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Nahender Aufbruch

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Aswin Leukos und Magnus Shivas, die beiden Freunde, deren Abschied mit jedem verstreichenden Tag näher rückte, wirkten wie zwei Staubkörner zwischen den vielen Raumschiffen, die das Landefeld des Raumhafens von Remay bedeckten.

Inzwischen glich die gesamte Riesenfläche, welche sich über viele Quadratkilometer vom Rand der thracanischen Hauptstadt bis weit hinaus in die flachen Ebenen hinein ausdehnte, einer einzigen Baustelle. Große Reparaturmaschinen tauschten ganze Schiffsteile aus, stärkten die Bäuche der Kreuzer und Frachter mit zusätzlichen Panzerungen oder befestigten gewaltige Bordwaffen und Laserbohrköpfe an ihnen. Manche der Baumaschinen erinnerten an Titanen aus der altterranischen Mythologie, nur dass sie aus Stahl waren. Der Boden vibrierte, wenn sie mit stampfenden Schritten tonnenschwere Schiffsteile über den Raumhafen schleppten.

Manchmal zog Leukos instinktiv den Kopf ein, wenn es in einiger Entfernung aufblitzte und rumpelte. Tausende von Arbeitern schraubten, schweißten und werkelten im Inneren der Schiffe oder kletterten wie kleine Insekten an ihren Außenwänden auf und ab. Der Oberstrategos sah zu seinem Gefährten Magnus Shivas herüber. Er wusste, dass er diese gewaltigen Baumaßnahmen nicht zuletzt Shivas Charisma, seiner langjährigen Erfahrung und seinem Organisationstalent zu verdanken hatte. Thracan war jetzt eine Welt unter der eisernen Kontrolle der Loyalisten, durchtränkt von der altaureanischen Lehre, die die Simulations-Transmitter noch immer täglich verkündeten.

„Auf Crixus und Glacialis warten weitere Frachtschiffe, die demnächst nach Thracan gebracht werden, um sie umzurüsten. Wir können zwar keine Lictor Kreuzer herstellen, aber dafür mittelschwere Schiffe und massenhaft gewöhnliche Frachter in allen Größen“, bemerkte Shivas, während er nachdenklich einer Baumaschine zusah, die mit ihren gewaltigen Zangenhänden ein Außensegment eines Transportschiffes anhob.

„Wenn ich mit den Truppen unterwegs ins Sol-System bin, dann verlasse ich mich darauf, dass Ihr mir weiteren Nachschub zukommen lasst“, sagte Leukos.

„Ich werde mein Bestes geben, General. Aber ich werde nicht mehr viele Kriegsschiffe aufbieten können. Es werden hauptsächlich umgerüstete Großfrachter voller Legionäre sein.“

Der terranische Heerführer lächelte gequält. Die letzten Jahre hatten ihn eine Menge Nerven und Lebensenergie gekostet. Wortlos legte er Shivas die Hand auf die Schulter, während dieser erklärte: „Verlasst Euch nicht auf weitere Truppen aus dem Proxima Centauri System, mein Freund, auch wenn ich alles dafür tun werde, sie Euch zu liefern. Ihr werdet der geballten Macht Terras stets unterlegen sein, daran werden auch zusätzliche Legionen von Thracan nichts ändern.“

„Ja, und ich weiß nicht, was ich dagegen tun kann“, gab Leukos zerknirscht zu.

„Habt Ihr Mander Paathlandt endlich gelesen?“, fragte Shivas. Wieder einmal wirkte er so belehrend wie ein alter Magister, wobei sich der Oberstrategos bereits daran gewöhnt hatte.

„Nein, aber ich werde es noch tun, Statthalter“, gelobte der General fast reumütig.

„Studiert die Strategien des großen Denkers! Das ist die einzige Chance, die wir haben. Wir können nicht nur ehrenhaft auf die Schlachtfelder marschieren, um dem Feind die Stirn zu bieten, denn dafür fehlen uns die Mittel. Also geht gerissen vor.“

„Ich bin kein Freund dieser hinterhältigen Strategien, wenn ich ehrlich bin“, brummte Leukos.

