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Sie fuhren zunächst im gemeinsamen Verbund zurück nach Norwegen. Das Schiff, welches sich erst später ihnen angeschlossen hatte, verabschiedete sich als erstes. Sie hatten einen gerechten Anteil an der Beute bekommen, wie Jokell es versprochen hatte. Nacheinander trennten sich die anderen Schiffe, nachdem sich die Mannschaften Glück für die Weiterreise gewünscht hatten.

„Was steht eigentlich für die Zeit nach dem Winter an?“, fragte Eirik Jokell während der Fahrt. „Willst du wieder losziehen? Diesmal mit der Erlaubnis deines Vaters?“

„Das weiß ich nicht“, antwortete Jokell mit einem Lächeln, welches trotz der Antwort vieles versprach. Tatendrang und Zuversicht lagen darin verborgen. „Auf dem Hof gibt es bestimmt viel zu tun. Ich will nicht wissen, wie viele Räuber sich zwischenzeitlich in den Bergen breitgemacht haben. Aber wenn nichts weiter ansteht, ja, vielleicht. Vielleicht gegen wir wieder auf Fahrt. Wie wäre es diesmal mit Irland?“

Diesmal meldete sich Bragi: „Was gibt es denn auf Irland zu holen?“ Er war gerade beim Rudern und hatte das Gespräch mitgehört.

„Dasselbe, schätze ich“, antwortete Jokell. „Die Leute dort schreien nur in einer anderen Sprache.“

Bragi wiegte mit den Kopf hin und her. „Ist mal was anderes.“

Doch zunächst befuhren sie wieder die Küsten Norwegens. Sie zogen vorbei an den hohen Buchten und Fjorden, durchbrochen von Geröllstränden und der weiten Landschaft dahinter. Dann wieder bemächtigen sich dunkle, tiefer Wälder der Küste, ihre Kronen hoch erhoben über der See. Der Wind zog schärfer an ihren Kleidern, schnitt eisig über die raue See, während sie an den Rudern schnauften. So sehr Eirik und viele andere Wikinger sich an den Anblick der Heimat ergötzten, so sehr sehnten sie sich mittlerweile nach einem warmen Herd, einem Dach über dem Kopf und einem Krug Met oder Bier in der Hand, um den harschen Winter zu überdauern. Daher legten sie sich umso mehr in die Ruder.

Am Ende war nur noch ein Schiff von ihrer kleinen Flotte übrig geblieben. Die Gischtschneider lief auf Land dort, wo Rannveig seinen Hof hatte.

Jokell breitete die Arme aus. „All das gehört uns. Viele Familien leben hier und genießen den Schutz von Rannveig und seinen Söhnen. Und nun kehren wir zurück und mehreren den Reichtum unserer Familie. Bitte, genießt unsere Gastfreundschaft.“

Jokell sprang vom Schiff, ins kniehohe Wasser. Nacheinander folgten sie ihm. Nur Eirik dachte noch über etwas nach: Machte Jokell nicht zu voreilige Versprechungen? Konnte er wirklich garantieren, dass Rannveig sie gut aufnehmen würde und für alle genügend Platz, zu essen und zu trinken hatte? Ihn beschlich eine dunkle Vorahnung. Nun waren sie jedenfalls angekommen.

Sie zogen das Schiff an Land. Hier würde es vorerst verbleiben, während sie die Beute verluden. „Wir präsentieren ihnen gleich unser Raubgut, damit sie sehen, wie erfolgreich unsere Abenteuer waren“, sagte Jokell.

Wohlgemut und mit neuer Kraft folgten sie Jokell. Vom Strand aus führte er sie ins Hochland, vorbei an kahlen Feldern, die im Sommer und Herbst reiche Ernte bringen dürften. Der Hof erhob sich auf einem Hügel über das umliegende Land, dahinter ragten die blauen Spitzen hoher Berge in die Höhe. Eirik konnte verstehen, dass Rannveig und seinen Söhnen viel an diesem Land lag. Über den Bergen zogen sich graue Wolken zusammen.

Rauch stieg aus dem Langhaus von Rannveig. Jokell legte seinen Sack Beute ab. „Ich klopfe und kündige uns an“, sagte er und ging mit zuversichtlichen Schritten auf das Gebäude zu. Der Rest seiner Männer machte Halt, sie legten das schwere Gepäck ab und begannen ihre eigenen Gespräche.

„Was hältst du davon?“, fragte Bragi an Eirik gerichtet. „Ein stattliches Haus.“

„Warten wir es ab“, sagte Eirik.

Jokell hämmerte an der Tür. „Ich bin zurück!“, rief er mit vor Stolz geschwellter Brust. „Ich habe das Boot zurückgebracht und viele Schätze, die ich auf der Fahrt erbeutet habe! Kommt heraus und seht sie euch an!“

Jokell entfernte sich von der Tür. Sie öffnete sich und zwei junge Männer traten heraus. Es waren offensichtlich seine beiden älteren Brüder, sie hatten sein Gesicht und seine roten Haare, doch fehlte ihnen die Jugendlichkeit und das fröhliche Gemüt ihres jüngeren Bruders. Zunächst überrascht, dann entsetzt schauten sie auf die Schar der Getreuen, die sich vor dem Langhaus verteilt hatte. Der Himmel verdunkelte sich über dem Hof und verfinsterte ihr Antlitz.

