Читать книгу Der Räuber - Александр Конторович, Сергей Норка - Страница 3

Kapitel 2

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Mein Ausflug zur Baustelle war kein leichter und ungetrübter Spaziergang. Auf halbem Weg stieß ich auf eine wilde Schießerei und ganz in der Nähe zischte eine Kugel an mir vorbei. Ich hätte nie gedacht, dass ich so schnell laufen kann! Ich versteckte mich hinter einer verlassenen Garage, bis die unsichtbaren Streithähne ihre Auseinandersetzung beendet hatten. Es dauerte fast eine Stunde. Dann krachte eine Salve (ich glaube, es war keine Maschinenpistole) und es wurde still. Bislang war immer mit Gewehren und Pistolen geschossen worden.

Ich wartete eine weitere Stunde, ehe ich mich aus meinem Versteck wagte. Es war still, kein Schusswechsel. Wer hier gewonnen hatte, war mir gleichgültig. Hauptsache es fliegen keine Kugeln und ich kann weitergehen. Ich stecke den Kopf aus der Garage und sehe mich um. Niemand da. Ich laufe schnell zum nächsten Haus hinüber. Nach einer halben Stunde sehe ich über den Dächern, den ersten Kran. Geschafft! Das ist die Baustelle. Jetzt wird es schneller gehen! Ich finde die Brechstange und andere nützliche Dinge und kann zurückkehren. Sehr wahrscheinlich habe ich heute Nacht ein Dach über dem Kopf.

Ich biege um die Hausecke.

„Halt!“

Wer ist das denn?

Zwei Männer in Lederjacken. Einer hat ein Jagdgewehr, bei dem anderen ist keine Waffe auszumachen.

„He, was soll das?“

„Komm her!“

Ich gehe langsam auf sie zu und versuche, Abstand zu halten. Aber ich habe keine Chance, der mit der Waffe winkt nachdrücklich mit dem Gewehrlauf. Mach keinen Unsinn. Sie entreißen mir die Tasche und stülpen sie um. Der Kerl, der sie durchsucht, bolzt die herausgefallene Mineralwasserflasche verächtlich zur Seite.

„Ist das alles? Was hast du in den Taschen?“

Aber auch hier befindet sich nichts Wertvolles. Die Schraubenschlüsse interessieren die Typen nicht.

„Ist das dein Ernst?! Wo ist der Kies!“

„Aber… ich habe keinen!“

Peng! Der Gewehrkolben kracht mit voller Kraft unter meinen Brustkorb.

Uh … Aua!

„Was soll das… ich habe Ihnen nichts getan!“

„Du Mistkerl, wo wohnst du?“

„Lärchenallee 5, Wohnung 15.“

Die Männer sehen sich an.

„Wo ist das?“

„Weit weg… Was kann ein Junkie wie der schon besitzen? Eh, aufstehen!“

Sie treten auf mich ein und zwingen mich, die Tasche von der Straße aufzuheben. Ein Schlag auf die Schulter weist mir die Richtung.

Wir liefen nicht lange, da stieg mir Rauch in die Nase. Als wir um die Ecke biegen, stehen wir vor einem langen Zaun mit Stacheldraht. Wir laufen den Zaun entlang, biegen wieder um die Ecke und gehen direkt auf das Tor zu. Es ist verschlossen. Am Tor sitzen mehrere Männer um ein Lagerfeuer. Alle sind bewaffnet und tragen überwiegend Jagdgewehre.

„Оh! Grüß dich, Mitja! Wen hast du da angeschleppt?“

„Ach, nur einen Penner. Bringen wir ihn zu den anderen.“

Links vom Tor steht ein kleiner Wellblechverschlag. Nachdem sie mir zuvor die Tasche abgenommen und das Schloss an der Eingangstür geöffnet haben, stoßen sie mich hinein. Ich gehe ein paar Schritte und lasse mich entkräftet auf den Boden fallen. Mein Gott, was ist hier los?

„Haben sie Sie auch gefangen?“

Ich drehe mich zu der Stimme um. Auf dem Boden sitzt ein älterer Herr. Die Gläser seiner Brille sind zersprungen, ansonsten er sehr manierlich aus.

„Ja… Sie nahmen mir alles weg und schlugen mich mit dem Gewehrkolben. Wo sind wir hier?“

„Junger Mann, das ist das ehemalige Lager der Kommunalverwaltung von Tarkow. Die Leute, die dort auf der Straße sitzen, sind gewöhnliche Banditen. Genauer Einwohner, die jetzt Banditen sind.“

„Aber sie sind bewaffnet!“

„Nicht alle haben eine Waffe. Bis jetzt. Sie werden sich schnell bewaffnen. Wohnungen plündern und alles Wertvolle wegschleppen. Dabei finden sie dann auch die Waffen.“

„Und was habe ich damit zu tun?“

Das erklärte mir mein Nachbar wie folgt. Er und seine unfreiwilligen Freunde werden schon den dritten Tag hier festgehalten. Als die mysteriösen Ereignisse begannen, hatte er (sein Name ist Pawel) auf die offizielle Evakuierung gewartet, denn seiner Meinung nach, wären die Behörden verpflichtet gewesen, alles zu tun, um die Stadtbewohner zu retten. Vergeblich, die Angestellten der Stadtverwaltung und die Beamten waren gleich auf und davon und überließen die Stadt ihrem Schicksal. Er wusste nicht, was dann geschehen war, denn als er zum Bäcker lief, fingen ihn Mitjas Kumpanen und er wurde in diese Baracke gesteckt. Seitdem jagten sie die Gefangenen zum Plündern durch die nahe gelegenen Häuser. Heute früh hatte Pawel Pech und der Rammbalken fiel ihm auf den Fuß. Nur mit Mühe erreichte er die Baracke und lag jetzt hier, um sich auszuruhen.