Shivas lachte meckernd. „Es geht hier um mehr als nur um ehrenvolle Kampfspielchen, Oberstrategos. Also verhaltet Euch entsprechend.“

„Poros hat durch seine Skrupellosigkeit Millionen Unschuldige dem Hungertod preisgegeben, Statthalter.“

Die wasserblauen Augen des Statthalters versprühten einen bitteren Zynismus als er erwiderte: „Wir sollten Poros für seinen schweren, strategischen Fehler zu Beginn des Bürgerkrieges danken. Damit hat er uns den Hals gerettet, und das wisst Ihr. Glaubt nicht, dass Euch jemand gefolgt wäre, wenn er noch etwas zu verlieren gehabt hätte. Die breite Masse denkt auf dem Niveau eines Tieres: Erst wenn das Fressen nicht mehr nachgeliefert wird, kommt es ihr überhaupt in den Sinn, aufzustehen.

Studiert Mander Paathlandt und handelt nach seinen Anweisungen. Wenn Ihr das Goldene Reich retten wollt, dann nehmt den Tod der sogenannten Unschuldigen in Kauf. Zudem stellt sich die Frage, ob sie überhaupt unschuldig sind“, sagte Shivas.

„Das weiß nur der Göttliche“, wandte sich Leukos heraus. Sein in die Jahre gekommener Freund, der stets wesentlich emotionsloser und pragmatischer dachte als er, machte eine abweisende Handbewegung, um anschließend zu erklären: „Oberstrategos, jene, die wir heute gemeinhin als unschuldig betrachten, haben dem inneren Zerfall des Imperiums viele Generationen lang tatenlos zugesehen.

Und jetzt, wo Juan Sobos und seine Mitstreiter das Reich und unsere Kaste ganz offen und vor aller Augen zerstören, rühren sich die bequemen Wohlstandsaureaner auch nicht. Manche nörgeln vielleicht, aber im Grunde sind ihnen Malogors Lehren und all seine edlen Ideale vollkommen gleichgültig, so lange es ihnen materiell gut geht.

Ihre Passivität und Ignoranz machen sie bereits schuldig, denn eigentlich müssten sie aufstehen und kämpfen. Ihr kennt meine Ansichten zu diesem Thema ja, mein Freund.“

In diesem Augenblick krachte ein großes Raumschiffteil zwischen zwei umgebauten Handelsfrachtern zu Boden und schlug ein tiefes Loch in die Betonplatten, die den Raumhafen bedeckten. Eine Baumaschine hatte nicht richtig zugepackt und das tonnenschwere Stahlteil verloren. Arbeiter brüllten durcheinander; offenbar hatte das riesenhafte Segment mehrere Männer zermalmt. Leukos und Shivas sahen dem nun ausbrechenden Tumult in einiger Entfernung mit ausdrucklosen Mienen zu.

„Dieser Krieg wird noch viele Opfer fordern, Oberstrategos. Freundet Euch früh genug mit diesem Gedanken an“, ermahnte ihn der thracanische Statthalter.

Drei Monde leuchteten stets des Nachts am Himmel von Murrak, Guntroggs Heimatwelt. Jetzt, da sich die Sonne allmählich zurückzog, um den Schatten der Abenddämmerung Raum zu geben, wurde alles in einen tiefroten Schein getaucht. Anders als die Sonne, welche die weit entfernt liegende Mutterwelt der Udantok beschien, strahlte das mächtige Gestirn, welches Murrak seit Äonen wärmte, in einem so intensiven Rot, dass einem Menschen die Augen geschmerzt hätten.

Guntrogg und seine Artgenossen jedoch liebten ihre Sonne genauso, wie es die anderen Intelligenzvölker der Galaxis auf ihren Heimatwelten taten. Der junge Brüller, der von einer Karriere als Hordenführer im Dienste seines Gebieters Gorzhag träumte, stand am Rande eines großen Meeres und sah hinaus auf das dunkelgrün schimmernde Wasser. Unaufhörlich warfen sich die Wellen an den Strand und ein hintergründiges Rauschen lag sanft in der Luft.

Guntroggs hellgraue Augen starrten ins Leere. Der hünenhafte Grushlogg grübelte wieder einmal über die anstehende Reise zu den Fremdwesen nach, jenen geheimnisvollen Udantok, die er in naher Zukunft aufsuchen wollte. Es würde ein weiter, mühsamer und gefährlicher Tauchgang durch das Meer der Schwärze jenseits des Himmelsgewölbes werden. Ob er Murrak jemals wiedersähe, wussten nur die Höheren. Doch diese schwiegen - wie immer.

Nachdenklich brummend betrachtete der Adelskrieger das über den Strand leckende Wasser, das niemals müde zu werden schien und niemals seinen Tatendrang verlor. Dann sah er hinauf zu den drei Monden, den zwei größeren und dem einen winzigen.

