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1. Der Behandlungsvertrag

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Die vertragliche Haftung basiert auf dem medizinischen Behandlungsvertrag.[21] Dieser wurde nach ganz herrschender Ansicht und in der zivilrechtlichen Rechtsprechung in der Regel als Dienstvertrag angesehen.[22] Dabei stellte sich das Haftungsrecht weithin als systematisierte Rechtsprechung dar. Dieser Zustand wurde durch das am 26.2.2013 in Kraft getretene Patientenrechtegesetz, das die ältere Rechtsprechung gewissermaßen in einem Gesetz bündelte, festgeschrieben.

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Ein Patientenrechtegesetz in dem Sinne, dass unter diesem Titel ein eigenständiges Gesetz existiert, gibt es nicht. Vielmehr handelt es sich um ein sogenanntes Artikelgesetz, dessen Artikel Änderungen anderer Gesetze enthalten. Im Wesentlichen wurden die §§ 630a–630h in das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) eingefügt. Weitere Änderungen betreffen das SGB V. Diese Vorschriften sind für den Patienten von weitaus größerer Bedeutung als für den Arzt im Verhältnis zum Patienten.

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In der jahrzehntelang währenden Diskussion über die Notwendigkeit eines solchen Gesetzes und seine Ausrichtung wurde der Begriff Patientenrechte nicht definiert. Dabei weichen die Vorstellungen über den Inhalt durchaus stark voneinander ab. Unter Patientenrechte können zum einen die Rechte des Patienten in der Behandlung beim niedergelassenen Arzt oder in der Klinik verstanden werden. Das dürften geschätzt bis zu 12 Milliarden Behandlungsfälle (Patientenkontakte) im Jahr sein. Insbesondere die Patientenschutzverbände verstehen unter den Patientenrechten indessen die Rechte des Patienten im Konfliktfall; das dürften 10.000–300.000 Fälle im Jahr sein. Je nach Definition können und werden andere Forderungen an den Inhalt eines Patientenrechtegesetzes gestellt werden. Die Reform hat sich zu recht dafür entschieden, die Arzt-Patienten-Beziehung im normalen Ablauf zu regeln, nicht so sehr die Konfliktfälle. Sie sind allerdings Gegenstand der Beweislastregeln des § 630h BGB.

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Weitaus heftiger als der Inhalt wurde bisher die Frage diskutiert, ob ein solches Gesetz überhaupt notwendig sei, zumal es weithin nur den bestehenden, durchaus ausreichenden Rechtszustand in Gesetzesform gieße[23]. Die Begründung der Bundesregierung lautet, dass die Patienten durch die ausdrückliche Aufnahme ihrer Rechte in das BGB besser über ihre Rechte informiert seien, eine Annahme, die füglich bezweifelt werden kann. Aus Sicht der Ärzteschaft steht ein anderer Gesichtspunkt im Vordergrund, nämlich der, dass es unter einer anderen Regierungskoalition schlimmer hätte kommen können und dass das Vorhandensein des Gesetzes in der aktuellen Fassung wahrscheinlich eine weitere zeitnahe Beschäftigung mit dem Thema – und damit eine Verschlimmerung – verhindern wird. In der Diskussion sind derartige Überlegungen aber immer noch. Eine Reform des Arzthaftungsrechts, eventuell in Form einer Fondlösung, wird immer wieder propagiert.

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§ 630a Abs. 1 BGB normiert den Behandlungsvertrag als Sonderform des Dienstvertrages. Das ergibt sich sowohl aus der Überschrift des Titel 8 – „Dienstvertrag und ähnliche Verträge“ –, dem Wortlaut des § 630a BGB, den Materialien, die sich insoweit auf die ältere einschlägige Literatur berufen[24], als auch ausdrücklich aus § 630b BGB, der zur Lückenfüllung auf die Vorschriften des Dienstvertrages verweist, soweit in den §§ 630a ff. BGB nichts Abweichendes festgelegt ist. Auch die Stellung im Gesetz spricht für dieses Ergebnis und nicht etwa dafür, dass der Behandlungsvertrag dogmatisch zwischen Dienst- und Werkvertrag angeordnet ist[25]. Entsprechendes gilt für den Reisevertrag, der in den §§ 651a BGB geregelt ist, und gleichfalls als spezielle Ausprägung des Werkvertrages angesehen wird[26] und gleichfalls schon vor der Kodifizierung als Werkvertrag behandelt wurde[27]. Der Werkvertrag ist in Titel 9 geregelt.