„Und was passiert dann mit ihnen? Gibt es hier wenigstens Essen?“

„Gestern teilten sie Fischkonserven aus. Wasser ist dort, die Toilette hat einen Wasserhahn. Ich vermute Sie wurden gefangen, um den Verletzten zu ersetzen. Mich können sie nicht mehr gebrauchen. Ich kann ja kaum gehen! Hoffentlich lassen sie mich frei…“

Toll! Das hat er sich fein ausgedacht. Sie lassen ihn frei! Und was wird aus mir? Ich werde für diese… schuften. Dieser Gedanke macht mir Angst. Mein Nachbar schüttelt mit dem Kopf. Seiner Meinung nach, ist alles halb so schlimm. Früher oder später sind die Wohnungen abgegrast. Dann brauchen sie die Gefangenen nicht mehr, die sie durchfüttern müssen.

„Sie werden auch Sie wieder laufen lassen. Sie werden sehen! Eine Woche oder etwas länger… Außerdem werden dann die Beamten und Polizisten auf jeden Fall wieder hier sein! Sie können die Stadt doch nicht einfach den Banditen überlassen. Die Banditen da draußen werden sich verantworten müssen… warum sich zusätzlich Probleme aufladen?“

Ich kann seinem Optimismus nichts abgewinnen, obwohl er nicht völlig unbegründet ist. Na gut, wie war das mit dem Wasser?

Ich trinke Wasser und wasche mir das Gesicht. Dann sehe ich mich in der Baracke um. Nichts, was uns weiterhelfen könnten und die zwei Türen, die zu anderen Räumen führen, sind nicht nur abgeschlossen, sondern auch mit Brettern zugenagelt. Ich habe genug gesehen und setze mich auf die Matratze, die an der Wand liegt. Ich war eingeschlafen und wurde mit Fußtritten geweckt. Meine Güte, wird das jetzt zur Tradition?

„Was willst du!“

„Du hast es dir auf meiner Matratze bequem gemacht!“

Ein schmaler, zotteliger Bursche schaut böse auf mich herunter.

„Such dir eine andere Matratze! Da liegen noch mehr!“

„Verpiss dich!“

Die anderen Bewohner der Baracke sehen aus der Ferne zu. Die langweilen sich wohl? Der hätte eine auf die Fresse verdient. Oder vielleicht ist Pawel die Ramme nicht zufällig auf die Füße gefallen? Er hatte es angedeutet. Jetzt bloß keine Prügelei vom Zaun brechen.

„Hier, steck dir deine Matratze sonst wohin!“

Ich stehe auf und wende mich ab, um den Platz zu verlassen. Der Bärtige tritt mit Schwung mit dem Bein nach. Jedenfalls denkt er das. Ich schaffe es, mich rechtzeitig wegzudrehen, er trifft daneben und kracht mit voller Wucht gegen die Barackenwand. Das Metall scheppert dumpf und sofort ertönt von der Tür Gebrüll.

„He, ihr langweilt euch wohl?! Haltet alle die Klappe! Sonst komm ich und sorge ein endgültig für Ordnung!“

Der Schreihals scheint es ernst zu meinen, selbst der Störenfried wird sofort ruhig. Er knirscht mit den Zähnen und kriecht zu Seite.

„Das war ein Fehler!“, rügt mich Pawel vorwurfsvoll: „Wir sollten uns nicht streiten.“

„Ich habe ihm nichts getan! Er hat selbst damit angefangen!“

„Grischa ist unser Brigadier. Den sollte man besser zum Freund haben.“

„Aha, andernfalls bekommt der nächste den Rammbock auf den Fuß?“

Mein Gesprächspartner wendet sich gekränkt ab. Aber es sieht so aus, als hätte ich Recht!

Wenigstens habe ich ausgeschlafen! Wenn auch nicht gerade ruhig. Ich war mehrmals wachgeworden und hatte mich aufgesetzt. Offenbar kein Zufall. Ich hatte das Gefühl, dass jemand über mir steht. Als ich aufwachte, war er schnell verschwunden. Er war ganz still und gab sich nicht zu erkennen. Ich war im Halbschlaf, schrie nicht und sprang nicht auf. Wozu? Lieber nicht auffallen. Ich wartete, aber es geschah nichts.

* * *

„Na ihr elenden Halunken!“ Vor uns stolziert ein rothaariger Bulle auf und ab. „Gratulation zur Verstärkung!“

Er nickt in meine Richtung.

„Deshalb werdet ihr ab jetzt mit dem gebührenden Eifer arbeiten, anstatt zu faulenzen! Ansonsten gibt es das Abendbrot zum Mittagessen! Morgen zum Mittagessen! Fragen? Nein? Dann nehmt die Beine in die Hand und Abmarsch!“

Uns fiel der Eingang eines Plattenbaus zu. Die Wache ließ die Truppe vor dem Haus antreten und wies uns mit wenigen Worten und ohne große Umschweife ein.

Die Rammbockträger gehen voran und steigen die Treppe bis zum höchsten Stockwerk hinauf. Anschließend schlagen sie die Treppe abwärts nacheinander mit dem improvisierten Rammbock alle Wohnungstüren ein. Sie arbeiten sich ohne Pause von Stockwerk zu Stockwerk durch. Die Suchtrupps folgen den Rammbockträgern, jeweils zwei Mann durchsuchen eine Wohnung. Der Wachmann mit der Pistole betritt die Wohnung zuerst und beaufsichtigt den Suchtrupp. Er verlässt die Wohnung als letzter. Ein weiterer Wachmann mit Gewehr steht auf dem höchsten Treppenabsatz und kontrolliert alles, was er sieht.

Das Essen auf dem Tisch oder in geöffneten Konserven kann gegessen werden. Konserven zu öffnen, ist verboten. Sie müssen auf den Treppenabsatz gebracht und sortiert werden. Die Träger tragen sie weg. Das ist ein Sondertrupp der Brigade. Bekleidung wie Jacken, Hosen und Schuhe werden separat abgelegt. Mäntel und Frauenbekleidung sind unnütz und bleiben in der Wohnung. Das Gleiche gilt für die Haushaltsgeräte, die keinen interessieren. Sofern Wertsachen gefunden wurden, ist das dem Wachmann sofort zu melden. Waffen, einschließlich Küchenmesser, dürfen nicht berührt werden, andernfalls droht die Erschießung an Ort und Stelle. Nicht nur dem Übeltäter, sondern dem gesamten Trupp. Für Geld, Wertsachen und Waffen gibt es als Belohnung zwei selbst gewählte Konservendosen. Die Konserven dürfen sofort gegessen werden. Man darf den anderen aber nichts abgeben, sondern werden sie einem sofort wieder abgenommen.