„Alle werden mich bewundern, wenn ich einen weiten Weg gehe, um ehrenvoll zu kämpfen“, sagte Guntrogg kaum hörbar zu sich selbst. „Ich werde nicht nur zum Ersten Brüller aufsteigen, sondern auch einen neuen Gegner für meine Gattung entdecken. Die Udantok gefallen mir, ich mag sie. Sie könnten eines Tages eine große Rasse werden, die viel gegen uns kämpfen kann.“

Zu Guntroggs Füßen kroch ein Shabrul, eine wurmähnliche Kreatur von der Größe einer terranischen Schlange, die mit dem Kopf zuerst im Sand verschwand, als der Grushlogg seinen Fuß bewegte. Diese Tiere waren harmlos; doch in den Tiefen der Meere von Murrak hausten grauenerregende Monster, vor denen sich sogar die Grushloggs fürchteten. Manchmal begaben sich einige tollkühne Jungkrieger hinaus, um eines dieser Ungeheuer aus den finsteren Abgründen an die Oberfläche zu locken und dagegen zu kämpfen. Guntrogg jedoch bevorzugte das unendliche Meer der Schwärze, das viel größer und furchterregender war als jeder Ozean.

Der Adelskrieger ging noch ein paar Schritte in Richtung des Wassers, bis es die Spitzen seiner eisenbeschlagenen Stiefel berührte. In diesem Augenblick schweiften die Gedanken des grauäugigen Grushloggs aus; sie verließen Murrak und flogen hinaus in den Weltraum, wo die ungezählten Sterne in der Ferne funkelten.

Guntrogg knurrte unwillig, denn er fing schon wieder an zu träumen, sinnierte über fremde Arten, sah mysteriöse Welten voller seltsam aussehender Wesen vor seinem geistigen Auge. Eigentlich wollte er nicht nur kämpfen, sondern auch entdecken. Das war verwirrend.

„Richte deine Gedanken auf dein Ziel! Hör auf, sie in alle Richtungen zu schicken!“, herrschte sich Guntrogg selbst an und stampfte dabei bekräftigend auf.

Irgendwo zwischen den rotbraunen Felsen, die überall am Strand aus dem orangefarbenen Sand ragten, kreischte ein Tier auf. Guntrogg wurde aus seiner Grübelei gerissen, er brummte genervt. Eine kleine Kreatur erhob sich hinter einem der Steine in die Luft und flog auf ledrigen Schwingen davon, während sie laut und eindringlich zu krächzen begann.

„Ich will diese Udantok nicht kennenlernen, ich will nur guten Krieg finden, um Gorzhags Erster Brüller zu werden. Mehr nicht! Nur die Geistesbegabten interessieren sich für die fremden Rassen des Alls, wir Grauaugen führen die Horden gegen sie in den Kampf. Und wir fürchten niemanden, nicht einmal die Elban!“

Guntroggs dunkelgrünes Gesicht verzog sich. Er schob den Unterkiefer leise grollend vor und entblößte seine Fangzähne, die Klauen mürrisch zu klobigen Fäusten schließend.

„Bereite alles für die Reise vor! Rufe die Krieger zusammen! Du hast mehr als genug zu erledigen, du dummer Snag! Du hast wichtigere Dinge zu tun, als so tief zu denken! Hör endlich auf damit!“

Enttäuscht, dass er seine Schwächen nicht in den Griff bekam, drehte sich Guntrogg um und ging davon. Er ließ den Strand und das rauschende Meer hinter sich. Über ihm leuchtete der Abendhimmel wie ein riesenhafter Glutofen. Doch Guntrogg hatte den Blick schon wieder von der ihn umgebenden Schönheit der Natur abgewandt. Er ging zu seinem Fluggerät, das er in der Nähe eines Waldes aus großen, grauen Pilzen abgestellt hatte, und stieg hinein. Dann flog er zurück in die Stadt Zorgul, an deren Rand sich Gorzhags eindrucksvoller Palast befand. Er durfte den launischen Grushloggherrscher nicht enttäuschen, indem er sich wie ein Vieldenker aufführte und im Kampf nicht die volle Leistung brachte. Das sagte sich Guntrogg immer wieder. Der Tag des Abfluges stand unmittelbar bevor und langsam wurde der junge Brüller nervös. Was würde ihn bei den Udantok erwarten?

