Читать книгу Der Räuber - Александр Конторович, Сергей Норка - Страница 4

Kapitel 3

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Das Gebäude hatte sich grundlegend verändert. Vor den Fenstern liegen Sandsäcke und die Tür ist von einem Betonblock versperrt. Wer sich auf diese Weise verbarrikadiert, erledigt an diesem Ort wichtige Angelegenheiten. Hm, auch das Schild hängt noch über dem Eingang! Es ist niemand zu Hause. Nur der Wind weht den Müll über die Straße.

Lauschen. Ich verlasse mich in letzter Zeit hauptsächlich auf mein Gehör. Es ist schwierig, einen dieser Protagonisten zu sehen, wenn er nicht entdeckt werden möchte, aber man kann ihn hören…. Wie heißt es in den Büchern der Brüder Strugazki: „Kein Hinterhalt ohne Lärm“. Hier kratzt und räuspert sich niemand wie im Buch, aber es sind genug andere Laute zu hören. Das ist kein Kettenklirren, sondern hier vertritt sich jemand die Beine.

Jetzt läuft der ungeduldige Kollege ganz in der Nähe herum, schätzungsweise in zwanzig Metern Entfernung. Ich liege auf dem Balkon des dritten Stockwerks, auf den ich über das Dach geklettert bin. Glücklicherweise ist das Haus alt und der Balkon hat kein Wetterdach. Dafür gibt es eine Feuerleiter, die direkt zum Boden führt. Vom Boden ist es ein Kinderspiel, auf den Balkon zu gelangen. Stapf du ruhig da unten herum, ich breche unterdessen vorsichtig mit dem Handbeil die Balkontür auf. Ich möchte das Fenster nicht einschlagen, denn das ist ein Ort, der mir noch nützlich sein kann. Hier oben ist die Aussicht gut.

Ich bin immer noch ein miserabler Einbrecher, aber das ist auch nicht gerade Fort Knox. Die Tür quietscht beim Öffnen in den Angeln und der Typ unten am Haus reagiert sofort. Er läuft zur Seite und gerät für einen Augenblick in mein Sichtfeld.

Das ist keiner der Schergen von Makar. Er ist schlecht gekleidet, ärmlich und auf den ersten Blick unbewaffnet. Das hat im Prinzip keine Bedeutung. Möglicherweise hat er die Pistole in der Jackentasche versteckt. Was treibt der da unten? Zweifellos hat er nicht vor, jemanden zu fangen oder umzulegen, aber er wird sich auch kaum ein Schild mit der entsprechenden Ankündigung um den Hals hängen.

Schnell die Wohnung nach nützlichen Gegenständen durchsuchen: Marmelade, trockenes Brot, Streichhölzer, drei Zigarettenschachteln. Ab damit in den Rucksack! Ich bin kein Raucher, aber vielleicht kann ich sie eintauschen. Aber wo tausche ich sie ein? Unten im Geschäft natürlich! Alles andere lasse ich liegen. Die Lebensmittel kann ich selbst gebrauchen. Außerdem kenne ich den Bedarf des örtlichen Händlers nicht.

Unten quietscht es. Ich schaue über das Fensterbrett nach draußen. Alles beim Alten, keine Veränderungen. Der Typ unten hat nicht durchgehalten. Die Schuhe scharren im Sand. Er geht weg. Warten.

Ein Geräusch! Die sich öffnende Tür des Ladens knarrt. Eine weitere Gestalt betritt den Platz. Ein Blick genügt und ich kenne den Grund, aus dem der Beobachter verschwunden ist. Da steht ein starker, großer Kerl im militärischen Tarnanzug (offensichtlich Importware), mit kugelsicherer Weste und anderen Gerätschaften, die ich nicht kenne. Er hat eine futuristische Knarre, auf die zahlreiche Details aufgeschraubt sind. Tja, da kann ich mit meinem Handbeil kaum brillieren. Da muss ein Maschinengewehr her, damit sich dieser Bulle wenigstens mal nach mir umdreht. Ein harter und arroganter Typ.

Wieder quietscht die Tür und es taucht noch so ein schwerbewaffneter Protagonist auf. Ist hier ein Nest? Ich entferne mich kriechend vom Fenster, falls es denen einfällt, auf mich zu schießen. Nein, unten knarren die Schuhe. Sie gehen. Wieder der alte Trick mit dem Schloss und der Tür. Ich steige langsam nach unten.

Hoppla! Keinen Schritt weiter! Quer über die Treppe ist eine dünne Schnur gespannt. Sofort tauchen unangenehme Erinnerungen auf wie Sprengfalle, Mine und andere Scheußlichkeiten. Ich setze mich vorsichtig hin und sehe mir die Treppe genauer an. Eine Sprengfalle zündet, wenn am Draht gezogen wird, oder? Wenn ich die Schnur nicht berühre und nicht daran ziehe, geht sie nicht hoch. Hier kann nichts hochgehen! An der Schnur ist eine gewöhnliche Konservendose befestigt, in der sich einfache Löffel und Gabeln befinden. Wird daran gezogen, scheppert es. Das ist eine gewöhnliche Klapperrassel. Das bedeutet, dass derjenige, der die scheppernde Rassel angebracht hat, den Lärm hört und sich in unmittelbarer Nähe befindet. Vielleicht wohnt er sogar in diesem Hauseingang. Auch aus einem anderen Grund ist Vorsicht geboten.

Sofern solche bewaffneten Killer dieses Geschäft besuchen, wäre es mehr als dumm dort meine „Waffe“ zu präsentieren. Wen will ich damit beeindrucken? Es wirkt höchstens lächerlich! Ich möchte mich auf keinen Fall lächerlich machen. Ich verstecke das Handbeil deshalb in einem Müllhaufen, als ich durch den Torbogen des Hauses laufe. Es ist keine wirkungsvolle Waffe, aber Türen und Fenster lassen sich bequem damit öffnen. Als Werkzeug hat es für mich deshalb einen gewissen Wert.