Medikamente sind ein Kapitel für sich. Sie werden ausnahmslos eingesammelt. Alkohol erfordert einen besonders sorgfältigen Umgang. Das war's.

„Noch dumme Fragen? Nein? Los geht's!“

Unser bärtiger Brigadier tritt nach vorn.

„He, ihr da! Du und du“, er zeigt mit dem schmutzigen Finger auf die Betreffenden: „Ihr tragt die Ramme! Und ihr zwei.“

Ich bin auch dabei.

Die Rammer sind nicht zu beneiden. Das ist mir morgens bei den Gesprächen aufgefallen. Sie laufen zwar nicht nach oben und unten wie die Träger, aber sie leiden nicht unter der groben Behandlung der Wachmänner wie die Schlächter, die die Wohnungen ausschlachten. Das war das einzig Positive daran, den berüchtigten Balken zu schleppen (eine ca. siebzig Kilogramm schwere Metallbohle mit angeschweißten Halte— und Tragegriffen). Wenn die Rammer fertig sind, helfen sie den Trägern. Aber keiner von ihnen darf sich in den Wohnungen Sachen aneignen. Das bedeutet, auf der Stelle erschossen zu werden.

Deshalb haben die Ausschlachter die „einträglichste“ (aber auch die riskanteste) Arbeit. Meistens sind das die Kumpel des Brigadiers. Da ich nicht dazu zähle, wurde ich der Ramme zugeteilt.

Ich nähere mich dem Balken und nehme Maß.

„Eh“, sagt der Wachmann.

Er wendet sich dem Brigadier zu.

„Jawohl!“

„Warum hast du diesen Schwächling für die Ramme ausgewählt?“

„Bei uns ist einer ausgefallen.“

„Hast du keinen kräftigeren Arbeiter? Der hat ja nur Haut und Knochen! Rachitis.“

„Kein Problem, der ist stark genug.“

Das Gesicht des Wachmanns verdunkelte sich.

„Willst du frech werden, du Hans Wurst?! Reiß hier nicht das Maul auf, du Pinscher! Was habe ich dir gesagt? Austauschen! Es hat gestern schon gereicht, dass dem strohdummen Brillenträger die Ramme auf das Bein gefallen ist. Oder willst du sie allein schleppen? Das kannst du haben! Na los, Befehl ausführen und zwar wie ein geölter Blitz!“

So wurde ich Träger. Im Prinzip keine schwere Arbeit. Nimm mehr, trag schneller, das ist der Trick. Sei auf der Hut, lass nichts fallen und mach nichts kaputt. Hüte die Flaschen mit Alkohol, andernfalls folgt die Strafe auf dem Fuße. Die Prämie gibt es dagegen, wenn der Haufen Plunder, den wir herumschleppen innerhalb einer Stunde die Hüfthöhe unseres Wachmanns erreicht hat. Wir erhalten ein paar Konservendosen, die er selbst auswählt. Für alle, das heißt für acht Mann. Ein Trostpreis, aber besser als gar nichts. Die Rammer erhalten überhaupt nichts.

Los! Im Laufschritt nach oben und vorsichtig nach unten stapfen, damit nichts verloren geht. Ununterbrochen, denn die Pause ist erst wieder in einer Stunde. Hoch und runter und wieder hoch. Als ich einen Blick in eine der geplünderten Wohnungen werfe, sehe ich an der Wand das Foto eines Mädchens im kurzen Kleid. Auf dem professionellen, großformatigen Foto sieht das Mädchen fast echt aus. Ich kann nicht glauben, dass es das wirklich gegeben hat. Mit diesen hübschen Mädchen sind wir einst ausgegangen. Ninel…. ich spüre förmlich den Duft ihres Parfüms.

„Schneller!“

Ich lauf ja schon. Wieder nach oben. Ich habe Durst, aber es ist verboten, die Wohnungen zu betreten.

„Rauchpause!“

Ein Eimer scheppert über den Asphalt, die Wachmänner haben einen Eimer Wasser organisiert. Etwas abseits schlürft ein Träger den Inhalt einer Konservendose. Seine Beute, eine goldene Uhr, schmückt jetzt das Handgelenk des Hauptmanns der Wache.

Wir haben noch nichts abbekommen. Der Hauptmann befahl die Ausgabe von zwei Packungen Haferflocken, sonst hätten wir jetzt nichts zu beißen. Glück gehabt.

„Schluss mit lustig!“

Und wieder hoch und runter. Die Fahrstühle im Haus funktionieren nicht, vielleicht wurden sie abgeschaltet. In den Wohnungen brennt auch kein Licht, die Wachmänner leuchten mit den Taschenlampen.

„Feierabend!“

Wir haben den gesamten Häuserblock umgekrempelt und werden die Beute nicht auf einmal wegschaffen. Der Chef sieht sich das Diebesgut an und stellt ein paar Mann als Wache ab. Jetzt schleppen wir die Beute bis zum Lager, laden sie ab und holen den nächsten Haufen. Glücklicherweise muss die Ramme nicht zurückgetragen werden, sie wird im nächsten Hauseingang gebraucht. Die Bohle stellen wir in einer Wohnung ab und die Rammer werden Träger.

Noch ein Streifzug. Ich kann kaum noch laufen, aber anstatt uns in die Baracke zu jagen, müssen wir uns in Reih und Glied vor dem Tor aufstellen. Was haben sie sich jetzt wieder ausgedacht? Wenige Minuten später kommt aus dem Gebäude ein Prozessionszug, an dessen Spitze läuft ein stämmiger Mann in Begleitung seiner Kumpane.

„Makar…“, flüstert der Nachbar links neben mir.

„Wer ist das?“

„Das ist der Boss hier, alle anderen sind ihm unterstellt.

Hinter dem Boss läuft niemand anders als Pawel. Das ist aber eine Überraschung!

„Ich begrüße euch alle!“ Makar hebt die Hand.

