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Lea Comwell hatte knapp schulterlanges blondes Haar, mit Strähnchen und Highlights gesäumt, das sie meist offen oder in einem unordentlichen hohen Zopf trug. Ihr Markenzeichen waren die goldenen Kreolen, die an vielen Ohren billig aussehen mochten, doch bei Lea unterstrichen sie nur ihre Außenwirkung: einen aufregenden Mix aus Blumenmädchen und moderner Tresendame in einem hippen Schuppen. In Wahrheit hatte sie in Portland Bauingenieurswesen studiert und arbeitete bei einer Hochbaufirma in der Konzeption. Als Frau war sie in ihrem Beruf eine Rarität, dementsprechend viele Verehrer hatte sie.

Maddies Kompetenzen waren auf andere Bereiche ausgerichtet: Kinder, Englisch und Sport – deshalb war sie auch Grundschullehrerin geworden und keine Ingenieurin.

So unterschiedlich sie auch waren, als beste Freundinnen kannten sie einander so gut, dass Lea sofort sah, dass Maddie im Ausnahmezustand war, als sie sich drei Tage nach ihrem letzten gemeinsamen Serienabend auf einen Kaffee in der Stadt trafen.

„Was auch immer es ist, spuck es sofort aus“, forderte Lea trocken.

„Lass uns doch erst mal bestellen“, gab Maddie zurück, während sie versuchte weniger aufgeregt zu wirken, als sie es seit Tagen war. Sie fühlte sie sich, als könnte sie Bäume ausreißen. Vielleicht sogar Häuser. Oder Planeten.

Sie bestellten süße Kaffeeträume mit allerlei verschiedenen Dingen drin, die mit Kaffee genaugenommen nicht mehr viel zu tun hatten, und setzen sich an ihren Lieblingstisch in der rechten Ecke beim Fenster.

„Was ist denn mit dir passiert? Lotterie-Gewinn? Speed, LSD?“, neckte Lea, als sie schließlich saßen.

„Ich muss dir was zeigen“, antwortete Maddie knapp und kramte ihr Smartphone hervor. Die Benachrichtigungen für neue Likes und Kommentare bei Twitter hatte sie inzwischen ausgestellt, um nicht wahnsinnig zu werden. Sie öffnete ihren ursprünglichen Tweet mit der Frage zu Chases Hosen und klickte auf Chase Andersons Antwort. All das, was sie Chase Anderson schreiben wollte, auf 140 Zeichen zu begrenzen, war hart gewesen. Sie drückte Lea das Handy wortlos in die Hand.

Der Moment in dem Lea verstand, mit wem Maddie da online einen öffentlichen Dialog geführt hatte, war gleichzeitig der, in dem sie sich zurücklehnte und nun mit zusammengezogenen Augenbrauen konzentriert auf das Display starrte.

Von @mads_v_g

Lieber Chase, ich möchte deinem Team seine Kompetenz nicht absprechen. Wie stehst du zu deiner Po-Form und Jeans? Was ist mit Logans freiem Willen?

Von @Chase_Anderson_for_real

Hey @mads_v_g, Fragen zu meinem Po beantworte ich nicht. Du ja sicher auch nicht ;-) Aber wie steht es mit Wünschen für die neue Staffel von #OceansideMurders?

Von @mads_v_g

Sorry, @Chase_Anderson_for_real, hast Recht. Wünsche für #OM? Mehr Glück für Det. Estéves, Coming-Out des Gerichtsmediziners & eine Folge zu #Mobbing an Schulen!

Von @mads_v_g

Nachtrag: Bin Grundschullehrerin. #Streberin #bildungistwichtig

Von @Chase_Anderson_for_real

Mehr Glück für Detective Estévez? Der hat Glück, dass er mit Logan unterwegs ist, sonst wäre er schon zig Mal gestorben ;-) Coming-Out wär interessant, checke das.

Von @Chase_Anderson_for_real

Hab nachgefragt: kein Coming-Out, Folge zum Thema #Mobbing bereits in Diskussion. Guter Riecher, liebe @mads_v_g!

Von @mads_v_g

Wir Fans riechen alles! Danke für deinen Retweet und deine Kommentare. Mach weiter so!

„Was hab ich denn nun schon wieder falsch gemacht?“ Maddie interpretierte den Blick ihrer Freundin genau richtig, die mit wild gestikulierenden Händen bereits zu einer Standpauke ansetzte.