Ich laufe um die Häuserblöcke herum und bleibe vor der Tür stehen. Sie war auch früher schon kein Schmuckstück, aber jetzt erinnert sie an die schwere und robuste Tür eines Safes. Ich sehe keine Klingel, aber es gibt ja auch nirgendwo Strom. Ich klopfe mit dumpfen Schlägen an die Tür. Quietschend öffnet sich ein vergittertes Fensterchen. Von diesem Geräusch also wurde mein Beobachter erschreckt!

„Was willst du!“

„Ich möchte handeln.“

„Ach?!“, sagt mein unsichtbarer Gesprächspartner verwundert: „Führe deinen Handel, wie es dir beliebt – wir stören dich bestimmt nicht dabei.“

Und wieder quietscht das Fensterchen.

„He! Vielleicht möchte ich ja bei euch einkaufen!“

„Ach, ja?“ Wieder öffnete sich die Fensterluke und ich wurde aufmerksam gemustert. „Halte Abstand zur Tür!“

Mein Gegenüber war mit der Sichtprüfung zufrieden. Der Türriegel klirrt.

„Komm rein.“

Die Ladenräume haben sich grundlegend verändert. Links und rechts stehen Gitter, die beinahe bis zur Decke reichen. Hinter einem dieser Gitter hat es sich ein Mann mit Maschinenpistole bequem gemacht. Vor mir steht noch einer, der aber offenbar unbewaffnet ist.

„Griffel hoch!“ Ich werde professionell durchsucht. „Keine Waffe?“

„Wozu?“

Der Kerl lacht und tritt zur Seite und gibt den Weg frei.

Von der Theke steht nur noch ein kleines Stück und auch dieser Teil ist mit einem Gitter aus dicken Eisenstangen versperrt. Alles andere ist mit frischem Ziegelstein verkleidet. Die Mauern wurden eben erst errichtet, ich rieche den frischen Putz.

Hinter der Theke ein Gesicht, an das ich mich dunkel erinnere. Den habe ich schon einmal gesehen. Er trägt eine Wollmütze und über dem dicken Pullover hat er ein Schal um den Hals geschlungen.

„Na?“, fragt er skeptisch: „Was hast du mitgebracht?“

Er sah sich die Zigarettenschachteln an und schob sie beiseite. Ich hatte sechs volle Schachteln und eine Schachtel war zur Hälfte gefüllt. Die Kondome riefen unverfälschte Heiterkeit hervor.

„Tolle Defizitware! Vor allem heutzutage! Wo soll ich damit hin?“

Die Schachtel rutscht zurück auf meine Seite der Theke.

„Kein Bedarf. Die kannst du behalten. Vielleicht brauchst du sie noch. Was noch?“

„Was wird denn gebraucht?

Der Verkäufer grinst.

„Alles. Was hast du konkret anzubieten?“

„Klamotten, alle möglichen.“

Der Bedarf an dieser Ware wird mit einem skeptischen Grinsen quittiert.

„Elektronik.“

Dieselbe Reaktion.

„Machen wir es kurz.“, er nickt in Richtung der Zigaretten: „Das nehme ich. Ich kann dir Lebensmittel und Patronen anbieten… aber nicht viel.“

„Ich brauche Fleischkonserven.“

„Zwei Büchsen! Und ein Päckchen Zwieback obendrauf.“

Unter diesen Umständen lege ich es nicht darauf an, mich zu streiten und stimme zu.

„Diese Ware kannst du ruhig vorbeibringen. Wasser, Bier, Mineralwasser nehme ich auch. Alkohol ist immer gefragt. Alles andere kommt für dich sowieso nicht in Frage. Du durchstöberst die Wohnungen, oder?“

„Ja, auch das.“

„Dann einigen wir uns darauf. Komm nicht mit Kleinigkeiten. Wenn du ein Dutzend zusammen hast, kannst du vorbeikommen. Zwei, drei Schachteln interessieren mich nicht.“

Die Tür fällt hinter mir ins Schloss. Der Handel ist beendet nicht zu meinem Nachteil. Zigaretten benötige ich nicht, weil ich nicht rauche. In den leeren Wohnungen stoße ich häufig auf Zigarettenschachteln.

Außerdem… liegen überall leere Kunststoffflaschen herum, für die sich niemand interessiert. Selber schuld! Ich sammle recht schnell ein paar Dutzend Gefäße aller Art. Jetzt sitze ich neben dem Rohr und fülle die Behältnisse mit Wasser. Ich habe eine Gasflasche mit Brenner. Damit versuche ich vorsichtig, die Ringe am Flaschenhals mit den eigenen, farblich passenden Deckeln zu verlöten (zu sintern?). Ich bin bereits geübt und es gelingt mir ganz gut. Das ist natürlich kein Mineralwasser und hoffentlich kein Abwasser. Der Geschmack erinnert an Trinkwasser. Auch das wird nachgefragt.

Um ehrlich zu sein, ich konnte es mir nicht verkneifen, zu Hause vorbeizuschauen. Natürlich nachts und nicht direkt in meiner Wohnung… ich sah sie mir vom Hof an. Das Fensterglas hat nicht gelitten und das bedeutet, dass das scheußliche Zeug, dass die unbekannten Bösewichter installiert haben, noch an Ort und Stelle ist. Es wartet, bis seine Zeit gekommen ist. Wenn das Teil losgeht, bleibt nicht ein Fenster der Wohnung oder der Treppe ganz.

Neben dem ausgebrannten Auto fand ich meine Jacke mit dem Klappmesser und der Feldflasche. Die Feldflasche hänge ich mir an den Gürtel, das Messer stecke ich in die Hosentasche, aber die Jacke ist leider unbrauchbar geworden. Sie hat Brandflecken und überhaupt… dann landet sie in den Sträuchern vorm Haus.

Ein Topf ist bereits voll. Ich gieße ihn in die Flasche um. Damit habe ich bereits ein Dutzend Flaschen und kann beim Händler vorbeischauen. Um mich nicht zu blamieren, wähle ich die sympathischsten Flaschen aus. Wer A sagt, muss auch B sagen! Zehn Flaschen ergeben ca. 15 Liter. Das ist fast die Menge, die der Händler verlangt hat. Seit der letzten Wohnungsplünderung besitze ich einen Rucksack, in dem das Wasser Platz findet.