Die Wachmänner ziehen tierische Gesichter und wir zeigen einstimmig unsere Freude.

„Sicher erinnert ihr euch daran, dass wir versprachen, euch für hervorragende Leistungen die Freiheit zu schenken. Für eure Leistungen zum Wohle der Allgemeinheit! Es ist keine Sünde, das von den säumigen Hausherren verlassene Hab und Gut denen zu geben, die es tatsächlich benötigen. Da werden mir alle zustimmen.“

Beifällige Ausrufe und Zustimmung.

„Es ist soweit!“ Der Boss macht eine theatralische Pause. „Heute darf einer von euch, der arbeitsunfähig ist, nach Hause gehen! Aber er geht nicht mit leeren Händen! Er darf sich Kleidung aussuchen und so viele Lebensmittel mitnehmen, wie er tragen kann.“

Diese Ansprache aus dem Mund des Banditen klingt seltsam.

Auf ein Zeichen des Chefs öffnet sich das Tor des Lagerhauses. Da liegen riesige Kleiderhaufen, weder Damenhüte noch Badeanzüge, sondern genau das, was ein normaler Mensch in dieser Situation gebrauchen kann: feste Schuhe, dicke Hosen und Jacken, Leinenjacken, Lederjacken und sogar militärische Tarnjacken. Rucksäcke und Taschen liegen separat auf einem Haufen. Daneben stehen Lastkarren.

Unter aufmunterndem Beifall der Kumpane und des Chefs betritt Pawel schüchtern das Gebäude. Er wühlt in den Kleiderhaufen. Dann legt er schon mutiger seine Kleidung ab, stülpt sich eine tolle Lederjacke über und sucht sich schöne Schuhe aus. Das ist dumm! Jeder weiß doch, dass er keine schönen, sondern solide Schuhe auswählen sollte, die länger als ein paar Monate halten. Er tauscht seine Hosen gegen neue Hosen ein. Dann darf er den Karren nehmen. Er verschwindet um die Ecke, wo vermutlich die Lebensmittel gelagert werden. Nach zehn Minuten ist er wieder da. Der Karren ist voll beladen und lässt sich kaum über den Asphalt schieben.

„Da seht ihr es!“ Makar reibt sich triumphierend die Hände. „Arbeitet fleißig und auf euch wartet ebenfalls eine Belohnung!“

Das Tor öffnet sich quietschend.

„Klette und Glotzauge, begleitet den Kerl! Passt auf, dass ihm keiner was zuleide tut“, befiehlt der Boss: „Wir wollen nicht in Verruf kommen!“

Pawel traut seinen Augen kaum! Sie lassen ihn mit dem voll beladenen Karren gehen! Andere zu überzeugen ist eine Sache, sich selbst von der Richtigkeit der eigenen Worte zu überzeugen ist etwas ganz anderes. Das ist für manchen Schwätzer zu viel des Guten! Er lächelt unsicher, winkt uns und wendet sich dem Ausgang zu. Als er die Hand wieder herunternimmt sehe ich auf der rechten Jackentasche das lustige Abzeichen mit dem lächelnden Bären. Meine Kollegin im Büro trug dieses Zeichen auch, deshalb habe ich es wiedererkannt. Das Abzeichen einer Jugendbewegung… ich kann mich aber nicht genau erinnern, welcher.

Das Abendessen war ganz gut, bestimmt aufgrund des feierlichen Anlasses. Und dann… war die Feier schnell vorbei. Als wir in die Baracke eintraten, schlug mir einer hart ins Genick. Als ich zu mir kam, fand ich mich in einiger Entfernung vom Eingang wieder. Es tropft… liege ich neben der Toilette?

„Er ist zu sich gekommen…“.

Ich kann mich nicht rühren. Einer sitzt auf meinen Beinen und der andere hält meine Hände fest.

„Hör zu, du Klugscheißer“, tönt die Stimme des Brigadiers durch die Dunkelheit: „Morgen meldest du dich zum Rammbocktragen! Verstanden?“

„Das hängt nicht von mir ab! Das entscheidet der Hauptmann der Wache.“

„Egal, wer darüber entscheidet. Du äußerst einfach den Wunsch! Ist dir das klar?!“

„Klar wie Kloßbrühe.

„Hm, hm.“ Der Zottelkopf räuspert sich: „Verpasst ihm eine Packung… damit er es besser versteht und nicht für einen Scherz hält.“

Sie schlugen auf mich ein. Ich konnte danach kaum einschlafen.

Morgens beim Appell schaue ich in die Gesichter in der ersten Reihe. Wer hat gestern auf meinen Beinen gesessen und wer meine Hände festgehalten? Außerdem hat von denen auch noch einer zugeschlagen. Es müssen mindestens drei gewesen sein. Was jetzt? Wir sollten uns unter diesen Bedingungen gegenseitig unterstützen! Sollten… Die Wirklichkeit sieht anders aus. Hier kämpft offenbar jeder nur für sich selbst. Erst bist du dran und dann ich. So hieß das glaube ich früher bei den Lagersträflingen. Das habe ich irgendwo gelesen. Vermutlich fällt die Ramme demnächst auf meinen Fuß. Ich bezweifle allerdings, dass es mir ähnlich ergehen wird wie diesem Glückspilz Pawel.

Wir stapfen den Weg entlang. Es ist unangenehm sich hier umzusehen. Als ob ich das nicht schon gesehen hätte? Vielleicht entdeckte ich gerade deshalb den hellen Fleck auf dem Weg bzw. am Straßenrand. Ich habe ein gutes visuelles Gedächtnis. Das war bei meinem Job sehr nützlich. Ich sah auf dem Bildschirm schnell die kleinsten Details. Beispielsweise entdeckte ich den Längenunterschied der Zeilen immer als erster, selbst wenn er nur eine oder zwei Ziffern betrug Der Fleck befand sich nicht genau am Straßenrand, sondern im Graben am Straßenrand. Ich lief langsamer und plötzlich war meine Kehle wie ausgetrocknet.

Der Bär! Der Bär auf der Jacke unseres Glückskinds! Aha, und rote Flecken im Sand. Wetten, die waren hier gestern noch nicht zu sehen. Ich musste eine schwere Tasche mit Plunder schleppen und hatte den Blick gesenkt. Genau an dieser Stelle. Der Weg führt hier außerdem direkt zu einer Schlucht.