„Du hast ihn abgewürgt!“, stellte Lea ungläubig fest und wedelte zur Verdeutlichung mit dem Smartphone vor Maddies Gesicht herum.

„Der verdammte Chase Anderson spricht mit dir – mit dir persönlich – und du sagst ‚DANKE FÜR DEINEN RETWEET‘? Das ist so wie ‚Danke für deine Nummer, aber nein danke!‘ – Mensch Maddie, wie dämlich bist du denn?“

Ein stechendes, sehr unangenehmes Gefühl kam in Maddies Magengegend auf. Parallel zu ihrem öffentlichen Hin-und-Her mit dem Schauspieler hatten sich so viele weitere Fans mit ihren Kommentaren eingeklinkt, sodass es unübersichtlich geworden war. Twitter bekam mit, dass er sich mit ihr unterhielt, mehr als 300 Follower hatte sie in diesen drei Tagen gewonnen. Sie hätte das ja nicht ewig so weiterführen können, oder? Maddie hatte ihre drei Tage Internet-Berühmtheit gehabt und das reichte ihr auch vollkommen aus. Leas Reaktion allerdings machte ihr klar, dass sie vielleicht die einzige Chance auf mehr Nähe zu diesem Mann verspielt hatte. Was war, wenn sie Recht hatte? Was war, wenn er jetzt nicht mehr antwortete und danach auch nie wieder?

Nach einer gründlichen Analyse von Maddies Gefühlswelt schüttelte Lea den Kopf, halb belustigt und halb erschüttert von Maddies Abfuhr an den Schauspieler am heutigen Morgen. Nach einem ausgedehnten Schluck Cinnamon-Latte sagte sie:

„Weißt du, vielleicht war das gar nicht so schlecht. Er ist es gewohnt, dass alle ihm hinterherlaufen. Du bist eben kein kreischendes Fangirl, sondern viel cooler und selbstbewusster und überhaupt.“ Und nach kurzer Pause fügte sie hinzu: „Gut, dass er deinen Lama-Pyjama nicht kennt.“

„Haha“, brummte Maddie und war in Gedanken schon längst dabei zu überlegen, wie sie Chase Anderson wieder in ein Gespräch verwickeln könnte. Sie könnte einfach wieder belanglose Dinge über ihn und die Serie schreiben in der Hoffnung, dass er anbiss. Oder ihm Fragen stellen. Oder einfach nichts tun. Oder ihm über die private Mitteilungsfunktion in Twitter eine Nachricht schicken. Nein, das würde sie sich nicht trauen. Und was sollte sie auch schreiben? Lea unterbrach ihr Gedankenchaos.

„Hat Pete das mitgekriegt?“

„Du weißt doch, Pete kriegt gar nichts mit“, seufzte Maddie. Lea lehnte sich zurück und bedachte ihre Freundin mit einem langen Blick.

„In diesem Fall vielleicht besser so, was meinst du? Du brauchst deshalb kein schlechtes Gewissen zu haben, Maddie. Es ist eine Ausnahmesituation und sie wird nirgendwo hinführen. Du darfst auch einfach mal ein bisschen träumen.“

Ja, vielleicht durfte sie das sogar. Vielleicht fühlte es sich aber trotzdem nicht richtig an, Herzklopfen wegen eines anderen Mannes zu bekommen – selbst wenn es eine Fan-Beziehung war und keine echte. Oder gerade deshalb, weil es so albern war. Lea zuckte mit den Schultern.

„Musst du wissen. So wie ich dich kenne, hast du es ihm lieber nicht erzählt, um ihm Kummer zu ersparen und da er kein Twitter hat, wird er es vermutlich nie erfahren. Umso besser. Du schwärmst jetzt noch ein paar Tage herum, die ganze Sache kühlt ab und dann ist alles wieder wie vorher.“

„Mh“, seufzte Maddie ohne selbst zu wissen, ob das eine Zustimmung sein sollte oder nicht.

„Dass du Mr. Superheiß jetzt persönlich kennst, ist doch noch ein Grund mehr, zur Convention nach L.A. zu fahren“, bemerkte Lea mit vielsagendem Blick. „Ach komm schon, letztes Jahr hatten wir wahnsinnigen Spaß. Es hat sich doch echt gelohnt! Solche Events gehören zu den Dingen, an die du dich als Oma erinnern wirst. Du wirst dich daran erinnern, wie verrückt du warst und wie unvernünftig, und dass du es keinen Tag bereut hast!“

„Meinst du, ja?“, lachte Maddie.