Wieder stehe ich vor der bekannten Tür. Ich werde mit dem gleichen Verfahren kontrolliert, Taschen abklopfen und schon stelle ich die Wasserflaschen auf den Tisch.

„Tja“, murmelt der Händler und besieht sich meiner Hände Arbeit. „Auftrag erfüllt! Sehr gut!“

Das Wasser verschwindet unter der Ladentheke.

„Was willst du?“

„Ich habe Hunger! Konserven, Fleisch, Suppen… eigentlich alles, was essbar ist.“

Wir handeln wieder. Nach wenigen Minuten verlasse ich das Geschäft, die Lebensmittel im Rucksack sind angenehm schwer. Tja, die Lebensmittel reichen fürs erste zum Überleben! Angesichts meiner vielen Besuche in leeren Wohnungen, muss ich mir darüber keine Sorgen zu machen.

Peng! Mir wird schwarz vor den Augen.

„Stehengeblieben, du Mistkerl!“

Nach diesen Schlägen in den Magen, ist kaum an Weglaufen zu denken. Oho, einen der Trottel dieser Troika kenne ich bereits. Das ist der Beobachter, der vor den bewaffneten Schlägertypen Reißaus nahm.

„Willst du frech werden?!“

„Worum geht's?“

„Denkst du, dass du einfach so an uns vorbeikommst?“

Ich verstehe immer noch nicht. Sie zerren mich auf die Beine, pressen mich an die Wand, erklären mir anschaulich das Kräfteverhältnis. Dabei versetzen sie mir zur Veranschaulichung „freundschaftlich“ immer wieder ein paar Schläge. Diese drei sind also die „Beschützer“ des Händlers. Alle, die ihr über den Weg laufen, sind verpflichtet Wegzoll zu berappen, zehn Prozent für jeden Handel. Betrifft das auch die bewaffneten Schläger im importierten Tarnanzug?

„Kapiert?“

„Ja.“

„Vergiss nicht, du Tölpel. Es ist besser, wenn du uns als Freunde hast! Gnade dir Gott, falls du Unsinn anstellst! Adresse?“

„Welche?“

„Vom Bankschließfach, du Idiot! Wo pennst du?“

Der Dicke schreit mir direkt ins Gesicht. Ehrlich währt am längsten, deshalb nenne ich ihnen Straße, Hausnummer und Wohnung. Vom Büro kein Wort, danach haben sie ja auch nicht gefragt.

„Das kontrollieren wir!“

„Von mir aus, ihr könnt ja gleich mitkommen!“

Aha, natürlich werden sie mich nicht begleiten, sondern stattdessen auf den nächsten Idioten warten, der hier vorbeikommt.

Diese Lumpen lügen doch! Von wegen Schutztruppe, gewöhnliches Gesindel ist das. Leider sind sie zu dritt und mir physisch eindeutig überlegen. Jeder Widerspruch würde mit weiteren blauen Flecken im Gesicht bestraft. Wahrscheinlich vor allem in meinem Gesicht!

„Du betrittst das Haus über diesen Hauseingang! Wohnung Nr. 7. Da steht im Korridor ein Kasten. Wenn wir nicht da sind, heißt das nicht, dass wir verschwunden sind. Dir sollte klar sein, dass wir hier alles bewachen. Leg es einfach in die Kiste! Wir sehen nach!“

Es ist der Eingang, in dem die Klapperrassel auf der Treppe hängt. Der selbst ernannte Wachaufzug dieser Luschen. Sie haben Angst, sich eine Kugel einzufangen, wenn sie vor dem Laden herumlaufen. Dafür würde die Wache des Händlers sorgen. Aber auf dem Weg zurück können mich diese Draufgänger in Empfang nehmen. Mit einer leichten Prügelei werde ich die nicht los, denen ist alles egal. Mit solchen Leuten hatte ich bereits zu tun.

Mein Rucksack ist jetzt sehr viel leichter. Sie verabschieden sich von mir mit einem Nackenschlag und biegen um die Ecke.

Somit findet sich auch hier ein Makar. Die übliche Schutzgelderpressung, aber bald etablieren sie sich und erhalten Verstärkung durch andere Halunken. Soll ich jetzt auf dem Weg ständig vor diesen Mistkerlen davonlaufen?

Ich brauche eine Schusswaffe! Aber ich habe keine Waffe, außer meinem Klappmesser und das hilft mir nicht weiter. Selbst mit dem Handbeil besiege ich sie nicht, weil sie einfach zu viele sind. Außerdem… kann ich mich nicht daran erinnern, wann ich zuletzt jemanden umgelegt haben sollte? Lange her, oder? Habe ich überhaupt schon einmal, jemanden um die Ecke gebracht? Wann fange ich endlich damit an? Sicher nicht jetzt und sofort.

Möglicherweise habe ich beim Ausnehmen der Wohnungen eine Chance, Waffen zu finden. Aber selbst die professionelle Brigade von Makar stieß selten auf Waffen. Die Wohnungen bei uns sind keine Waffenlager. Meine Lage scheint aussichtslos. Ich weiß nicht recht weiter, trinke die halbe Kognakflasche aus und mache es mir auf dem Sexodrom von Witja bequem.

Mitten in der Nacht trifft es mich wie ein Schlag. Ich setze mich im Bett auf. Was ist los? Was hat mich veranlasst aufzuspringen? Ich laufe im Zimmer hin und her und stoße mich an den Ecken des riesigen Betts. Ich hab's. Es ist mir wieder eingefallen. Der Verkäufer, den die „Bären“ im zweiten Geschäft umlegten, hatte zuerst auf sie geschossen! Der Schuss klang nicht wie der einer Maschinenpistole. Und dann? Ja, dann eröffneten die zwei düsteren Typen das Feuer. Warum eigentlich düster? Die Schützen warfen mir sogar ein paar Konserven zu, bevor sie fortgingen. Keiner von den beiden hatte ein Gewehr. Sie waren mit Maschinenpistolen bewaffnet. Die brauchten kein Gewehr. Das bedeutet? Das Gewehr muss noch dort liegen!