Auf diesem Weg begleiteten ihn somit Makars Schergen gestern. Was jetzt? Soll ich es den anderen sagen und sie um ihre letzte Hoffnung bringen? Dafür ersticken sie mich nachts mit der Matratze. Der Brigadier ist möglicherweise im Bilde oder ahnt es wenigstens. Er schwärzt mich als Aufrührer bei der Wache an, und ich werde die Baracke nicht mehr erreichen.

„Ich bin bereit, die Ramme zu tragen!“

„Halt die Klappe, du Kadaver…“, winkt der Hauptmann gleichgültig ab: „Trainiere erstmal mit den Konserven!“

Hinter meinem Rücken schnieft der Brigadier. Am Abend erwartet mich eine weitere Erziehungsprozedur. Wer weiß, ob ich danach wieder aufstehe. Schon gut, ich habe verstanden.

Und wieder geht es hoch und runter. Im Hof hallt das Krachen der Ramme wider. Wo sind sie jetzt? Im vierten Stockwerk. Zu früh… ich habe es nicht eilig. Mein Partner stößt mich in den Rücken. Los, steh nicht herum! Ich lauf ja schon.

Jetzt kommt das Krachen schon aus dem dritten Stockwerk. Ich laufe die Treppe hinunter. In der Staubwolke sehe ich, wie sich die Brigade ins Zeug legt, vom Türrahmen fliegen die Splitter. Wenn die Tür massiv ist, schlägt die Ramme nicht gleich die ganze Tür ein. Dann zerstören die Jungs den Türpfeiler oder tragen die Teile der Wand ab, an der die Schlossriegel angebracht sind. In den meisten Fällen sind die Türen gleicher Bauart, eben Standardtüren.

Zweites Stockwerk. Ich habe furchtbaren Durst. Die Kehle ist trocken. Ich warte den passenden Moment ab und trinke eilig einen Schluck aus der Flasche. Normales Trinkwasser. Ich schleppe einen ganzen Kasten. Da es kein Wodka ist, interessiert sich die Wache nicht dafür und es wird auch nicht riechen.

„Weiter!“

Die Rammer gehen in das erste Stockwerk. Jetzt! Ich laufe an ihnen vorbei und trete einem der Rammer gegen das Schienbein. Er schreit und verliert das Gleichgewicht. Die schwere Eisenbohle neigt sich gefährlich.

Ah! Jetzt stürzt auch der zweite, dem ich ein Bein gestellt habe. Er fällt vornüber.

„Scheiße!“

Die Trägheit der Ramme ist unerbittlich. Sie trifft die Vordermänner mit voller Wucht (plus meinem Fußtritt). Die Glasscheiben fliegen geräuschvoll aus dem Fensterrahmen. Kurz darauf folgt ihnen die Ramme und nimmt die Vordermänner mit.

Ich hocke in Startposition am Rand des Treppenabsatzes. Etwas mehr links… und Absprung! Ich lande weich abgefedert auf einem Körper. Danke, mit einer weichen Landung hatte ich nicht gerechnet.

Auf dieser Seite des Gebäudes sind keine Wachen aufgestellt. Der Hauseingang ist auf der anderen Seite. Deshalb kann mich niemand aufhalten, höchstens eine Kugel. Ich biege um die Ecke und lege einen kurzen Zwischenstopp ein. Keine Schüsse, keine Hetzjagd. Sie haben mich noch nicht bemerkt! Umso besser, löffelt eure Suppe selbst aus!

Jeder normale Mensch wäre an meiner Stelle und unter diesen Umständen schnell nach Hause gelaufen, und wäre dabei sicher nicht weit gekommen. Wer weiß, wie viele Makare hier im Umkreis mit ihren Gehilfen unterwegs sind? Ich habe keine Lust, das selbst zu überprüfen. Und eine Baracke gegen die nächste eintauschen möchte ich auch nicht. Deshalb laufe ich nirgendwo hin.

Ich suche mir ein Haus mit fünf Stockwerken und steige über den Balkon des Erdgeschosses. Glücklicherweise haben die Bewohner des Erdgeschosses ein Gitter aufgestellt, dessen Enden mir jetzt als Leiter dienen. Es klappt nicht gleich beim ersten Versuch, aber schließlich klettere ich auf den Balkon. Noch reichen meine Kräfte. Ich lege mich auf den Boden und sehe mich um. In der Kommode liegen Klamotten. Ein Handbeil! Keine große Axt, die könnte ich auch gar nicht gebrauchen. Eine Kanne Schmieröl für das Auto und Hausrat. Gut, das sehe ich mir später an. Ich gieße das Öl großzügig auf die Klamotten und sehe mich vorsichtig um, ob jemand in der Nähe ist. Keine Spur. Dann drücke ich den Lappen mit dem Öl gegen das Fensterglas. Ein Schlag und das eingeschlagene Fenster zersplittert. Das habe ich in einem Buch gelesen, noch in meiner Schulzeit. „Die junge Garde“ hieß es. Auf diese Weise kann man das Glas geräuschlos einschlagen. Der Autor des Buches hat nicht gelogen. Ich steige vorsichtig über die Fensterbank. Geschafft, ich bin in der Wohnung. Hoffentlich hat niemand auf der Straße das Manöver beobachtet. Jetzt kann ich mich endlich umsehen, ohne mich direkt vor dem Fenster zu zeigen. In der Küche entdecke ich einen vertrockneten Laib Brot, verschimmelte Nudeln und ein paar Gläser eingelegte Tomaten. Genau das Richtige! Da kann ich auch gleich das Brot in der Salzlauge aufweichen. Es fand sich auch ein wenig Wasser, um auf den Sauerteig zu trinken. Der Wasserhahn dagegen knirscht nur traurig, als ich ihn aufdrehe. Die Rohre sind leer. Jetzt kann ich erstmal durchatmen.

