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Fragen über Fragen

Trüb und grau wie der Novembertag war die Stimmung am nächsten Vormittag im Büro der drei Kommissare. Es gab keine neuen Erkenntnisse, weder im aktuellen Fall noch bei den alten Fällen. Auch der abschließende KTU-Bericht hinsichtlich der Reifenspuren am Tatort wies nicht viele neue Ergebnisse auf. Es waren Allerweltsreifen, wie man auf Grund des Profils festgestellt hatte, die auf keinen bestimmten Fahrzeugtyp hinwiesen. Zudem konnte man nicht sagen, ob sie tatsächlich vom Wagen des Täters stammten.

Hauptkommissar Habich machte einen erneuten Versuch, ein Elternteil Tanjas telefonisch zu erreichen. Während es klingelte, beobachtete er, wie Jasmin in der zweiten Altakte las. Chris versuchte derweil Informationen über den gesuchten Peter Lackner zu finden. Eine männliche Stimme am anderen Ende der Leitung holte ihn aus seinen Gedanken.

»Böhmert!«

»Hallo, Herr Böhmert, hier ist Hauptkommissar Habich. Ich habe noch eine Frage.« Er zögerte. »Nein! Eigentlich sind es mehrere Fragen. Wussten Sie oder Ihre Frau, dass Ihre Tochter nach der Arbeit noch ausgehen wollte?«

»Moment bitte.« Am anderen Ende der Leitung wurde miteinander gesprochen. »Ich wusste es nicht, aber meine Frau. Tanja hat es ihr gesagt. An dem Nachmittag war ich nicht zuhause.«

»Gut! Jetzt zu meiner zweiten Frage. Weiß einer von Ihnen, mit welcher Freundin Ihre Tochter unterwegs war?«

Wieder ließ Böhmert den Kommissar am Telefon alleine und sprach mit seiner Frau, dann erfolgte die Antwort: »Sie hat meiner Frau nur gesagt, dass sie nach der Arbeit noch mal weggeht, aber nicht mit wem. Wir sind uns nicht sicher, aber es kann sich eigentlich nur um Valerie Rissek, ihr beste und langjährige Freundin, handeln.«

»Wo kann ich die junge Dame finden?«

»Ihre derzeitige Adresse kennen wir nicht …«

»Dann vielleicht, wo sie arbeitet.«

»Meine Frau sagt mir gerade, sie sei Krankenschwester im Klinikum Kitzinger Land.«

»Okay, das reicht mir fürs Erste. Danke für die Auskunft.« Habich legte auf und machte sich Notizen. Erneut griff er zum Hörer. Nach zwei Telefonaten, mit der Stadtverwaltung Dettelbach und dem Einwohnermeldeamt in Kitzingen, wusste er die Wohnadresse von Valerie Rissek. Plötzlich fiel ihm ein: »Haben wir eigentlich schon einen Bericht der Gerichtsmedizin?«

»Nein!«, kam die zweifache Antwort.

»Dann werde ich dort mal vorbeifahren und mich nach dem Stand der Dinge erkundigen. Anschließend versuche ich diese Freundin von Tanja ausfindig zu machen.«

»Ach, und wir haben weiterhin Innendienst?«, beschwerte sich Rautner.

»Hat sich dieser Lackner schon gemeldet oder hast du ihn gefunden?«

»Bisher noch kein Lebenszeichen.«

»Also was beschwerst du dich. Mach ihn ausfindig.«

»Soll ich ihn in die Fahndung geben.«

»Nein! Wir warten noch bis morgen.«

»Dann könnte ich mich doch bei den Arbeitskollegen näher über ihn erkundigen und fahr noch mal bei seiner Wohnung vorbei. Vielleicht ist er ja irgendwo aufgetaucht.«

»Gut, mach das. Aber vergiss auch nicht Tanjas letzten Freund, von dem sie sich am Jahresende getrennt hat, diesen Dieter Ranko. Wir müssen mehr über ihn wissen und ob er ein Alibi hat.«

»Das kann ich doch machen«, bot sich Jasmin an.

»Wenn du Zeit dazu findest, soll es mir recht sein.«

Habich grinste beim Hinausgehen. Er wusste, wie ungern Chris Schreibtischdienst verrichtete. Da ging es dem jungen Kommissar wie ihm selbst. Lieber war er draußen, um vor Ort zu ermitteln, Leute zu befragen, zu observieren oder Ähnliches. Nur kamen sie bei ihrer Arbeit nicht umhin sich auch mit Papierkram zu befassen. Gott sei Dank war Jasmin in dieser Hinsicht geduldiger und nahm den beiden vieles ab, was irgendwie mit Schreibtischarbeit zu tun hatte.

