei der Wahl des Geschosses, dessen er sich bedienen wollte, zu Werke, leerte seinen Köcher ganz zu seinen Füßen aus, setzte ein Knie auf die Erde und wählte lange und mit Sorgfalt einen Pfeil, dessen Gleichgewicht vollkommen war; dann stand er wieder auf, spannte die Sehne seines Bogens so, daß er sie bis hinter seinen Kopf zurückzog, blieb einen Augenblick unbeweglicher, als der durch die Rache von Diana in Marmor verwandelte Jäger des Alterthums, – und schoß.

Der Pfeil flog unsichtbar, so schnell flog er, und drang so nahe bei der Mücke ein, daß er deren Umriß angriff.

Alle Condottieri, die Bogenschützen besonders, hatten mit starren Augen und keuchender Brust zugeschaut, als sie aber das Resultat des Schusses sahen, entströmte ein ungeheures Freudengeschrei in drei bis vier Sprachen dem Munde dieser Leute, die sich insgesammt in ihrem Stolze als dabei interessirt betrachteten, daß einer von ihnen, was auch seine specielle Waffe oder seine Nation sein mochten, den Sieg über einen Fremden errang. Dann stürzten Alle mit einer und derselben Bewegung auf das Ziel zu, denn Jeder wollte mit seinen eigenen Augen die Stelle beurtheilen, welche der Pfeil von Herbert getroffen hatte.

Isaak Laquedem

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