Die Flucht ist gelungen. Improvisation, aber mir blieb kein anderer Ausweg. Einen der Rammer habe ich verletzt und den zweiten möglicherweise sogar umgebracht, als ich zwischen dem zweiten und dem dritten Stockwerk aus dem Fenster sprang und auf ihm landete. Die Moralapostel können sich ruhig aufspielen, ich habe kein schlechtes Gewissen. Heute Nacht hielten mich meine sogenannten Zellenkameraden an Händen und Füßen fest. Einer von ihnen schlug auf mich ein. Offenbar quälten sie dabei keinerlei Gewissensbisse. Auf Befehl des Brigadiers hätte einer der Rammer gewissenlos den schweren Stahlbalken fallen gelassen und wäre darüber nicht traurig gewesen. „Stirb du heute, ich bin morgen dran!“. Mit dem Sterben warten wir noch. Ich habe keine Lust, dem bärtigen Brigadier diese Freude zu bereiten. Der wird jetzt Prügel beziehen, das volle Programm.

Die Banditen kennen meine Adresse und werden sie höchstwahrscheinlich nicht vergessen haben. Dort werden sie auf mich warten. Viel Spaß! Sie dürfen sogar in meine Wohnung, ich habe nichts dagegen. Sie finden dort ohnehin nichts Wertvolles. Was ich brauche, kann ich mir auch andernorts besorgen zum Beispiel in verlassenen Wohnungen. Sie dürfen nicht ausschließlich den Banditen vorbehalten sein.

Makar und seine Kumpane bereinigen die Häuser planmäßig und mit Methode. Sie übersehen nichts. In diesem Tempo laufen sie noch lange hin und her, ehe sie hier ankommen. Ich habe genug Zeit, um mich zu besinnen. Direkt in der Nähe ihrer Besitzungen werden sie kaum nach mir suchen. Sie sind aber dazu fähig, ein paar Halsabschneider zu meinem Haus zu schicken. Ein unvermeidlicher Reinfall. Noch habe ich alle Tassen im Schrank.

Nachts gab es Schießereien und ich schlief unruhig. Zum Glück hat sich das nicht direkt vor dem Haus abgespielt. Aber es ist ein weiterer Grund, sich aus dem Staub zu machen.

Die Resultate der Hausdurchsuchung gemäß Banditenmethode waren bescheiden. Die Bewohner waren offenbar nicht eben reich. Außer den sauren Gurken, fanden sich drei Gläser eingelegte Äpfel, Makrelen, Buckellachs und Tee. Übrigens gar nicht so schlecht! Zucker und allerlei Kleinigkeiten. Den Mantel konnte ich bei dieser Jahreszeit nicht gebrauchen, aber die Lederjacke nahm ich mit (auch gebraucht). Leider fanden sich in meiner Größe keine Schuhe.

Ich warte, bis die Nacht hereinbricht. Ich sehe nachts zwar nicht so gut wie eine Eule, aber auch alle anderen sind im Nachteil. Den Weg finde ich, denn ich habe ein gutes visuelles Gedächtnis. Mit kleinen Schritten, kriechend und immer in Richtung meines Zuhauses und raus aus diesem Stadtbezirk.

Ich bin eingeschlafen, um ehrlich zu sein. Als ich aufwachte, war das Nachbarhaus hinter dem Fenster bereits in der Dunkelheit verschwunden. Ich hätte mir diese Dunkelheit mitten in der Stadt nie träumen lassen. Eine Stadt ist ohne Licht unvorstellbar. Selbst wenn der Strom ausfällt, leuchtet es in den Fenstern. Aber jetzt ist es absolut dunkel! Kein Feuer, keine Lampen. Es ist unheimlich.

Auch die Geräusche in Tarkow haben sich verändert. Selbst den Wind draußen nimmt man plötzlich anders wahr. Eine vergessene Tür knarrt. Der Müll fegt über die Straße und raschelt. Keine Schritte oder Motoren zu hören.

Aber ich muss raus. Lange kann ich hier nicht bleiben. Ich brauche Essen. Falls ich wie die Banditen die Wohnungen ausweide, besteht immer das Risiko, auf jemanden zu treffen, der das besser kann als ich. In diesem Fall ist das Schleppen der Ramme vielleicht noch das beste Angebot, das sie mir machen. Nein, danke… darauf kann ich verzichten.

Ich steige nicht über den Balkon. Wozu gibt es Türen? Es ist ein einfaches Schloss. Vorsichtshalber sperrte ich den Schnapper des Türschlosses mit einem Stück Papier, damit er beim Schließen nicht einrastet. Auch in den Spalt zwischen Rahmen und Tür steckte ich Papier, damit sie nicht bei jedem Luftzug aufgeht, jedenfalls nicht sofort. Ich brauche einen Ort, an den ich zurückkehren kann, wenn es gefährlich wird und den habe ich jetzt.

Im Hauseingang war es unheimlich. Das Sausen des Windes klang hier ganz anders als in der Wohnung. Vorsichtig öffnete ich die Tür zur Straße und lauschte. Kein Laut.

* * *

Auf der Straße schlug mir die Kälte entgegen und ich lobte mich insgeheim dafür, dass ich mir die Lederjacke zugelegt hatte. Ich sah mich um (besser ich lauschte) und lief zum Nachbarhaus. Noch eine Straße, jetzt aber breiter. Ich starre in die Dunkelheit. Meine Augen gewöhnten sich langsam daran. Ich erkenne bereits die Umrisse der Häuser und der Bäume in der Nähe. Noch ist es still… Ich warte auf den richtigen Moment und überquere schnell die Straße, dann drücke ich mich an der Häuserwand entlang. Sehr gut… Keiner hat nach mir gerufen und überhaupt hat niemand auf mich geachtet. Also weiter…

Im Morgengrauen habe ich die vertrauten Orte fast erreicht. Es hatte keinen Sinn, zu einem Hafen zu laufen und natürlich ging ich auch nicht zum Haus. Ein Zusammentreffen mit den Boten Makars hat mir gerade noch gefehlt. Es wird Zeit, mein Versteck aufzusuchen. In das Büro auf halber Kellertreppe wurde nicht eingebrochen. Das unscheinbare Schild mit der Aufschrift „Sanitärtechnik – Anlagen und Wartung“ ist offensichtlich ein Hinweis darauf, dass hier niemand etwas verloren hat. Die üblichen Papiertiger. Wer sich hier nicht auskennt, für den ist das „offensichtlich“. Aber ich war hier schon einmal. Nicht oft, aber ab und zu habe ich vorbeigeschaut. Tja, ich habe keine Brechstange, aber dafür das Handbeil! Außerdem kenne ich mich in den Räumen der Immobilie aus. Mit etwas Einfallsreichtum würde ich es auch ohne Brecheisen schaffen. Wie üblich kommt der gute Einfall dann, wenn man ihn nicht braucht, das heißt „danach“!

