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ОглавлениеRed Tear
Das Tal der toten Götter
Während Du die Seiten dieses Buches aufschlägst, nehmen mich Deine Augen zum ersten Mal wahr. Sie sehen eine düstere Gestalt, die lediglich in einen mit Rabenfedern bedeckten Umhang gehüllt ist. Mein Gesicht – verschleiert hinter einer Kapuze, Mund und Kinn sind nur zu erahnen – möchte ich mich Dir noch nicht sichtlich offenbaren.
Du kennst mich zwar nicht und hörst von mir heute zum ersten Mal, doch lass Dir gesagt sein, ich kenne Dich bereits jetzt schon sehr genau. Seit Jahrtausenden beobachte ich stillschweigend das Geschehen der Welten und nun ist es an der Zeit, eine Geschichte zu erzählen, die Euer aller Denken in eine hoffentlich vernünftige Richtung zu lenken weiß.
Bevor es soweit ist und Du voreilige Schlüsse zu ziehen vermagst, erlaube mir, mich vorzustellen: Mein Name ist Balthasar! Du würdest mich vermutlich aufgrund meines alten Mantels und des Stabs als eine Art Zauberer bezeichnen.
Schau nicht so überrascht, Du hast schon richtig gedacht. Dabei bin ich mehr als das, was Du zu glauben scheinst. Nun denn, kommen wir zum Wesentlichen. Ich gehe davon aus, dass Du Dich mit einer gewissen Neugier für eben dieses Buch entschieden hast und daher einige Fragen an mich haben dürftest. Dieses Buch erzählt keine gewöhnliche Geschichte von Ritterschlachten und märchenhaften Wesen. Nein, es ist viel mehr als das! Du sollst lernen zu verstehen, welches Wesen Dir innewohnt und was beziehungsweise wer Du wirklich bist.
Wahrlich, Du bist ein Mensch und dennoch kann unser innerstes Wesen jeden von uns zu etwas Grauenhaftem werden lassen, so gut unsere Intentionen auch sein mögen. Begleite mich auf dieser Reise und ich werde Dich durch ein Zeitportal in eine andere Welt führen. Eine Welt, die das hierzulande lebende Geschöpf als unwahr bezeichnet. Doch bedenke, folgst Du mir, so bist Du mein Schüler und lediglich ein Betrachter dessen, was bereits geschehen ist. Die Welt, in die ich Dich führe, gleicht der Deinen und die auf Dich märchenhaft wirkenden Erscheinungen begegnen Dir als Symbole und Metaphern – sie spiegeln jeweils Teile der Individuen wider. Du hast die Aufgabe, achtzugeben und die lehrreichen Zeichen zu deuten. Du hast noch immer Fragen? Dafür haben wir keine Zeit.
Nachdem ich nun meinen Stab mit voller Wucht in den Boden ramme, spürst Du die Bewegung der Erde unter Deinen Füßen und die Vibration durchzieht Deinen gesamten Körper.
Zögere nicht zu lange, Du musst Dich beeilen, denn wir haben keine Zeit mehr – das Zeitportal ist rissig! Reich mir Deine Hand und wir können diese Reise gemeinsam antreten. Doch sei Dir bewusst, dass dieses Abenteuer nichts für zarte Gemüter ist! Also los, komm!
Ich sehe, dass Du mir Deine Hand reichen möchtest, indes greife ich Dich prompt am Unterarm und im nächsten Moment sind wir verschwunden. Nur wenige Sekunden später finden wir uns auf einem mächtigen Berg wieder und Deine Augen blicken auf ein Tal hinunter, das durch seine unberührte natürliche Schönheit Deinen Atem erstarren lässt.
Unglaublich, nicht wahr?
Du blickst mit großen Augen durch das nahe liegende Umfeld und siehst diese traumhafte Landschaft mit ihren Bächen, Flüssen und gewaltigen Bergen. Mit einer unglaublichen Kraft peitscht das Wasser hier durch Schluchten, die mächtige aber auch kleinere Wasserfälle entstehen lassen. Der Boden ist mit dichtem Gras und Blumen bedeckt, in dem auch hohe Dornenbäume wachsen, die das Tal mit einem süßen Duft erfüllen. Die Sonne strahlt besonders hell, viel heller, als Du es gewohnt bist. Zudem fällt Dir ein mächtiger Mond am Himmel auf, viel größer verglichen mit dem aus Deiner Erinnerung.
Ich sehe das Erstaunen über das, was soeben geschehen ist, in Deinen Augen.
Wir glauben meistens immer nur an das, was wir sehen, dabei ist die Fantasie eine Kunst, Dinge mit anderen Augen zu betrachten, Neues zu erfinden, Neues zu bauen, sich weiterzuentwickeln. Die Menschen, die hier leben, würden Maschinen, die sich scheinbar mühelos in die Lüfte erheben, ebenso als unwahr bezeichnen. Fantasie ist etwas Zeitloses.
Nun denn.
Unter uns liegt das Tal der toten Götter, befleckt mit viel Leid, Blut und Tränen. Nicht weit, nur wenige Meter unter uns, siehst Du einen Kirschbaum, alleinstehend auf einer Bergspitze. Dem Baum nähern sich zwei Personen. Ich denke, das wäre ein guter Zeitpunkt, um unseren Lehrausflug zu beginnen. Bist Du bereit für diese Geschichte? Und nein, Du hast keine Wahl. Von nun an gibt es kein Zurück mehr.
Lass uns diese Reise beginnen …