„Bauma, hinter dir!“, schrie Farancu Collas aufgeregt und sprintete los, während sein hünenhafter Gefährte blitzartig herumschnellte und seinen Energiehammer schwang.

Farancu sprang in die Höhe, landete direkt neben seinem Kampfgefährten und hackte einen kreischenden Dämon mit seinem Flammenschwert in Stücke.

„Danke!“, rief ihm Bauma zu.

„Komm jetzt, Alfus! Hier wimmelt es von diesen verfluchten Rattenmenschen!“ Collas rannte voraus, während ihm Bauma so schnell er es vermochte, folgte. Die beiden Helden eilten eine lange Gasse hinunter, um an der nächsten Straßenecke auf einen Schwarm zweibeiniger Rattenkreaturen zu treffen.

„Sterbt, elende Goldmenschen!“, zischten die widerwärtigen Gestalten und deckten Farancu und seinen Freund Alfus mit einem Feuerhagel aus ihren Schusswaffen ein.

„Setze deinen Klingenwind ein!“, brüllte Bauma in Farancus Richtung.

Dieser reagierte sofort. Unbeirrt warf er sich auf die Rattendämonen, deren Beschuss wirkungslos an seiner strahlenden Rüstung abprallte. Dann griff der muskelbepackte Held an; er ließ seine flammende Klinge umherwirbeln, genau wie sein langes, blondes Haar, das im Feuerschein wie ein goldener Schweif aufleuchtete. Wohlgezielte Schläge fällten ein Dutzend Gegner, schwarzes Blut spritzte auf, während ein Rattenmensch nach dem anderen von Collas Flammenschwert zerteilt wurde. Schließlich machte auch Bauma der Hüne einen Unterstützungsangriff und erschlug die restlichen Dämonen mit seinem Energiehammer.

„Das wäre erledigt!“ Farancu grinste breit. Im Hintergrund hörte man die machtvollen Stimmen eines Chores, der die heroische Szene eindrucksvoll untermalte. „Ich bin gespannt, was uns nachher in der Dunklen Pyramide erwartet.“

„Wir müssen zuerst die Wallstraße herunter. Das wird noch richtig heftig“, antwortete Bauma.

„Wallstraße!“, stieß Farancu aus. „Dort wimmelt es von Rattenmenschen und Weltvergiftern. Übel!“

„Da erwarten uns alle möglichen Monster und Dämonen. Aber das schaffen wir schon“, meinte Alfus, seinen Freund voller Zuversicht anlächelnd.

Farancu erwiderte nichts darauf; stattdessen stürmte er schon wieder durch die finsteren Straßen von Noj Jook, der Hauptstadt der Logendämonen, über der der Himmel stets schwarzgrau war. Nun galt es die Dunkle Pyramide am Ende der gefürchteten Wallstraße zu erreichen, wo man dem obersten Dämon, dem Herrn der 13, entgegentreten musste.

Farancu schleuderte mehrere Feuerbälle auf ein paar Mutanten, die aus den lichtlosen Ecken zwischen den Wolkenkratzern herausgekrochen waren, während ihm sein Freund Alfus wieder einmal verzweifelt zu folgen versuchte. Collas war einfach wesentlich flinker und schneller als er.

„Lass mir auch noch was übrig!“, beschwerte sich Bauma, doch Farancu lachte nur schallend auf.

Das schwarze Blut niederer Logendämonen spritzte umher und verdampfte an der Flammenklinge des legendären Sagenhelden. Gliedmaßen flogen in alle Richtungen, schon wieder hatte Farancu einen ganzen Haufen finsterer Kreaturen getötet.

„Du bist zu langsam!“, höhnte er. Von hinten kam Alfus herangelaufen. Er schnaufte vor lauter Erschöpfung und machte sich Sorgen wegen seiner Energieanzeige.

„Warte doch endlich mal auf mich, immer metzelst du alles nieder.“ Mürrisch verzog Bauma das Gesicht, Collas dagegen grinste selbstzufrieden.

Als die beiden Helden den nächsten Straßenzug erreichten, konnte sich Farancu allerdings erneut nicht zurückhalten. Kaum stürmten die ersten Dämonenschwärme auf ihn zu, sprang er schon mit einem gewaltigen Satz mitten unter die Monster und hackte wie wild um sich, ohne sich noch nach Bauma umzusehen. Doch kaum hatte Collas die ersten Gegner niedergemäht, ertönte plötzlich ein entsetzter Schrei aus seiner Kehle. Die strahlende Heldengestalt sackte zusammen und blieb reglos auf dem Asphalt liegen. Alfus eilte zu seinem Gefährten, doch es war bereits zu spät.