Mit seinem Wagen fuhr er in die Versbacher Straße, wo die Rechtsmedizin ihren Sitz hatte. Frau Doktor Wollner traf er in ihrem Büro an. Sie diktierte gerade Berichte.

»Oh, Herr Hauptkommissar, gerade habe ich an Sie gedacht«, sagte sie lächelnd, nachdem sie ihre Arbeit unterbrochen hatte. Habich wirkte im ersten Augenblick verlegen, was sein Blick auch deutlich ausdrückte. Ihr Lächeln wurde noch breiter. »Sie warten doch sicherlich auf meinen abschließenden Obduktionsbericht?«

»Oh, ja, ja! Das … das war der Grund meines Besuches«, antwortete er mit belegter Stimme.

»Etwas anderes habe ich auch nicht erwartet«, antwortete sie schelmisch und reichte ihm einen Aktenordner.

»Gibt es neue Erkenntnisse?«

Sie blickte auf ihren Computer. »Nun ja! Wie schon vermutet wurde sie mit dem Seidenschal erdrosselt. Andere Anzeichen für eine tödliche Verletzung gibt es nicht. Auch der toxikologische Befund ist negativ, also keine Vergiftung oder Ähnliches. Die Todeszeit kann ich auf 18 bis 20 Uhr eingrenzen. Ich weiß nicht genau, wie lange sie der Witterung ausgesetzt war. Was ich außerdem definitiv sagen kann, ist, dass sie gefangen gehalten und misshandelt wurde. Das beweisen Hämatome an ihrem Körper, von denen die ältesten maximal fünf bis sechs Tage alt sind. In dieser Zeit wurde sie auch nicht regelmäßig ernährt. Das zeigt ihr körperlicher Gesamtzustand. Wollen Sie den ganzen Bericht noch in digitaler Form per E-Mail haben?«

»Wenn es Ihnen nichts ausmacht, können Sie es mir zusätzlich noch als PDF-Datei schicken. Also, dann danke, ich muss weiter«, verabschiedete sich Habich und wollte das Büro verlassen.

Die Stimme der Gerichtsmedizinerin hielt ihn zurück. »Sagen Sie mal, Herr Hauptkommissar, ich habe gehört, Sie sind ein Liebhaber des hiesigen Weines und der fränkischen Küche. Stimmt das?«

»Sooooo! Sie haben ja anscheinend schon viel über mich gehört«, stellte Habich fest. »Ich dagegen von Ihnen noch kein bisschen.«

»Das ließe sich ändern. Ich erzähle Ihnen etwas von mir, wenn Sie mir gastronomische Empfehlungen geben könnten und mir Gesellschaft leisten. Ich bin neu hier in Würzburg, kenne niemand und habe keine Ahnung, wo man gut essen und trinken kann. Zudem bin ich noch nicht ganz eingerichtet, die Küche fehlt noch, was das Kochen im Moment etwas schwierig macht«, erklärte die Pathologin freundlich lächelnd.

»Ich denke darüber nach und lass es Sie wissen«, sagte er beim Hinausgehen.

Was war denn das jetzt? fragte sich Habich verwundert im Flur des Gerichtsmedizinischen Institutes. Hatte Frau Doktor versucht ihn anzumachen oder war das eher harmlos zu sehen und die Fantasie ging mit ihm durch. Na ja, eigentlich hatte er sich nach mehreren Fehlschlägen geschworen die Finger von der holden Weiblichkeit zu lassen, aber diese Rechtsmedizinerin war schon verdammt hübsch, nein, sie war eine Wucht, korrigierte er sich selbst. Und nicht nur das, nett schien sie auch zu sein und sie wollte mit ihm ausgehen. »Alter Narr«, schimpfte er sich auf dem Weg zu seinem Wagen in Gedanken, »du hast doch selbst gehört, wie sie sagte, dass sie nur Empfehlungen braucht. Die Einladung war sicherlich nur eine Höflichkeit von ihr.« Obwohl, so ganz abgeneigt war er nicht, musste er sich eingestehen. »Vielleicht … vielleicht könnte man ja einen Versuch wagen«, dachte er laut. Wie lange war das mit seinen Beziehungen zu Frauen her, überlegte Theo. Es musste eine gefühlte Ewigkeit sein. Gut, nach dem Ende seiner letzten festen Bindung hatte es noch drei flüchtige Abenteuer ohne den Erfolg auf Dauerhaftigkeit gegeben. Dazu hatte seine Enttäuschung zu tief gesessen. Tamara, seiner letzten Liebe, hatte es hier nicht gefallen. Sie bezeichnete Würzburg und die Region als Provinz und da sie ein Großstadtkind war, hatte es sie dorthin zurückgezogen. Sie hatte Trubel, Kurzweil und die Stadtluft gebraucht und war wieder zurück nach Frankfurt gegangen. Ihr Ultimatum an ihn, nach Frankfurt in seine Geburtsstadt mitzugehen, hatte er verstreichen lassen. So wie seine Liebe zu Tamara schwand, so entstand eine andere Liebe zu der neuen Heimat.