Tja… es liegt hier sicher, aber wo genau? Ich durchsuchte die Räume des Geschäfts, mir fiel jedoch nicht ein, wo das Gewehr herumliegen könnte. Also begann ich von vorn, das Geschäft systematisch zu durchkämmen.

Ein Schuss und fast zeitgleich die Salve aus der Maschinenpistole. Kein Schrei, keine Schritte oder anderer Lärm. Das heißt, der Verkäufer war auf der Stelle tot und stolperte direkt hier. Da liegt der Klient, die Hände seitwärts ausgestreckt und verbreitet bereits Leichengeruch.

Die meisten schießen mit rechts und auch dieser Typ ist in dieser Hinsicht keine Ausnahme. Als ihn die zehn Kugeln in die Brust trafen, brach er auf der Stelle zusammen. Die Waffe muss hier irgendwo sein.

Ich hocke am Boden und sehe mich um und entdecke das glänzende Metall des Gewehrkolbens. Die Waffe ist unter das umgestürzte Regal gerutscht, deshalb hat sie auch niemand bemerkt! Es gab aber noch einen Grund dafür. Der einstige Besitzer hatte den Kolben abgesägt, fast… ich glaube, das heißt Pistolenschaft. Der Lauf war ohnehin schon recht kurz. Die Waffe kann man getrost unter einer Jacke, einem Mantel oder sogar einem Jackett tragen, ohne dass es jemand bemerkt. Es ist eine Schrotflinte mit abgesägtem Lauf. Gewöhnlich ist auch der Gewehrkolben kürzer. Ich habe sie im Museum gesehen. Damit konnte man damals höchstens aus nächster Nähe schießen. Mit abgesägtem Lauf trifft sie auf fünfzig Meter, vorausgesetzt, man trifft.

Keine Ahnung, zu welcher Kategorie von Jagdwaffen sie gehört, ich bin kein Fachmann für Waffen. In einem Hausflur kann ich jedenfalls damit herumknallen, ohne groß zu zielen. Geladen wird sie, indem ich das Holzteil unter dem Lauf zu mir heranziehe. In den Filmen hieß das Pumpe, deshalb auch die Bezeichnung Pumpgun, vermutlich, ähnlich wie eine Fahrradluftpumpe.

Ich nehme den Toten unter die Lupe. Seine Taschen sind bereits umgestülpt, vielleicht waren das sogar die MPi-Schützen. Da ist nichts übriggeblieben. Außerdem habe ich keine Lust, den Toten umzudrehen. Der Leichengeruch steigt mir in die Nase und ich habe nicht die Absicht, mich zu vergiften.

Wieder zurück im Büro bemerkte ich, dass die Waffe etwas Rost angesetzt hatte. Kein Problem, in der improvisierten Büroküche gibt es Sonnenblumenöl, das genügt erst einmal. In einer der nächsten Wohnungen werde ich sicher normales Feinmechaniköl finden. Mit Mühe gelingt es mir, die Waffe zu zerlegen. Wie erwartet, hatte der Schütze keine Zeit mehr, die Waffe nachzuladen. Ich zog die nach Pulver riechende Hülse heraus. Laut Markierung an der Hülse hat die Waffe Kaliber zwölf. Meine Güter, die reißt ja riesige Löcher von fast zwei Zentimetern Durchmesser. Wie sehen denn dann die Einschüsse einer zwanzig Kaliber Waffe aus? Vielleicht wird das auch anderes berechnet. Wenn ich mich recht erinnere, wird diese Waffengattung auch als Lupara bzw. Wolfstöter bezeichnet. Sicher gibt es da einen Zusammenhang. Ich habe nur drei Patronen. Die zwei Hülsen sind mit einer Flugente verziert, auf den Karton der dritten Hülse, der den Patronenhals verschließt, sind Ziffern aufgedruckt – vier Nullen. Und? Was jetzt? Was wird wo hineingesteckt?

Ich wische die Waffe ab und baue sie wieder zusammen. Das war übrigens einfacher als erwartet. schließlich handelt es sich nicht um die Einrichtung eines Druckers nach planmäßigen Wartungsarbeiten! Mit welchen Geräten ich mich in meinem Leben schon herumgeschlagen habe, Druckerreparaturen waren noch am einfachsten. Ich ziehe am Abzug, bewege das Holzteil unter dem Lauf und drehe die Waffe hin und her.

Das schnelle Abziehen funktioniert noch nicht, wie ich es mir vorgestellt habe oder wie es im Film zu sehen ist… schnell umdrehen, anlegen und abziehen und alle weiteren hinreichend bekannten Kunststücke! Na ja, das ist eben Kino! Da sind alle eingefleischte Scharfschützen. Ich bezweifle aber, dass es mit meinen Schießkünsten weit her ist. Mit viel Glück treffe ich möglicherweise auf zehn Meter die Eingangstür.

Die passenden Patronen werde ich mir beim Händler besorgen müssen. Er rüstet seinen Wachdienst aus, deshalb hat er auch einen Vorrat oder weiß, wo ich welche bekomme. Das heißt, wieder leere Flaschen sammeln, ab in den Keller und unter die Wasserleitung. Ich muss mir etwas anderes einfallen lassen. Diese Einkommensquelle sorgt zwar dafür, dass ich nicht Hungers sterbe, aber auch sie wird einmal versiegen. Der Händler hat bald genug Wasser. Irgendwann werden auch die Kunststoffflaschen alle sein. Und was dann? Noch habe ich darauf keine Antwort.

Der Wachmann zeigt keinerlei Regung, als er den Wolfstöter unter der Kleidung entdeckt.

„Ein bisschen zugelegt, was?“

„Sieht so aus…“, stimme ich zu.

Warum sollte ich es abstreiten? Mit diesen Jungs halte ich lieber Freundschaft.