Ein verschlagen kichernder Börsenschwindler, eine äußerst gefährliche Dämonenkreatur mit spitzen Zähnen und langer Nase, hatte Farancu mit einer Giftklinge aufgeschlitzt. Wütend ließ Bauma seinen Energiehammer auf den hässlichen Schädel des Wesens niedersausen, doch das änderte nichts mehr an der Katastrophe. Die Welt um Farancu und Alfus begann zu verblassen und löste sich schließlich auf. Ein markerschütterndes Fluchen zischte durch den Raum.

„Mist! Das darf nicht wahr sein! Mist! Mist! Mist!“, wetterte Flavius und riss sich die Halo-Simulationsbrille vom Kopf. „Verfluchte Börsenschwindler! Wie ich diese Viecher hasse!“

Neben ihm saß Kleitos auf dem Sofa im Wohnzimmer. Der aschblonde Legionär hatte seine Halo-Simulationsbrille ebenfalls abgenommen und blinzelte verwirrt umher. Jetzt befand er sich wieder in der Realität, was ihn nach einem mehrstündigen Spielspaß etwas überforderte.

„Das kommt davon, weil du immer so unkontrolliert nach vorn rennst und direkt alles angreifst“, sagte Kleitos vorwurfsvoll.

„Diese verfluchten Börsenschwindler! Wie ich die hasse!“

„Die haben Giftattacken mit Stärke 58, da hilft dir deine Superrüstung auch nicht, Princeps.“

„Was du nicht sagst, Jarostow!“, kam zurück.

Wütend erhob sich Flavius von seinem Platz, wobei er den Eindruck machte, als wäre sein heutiger Bedarf an Halo-Spielen und virtuellen Ausflügen in die terranische Mythologie gedeckt. Er drückte sich den Rücken mit einem leisen Stöhnen durch, um sich dann die Augen zu reiben. Das stundenlange Spielen führte nicht selten zu Augenflimmern und Kopfschmerzen aller Art. Doch das wurde einem meistens erst bewusst, wenn es schon zu spät war. Flavius rieb sich den Nacken; auch der schmerzte höllisch. Doch noch bevor sich Princeps weiter über das unschöne Ende der virtuellen Spielpartie aufregen konnte, öffnete sich die Wohnungstür mit einem leisen Summen. Eugenia kam nach Hause.

„Wieso ist die denn schon so früh da?“, zischelte Kleitos in Richtung seines Freundes, der seine Halo-Brille unter dem Wohnzimmertisch verschwinden ließ. Eigentlich sollte Jarostow heute gar nicht hier sein, schoss es dem Kohortenführer durch den Kopf. Er sah verlegen zur Tür des Raumes, die sich im nächsten Augenblick aufschob.

„Hallo, Schatz!“, sagte Eugenia lächelnd.

„Hallo!“, antwortete Flavius und stand vom Sofa auf, um seine Freundin mit einem verhaltenen Kuss auf die Wange zu begrüßen.

„Hallo, Eugenia!“ Jarostow winkte. Er versuchte, möglichst freundlich zu wirken.

„Hallo, Kleitos!“, kam von Eugenia zurück. Sie warf Flavius einen leicht skeptischen Blick zu.

„Und? Wie war es heute?“, fragte Princeps, wobei er Eugenia mit der Hand über den Rücken strich.

Die Krankenschwester ließ sich auf das Sofa fallen, Kleitos rückte ein wenig von ihr weg. Anschließend erhob er sich von seinem Platz.

„Ich wollte noch einkaufen gehen. Ist ja schon später, als ich dachte. Bis dann, ihr zwei“, sagte er.

„Bis morg… bis die Tage …“, fügte Flavius hinzu.

„Ja, mach’s gut!“, rief Eugenia Jarostow nach. Dieser suchte schnell das Weite und war kurz darauf verschwunden.

„Hast du den Lufterfrischer neu programmiert?“, fragte sie.

„Was?“ Flavius kratzte sich am Kinn.

„Du wolltest doch den Lufterfrischer neu programmieren, oder nicht?“

„Ach, ja, Mist! Das habe ich glatt vergessen“, brummte Princeps verlegen.