„Klar“, bekräftigte ihre Freundin. „Außerdem haben wir beim letzten Mal richtig tolle Menschen getroffen.“

All das, was Lea sagte, stimmte. Maddie legte den Kopf schief und wehrte sich gegen den unvernünftigen Gedanken, den Schauspieler auf der Convention wirklich kennenzulernen. Eine solche Veranstaltung ermöglichte es den Fans, zusammenzukommen, die Seriendarsteller zu treffen, Fotos mit ihnen zu machen und Zeit mit ihnen zu verbringen. Allerdings war man dabei immerzu umgeben von hunderten, gar tausenden anderen Fans und es war reine Illusion zu glauben, man hätte eine Chance, einem der Stars dort wirklich näher zu kommen. Eine Convention lebte von ihrer besonderen Atmosphäre, von einem bunten, lustigen Miteinander, vielleicht auch von einer romantischen Hintergrundspannung, aber nicht von unwahrscheinlichen Love-Stories.

Leas hochgezogene Augenbraue sprach Bände – wie so oft war sie entschlussfreudiger als Maddie, aber sie wusste auch, dass solche Aktionen für Maddies Geldbeutel eine Herausforderung waren. Schon früher hatte die Rollenverteilung zwischen ihnen so ausgesehen: Lea erhielt Unterstützung aus ihrem wohlhabenden Elternhaus und Maddie schlug sich mit einem halben Sport-Stipendium und Babysitting herum.

„Gut. Okay“, sagte Maddie schließlich. Lea fiel ihr um den Hals, stieß dabei fast ihren Kaffee um.

„Wahnsinn, Maddie! Du wirst sehen, das wird wieder richtig gut. Chase Anderson live!“

„Und etwaige andere Schauspieler.“

„Willst du mir etwa eine Schwärmerei unterstellen? Über so etwas bin ich vollkommen erhaben.“

Maddie lachte und fühlte sich nach der Entscheidung, das viele Geld für das gemeinsame Wochenende im Januar auszugeben, eigenartig befreit.

„Klar. Jetzt wo ich quasi einen persönlichen Draht zu Chase habe, kann ich ja für dich mal nach Stefs Handynummer fragen.“

„Ach Maddie, warum leben wir eigentlich in Portland? Warum nicht in Oceanside? Ein Ort, der nur aus hübschen Häusern, ein paar Marinesoldaten und Strand besteht? Wir sollten wirklich mal dorthin fahren. Dann lernen wir surfen und liegen den ganzen Tag an der Kalifornischen Küste.“

„Ich bin sicher, es ist gar nicht so toll da, wie sie es immer zeigen. Außerdem, wenn man der Serie glauben darf, gibt es in diesem kleinen Küstenort ganz schön viele Mordfälle.“

Lea schnaubte. „Ist doch egal, solange die Detectives so gut aussehen und ab und zu in Badehosen durch die Wellen reiten. In drei Monaten ist die Convention, bis dahin hat sich dein kleiner Chase-Anderson-Traum eh erledigt.“

Maddie lehnte sich zurück. Der Blick durch das Fenster zeigte einen grauen, verregneten Herbsttag. Die Wolkendecke hing wie eine dichte Watteschicht zwischen der Stadt und dem Himmel.

*

Maddies Erwartung, dass sich die Ereignisse folgenlos in Luft auflösten, entpuppte sich einige Tage später als voreilig. Chase Anderson hatte erst einmal nichts mehr von sich hören lassen und sie hatte nichts mehr online gestellt, was er hätte kommentieren können. Sein einziger Post war ein Foto von sich, nachdem ihn offenbar die Maske so verunstaltet hatte, dass das Ergebnis aussah wie die Folgen eines Kampfes mit einem Bügeleisen. Die Normalität wollte gerade wieder Einzug halten. Entsprechend eines üblichen Samstags saß Maddie mit angezogenen Beinen auf dem Sofa und las in ihrem Buch über Sport für Kinder, welches sie für die Vorbereitung ihrer Unterrichtsstunden zu Rate zog. Ihr neues Sofa - das Stroh-Sofa, wie sie es inzwischen in Gedanken nannte - war mit blass-grauem Stoff überzogen und passte zumindest farblich gut in das Arrangement ihres Wohnzimmers. Nur bequem war es leider nicht und vor etwa drei Wochen hatte es begonnen, eigenartig zu knistern, wenn man sich setzte.