Ich musste die Tür gar nicht aufbrechen. Es gibt noch einen anderen Eingang am gegenüberliegenden Flügel über den ich ohne Einbruch in das Haus gelange. Der Keller ist relativ sauber und aufgeräumt. Es lag nur wenig von dem sonst an diesen Orten üblichen Gerümpel herum. Durch das Fenster drang sogar etwas Licht. Ich schlüpfte zügig durch die engen Räume.

Wie weiter? An der Wand hängt ein dunkler Metallkasten. Auf den ersten Blick nichts Besonderes, ein an diesem Ort häufig anzutreffender Verteiler. Er hängt hier schon seit einer Ewigkeit. Einst war das ausschließlich ein Klemmkasten für die Telefonanschlüsse, aber jetzt… Das ist ein veralteter Schaltschrank des örtlichen Telefonnetzes, wie sie früher überall hingen. Später wurden die Schaltschränke auf der Straße aufgestellt Dadurch wurde es einfacher, sie abzuhören. Diese neuen Schränke sind mit moderner Technik ausgestattet. Der Kasten hier wurde einfach vergessen. Erst viel später kam man auf die Idee, ihn für den illegalen Anschluss an die Telefonleitungen zu verwenden. Die Abzweigung der Telefonleitung war nicht vollständig abgeschaltet worden. Das hätte zusätzliche Installationsarbeiten erforderlich gemacht… Im Gebäude befanden sich viele Geschäftsräume, die nachts geschlossen waren. Diese Telefone wurden für den illegalen Anschluss an das Internet genutzt. Kurz, sie wurden von Hackern verwendet, die genau in dem Raum saßen, in den ich jetzt zu gelangen versuche. Damals hießen die Internetarbeiter aber anders.

Die Zeit verging, die Leute kamen auf die Beine und zu Geld und vernachlässigten ihr altes Hobby. Es war auch nicht ungefährlich und den staatlichen Behörden unterdessen nicht mehr gleichgültig. Die Jungs hinter der Wand befassten sich jetzt mit der nützlichen und einträglicheren Geldwäsche. Natürlich wurde das Geld nicht direkt hergeschafft oder hier aufbewahrt. Hier entstanden lediglich die „Waschmaschinen“, massenweise und mit großem Enthusiasmus. Der Zoll von Tarkow war in der Lage, große Mengen des Schwarzgelds zu schlucken.

Der Kasten mit den Leitungen ist alles, was davon übriggeblieben ist. Selbst die ältesten Mieter des Büros ahnten nicht, dass der Keller nur durch diese Blechwand des alten Schaltschranks vom Büro getrennt war. Aber ich wusste es. Ich hatte diese Leitungen früher selbst verlegt bzw. den Experten dabei geholfen. Ich habe schon viel nebenbei und schwarz gearbeitet, sogar als Packer und Entlader! Ich reparierte alle möglichen Geräte, heute kann ich mir das kaum noch vorstellen. Das hätte mir auch eher einfallen können.

Die Wand des Schranks führte direkt in den Wirtschaftsraum. Als ich den Wirtschaftsraum betrat, klopfte ich lange den Staub und Müll von der Kleidung, der sich in dem alten Schaltschrank angesammelt hatte. Künftig muss ich mir für die Reinigung etwas einfallen lassen.

Im Büro war es dunkel, auch hier gab es keinen Strom. Eigentlich seltsam… Die Stromversorgung ist offenbar selektiv abgeschaltet. Kein Problem, es fällt genug Licht durch die Fenster, um sich zurechtzufinden.

Ich ignorierte die Räume der Geschäftsführung, die im Allgemeinen nicht interessant sind. Die Fluktuation war hoch und keiner schaffte es, seinen Arbeitsplatz häuslich einzurichten. Es war sinnvoller, die Räume der Abteilungsleiter zu durchsuchen, in denen ich mich früher aufgehalten hatte.

Ich stehe auf der Schwelle des Arbeitszimmers von Witja. Ich habe den Eindruck, dass hier gleichzeitig die Sondereinheiten der Polizei und des SEK und anschließend auch noch die Steuerpolizei zu Besuch waren. Während die Sonderheiten höchstwahrscheinlich auf der Jagd nach Dokumenten waren, hatte die Steuerpolizei, weil keine Dokumente zu finden waren, gleich alles mitgenommen, was nicht niet— und nagelfest war. Aufgerissene Schränke, umgestülpte Schubladen auf dem Boden und eine offene Safetür wiesen darauf hin, dass das Büro nicht nur schnell, sondern mit unvorstellbarer Geschwindigkeit verlassen wurde. Hm, hm… offen gesagt, das hatte ich nicht erwartet.

Ich durchwühle das Arbeitszimmer nur oberflächlich, außer Zigarettenschachteln und verstreutem Papier finde ich lediglich eine versiegelte Wodkaflasche. Das ist alles. Ok, hier hat schließlich nicht nur Witja gearbeitet. Es gibt bestimmt noch mehr Arbeitszimmer. Es gab sie, aber sie ähnelten dem bereits durchsuchten Zimmer, obwohl hier weniger Chaos herrschte.

Ich fand offene Konfektschachteln, geöffnete Kognakflaschen und ein paar Bierbüchsen. Kurz… Ramsch und Kram. An der Garderobe entdeckte ich eine Tasche mit einem Notebook. Auf den ersten Blick, ein altes Gerät, aber funktionstüchtig. Der Akkustand war miserabel. Mist! War denn alles umsonst gewesen.