„Ihr zwei hattet heute wieder zu viel zu tun, wie?“, schob die junge Frau mit ironischem Unterton nach, während ihre blauen Augen Flavius vorwurfsvoll musterten.

Guntrogg hielt seinen Gebieter, den Kriegsherrn Gorzhag, für einen großen Herrscher der Grushloggs. Doch das war er, wenn man es objektiv betrachtete, nicht. Gorzhags Reich war etwa 500 Lichtjahre von Terra entfernt und in einem Radius von fast 80 Lichtjahren waren ihm alle von Grushloggs besiedelten Welten mehr oder weniger tributpflichtig. Die größten Populationen dieser kriegerischen Spezies befanden sich allerdings im Kerngebiet der Milchstraße und lebten über einige Spiralarme im Südosten und Norden der Galaxis verteilt. Dort gab es Regionen, in denen die Grushloggs bereits eine Vielzahl von Welten besiedelt hatten. Und die sich schnell vermehrende Art breitete sich weiter und weiter zwischen den Sternen aus. Dort, wo Gorzhags Klan vor einigen Jahrhunderten sein Imperium errichtet hatte, waren die Grushloggs noch keineswegs so zahlreich wie in den Gebieten des galaktischen Kerns. Doch von der Geschichte seiner Gattung und ihren Ursprüngen wusste Guntrogg nicht viel, abgesehen von einigen Legenden über große Eroberer und Kriegsfürsten. Außerdem interessierte dies alles Guntrogg auch nicht besonders, denn wie die meisten Grushloggs lebte er nur für die Gegenwart, während ihm die Vergangenheit weniger wichtig war. Man konnte sie ja ohnehin nicht mehr verändern.

Zwar gab es bei den Grushloggs verschiedene Unterarten, die sich gemäß ihrer angeborenen Fähigkeiten mehr mit Technologie oder geistigen Dingen befassten, doch spielte das für einen tatendurstigen Adelskrieger wie Guntrogg keine Rolle. Er zählte sich zu den härtesten Kämpfern seiner Art und damit war auch sein Schicksal vorherbestimmt. Die Tatsache, dass er ein Angehöriger des Grauaugengenstranges, also der dominanten Führungskaste seiner Gattung war, determinierte sein Schicksal. Die Grauaugen, welche größer, klüger und tatkräftiger als die gewöhnlichen Grushloggkrieger waren, stellten seit jeher die Anführer einer jeden Population.

Gerade ein Grauauge betrachtete vor allem den Kampf als seine Hauptaufgabe, denn die ausschließlich auf dem Recht des Stärkeren basierende Zivilisation der Grushloggs akzeptierte nur die Mutigen und Siegreichen als ihre Adeligen und Herrscher.

Mit einer gewissen Verachtung blickte Guntrogg auf die rangniederen Grushloggs und die mit ihnen verwandte Art der Gornom herab. Letztere waren im Vergleich zu den größeren und aggressiveren Angehörigen der Kriegerkaste feige und schwächlich, weshalb sie in jeder Grushloggzivilisation stets die Rolle der Sklaven und Diener einnahmen. Allerdings waren die Gornom zahlreich und ihre Arbeitskraft wichtig.

Es war eine natürliche Ordnung, die kein Grushlogg und erst recht kein Gornom jemals in Frage gestellt hätte; sie hatte sich über Äonen entwickelt. Guntrogg war ein übergeordneter Adelskrieger und daher war es seine Aufgabe, in den Kampf zu ziehen, würdige Gegner zu finden und irgendwann in der Rangordnung der Grushloggs die nächste Stufe zu erklimmen.

Nun wollte der junge Brüller endlich die Reise ins Igrum-Gebiet wagen, wo die unbekannte Gattung der Udantok ein kleines Sternenreich errichtet hatte. Es war ein tollkühner Gedanke, einen so weiten Weg durch das Meer der Schwärze auf sich zu nehmen, nur um eines Tages wieder als gefeierter und mit Trophäen beladener Hordenführer zu seinem Gebieter zurück zu kehren. Schon Ulgar hatte sich in diese entlegende Region am Rande der Galaxis gewagt und war nicht lebend zurückgekehrt.

Dennoch bewunderten ihn seine Kämpfer noch heute, aufgrund der Tatsache, dass er eine so lange und gefahrvolle Reise unternommen hatte. Das hatte Ulgars großen Mut bewiesen, genau wie seine Abenteuerlust. Die gleiche Abenteuerlust, welche jetzt auch in Guntrogg brannte, der immer wieder an die neu entdeckte Spezies der Udantok denken musste.