Pete engagierte sich nicht sonderlich, wenn es um Einrichtung ging. Er mochte es, wenn Sachen ihren Platz hatten – ob sie nun aber einem farblich stimmigen Gesamtkonzept unterlagen, war ihm recht egal. Maddie erinnerte sich noch gut an ihre Abschlusszeit, in der so viele Dinge zusammengekommen waren. Während sie ihre letzten Prüfungen gehabt hatte, waren sie und Pete bereits auf Wohnungssuche gegangen. Peter McCormik, mit dem sie damals erst seit einem Dreivierteljahr zusammen gewesen war, zögerte nicht eine Sekunde, als es darum ging, diesen gemeinsamen Schritt zu gehen.

Maddie blickte über ihren Buchrand zu ihm herüber. Er hatte braunes, lockiges Haar und haselnussbraune Augen, war schlaksig und hatte diese süßen Sommersprossen. Er konnte zwar nicht kochen, dafür aber putzen, Wäsche waschen und aufräumen. Zusätzlich war er auch noch klug, liebevoll, geduldig und lustig – ein echter Volltreffer eben. Zumindest, wenn er sich mit etwas anderem beschäftigte als mit Computern.

Und da machte es wieder Pling, denn offenbar hatte sie nur die Benachrichtigungen über neue Follower und Kommentare ausgestellt, allerdings nicht die für die Ankündigung einer neuen Direktnachricht. Eine Push-Up-Nachricht auf dem Sperrbildschirm verriet ihr, dass Chase Anderson ihr geschrieben hatte.

Wumms, Normalität wieder verschwunden.

Sie würde die Nachricht nicht hier lesen, nicht neben Pete, das war nicht richtig. Maddie ließ ihr Handy in die Hosentasche gleiten und verschwand in der Bastelstube. Pete sah kaum auf, war vertieft in seine Wochenendlektüre, die meist aus einer IT-Zeitschrift bestand. Maddie spürte das Blut in ihre Wangen schießen. Die Reaktion ihres Körpers war ungefähr die eines Teenagers, dessen Schulschwarm ihn zum Abschlussball einlud.

21.10.19, 9: 28 Uhr

Liebe mads_v_g, wie geht es dir heute so? Ich habe an dich gedacht und wollte dir nur kurz einmal das Feedback geben, dass die Idee mit einer Folge zum Thema Mobbing auf Eis gelegt worden war, da aber dein Vorschlag so viele Likes bekommen hat, nimmt der Sender die Überlegung wieder auf. Ich persönlich finde das super, vielen Dank für dein Engagement in diese Richtung.

Gruß, Chase Anderson

Maddie sah auf die Uhr. Es war halb zehn morgens, sie hatten gerade gefrühstückt. Sie war sich nicht sicher, warum das gerade wichtig war – vielleicht, weil etwas zu tun, was sich verboten gut anfühlte, etwas für Freitagabende war und nicht für einen jungen Samstagmorgen. Aber es war nicht verboten, eine Nachricht zu schreiben. Auch nicht, wenn das Herz dabei höher schlug.

21.10.19, 10: 03 Uhr

Hallo Chase Anderson!

Wow – eine Nachricht von dir in meinem Postkasten, da habe ich aber gestaunt. Ich freue mich über dein Feedback. Als Lehrerin ist das Thema Mobbing Teil meines Alltags, ich erlebe es in unterschiedlichster Form, und ich finde in einer Polizeiserie kann man das gut unterbringen. Außerdem stelle ich es mir witzig vor, wenn Logan und Stef beispielsweise an Logans früherer Schule ermitteln und man ein paar Flashbacks in die Vergangenheit mitbekommt!

Und zu meinem Engagement: du bist doch derjenige, der sinnvolle Sachen teilt, die dann von Millionen gesehen werden…

Gruß, Maddie

21.10.19, 14: 16 Uhr

Hallo Maddie. Dein Name ist netter zu schreiben als dein Pseudonym!

Die Idee, Logans Schul-Vergangenheit aufzugreifen, könnte gut ankommen.