Witja liebte Annehmlichkeiten und ich hatte erwartet, auf seine Vorräte zu stoßen. Das war ein Reinfall. Egal, ich wandte mich den Zimmern der Geschäftsführung zu.

Der Versuch war nicht der Rede wert. Zurück im Chefzimmer mache ich es mir auf dem eindrucksvollen Sessel bequem. Wenigstens der ist unbeschadet davongekommen. Mit Kognak und Konfekt heiterte sich meine düstere Stimmung auf.

Über welche Aktiva verfüge ich? Mit diesen Vorräten kann ich zwei, drei Tage überleben. Das ist ein Plus. Ich habe ein Dach über dem Kopf und kein schlechtes. Ich bezweifle, dass hier in den nächsten Tagen eingebrochen wird. Am besten ich sammle Müll auf und werfe ihn vor die Eingangstür. Die benutze ich ohnehin nicht. Der Eingang durch den Schrank ist sicherer.

Moment! Ich bin mit einem Satz hellwach! Der Erholungsraum! Witja hatte einen Erholungsraum! Früher stand hier der Server. Als es mit der Hackerei vorbei war, schleppte er ein extrabreites Schlafzimmerbett an, sein Sexodrom. Wie hat das Bett damals überhaupt durch die Tür gepasst? Wahrscheinlich in Teilen. Die Tür… hier irgendwo muss die Tür sein. Die Tür war schnell gefunden, aber es dauerte eine Weile, bis ich herausbekommen hatte, wie sie sich öffnet. Ich hatte nicht vor, sie einzutreten, vielleicht brauche ich sie später. Endlich bewegte sich das Regal von der Stelle und drehte sich geräuschlos in den Angeln. Aha, das Bett befand sich an Ort und Stelle. Ein riesiges Luxusbett (her mit dem Mädchen auf dem Foto)! Es lagen sogar ein Stapel frische Bettwäsche und eine Schachtel Kondome bereit! Echte Waren des Grundbedarfs! Wo sind nur die Frauen hin… Makar hat bestimmt welche. Ich habe den BH auf der Leine gesehen und die Toilettenartikel… Makars Kumpanen werden sicher keine Verwendung dafür haben. Und ich auch nicht.

Ein luxuriöser Breitbildfernseher, der die halbe Wand einnahm, Dusche (ohne Wasser) in der Kammer. Weiter nichts, abgesehen von Rasiercreme, Rasierer und einem Paket Rasierklingen, mit denen ich mich endlich rasieren kann und den Bart loswerde. Das Waschen wird ohne Wasser schwierig. Auch die Toilette kann ich deshalb nicht benutzen, andernfalls ersticke ich hier schnell.

In Summe habe ich jetzt ein gut getarntes Versteck, ein prächtiges Bett und vorrätige Bettwäsche, einen kleinen Vorrat Rasierklingen, Rasiercreme usw. Ach ja! Außerdem die Kondome! Französische Kondome sind eine teure Ware! Wo finde ich dafür Abnehmer…

Moment! Abnehmer! Durch meinen Kopf flimmerten Assoziationen. Nein keine Reise nach Frankreich, um die Ware zu verkaufen (obwohl ich diese Variante sympathischer finde), sondern ein Absatzkanal, der viel realistischer war.

Durch meine Ausflüge mit der Ausschlächterbrigade kenne ich die geplünderten Geschäfte. Ich hatte gleich meine Zweifel! Die Evakuierung und die Flucht aus der Stadt, es war zu schnell gegangen.

Wir saßen fast zwei Wochen von der Welt abgeschnitten im Büro, um unseren dringenden Auftrag zu erfüllen. In dieser Zeit soll die gesamte Stadt einfach durchgebrannt sein? In einer Reihe von Wohnungen, die wir ausschlachteten fanden sich keine Spuren eines eiligen Aufbruchs. Das kann nur bedeuten, dass die Leute wegeschafft wurden, möglicherweise mehr oder weniger organisiert. Aber wo ist die Polizei geblieben? Gute Frage!

Die Geschäfte wurden geplündert. Das ist offenbar geschehen, als die Polizei nicht mehr eingreifen konnte, also nicht während der Evakuierung. Zu diesem Zeitpunkt wären sie besonders wachsam gewesen, um die Ordnung zu gewährleisten.

Es dauert mindestens zwei Tage, um eine Stadt wie Tarkow zu evakuieren, vielleicht sogar länger. Wir saßen fast zwei Wochen im Hotel! Ich schlief mich zu Hause aus. Dann sah ich mit gemütlich die Nachrichten im Fernsehen, anstatt wie alle anderen davonzulaufen! Ich hörte mir die Märchen der aufgezeichneten Fernsehsendungen an. Dann der Fluchtversuch mit Galperin und die schlaflose Nacht auf der Treppe, neben der verminten Wohnung…

Ich erinnere mich an das erste geplünderte Geschäft, das hatten sie zu diesem Zeitpunkt schon erledigt. Offenbar erschossen unbekannte MPi-Schützen einen zu spät gekommenen Marodeur. Aber das war im zweiten Geschäft! Ich war zuvor an einem anderen Geschäft vorbeigekommen. Es hatte mich mit versperrten Eingängen und zugezogenen Gardinen vor dem Fenster empfangen. Seltsam, das ist unglaublich. Alle Geschäfte wurden umgekrempelt und geplündert, aber dieses nicht. Jedenfalls wirkte es damals völlig unberührt und übrigens auch nicht so, als ob es verlassen worden sei. Wer hat sich dort eingenistet? Jetzt erinnere ich mich auch an den Schriftzug über der Tür. Genau! Da stand „Einzelhändler A. A. Ogrysko“ oder A. W.? Sieh mal an! Sein Geschäft wurde nicht dem Erdboden gleichgemacht. Das bedeutet, dass der Händler es geschafft hat, das Chaos zu überleben. Möglicherweise öffnet er die verschlossenen Türen seines Ladens, um Luft zu schnappen.

Ich beabsichtige jedenfalls, mit ihm zu gegenseitig vorteilhaften Bedingungen ins Geschäft zu kommen. Wenn es ein Laden ist, dann werde ich wenigstens Nahrungsmittel ergattern, im Tausch gegen die Kondome.

Der Räuber

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