„Dahin…“, nickt die Wache. „Siehst du die Kiste? Da legst du sie rein.“

Der MPi-Schütze hinter dem Gitter beobachtet mich aufmerksam. Wer weiß!

Der Verkäufer (er heißt Artemi, wie sich herausstellt) wirft alle Flaschen lässig in den Kasten.

„Was willst du?“

„Patronen. Kaliber zwölf.“

Er spitzt die Lippen und betrachtet skeptisch meine Flaschen.

„Ein paar Schachteln kannst du haben. Zwei Schachteln Schrapnelle oder Schrotkugeln. Davon kannst du drei Schachteln haben.“

„Fifty-fifty.“

„Was?“

„Na, jeweils die Hälfte. Wie viele Patronen sind in einer Schachtel.“

Der Händler grinst.

„Mathematiker? Da passen jeweils zehn Stück rein. Eine Schachtel Schrapnelle…“ Er zögert einen Moment, „und ein Dutzend Schrotkugeln.“

„Fünfzehn!“

Wir einigen uns auf vierzehn.

Nebenbei erfahre ich, dass Schrotkugeln einen Durchmesser von ca. vier bis fünf Millimetern haben. Angesichts des kleinen Kalibers der Waffe reicht das auf kurze Distanz auf jeden Fall. Auf der gegenüberliegenden Straße würde ich auch nichts treffen oder höchstens einen Elefanten.

Beim Verlassen des Geschäfts stelle ich fest, dass mein Wolfstöter nicht geladen ist. Die Patronen liegen aufgereiht neben der Waffe.

Der Wachmann erklärt mir: „Das nächste Mal machst du das selbst. Komm nie mit einer geladenen Waffe herein, andernfalls legen wir dich um.“

„Wie bitte?“

„Wir erschießen dich und das war`s.“

Sehr gastfreundliche Menschen hier.

Ich verstecke die Waffe unter der Jacke und gehe auf die Straße hinaus. Der Beobachtungsstand der Banditen muss hier ganz in der Nähe sein. Ich glaube, das ist die Bezeichnung dieser Orte. Von dort können sie alles gut überblicken und sehen, wer das Geschäft betritt und verlässt. Jetzt ist auch klar, warum sich die Zufahrten und Wege zum Geschäft verändert haben. Die Gäste sollen auf bestimmten Pfaden zum Geschäft gelangen. Der Baum dort drüben ist plötzlich umgefallen und der Müllhaufen hier ist neu. Die Behälter sind seltsam aufgestellt und an Stellen, wo sie überhaupt nicht hingehören. Diesen stinkenden Platz wird niemand betreten. Es kann auch niemand unter dem Baum zum Geschäft kriechen. Die Gäste werden da entlanggehen, wo es sauber und angenehm ist.

Das ist ein wichtiger Moment! Es sind zu wenig Banditen, sie können nicht alle Zugänge verbarrikadieren! Das macht es einfacher. Wo hatte sich unser letztes Treffen abgespielt? Dort vor diesem Haus. Das bedeutet? Sie haben mich gesehen, sich versammelt und direkt losgeschlagen. Einer roch nach Müll, wahrscheinlich ist er über den Müllhaufen gekommen. Wo sitzen sie jetzt?

Von ihrem Beobachtungsstand müssten sie die Wohnung sehen, die ich laut ihrem Befehl aufsuchen soll. Damit sie nicht umsonst nachsehen müssen. Sobald jemand das Haus betritt, ist alles in Ordnung. Der Klient hat seinen Zehnten abgedrückt. Diesen Klienten können sie gehen lassen. Er hat seinen Teil bezahlt und sie können abends das Schutzgeld einsammeln. Ignoriert der Klient das Haus, schaffen sie es, ihn abzufangen.

Wahrscheinlich ist es das Haus da drüben. Es ist am besten dafür geeignet. Die Zäune stören. Ein Loch in den Zaun zu schießen wäre nicht klug. Jeder könnte sie nutzen und die vorbereiteten Wege verlassen. Das würde dem Pack sicher nicht gefallen.

Ich halte mich kurz in dem Winkel auf, den die Hauswand und der hervorstehende Müllcontainer bilden, und stecke die vier Patronen in das Magazin der Waffe, drehe den Verschluss (das kann ich jetzt!) und lade die Waffe nach.

Ich habe fünf Schüsse. Das sind theoretisch fünf Tote. Falls ich schieße, aber was bleibt mit anderes übrig! Das kann nicht gut gehen. Wenn sie meine Waffe entdecken, ist finito! Sie haben keine Waffen oder höchstens eine Pistole. Sie werden mir mit ihren Messern die Kehle durchschneiden, wenn sie Angst vor meiner Waffe bekommen. Ich habe gelesen, dass das vorkommt. Würden sie Waffen besitzen, hätten sie sie mir zur Veranschaulichung und als überzeugendes Argument direkt vor die Nase gehalten, zur Abschreckung.

Ich ziehe den Riemen der Waffe ein Stück heraus und lege die Schlaufe über den runden Verschluss des Magazins. Das Schulterstück (jetzt weiß ich es wieder, die Bezeichnung ist Gewehrriemen) ist fast neu und hat Kunststoffschnallen, mit denen sich die Länge schnell einstellen lässt. Wenn ich die Schlaufe vom Zapfen herunternehme, springt der Wolfstöter aus der Jacke und hängt am langen Riemen. Das Gewehr kann bequemer angelegt werden. Das habe ich nicht erfunden, sondern in einem Film gesehen. So haben sie sich freilich eine Maschinenpistole umgehängt, das macht aber keinen Unterschied. Lange kann ich damit nicht herumlaufen, weil es unbequem ist. Es wird nicht lange dauern.

Das ist ja schon der Hauseingang, in den ich das Honorar des selbst ernannten Schutztrupps bringen soll. Ein klug ausgewählter Ort und für mein Vorhaben gut geeignet.

Ich trete ein, knöpfe die Jacke auf und steige sorgfältig über die Alarmschnur. Sie ist an Ort und Stelle. Es ist besser, die anderen nicht zu früh über meinen Besuch zu informieren, umso mehr als ich die Treppe hinaufsteige und nicht hinunter. Der Alarm ist vor allem für Gäste gedacht, die von oben kommen.