„Jokell, du bist zurück“, sagte schließlich einer der beiden. Die drei Brüder umarmten sich kurz.

Auch Jokell war mittlerweile aufgefallen, dass etwas nicht stimmte. „Was ist los? Was macht ihr für ein so langes Gesicht? Heute ist ein Tag zum Feiern! Und wo ist Vater?“

„Tot“, sagte der andere Bruder. „Er starb vor ein paar Tagen.“

Jokell machte einen Schritt rückwärts. „Was ist passiert?“

„Er wurde von Banditen in der Nähe getötet“, erklärte der erste Bruder wieder. „Wir haben ihn bereits gerächt und die Banditen in den Bergen umgebracht. Danach begruben wir ihn in dem Hügelgrab dort hinten.“ Er deutete hinter das Haus.

Eirik sah es zum ersten Mal, dass es Jokell die Sprache verschlag. Der sonst so sonnige und mutige Jokell Fuchsfell, der viele Leben auf dem Raubzug genommen hatte, war nun fassungslos in Anbetracht des Todes seines Vaters Rannveig. Der Mund stand ihm offen, Worte wollten ihm entschlüpfen, doch stattdessen ging Jokell um das Langhaus herum und schaute in die Richtung, die ihm sein Bruder gezeigt hatte.

„Willst du es dir anschauen?“, fragte der Bruder.

Jokell fand seine Sprache wieder: „Später. Eines nach dem anderen.“ Er atmete einmal durch und deutete dann auf seine Mannschaft und die große Menge an Beute. „Eine traurige Nachricht, doch es gibt auch etwas zu feiern. Ich möchte meinen Anteil mit euch beiden teilen, Leikr, Mundi. Der Rest gehört natürlich meinen treuen Männern hier, die ich eingeladen habe, den Winter hier zu verbringen.“

Beide Brüder, Leikr und Mundi, schauten sich an, als gefiele ihnen der Vorschlag nicht. Der Ältere schüttelte den Kopf und ging ins Haus. Der andere allerdings nickte und sagte zu ihnen: „Tretet ein, macht es euch in unserer Halle gemütlich.“

Das ließen sie sich nicht zweimal sagen. Nacheinander traten sie durch die breite Tür des Langhaus, hinein in die beeindruckende Halle eines Landherrn. Sie verteilten sich über die Bänke, luden ihre Beute und ihr persönliches Gepäck ab. Der Sohn des verstorben Rannveig stand währenddessen hinter der Tür, schaute sich jeden Gast einzeln an und grüßte sie mit knappen Worten.

Jokell und sein älterer Bruder hatten sich in den hinteren Bereich des Gebäudes zurückgezogen. Sie besprachen etwas Wichtiges. Eirik konnte es sich schon denken: Das Erbe. Es ging darum, wer von den drei Brüdern den Hof und andere Dinge von Wert erben würde. Vielleicht hatte Rannveig noch gar nicht bestimmt, an wen der Hof gehen sollte.

„Bragi“, begann Eirik. „Mach es dir vielleicht nicht zu gemütlich. Möglicherweise müssen wir schon sehr bald wieder gehen.“

Bragi stellte sich neben ihn, mit verschränkten Armen schaute er ihrem Gespräch zu. Er nickte und verstand. „Aber uns schon jetzt hinauszuwerfen, das wäre nicht gastfreundlich. Schade eigentlich, ich hätte diesen Rannveig gerne kennengelernt.“

Jokell erhob sich. Eirik und Bragi konnten nicht mithören, was die beiden tatsächlich besprochen hatten. Doch es beschäftigte Jokell sehr. Er fasste sich ins Gesicht, schaute gedankenverloren ins Leere.

„Es bringt nichts!“, verkündete Jokell. „Heute wollen wir feiern, auch wenn es für mich, Leikr und Mundi etwas zu betrauern gibt. Ich will daher nicht nur auf unseren erfolgreichen Raubzug einen trinken, sondern auch meines verstorbenen Vaters gedenken.“ Dann drehte er sich zu seinem älteren Bruder um. „Leikr, wir haben doch Essen und Trinken für all diese Getreuen?“

Leikr stand ebenfalls auf und sprach laut: „Ich mag es zwar nicht, wie du immer alles im Voraus entscheidest. Aber zumindest deine Rückkehr sollten wir gebührlich feiern. Mit allen, die mit dir gekommen sind.“

Auch wenn er die letzten Worte nicht wirklich feierlich gesprochen hatte, jubelten die Wikinger, klopften sich gegenseitig auf die Schultern und begannen sogleich ungezwungen miteinander zu plaudern. Die Spannung legte sich, nur bei Eirik blieb ein ungutes Gefühl.

Eirik Trollblut - Der Draugr

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