Die Grushloggs der Grum-Stämme, die am äußersten Rand von Gorzhags Reich lebten, waren zum ersten Mal auf einige Flugmaschinen der Fremden gestoßen. Seitdem hatten sie die eine oder andere Welt entdeckt, auf denen Wesen dieser Art Siedlungen errichtet hatten. Dabei hatte es sich aber immer nur um winzige Kolonien oder Stützpunkte gehandelt, welche keiner weiteren Beachtung würdig gewesen waren.

So hatte man die Udantok lange für unwichtig und primitiv gehalten, bis Ulgar im Zuge seiner Expedition eines Tages eine Welt jener Kreaturen entdeckt hatte, auf der sich mehrere große Städte und Industrieanlagen befunden hatten. Schließlich war er mit seiner Kriegerbande aus jungen Kämpfern auf einem Nachbarplaneten im gleichen System gelandet, um dort zum ersten Mal gegen eine Streitmacht der Udantok zu kämpfen.

Guntrogg hatte die von dieser Reise zurückgekehrten Krieger inzwischen immer wieder von ihrem blutigen Zusammentreffen mit den Fremden erzählen lassen. Jene hatten sich bis zuletzt verbissen gewehrt, sogar als man sie in eine Halle tief unter der Erde gedrängt hatte und sie schon fast verhungert gewesen waren. Diese Geschichte fand Guntrogg faszinierend, und obwohl eine Reise ins Igrum-Gebiet lange dauern würde, ließ er sich nicht mehr von seinem Plan abbringen, mit einer Kriegerbande zu den Udantok zu fliegen, um endlich gegen diese Wesen kämpfen zu können.

Um den anderen jungen Brüllern, von denen manche sein Vorhaben für zu gewagt hielten, seine felsenfeste Entschlossenheit zu demonstrieren, hatte er sich sogar einen Talisman um den kurzen, muskulösen Hals gehängt.

Es war ein Rüstungsteil von einem der toten Udantoksoldaten. Vermutlich waren die fremdartigen Symbole auf dem Stück Körperpanzer dazu da, den Rang des Kriegers anzuzeigen.

Der aufstrebende Stammesführer hatte inzwischen begonnen, die seltsamen Schriftzeichen auf dem Rüstungsteil zu mögen, denn sie erinnerten ihn daran, seinen Plan nicht aus den Augen zu lassen. Sicherlich würde ihn der Talisman auf seinem Weg zum Ruhm begleiten und beschützen, sagte er zu seinen Kriegerfreunden. Irgendwann ritzte Guntrogg die fremden Symbole sogar direkt über seinem Schlafplatz in die Wand. Und bevor er nun seinen Geist abschaltete, um sich zu regenerieren, während draußen die Dunkelheit kam, starrte er sie lange an und grübelte darüber nach, was sie wohl bedeuteten. Diese seltsamen Zeichen der Fremden … Legion DLXII, Kohorte VI …

Die Wohnungstür öffnete sich mit einem dezenten Summton; Zenturio Manilus Sachs trat ein, sein Blick war ernst. Flavius nickte seinem breitschultrigen Freund, mit dem er schon oft im Feuer der Schlacht gestanden hatte, wortlos zu. Neben ihm stand Eugenia, auch ihr Blick wirkte alles andere als erfreut. Sachs hatte bereits gestern angekündigt, dass er unschöne Neuigkeiten überbringen würde. Flavius und Eugenia führten den Zenturio ins Wohnzimmer, wo er sich auf dem Sofa niederließ. Kurz darauf wurden Kekse und Tee gebracht. Es herrschte angespannte Ruhe. Manilus stieß einen leisen Seufzer aus, dann lächelte er gequält und sah zu Flavius herüber.

„Ich mache es kurz, Princeps“, sagte er. „Der große Mann hat den Rest, der noch von der 562. Legion übrig ist, einer speziellen Aufgabe zugeteilt.“

„So, so …“, brummte Flavius wenig begeistert.

„Wir werden der Flotte vorausfliegen und vor allen anderen Schiffen auf dem Mars landen“, erklärte Sachs.

„Was?“ Flavius war geradezu schockiert.

„Leukos hat noch keine Details genannt, aber er hat bereits erklärt, dass wir die Landung der Flotte vorbereiten sollen.“

„Bei Sebottons größter Bombe, warum gerade wir?“, zischte Princeps. Manilus grinste zynisch.