Er rangierte seinen X3 aus der Parklücke und fuhr los. Das schmale Gesicht der hübschen Rechtsmedizinerin mit der schlanken, ebenmäßigen Nase, den blauen Augen und dem blondgelockten Haar ging ihm nicht aus dem Sinn, bis er das Ortsschild von Kitzingen erreichte.

Zuerst suchte er Valerie Rissek in ihrer Wohnung. Auf sein Klingeln meldete sich niemand. Anschließend fuhr er zur Kitzinger Klinik. In der dortigen Abteilung der Inneren Medizin fand er die Gesuchte. Die Nachricht vom Tod ihrer Freundin wirkte wie ein Schock auf die junge Frau.

»Können wir nach draußen gehen? Ich brauch etwas zu rauchen«, bat sie ein wenig verstört. »Was ist passiert?«, fragte sie, als ihre Zigarette brannte.

Habich verriet ihr so viel, wie er für richtig hielt. »Erzählen Sie mir etwas über Ihren gemeinsamen Abend«, forderte er dann Tanjas Freundin auf.

Frierend schlug Valerie die dünne Strickjacke enger um ihren Körper. Mit hastigen Lungenzügen rauchte sie zwei Zigaretten hintereinander, während sie berichtete: »Ich habe Tanja nach der Arbeit mit meinem Wagen abgeholt und wir sind nach Würzburg in eine Diskothek gefahren. Dort haben wir noch drei Freunde getroffen. So gegen halb vier Uhr haben wir die Disco verlassen. Wir wollten noch nicht ins Bett, hatten alle Hunger, wussten aber nicht wohin. Fastfood ist nicht so unser Ding.« Sie lachte gequält. »Tanja kam dann auf die Idee, bei mir noch eine Flasche Rotwein zu trinken und ein oder zwei Dosen Ravioli heiß zu machen. Ich bin bekannt dafür, dass ich für alle Fälle immer ein paar Schnellgerichte im Haus habe. Der Vorschlag wurde angenommen und wir sind dann alle zu mir nach Kitzingen in die Wohnung gefahren. Na ja, wir haben dann noch an einer Tankstelle ein Sixpack Bier geholt, da die zwei Jungen, die dabei waren, keinen Wein wollten. Dann sind wir zu mir. Eigentlich bin ich zu der Zeit davon ausgegangen, dass Tanja bei mir schläft. Das hat sie öfters gemacht, wenn wir am Wochenende unterwegs waren …«

»Warum dieses Mal nicht?«

»Sie wollte plötzlich nachhause …«

»Aber sie wohnte doch in Dettelbach bei ihren Eltern. Wie wollte Sie da hinkommen?«

»Ja eben! Ich habe ihr auch gesagt, dass sie keiner mehr heimfahren kann. Wir hatten inzwischen alle Alkohol getrunken. Sie meinte nur, das wäre nicht schlimm, sie würde sich ein Taxi nehmen …«

»Hat sie eins genommen?«

»Ich weiß es nicht hundertprozentig, gehe aber davon aus. Tanja hat von meinem Festnetzanschluss aus die Taxizentrale angerufen und einen Wagen bestellt. Sie meinte, die Dame am Telefon hätte ihr gesagt, es könne etwas dauern.«

»Wann war das etwa?«

Die junge Frau dachte kurz nach. »Das müsste so gegen fünf oder halb sechs Uhr gewesen sein. Genau kann ich es aber nicht sagen.«