Hoffentlich unterscheidet sie sich von meiner…

Erzähl mir was von dir, Maddie-Superfan! Was hast du in deiner Schulzeit Dummes angestellt?

Welche Fächer unterrichtest du denn, woher kommst du?

Gruß aus L.A., Chase

21.10.19, 14: 51 Uhr

Hey!

Also ein Teil von mir möchte dich jetzt so etwas fragen wie: „Sorry, aber ist dir etwa langweilig? Warum schreibst du mir noch?“ Der andere Teil möchte dir gern antworten und dabei das Gefühl haben, in eine ganz normale Unterhaltung zu starten. Ich versuche es also mal damit, ja?

Ich lebe in Portland (Oregon) und unterrichte Englisch und Sport. Meine Schulzeit war arbeitsreich: ich war Cheerleaderin, das hat mir einen Teil der Uni finanziert. Eigentlich wollte ich gern Tänzerin werden, doch das hat mir mein Vater ausgeredet. So wie er mir auch meinen ersten Freund ausgeredet hat, die kurzen Röcke (zumindest die, die nicht zur Uniform gehörten), den Alkohol und die Partys. Ich war fleißig und brav in meiner Schulzeit und habe dadurch wohl einiges verpasst ;)

Und ich interpretiere das mal so, dass deine Schulzeit etwas anders verlaufen ist, mh?

Gruß, Maddie

21.10.19, 15: 12 Uhr

Liebe Maddie mit dem geheimen Namen,

da mein Vater fünf Kinder hatte, denen er die dummen Sachen ausreden musste, kam nicht so viel bei mir an und ich hab sie alle ausprobiert. Selbst in meinem Wikipedia-Eintrag steht, dass ich ein chaotischer Schüler war…

Ich habe mich dann aber auch auf den Sport konzentriert, das hat geholfen. Ich war allerdings kein Cheerleader im kurzen Rock (lieber Cargo-Hosen) sondern Kapitän des Rugby-Teams. Ist eine größere Sache in Australien, ein bisschen wie Football, nur weniger Regeln und weniger Helme.

Und da man mir auf der Schauspielschule geraten hat, die aggressiv-sportliche Schiene zu fahren, ist Sport immer Teil meines Alltags geblieben.

Tanzt du denn noch?

Starten wir jetzt in eine normale Unterhaltung?

Gruß, Chase

21.10.19, 15: 21 Uhr

Lieber Chase,

ich gebe die Frage mal zurück: kannst du denn tanzen oder „nur“ von brennenden Gebäuden springen? ;-) Mir fehlt dazu momentan die Gelegenheit. Zum Tanzen meine ich, von Gebäuden springe ich so oder so eher selten. Ist dein Schauspielleben so spannend, wie es sich anhört?

21.10.19, 15: 30 Uhr

Liebe Maddie, Schauspieler sein ist auch einfach ein Beruf – sprich: ich gehe zur Arbeit, muss dort fleißig sein und gehe wieder nach Hause. Klingt das sonderlich aufregend?

21.10.19, 15: 34 Uhr

Chase Anderson, ich vergleiche mal eben:

Jetsetten, Fernsehgalas, Modelshootings, Interviews, Stunts und Fans, die über deinen Po twittern (entschuldige nochmal… ist mir ziemlich peinlich, wenn ich bedenke, dass du das gelesen hast…) gehören jetzt nicht unbedingt zu meinem Job!

21.10.19, 15: 40 Uhr

Okay, Maddie, 1: 0 für dich. Dafür bringe ich kleinen Menschen nichts Wichtiges über das Leben bei, so wie du. Bleiben wir dabei, dass unsere beiden Jobs ihre spannenden Elemente haben, ja?

Ehrlich gesagt, macht es mir herzlich wenig aus, etwas über meinen Po zu lesen – du hast es ja nett gemeint ;) Außerdem ist Distanz zum Job immer wichtig, das schließt die Fans mit ein. Wusstest du, dass am Set von Oceanside Murders ein psychologischer Coach dafür bezahlt wird, uns in Sachen Umgang mit Fans und Rollenvorbereitung zu unterstützen? Er heißt Jim und würde mich sicher gern fragen, warum ich mit dir eine private Unterhaltung führe.