„Der große Mann, unser aller Retter“, sagte der Zenturio, „ist von unseren Leistungen beeindruckt. Er hat mich neulich noch einmal über diese Außerirdischen ausgefragt. Was uns auf Colod widerfahren ist, hat ihn zutiefst bewegt. Zugleich scheint er äußerst besorgt darüber zu sein, dass diese Xenoskreaturen so nahe beim Sol-System aufgetaucht sind. Wir könnten allerdings nicht viel gegen diese Viridpelliden tun, meint er. Seit vielen Jahren zerbrechen sich die Gelehrten auf Terra die Köpfe, doch sie sind gegenüber diesen Viechern absolut hilflos. Die sind uns technisch überlegen und bleiben weiterhin ein gefährliches Mysterium, sagt Leukos. Aber darum soll es heute nicht gehen …“

„Also, worum geht es dann?“, murrte Flavius.

„Wie bereits erwähnt, ist der Oberstrategos von unserem heldenhaften Überlebenskampf auf Colod begeistert gewesen. Wir wären vorbildliche Soldaten, hat er angemerkt. Daher sollen auch gerade wir diese Infiltrationsmission übernehmen. Leukos hält uns für fähig, die Orbitalverteidigung in einem bestimmten Areal auf der Marsoberfläche auszuschalten, so dass die Flotte dort landen kann. Das bedeutet, dass ich die Aufgabe habe, unseren übrig gebliebenen Haufen auf Vordermann zu bringen, damit wir die Sache erledigen können. Dich will ich auf jeden Fall an meiner Seite haben“, erläuterte Sachs.

Flavius sprang von seinem Platz auf. „Will uns Leukos unbedingt tot sehen?“

„Die Sache wird sicherlich nicht angenehm werden, aber die anderen haben auch nichts Schöneres vor sich. Ob wir dort unten auf dem Mars draufgehen oder bei einer Enteraktion im All, was macht das schon?“, meinte der Zenturio.

Eugenia beobachtete ihn und Flavius mit verkniffenen Gesichtszügen. Sie klammerte sich an eine dampfende Teetasse und sagte kein Wort mehr. Diese neue Hiobsbotschaft kam einem Tritt ins Gesicht gleich.

„Genaue Angaben hat Leukos also noch nicht gemacht, was?“, hakte Princeps nach. Sachs schüttelte den Kopf.

„Nein, aber wenn wir demnächst durch das All in Richtung Terra sausen, dann werden wir noch genug Zeit haben, uns auf die Einzelheiten unserer Mission zu konzentrieren. Leukos wird uns früh genug informieren, Flavius. Ich bin nur hier, um dich schon einmal mental auf den ganzen Spaß vorzubereiten.“

In dem kleinen Wohnzimmer breitete sich eine bedrückende Stille aus. Draußen prasselte heftiger Regen gegen die Fensterscheiben, der Himmel über Lethon war grau und bewölkt. Alles lag in einem trüben, trostlosen Licht. Eugenia wischte sich eine Träne aus dem Auge, während Flavius sie in den Arm nahm. Er drückte sie sanft an sich. „Wenn wir unverschämt großes Glück haben, dann werden wir in diesem Krieg nicht draufgehen, Princeps. Aber das wäre ein kleines Wunder. Das Sol-System anzugreifen und Sobos herauszufordern, ist absoluter Wahnsinn, wenn du mich fragst.“

„Sehe ich genauso“, murmelte Flavius.

„Dennoch macht Leukos das einzig Richtige. Wenn wir uns hier auf Thracan einigeln, wird uns das auf Dauer nämlich noch weniger nützen“, sagte Manilus.

„Aber wie will Leukos das schaffen? Allein auf dem Mars und auf Terra stehen uns Abermillionen Soldaten gegenüber. Wir haben doch nicht einmal genügend Raumschiffe, um alle unsere Truppen zu transportieren“, antwortete Flavius und sah seinen Freund verzweifelt an.

„Frag mich nicht, Junge. Ich bin lediglich ein Zenturio und kein Oberstrategos. Leukos wird ein Genie sein müssen, um diesen Kampf zu gewinnen.“

„Ist er denn eines?“

Sachs antwortete mit einem Schulterzucken. „Wir werden es sehen …“

Das aureanische Zeitalter IV: Vorstoß nach Terra

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