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Kings College, London/12.45 Uhr (GMT)

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Während die einen auf dem Weg zum Flughafen waren, saßen Ann Singer und Mark Stettler auf dem Rücksitz einer Limousine, die sie zum Kings College bringen sollte.

Ann Singer starrte nachdenklich aus dem Fenster. Wind war aufgekommen, und Wolken zogen rasch über den stahlblauen Himmel. Sie war immer ein recht gläubiger Mensch gewesen, aber diese Katastrophe – sie weigerte sich, es einfach Vorfall zu nennen – hatte sie ins Grübeln gebracht. Was, wenn die Menschheit wirklich nur ein Genexperiment übergeordneter Wesen war, die sich alle paar Jahrtausende mal nach ihren Labormäusen erkundigten? War das der Gott, an den sie glaubte? Was blieb ihr, wenn sie feststellen musste, dass sich alles, was sie gelernt hatte, woran sie glaubte, als Trugschluss erwies? Dennoch – sie war Wissenschaftlerin, und es war unbestreitbar eine wissenschaftlich interessante Situation, die sich ihr hier bot. Wenn sie ehrlich war, konnte sie es kaum erwarten, sich an die Arbeit zu machen, Glaube hin oder her. Sie warf noch einen Blick hinauf in den Himmel, wandte sich zu Stettler um. „Mark, was werden wir wohl herausfinden?“

„Ich weiß es noch nicht genau, ich befürchte jedoch, es wird uns nicht gefallen. Und ich sehe dir an deiner Nasenspitze an, dass es dir genauso geht.“

Singer nickte.

„Aber immerhin sind wir zu Hause, wenn die Welt untergeht.“ Stettler lächelte gequält. „Ich weiß nicht, ob wir das diesmal hinkriegen, Ann. Also nicht wir beide – die Menschheit, meine ich. Ich habe das Gefühl, als stünden wir auf dem Prüfstand. Nur gibt uns niemand vorher die Fragen, die wir beantworten müssen.“ Er griff nach ihrer Hand. „Aber ich bin froh, dass wir diesmal zusammen unterwegs sind. Was wäre wohl aus mir geworden, wenn wir uns nie begegnet wären?“

„Wahrscheinlich wärst du ein verschrobener Wissenschaftler mit schiefen Zähnen, zerzausten Haaren und einem weißen Kittel, der irgendwo in einem Keller sitzt und wilde Experimente durchführt.“ Singer musste grinsen, als sie an den Mark Stettler dachte, den sie zu Beginn des Studiums in einer Bar kennengelernt hatte. Er war der sprichwörtliche Nerd gewesen: Wilde Haare, Hornbrille, Schlappen an den Füßen und mit den Gedanken permanent woanders.

„Ach ja?“ Jetzt grinste auch er. „Aber ich bin genial, oder? Warum ist nie was aus uns geworden? Waren es meine Zähne oder die zerzausten Haare?“

Ann Singer musste wider Willen lachen. „Du bist hier, oder? Das heißt, du bist brillant. Und trotzdem ein Kindskopf“, setzte sie hinzu, „aber wenn du brav bist, wer weiß, vielleicht werd ich dann schwach. Allerdings nur, wenn du die Welt rettest, dann bekommst du einen Kuss.“

Sie sahen sich mit einem Lächeln an, in dem Vertrauen, Freundschaft und vielleicht noch etwas mehr mitschwang, über das sich Singer in diesem Moment keine Gedanken machen wollte.

„Natürlich, oha, na dann ran ans Werk!“ Im nächsten Moment wurden sie wieder ernst. „Wir sollten uns überlegen, wen wir noch ins Boot holen könnten“, sagte Stettler jetzt, bereits wieder in den Arbeitsmodus verfallend. „Callahan will Antworten und das so schnell wie möglich.“

„Wir werden einfach unsere beiden Teams hierher beordern“, schlug Singer vor. „Lass uns das gemeinsam und am selben Ort durchführen. Es wird noch genügend Videokonferenzen geben. Mir ist es lieber, wir sind in einem Gebäude. Das macht die Kommunikation erheblich einfacher.“

„Das ist eine gute Idee! Equipment sollte vorhanden sein. Das Kings College betreibt ja seit Jahren ein eigenes Genforschungsprogramm.“

Singer nickte eifrig. „Diese Abteilung können wir auch gleich noch dazunehmen. Kennst du jemanden dort?“

„Nein, aber einige der Forscher hier sind sehr namhaft. Ich habe kürzlich einen Fachaufsatz gelesen, den ein Team vom Kings College verfasst hat – der war wirklich gut.“

Der Wagen hielt, Stettler stieg aus, ging um das Auto herum und öffnete seiner Kollegin die Tür.

„Ich bin jedenfalls lieber hier mit dir als irgendwo in der bolivianischen Wüste.“ Singer dankte dem Fahrer und hakte sich bei Stettler ein. „Komm schon. Machen wir uns an die Arbeit.“

Das Schöpfer-Gen

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