»Sie haben sie aber nicht ins Taxi steigen sehen?«

»Nein! Sie hat einige Minuten nach dem Anruf meine Wohnung verlassen, obwohl noch kein Wagen da war. Ich habe ihr gesagt, sie soll warten, bis das Taxi kommt, aber sie meinte, sie bräuchte ein bisschen frische Luft und wolle vor dem Haus warten. Wenn sie das so wollte, war es für mich okay.«

»Könnte sie zu einem Fremden ins Auto gestiegen sein?«

»Nein, das halte ich für ausgeschlossen.«

»Was war mit den anderen drei Freunden, die dabei waren?«

»Die sind ungefähr noch eine halbe Stunde geblieben und dann gemeinsam gegangen. Als ich die drei verabschiedet habe, war auf jeden Fall von Tanja nichts mehr zu sehen.«

»Können Sie mir die Namen ihrer Freunde geben und mir sagen, wie ich sie erreichen kann?«

Valerie zog ihr Handy aus der Gesäßtasche, rief ihre Kontakte auf und nannte dem Hauptkommissar Namen und Telefonnummern der drei.

»Gut! Das war’s fürs Erste«, bedankte sich Habich. »Ach ja, eine Frage habe ich doch noch. Hatten Sie danach noch mal Kontakt mit Tanja Böhmert: Anruf, SMS, WhatsApp oder was auch immer es da noch alles gibt?«

»Nein!« Valerie schüttelte heftig den Kopf und Tränen kullerten ihr dabei über die Wangen. »Hätte ich doch darauf bestanden, dass sie die Nacht bei mir bleibt, dann würde sie jetzt noch leben.«

»Selbstvorwürfe helfen Ihnen nicht weiter. Damit konnte niemand rechnen«, versuchte Habich zu trösten. Er hatte sich gerade zum Gehen abgewandt, als ihm noch etwas einfiel. »Ach, was ich noch fragen wollte. Haben Sie Herrn Lackner gekannt?«

»Sie meinen Peter?«

»Ja genau, Peter Lackner, ihren Ex-Freund.«

»Nicht wirklich«, verneinte Valerie Rissek. »Er war zwei oder drei Mal dabei, als wir zusammen ausgegangen sind, aber damals hat sich Tanja sowieso mit dem Ausgehen ein bisschen zurückgehalten. Gut, sie war noch in Ausbildung, musste viel lernen und das Geld war knapp. Ich denke aber, es lag auch an Peter …«

»Warum?«

»Meiner Ansicht nach war er schwer eifersüchtig und hat es nicht gerne gesehen, wenn Tanja ausging. Er wollte sie nicht alleine weglassen und gemeinsam sind sie nicht oft weggegangen, weil er nebenbei am Wochenende noch gejobbt hat. Tanja war jung und wollte etwas erleben und da ist es immer wieder zu Reibereien gekommen. Erst später hat sich Tanja mir anvertraut und darüber gesprochen. Sie hat Knall auf Fall mit Lackner Schluss gemacht und ihn zum Teufel gejagt. Er hat ihr eine ganze Zeitlang noch nachgestellt.«

»Wie hat sich das bemerkbar gemacht?«

»Na ja, er ist öfters mal dort aufgetaucht, wo wir auch waren. Es sollte zufällig wirken, das war es aber nicht.« Sie machte eine abfällige Handbewegung. »Er sah zwar gut aus, war aber charakterlich ein Arsch, wenn Sie meine Meinung hören wollen.«

»Wie lange ging das mit dem Nachstellen oder Stalken, wie man heute sagt?«

»Das war meines Wissens zu Ende, als Tanja mit ihrem neuen Freund zusammen war. Der hat Peter mal zur Rede gestellt und ein ernstes Wörtchen mit ihm gesprochen. Zumindest habe ich Lackner danach so gut wie nicht mehr gesehen.«

Nach dieser Auskunft verabschiedete sich Habich endgültig von der jungen Frau und machte sich auf den Weg zurück zur Dienststelle.

Rautners Mission war nur zum Teil von Erfolg gekrönt. Der Gesuchte blieb verschwunden. Weder in dessen Wohnung noch auf der Arbeitsstelle hatte er sich sehen lassen, aber die Kollegen konnten ihm einiges erzählen. Durch die Bank weg schilderten sie Lackner als arrogant und aggressiv.

»Wenn etwas nicht funktionierte, so wie er wollte, wurde er schnell impulsiv und hatte sich nicht mehr im Griff. Mit Alkohol ging es noch schneller«, wurde dem Kommissar berichtet.