Die Wohnung war leer und ich wurde nicht eigens erwartet. Das Pack geht offenbar davon aus, dass nicht nur die zahlenden, sondern auch andere Gäste diese Adresse aufsuchen. Tatsächlich steht in der Küche ein Kasten, der allerdings völlig leer ist. Vielleicht wurde er auch bereits ausgeräumt oder es hat niemand etwas hineingelegt. Sicher sind nicht alle Besucher des Händlers derart hilflos, um sich von diesen Schnöseln einschüchtern zu lassen. Ich kann mir lebhaft vorstellen, wie sie über die bewaffneten Schlägertrupps herfallen. Ich würde mein letztes Geld hergeben, um mir das anzusehen. Ich schaue ins Nachbarzimmer. Aha, das ist es. Ich ziehe den Schreibtisch aus dem Zimmer und versperre damit den Zutritt zur Küche. Außerdem drehe ich auch den Küchentisch um. Wer vom Flur in die Küche gelangen will, muss um diese Barriere herumlaufen. Das ist nicht ganz einfach, der Durchgang ist eng und unbequem. Ich verlasse die Wohnung und gehe in eine völlig andere Richtung als beim letzten Mal. Auf diesem Rückweg kann mich niemand abfangen. Dass ich im Haus war, hat der Beobachter möglicherweise jedoch festgestellt. Bald wird ein Bote hier auftauchen und das Schutzgeld abholen.

Diesmal war ich auf dem mir bereits bekannten Rückweg schneller als zuletzt und das umso mehr, als die Feuerleiter möglicherweise vom Beobachtungsstand nicht zu sehen ist. Dafür liegt die andere Seite gut im Blickfeld. Deshalb muss ich schnell hochklettern. Das Dach, der bekannte Balkon, die Tür zur Treppe, keine Menschenseele. Ich kehre vorsichtig in die Küche zurück und setzte mich in die Ecke, sodass ich von der Straße aus nicht gesehen werden kann. Wer weiß! Jetzt heißt es warten. Schade, dass ich nicht rauche, die Zeit würde viel schneller vergehen. Einschlafen oder Abspannen empfiehlt sich nicht.

Wann kommt der Bote? Falls meine Berechnungen stimmen, müsste er bald hier sein. Ich war früher eine Zeit lang in der Logistik tätig. Bei der Organisation waren viele Parameter zu berücksichtigen, einschließlich der Geschwindigkeit, mit der sich ein Bote zu Fuß fortbewegt. Ich gehe deshalb davon aus, dass meine Schätzungen relativ genau sind.

Oh! Die Tür des Hauseingangs knarrt! Wer kommt uns denn da besuchen? Ich hatte zwar die Hoffnung gehegt, aber dass es gleich auf Anhieb klappt, hätte ich nicht gedacht! Im Türrahmen steht eben besagter Beobachter. Tja, mein Lieber, an dich habe ich besonders viele Fragen.

„He…“, platzt er verwirrt heraus. Unser Zusammentreffen ist offenbar eine große Überraschung.

„Setz dich!“ Ich nicke in Richtung Fußboden.

„Was? Du Mistkerl!“, poltert der Halbstarke.

Er stockt aber im selben Moment, in dem er den unfreundlichen Wolfstöterlauf unter dem Tisch entdeckt.

Er ist wirklich ein Halbstarker, lang und irgendwie ungepflegt. Ein Speichellecker, der auch als „kleiner Fisch“ durchgehen kann. Aber er bläst sich auf, was auch verständlich ist. Solche Trottel werden ihr Leben lang herumgestoßen und müssen Bier, Zigaretten und Weiber anschleppen. Jetzt war er es selbst, der andere anbrüllte. Die Freunde waren seine Versicherung, die ihn vor fremden Schlägen aufs Maul schützten. Es hat Spaß gemacht. Endlich hatte auch er mal einen Glückstreffer gelandet und jetzt dieser Reinfall und der unsanfte Absturz. Kein Wunder, dass er sich dagegen wehrt.

„Eh, du…“, tönt der Trottel weiter, obwohl seine Lage aussichtslos ist.

Das Schneidbrett, das neben mir liegt, hat er überhaupt nicht zur Kenntnis genommen. Das liegt nicht ohne Grund hier. Ein schönes, altes Schneidbrett, aus dickem Holz. Das Zubereiten auf dieser Holzplatte ist sehr bequem. In jeder Hinsicht ein nützliches Instrument. Und es fliegt so schön. Als das schwere Küchenbrett in das Gesicht dieses Rüpels fliegt, bricht der Monolog des Halbstarken jäh ab. Das Tischtennisspiel hat sich unerwartet doch noch gelohnt. Der scharfe Schlag ist genau im Ziel gelandet. Alles gut gegangen. Dem Klienten ist der Bissen im Halse steckengeblieben und er kam nicht mehr zu Wort.

„Hat dich jemand nach deiner Meinung gefragt?“

Diesen zynischen Sprachstil habe ich mir von unserem Personalchef abgeschaut. Er war sehr umgänglich und viele ließen sich um den Finger wickeln. Er war überaus höflich, sofern man ihm nicht widersprach.

Der Halbstarke schweigt und wischt sich das Blut von den eingeschlagenen Zähnen. Das ist auch gut so, denn neben mir auf dem Tisch steht ein Bügeleisen, ebenfalls alte Wertarbeit aus Gusseisen. Wenn dieses Bügeleisen in die Fresse fliegt, ist es mit dem Sprechen vorbei, ganz vorbei.

„Wenn du nicht endlich zur Sache kommst, knalle ich dich ab wie einen räudigen Hund und lass dich hier liegen. Ehe deine Kumpane hier auftauchen, bist du verblutet, du verreckst hier an Ort und Stelle. Nick mit dem Kopf, wenn du das gerafft hast!“

Die letzten Worte schreie ich aus vollem Halse, der Klient zittert! Er nickt und hat Angst. Ich selbst fürchte mich vor meinen Worten! Hauptsächlich, weil ich das alles in der Wirklichkeit erlebe und tun muss. Im Film ist ein einfach, den Abzug zu drücken, aber im wirklichen Leben? Deshalb schreie ich laut, um meine Furcht zu vertreiben.

