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Vorwort

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Warum über Helmut Kohl schreiben? Seine Persönlichkeit fasziniert nicht. Er hat nichts von der aristokratischen Nonchalance eines Fox, dem romantischen Dandyismus eines Disraeli oder der herrischen Genialität eines Bismarck. In Helmut Kohl ist nichts Hintergründiges, wie es uns in Walther Rathenau entgegentritt, und er ist kein Ästhet der Macht, wie Richelieu einer war. Friedrichs Abgründe sind ihm so fremd wie die glanzvolle Intellektualität eines Winston Churchill. Niemand käme auf den Gedanken, Helmut Kohl an jenem Begriff von historischer Größe zu messen, den Jacob Burckhardt vorgegeben hat: Größe ist, was wir nicht sind. Helmut Kohl, so konnte man kürzlich lesen, ist ein Serienheld. »Nie ist der Auftritt spektakulär, nie zeigt sich ein Faszinosum, das unwiederholbar in den Bann schlägt, er erleidet kleine Niederlagen und feiert keine ganz großen Siege.«1

Warum also über Helmut Kohl schreiben? Weil es dennoch etwas Unerklärliches und damit auch wieder Faszinierendes in seiner politischen Karriere gibt, den Mangel an gerechter, oder sagen wir besser distanzierter Beurteilung. Helmut Kohl ist der Bundeskanzler der Wiedervereinigung, doch anders als Bismarck hat man ihm dafür keine Denkmäler errichtet. Der »eiserne Kanzler« wurde von seinem dankbaren Souverän gefürstet und von den Deutschen als Bilderbuchheld verehrt; Helmut Kohl hingegen muß fürchten, von den Wählern in Ungnaden entlassen zu werden. Zu diesem Befund gesellt sich eine weitere Beobachtung: Es gibt – von ganz wenigen Ausnahmen abgesehen – keine vorurteilsfreie Betrachtung seines Wirkens. Helmut Kohl ist über zwanzig Jahre CDU-Vorsitzender und seit mehr als elf Jahren Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland. Gewiß hat es im Laufe dieser Jahre kluge Einzelbeobachtungen sowie manch interessanten Essay über Aspekte seiner Arbeit gegeben, doch eine distanzierte Zusammenschau fehlt. Seine Biographen haben Helmut Kohl entweder als linkischen Dummkopf oder als Staatsmann ohne Fehl und Tadel porträtiert. So schwankt sein Charakterbild in der Publizistik zwischen einem zweiten Bismarck und jenem unseligen Lord Goderich, der nach Cannings plötzlichem Tod für ein halbes Jahr die Geschicke Englands bestimmte und der als einzigartig unfähiger Premierminister in die Geschichte seines Landes eingegangen ist. Disraelis Urteil, daß ihm alle Führungseigenschaften fehlten, ist wieder und wieder auch über Helmut Kohl gefällt und mehr als einmal von eigenen Parteifreunden behauptet worden. Für diese Unausgeglichenheit des Urteils muß es Gründe geben, objektive wie subjektive. Ihnen nachzuspüren ist Aufgabe dieses Buches. Daß dabei der Arbeitsplatz des Politikers Helmut Kohl, die alte wie die neue Bundesrepublik, in die Betrachtung einbezogen werden muß, versteht sich von selbst. Der Ausgang, was Karriere, Schicksal und Erfolg Helmut Kohls angeht, muß notwendigerweise offenbleiben, weshalb die Schlußkapitel sich den objektiven Faktoren widmen, mit denen dieser Bundeskanzler oder ein anderer rechnen muß. Daß dabei vieles Meinen, Glauben, Fürchten oder Hoffen ist, kann wohl nicht anders sein in einer Zeitenwende, in der nichts mehr sicher ist und alles neu bedacht werden muß.

Berlin, im Mai 1994

Helmut Kohl. Ein Prinzip

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