»Wo könnte er jetzt sein?«, hatte sich Rautner bei Lackners Arbeitskameraden erkundigt. Die Antwort war einstimmiges Achselzucken.

»Peter hat privat nicht viel über sich verraten. Keiner von uns war näher mit ihm befreundet. Wir sind alle nicht so richtig mit ihm warm geworden. Er war ein bisschen ein Sonderling.«

Beide Kommissare kehrten am Nachmittag von ihren Nachforschungen zurück und erstatteten entsprechend Bericht.

Jasmin hatte aufmerksam zugehört, und gerade bei Habichs Ausführungen über die Aussage von Valerie Rissek wurde sie hellhörig.

»Moment mal! Taxi, Taxi, Taxi …«, murmelte sie und holte die Akten der beiden Altfälle hervor.

»Was hat dein Gemurmel zu bedeuten?«, fragte Habich.

Ohne sofort zu antworten, blätterte sie die erste Akte durch und überflog im Schnellverfahren Protokolle von Aussagen. Gespannt schauten ihr die beiden Kollegen zu. »Hier«, sagte sie plötzlich, fuhr mit dem Zeigefinger über einen Satz und nickte. Gleich darauf hatte sie die zweite alte Akte in der Hand und nahm die gleiche Prozedur vor. Wieder wurde sie fündig und quittierte es erneut mit dem Ausruf: »Hier!«

»Klärst du uns mal auf?«, erkundigte sich Rautner.

»Ich glaube, ich habe Parallelen bei den Fällen gefunden. Als Theo von einem Taxi sprach, mit dem unser letztes Opfer heimfahren wollte, ist mir eine Gemeinsamkeit aufgefallen.«

»Dann lass mal deine Theorie hören«, forderte der Hauptkommissar seine junge Kollegin auf.

»Erstens war es jedes Mal ein Wochenende, an dem die Opfer verschwanden. Zweitens waren alle mit Freunden unterwegs und wollten alleine nachhause. Drittens hatten alle drei Frauen vor, mit einem Taxi zu fahren. Was uns fehlt, ist die jeweilige Bestätigung, dass sie auch wirklich in ein Taxi eingestiegen sind. Dafür gibt es leider keine Zeugen oder es haben sich keine gefunden. »Aber …«, sagte Jasmin bedeutungsvoll und machte eine kurze Pause, »… was wäre denn, wenn die drei Opfer in ein Taxi eingestiegen wären.«

Chris runzelte die Stirn. »Ja und, was soll dann sein?«, fragte er etwas begriffsstutzig.

»Dann hätte sie das Taxi doch sicherlich bis zur Haustür gefahren und sie wären wohlbehalten angekommen.«

»Also sind sie nicht in ein Taxi eingestiegen.«

Jasmin zögerte kurz. »Und wenn doch?«

»Jetzt verstehe ich gar nichts mehr«, gestand Rautner. »Wenn sie in ein Taxi gestiegen wären, dann wären sie doch jetzt nicht tot.«

»Und was, wenn alle drei in dasselbe Taxi gestiegen wären?«

Wieder entstand eine Pause, in der man merkte, wie es in den Köpfen der beiden Männer arbeitete.

»Ach, jetzt verstehe ich.« Chris schien es zu dämmern, was Jasmin meinte.

Auch der Hauptkommissar hatte Jasmins Schlussfolgerung verstanden. »Ich weiß, was du damit sagen willst. Dann müssten wir den Täter unter den Taxifahrern suchen.« Er nickte anerkennend. »Der Gedanke ist gar nicht so verkehrt. Darauf scheint noch keiner gekommen zu sein. Obwohl wir im aktuellen Fall dazu noch keine Aussagen haben, ob unser Opfer nicht doch ein Taxi genommen hat. Das herauszufinden, sollte unsere nächste Aufgabe sein.«

Die junge Kommissarin wirkte überzeugt, als sie sagte: »Ich wette mit euch, dass wir auch dieses Mal niemand finden, der Tanja Böhmert gefahren hat. Sollte sich das bewahrheiten, wie wahrscheinlich ist dann ein Zufall, dass in allen drei Fällen jeweils ein Taxi benutzt werden sollte und sich keines findet, das die Fahrt gemacht hat? Es wäre ein neuer Ansatz, dem wir unbedingt nachgehen sollten.«

»Wie detailliert sind dazu unsere vorhandenen Zeugenaussagen?«, wollte Habich wissen.