„Wo sind deine Kumpane?“

„Gleich nebenan. Haus 10, in der Karpow-Straße.“

„Wohnungsnummer?“

„16.“

Das Haus ist mir bekannt. Im Erdgeschoss befand sich ein Geschäft. Das heißt die Übeltäter haben sich im vierten Stockwerk einquartiert. Völlig richtig, von dort ist die Aussicht am besten.

„Wie viele sind es?“

„Zwei.“

„Die beim letzten Mal dabei waren?“

„Einer von ihnen, Mischa der Scharfe. Walerij ist im Basislager geblieben.“

Aha, sie haben also eine Basis. Gut zu wissen.

„Wo ist das Basislager und wie viele Männer halten sich dort auf?“

Stotternd und verworren beeilt sich der Halbstarke mir alles zu erzählen, was er weiß. Aber warum redet er zu viel und auch sehr laut?

„Leise! Halt die Klappe! Wenn du das Maul aufreißt, bist du erledigt!“

Irgendetwas stimmt hier nicht. Er hat sich erschreckt, seine aufgeplatzten Lippen bluten, aber das ist kein Grund, Lärm zu schlagen.

Ich gehe rückwärts und drücke mich tiefer in die Zimmerecke, die Waffe im Anschlag. Mit einem lauten Krachen fliegt die Tür auf und aus den Angeln. Von der Decke rieseln Staub und Putz. An der Schwelle tauchen zwei Männergestalten auf.

Peng! Junge, Junge! Ich habe schon gesehen, wie man mit einem Jagdgewehr schießt und sogar selbst bei der Jagd damit geschossen, natürlich im Freien. In einem Wohnungsflur ist das etwas ganz anderes. Das Fenster hinter mir ist mit einem lauten Klirren zersprungen.

Vermutlich durch die Schallwelle des Schusses. Mit einem Zischen rutschen die Schrotquerschläger von der Wand ab. Die erste Patrone enthielt Schrotkugeln, damit ich gleich alle erwische.

Tatsächlich haben alle etwas abbekommen. Dem Halbstarken läuft Blut über das Gesicht, er wurde getroffen. Einer der anderen beiden Männer lehnt an der Wand, den habe ich an der Schulter getroffen. Der ist außer Gefecht gesetzt, sein rechte Arm hängt schlapp im Ärmel. Aber den dritten Mann sehe ich nicht. Genauer es sind nur seine Beine zu sehen. Der Schuss hat ihn auf die Treppe geschleudert, vielleicht ist er aber auch selbst gestürzt? Die Beine zittern leicht. Ist er tot? Oh je.

Der Druck in den Ohren legt sich und der Durchzug weht den Rauch auf die Straße. Es hat sie schwer erwischt, der Lauf war direkt vor ihnen. Da habe ich ihnen eine ziemlich harte Lektion erteilt. Na toll!

Ich lade die Waffe nach. Wenn sie jetzt über mich herfallen würden, wäre ich erledigt. Keine Sorge… die haben die Hosen voll. Die Lippen des Halbstarken zittern, gleich fängt er laut an zu heulen. Kein Wunder! Erst fliegt ihm die Arbeitsplatte an den Kopf und dann kriegt er einen Schuss in die Fresse. Ich wäre sicher schon umgefallen.

„Runter auf den Boden!“

Beide stürzen auf den Boden und das Parkett gibt nach.

Ich stehe auf und beuge mich zur Seite, um die Eingangstür zu sehen. Von hier aus, sehe ich nur die Beine des Typs auf der Treppe. Er lebt, die Hände zappeln.

„Eh, du! Zieh ihn rein!“

Der an der Schulter verletzte Kumpane nickt, greift mit der unversehrten Hand nach dem Stiefel und zerrt den auf dem Rücken liegenden Kumpanen in den Wohnungskorridor.

Mann! Brust und Rumpf sind völlig zerfetzt. Der hat nicht mehr lange zu leben.

„Hast du eine Waffe?“

„Ein Messer“, bringt der Verletzte heiser hervor.

„Schneid ihm die Kehle durch! Dann wirfst du das Messer hierher, auf den Boden!“

Wenn ich diesen Befehl erhalten hätte… ich hätte es nicht fertiggebracht. Einem lebenden Menschen mit dem Messer die Kehle durchzuschneiden… nein, das kann ich nicht! Wenn du es selbst nicht fertigbringst, muss du einen anderen dazu zwingen, es für dich zu tun! Das war die Devise unseres Kompaniechefs bei der Armee. Falls der Typ hier gezögert hat, habe ich es jedenfalls nicht bemerkt. Der schlachtet seinen Kumpel mit einem Messerschnitt ab! Mir wurde übel. Das Messer rutscht über den Boden.

„Ok“, sage ich heiser. Das war meine Stimme, aber für andere musste das unheimlich klingen. Die beiden Bösewichter zuckten zusammen.

„Verschwindet und zeigt euch hier nie wieder! Verstanden?! Andernfalls…“ Ich schaue bestimmt in Richtung Treppe. „Fragen?“

Die beiden Übeltäter schütteln fast synchron die Köpfe.

„Taschen umdrehen!“

Auf den Boden fällt allerlei Kram. Aha, noch ein Messer. Das trug der Halbstarke am Gürtel.

„Du, Mistkerl!“ Das klang beinahe traurig. „Ach, und ich habe dich nicht gleich erledigt! Glück gehabt, dass ich gutmütig aufgelegt bin.“

Die zwei waren wie vom Erdboden verschluckt.

Unter der hingeworfenen Beute findet sich ein solides Messer, das ich mitnehme, denn es ist viel besser als mein Klappmesser. Zwieback, ein paar Konservenbüchsen… tja, nicht gerade umwerfend.