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Gegen die Einordnung als Werkvertrag wird zur Recht angeführt, dass das Werkvertragsrecht nicht den Besonderheiten des Behandlungsvertrags entspricht. Insbesondere schuldet der Arzt regelmäßig keinen Heilerfolg. Aber auch die Regelungen zur Sachmängelhaftung und zur Abnahme finden – naturgemäß – auf die medizinische Behandlung eines Menschen keine Anwendung. Die Einordnung des Behandlungsvertrages in das Dienstrecht sichert zudem, dass der Arzt, im Zweifelsfall, gemäß § 613 S. 1 BGB die Leistung in Person erbringen muss. Demzufolge handelt es sich beim Behandlungsvertrag nicht um „einen eigenen Typus“[28], wohl aber wird er durch die Besonderheiten der ärztlichen Tätigkeit charakterisiert.

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Dennoch wird die Frage, ob nicht doch auch Werkverträge oder gar Verträge sui generis als Behandlungsverträge möglich sind, wieder und immer noch erörtert. Zum einen wird eine ausdrückliche Vereinbarung eines Werkerfolges als Abweichung von dem gesetzlichen Leitbild für möglich gehalten[29]. Dem ist aus berufsrechtlichen Gründen zu widersprechen. § 11 Abs. 2 MBO verbietet es dem Arzt, den Erfolg seiner Tätigkeit zu versprechen: „Unzulässig ist es auch, Heilerfolge, insbesondere bei nicht heilbaren Krankheiten, als gewiss zuzusichern“[30]. Diese berufsrechtliche Festlegung beruht auf den tatsächlichen Voraussetzungen, die die medizinische Behandlung des Patienten bestimmen, ,,dass der Einfluß eines derartigen Eingriffes auf den Ablauf biologischer und physiologischer Zusammenhänge im Organismus nicht nur von der ärztlichen Tätigkeit, sondern auch weitgehend von der individuellen Konstitution und dem nachoperativen Verhalten des Patienten abhängig ist“[31].

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Schwieriger zu beurteilen sind die Fälle, in denen der Arzt Prothesen – im weitesten Sinne – in den Körper integriert. Die Anfertigung der Prothesen (Zahnersatz[32], Sehhilfen u.Ä.) unterfällt nach der älteren Rechtslage jedenfalls dem Werkvertragsrecht[33]. Die Offenheit des Wortlauts des § 630a Abs. 1 BGB könnte dafür sprechen, auf diese Fälle auch die Regeln des Behandlungsvertrages, also Dienstvertragsrecht, anzuwenden. Das ist aber den Materialien zufolge nicht der Fall[34] und wird auch von der neueren Literatur zu recht nicht befürwortet. Es bleibt also für diese handwerklichen oder fabrikmäßigen Anfertigungen beim Werkvertrag. Soweit diese Prothesen aber am menschlichen Körper vorbereitet oder eingepasst werden, gelten die oben genannten Gründe für den Dienstvertrag gleichfalls, so dass auch diese Tätigkeiten dem Behandlungsvertrag gemäß § 630a Abs. 1 BGB unterliegen. Das gilt sowohl für das Verschreiben einer Brille als auch für die Vermessungen zur Vorbereitung einer Zahnprothetik vor der Herstellung einer Prothese, als auch für das Anpassen von Kontaktlinsen und Zahnprothetik. Der bewährte Merksatz behält seine Richtigkeit: Alles was am Patienten geschieht, unterliegt dem Behandlungsvertrag (Dienstvertrag), alles, was außerhalb des Patienten geschieht, folgt dem Werkvertragsrecht. Demzufolge handelt es sich z.B. beim Brillenherstellen um einen Werkvertrag, beim Verschreiben einer Brille um einen Dienstvertrag.

Handbuch Arzthaftungsrecht

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