Chris half mit und schnappte sich eine Akte. Beide blätterten und lasen, bis sie etwas gefunden hatten. Jasmin war schneller. »Da habe ich etwas. Im Falle von Monika Starke, dem ersten Opfer. Sie war mit zwei Freundinnen in einer Diskothek im Mainfrankenpark. Die Freundinnen haben ausgesagt, dass sie früher gegangen ist und ein Taxi nehmen wollte, weil sie am nächsten Tag zeitig aufstehen wollte. Sie musste scheinbar noch Arbeiten für die Uni fertig machen. Die beiden Begleiterinnen sind noch geblieben. Für die Zeit danach haben wir keine Zeugen.«

»Okay! Auch ich habe etwas gefunden. Unser zweites Opfer war mit ihrem Partner und mehreren Bekannten in Sulzfeld auf Weinfest. Sie hatte Stress mit ihrem Freund und hat Hals über Kopf das Fest verlassen. Nur zwei der Bekannten hatten mitbekommen, dass sie geäußert habe, mit einem Taxi heimzufahren. Das war das letzte Lebenszeichen von Sylvia Harms.«

»Warum ist das damals niemand aufgefallen? … Ich meine das mit dem Taxi«, wunderte sich Jasmin.

Ihr Chef hob hilflos die Schultern und ließ sie mit einem tiefen Seufzer wieder fallen. »Wie ich euch schon erklärt habe, gab es zu der Zeit drastische Personalprobleme. Auch eine Sonderkommission stand nicht zur Debatte, da beide Mordfälle als Einzeltaten gesehen wurden. Aber woran ich mich erinnere, waren in beiden Fällen öffentliche Zeugenaufrufe mit Schwerpunkt Taxifahrer. Es meldete sich niemand. Auf den Aufwand einer Einzelbefragung der Taxifahrer wurde trotzdem verzichtet.«

»Es könnte ein fallrelevantes Versäumnis gewesen sein«, bemerkte Chris.

»So weit würde ich zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht gehen, aber gut. Ihr wisst ja nun, was ihr zu tun habt«, sagte Habich und blickte dabei abwechselnd auf Jasmin und auf Rautner. »Ich möchte eine Liste aller Taxifahrer, die dafür in Frage kommen könnten.«

»Wie sollen wir das denn anstellen?«, überlegte Rautner laut. »Weißt du, wie viele Fahrer es alleine im Landkreis Würzburg und Kitzingen gibt? Und es ist nicht gesagt, dass er hier aus der Region kommt.«

»Gerade hast du von Fallrelevanz gesprochen und nun jammerst du. Auf, auf, wir müssen Versäumnisse aufarbeiten. Außerdem glaube ich kaum, dass jemand aus einer fremden Gegend mit einem Taxi hierherkommt, um ab und zu mal zu morden«, gab Jasmin zu bedenken. »Bei einem solchen Fahrzeug mit auswärtiger Nummer wäre die Gefahr groß aufzufallen und wer steigt schon in ein ortsfremdes Taxi.«

Chris winkte ab. »Du glaubst doch nicht, dass jemand zu solch später Stunde auf das Nummernschild schaut. Da ist jeder froh, wenn er ein Taxi bekommt. Nachts ist das leider immer etwas schwierig und an den Wochenenden erst recht.«

»Sprichst du aus Erfahrung?«

»Ja! Ab und zu nutze ich so etwas auch.«

Der Hauptkommissar wiegte den Kopf hin und her. »Glauben können wir viel, solange wir es nicht wissen, nützt es uns nichts. Den Einwand von Chris, dass der Fahrer nicht von hier stammt, sollten wir nicht ganz von der Hand weisen, da wir im Dunkeln tappen und alles möglich sein kann. Denkt an die Anweisung von Kriminaloberrat Schössler, in alle Richtungen zu ermitteln. Noch ist die Theorie mit dem Taxi eben nur eine Theorie. Warum soll es kein Urlauber sein, der ab und zu mal hierherkommt, oder ein Monteur, der hier zeitlich begrenzte Arbeitseinsätze hat und dann wieder für Jahre verschwindet? Daher vielleicht die großen Zeitabstände zwischen den Morden.« Habich traf eine Entscheidung. »Aber wir konzentrieren uns jetzt zuerst mal auf die Taxis und dabei auf die Bereiche Würzburg und Kitzingen. Sucht die Unternehmer auf, fragt bei den Verbänden nach. Die Behörden wissen, wer alles Taxikonzessionen hat und wer einen Taxischein besitzt. Also ran an die Arbeit.«

Schwarzfahrt

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