Ich wende mich dem dritten Taschendieb zu. Wie hieß der? Scharfer Mischa, der schreckliche Spitzname hat dich auch nicht gerettet. Ich hatte das nicht erwartet und ehrlich gesagt, nicht beabsichtigt. Es war ein einziger Schuss, den ich beinahe automatisch abgefeuert habe. Die Tür flog auf und ich habe im Reflex den Finger bewegt, der allerdings auf dem Abzug lag. Kurz, Pech gehabt, mein Lieber. Sieh an, der hatte einen Revolver in der Tasche. Na so was, da habe ich den Richtigen getroffen.

Rascheln! Ich drehe mich nach rechts um und sehe in das schwarze Loch eines Maschinengewehrlaufs. Direkt vor mir steht der Wachmann des Händlers. ruhig und geschäftig. Er hält die Waffe selbstsicher, kein Vergleich zu mir.

„Ich habe nachgesehen, wer hier so einen Lärm macht.“ Er betrachtet mit Interesse den Toten auf dem Boden. „Den hast du aber fertiggemacht.“

Er zeigt mit der Maschinenpistole in die Richtung, in die ich gehen soll.

„Leg die Waffe auf den Boden, für den Fall der Fälle.“

Ich lege die Waffe ab. Ich habe nicht die Absicht, mich mit ihm anzulegen, er spielt in einer anderen Liga. Der erledigt mich, ohne mit der Wimper zu zucken.

Der Wachmann hockt sich hin, um sich den Toten anzusehen.

„Erschossen und mit dem Messer zur Strecke gebracht. Du bist eine Bestie!“ Er wirft durch die offene Tür einen Blick in die Wohnung. „Oho, hier hat es mehr als einen erwischt! Wo sind die anderen Leichen? Hast du sie schon aufgegessen?“

„Die können ruhig noch ein bisschen herumlaufen. Die Angst wird ihnen bis ans Lebensende im Nacken sitzen!“ Davon bin ich allerdings wirklich überzeugt, wenn ich mir vorstelle, dass mir das passiert wäre.

„Psychologe?“ Mein Gesprächspartner nickt mir respektvoll zu. „Ehrlich! Darauf wäre ich nie gekommen! Welchen Beruf hattest du früher?“

„Systemadministrator. Ich habe aufgepasst, dass alles ordnungsgemäß funktioniert.“

„Hm! Ich war mit einfacheren Dingen beschäftigt. Setz dich!“

Ich setze mich auf eine Treppenstufe. Mein Gegenüber hat es sich an der Türschwelle bequem gemacht und die MPi auf die Knie gelegt. Mann! Er sitzt direkt neben dem Toten und es ist ihm völlig egal. Der hat Nerven!

„Wie heißt du?“

„Denis.“

„Ich heiße Pawel. Manche nennen mich auch Hammer.“

Das ist ein passender Spitzname für einen Kerl mit solchen Händen. Mit diesen Fäusten kommt er auch ohne Waffe zurecht.

„Hör zu, Denis! Ohne Palaver, ich bin in einer speziellen Angelegenheit hier.“

Ich bringe echtes Interesse zum Ausdruck. Ich kann den bewaffneten Schläger schlecht zum Teufel schicken.

„Wir können solche Auseinandersetzungen in der Nähe des Geschäfts überhaupt nicht gebrauchen. weil sonst die Kundschaft ausbleibt. Es ist scheußlich, Messerstechereien und Schießereien tragen nicht zum guten Leben bei. Die Leute suchen sich möglicherweise einen anderen Ort.“

„Zweifellos!“ antworte ich schulterzuckend. „Ich hatte eigentlich vor, das hier ohne Blutvergießen durchzuziehen.“

Hammer wirft einen ironischen Blick auf die vom Schrot zerfetzte Tapete und die Blutlachen auf dem Boden.

„Genau, das habe ich mir schon gedacht. Na gut! Also, das ist dein Problem. Sorge dafür, dass es hier ruhig zugeht. Wenn es hier laut wird, ist das dein eigener Fehler. Tut mir leid.“

„Verstanden. Und welches Interesse sollte ich daran haben?“

„Was du von denen willst“, der Wachmann nickt in Richtung der Leiche, „ist mir egal. Räuber sie aus, das ist dein Problem. Wir werden dich im Gegenzug freundlich behandeln. Du erhältst Rabatte, ab und zu Patronen und vielleicht noch was anderes. Aber es gibt keinen Vorschuss! Wir zahlen bei Lieferung.“

„Was gilt als Lieferung?“

„Komm in einer Woche vorbei, da sprechen wir darüber. Du weißt selbst, es gibt noch mehr solche Typen wie dich.“

Es steht auf und rückt seine MPi zurecht.

„Folge mir nicht gleich. Warte hier fünf Minuten.“

Wofür hält er mich? Ich laufe doch nicht sofort nach ihm auf die Straße. Der legt mich um, ohne mit der Wimper zu zucken. Eh ich die Hosen voll habe, hat er schon auf den Abzug gedrückt.

Ich sammle die Waffen und die Beute auf und steige zum obersten Stockwerk in die mir bekannte Wohnung hinauf. Nachdem ich die Tür verschlossen habe, setze ich mich auf das Sofa. Was jetzt? Mein Business hat sich scheinbar erledigt. Soll ich mit diesen Banditen kämpfen? Allein? Das ist Selbstmord. Mir fällt nichts ein und der erbeutete Revolver dreht sich wie automatisch in meinen Händen. Das ist keine Kriegswaffe, sondern eine traumatische Pistole. Ein Importmodell und außerdem habe ich nur vier Patronen. Was ich bei diesen Trotteln erbeutet habe, reicht für zwei, drei Tage. Keine Ware für den Händler. Als Wasserlieferant interessiere ich hier niemanden mehr, das hat mir Pawel deutlich zu verstehen gegeben. Vielleicht haben sie meine Kunststücke auch vom Dach aus beobachtet und mir deshalb ein Angebot gemacht, das ich nicht ablehnen kann. Sie verlieren nichts dabei, weil es hier genug Anwärter für das Angebot gibt.

Der Räuber

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