Gruß, Chase

21.10.19, 15: 52

Tatsächlich, ein eigener Coach? Neulich habe ich die Folge gesehen, wo du von kolumbianischen Menschenhändlern entführt wurdest und tagelang in einem Kellerloch ausharren musstest. Sich da hineinzuversetzen ist sicher nicht leicht, da ergibt so ein Psychologe vermutlich Sinn.

Und wenn er dich gern fragen würde, warum du mit mir schreibst, was würdest du denn antworten? Das interessiert mich nämlich auch. Ehrlich gesagt, wundere ich mich ein bisschen, dass tatsächlich du selbst deinen Account bedienst. Ich dachte immer, das würde bei Prominenten ein PR-Mensch übernehmen. (Du bist es doch selbst, oder? Hallo PR-Mensch, bitte jetzt nicht lügen…)

Und noch mehr wundert es mich, dass dich interessiert, wo ich herkomme und was ich so mache. Ich bin nur jemand, der deine Show gern guckt – davon gibt es doch so viele, wie Sand am Meer, Millionen, insbesondere Frauen! Such dir doch wenigstens eine aus, die ein schickes Profilbild drin hat.

Grüße, Maddie

21.10.19, 15: 58 Uhr

Wäre es für dich okay, wenn ich dir keinen triftigen Grund nennen könnte? Du hast mich in einer Laune erwischt, es regnet draußen und du bist nett. Ich mochte das, was du über Fans geschrieben hast, die ihr Herz öffnen. Reicht das?

Und zu deinem Profilbild: Es ist schick! Man kann dich zwar nicht ganz erkennen, aber das, was sich erahnen lässt, schließt zumindest aus, dass du in Wahrheit ein Dinosaurier bist. Ich glaube sogar erkennen zu können, dass du lange Haare hast – und das Internet muss ja auch nicht alles wissen.

Gruß, Chase

21.10.19, 18: 21 Uhr

…und das sagt einer, dessen halbes Leben im Internet nachzulesen ist. Aber das kannst du dir wohl nicht aussuchen, mh? Entschuldige, dass du auf meine Antwort warten musstest – das „richtige“ Leben ist dazwischengekommen. Genau, das, in welchem ich kein Dinosaurier bin. Ich bin eher das Gegenteil: klein, tatsächlich ganz nett und alterstechnisch aus einer anderen Epoche. ;-)

21.10.19, 19: 25 Uhr

Eine kleine Grundschullehrerin mit langen Haaren also, kein Dino. Es ist spannend mir vorzustellen, wer/wie du so bist. Bin ich so, wie du es erwartet hattest?

Nach einem Blick auf die Uhr schob Maddie den Laptop von sich. Das war doch verrückt. Diese ganze Unterhaltung war ein einziger, verrückter Ausreißer des Schicksals. Konnte es sein, dass Chase Anderson, ein 36-jähriger Typ aus Hollywood sie nach ihrer Meinung über ihn fragte? Sie konnte ja gar nicht beurteilen, wie er so war! Seine Nachrichten waren nicht zu lang, nicht zu kurz, er sparte sich Rechtschreibfehler und schrieb in klaren Sätzen, damit machte er schon mal mehr richtig als Dreiviertel aller Internetnutzer.

Mit all ihrer Gedankenkraft versuchte sie sich vorzustellen, wie Detective Alex Logan vor einem PC saß und Nachrichten schrieb. Es gelang ihr kaum. Er war ein Marine, ein Macher, ein Kämpfer – keine Couchpotatoe. Die muskulösen Arme waren sicher nicht dafür konzipiert, nur ein Handy zu tragen. Sie konnte sich sein Gesicht glasklar in Erinnerung rufen. Die dunklen Augenbrauen und den Ansatz eines Bartes, den er manchmal trug, nie mehr als vier Millimeter lang. Die dunklen Wimpern, die perfekt geformten Lippen und das oft schelmische Lächeln, die Augen wie ein Eismeer.

Was sagten die Dinge, die sie in Alex Logan im Fernsehen erkannte, über Chase Anderson aus? Es war der gleiche Mann, nur in einer anderen Rolle. Das Lächeln, das sein ernstes Gesicht so verändern konnte, gehörte ihm. Die Art, wie Logan Emotionen zeigte, war auch Andersons, oder? Und dieser Mann schrieb mit ihr?

Hast du das Gefühl, dir sei ein Gespenst begegnet, dann versuche es besser kennenzulernen, das sagte zumindest ihr Vater gern.

Oceanside Affairs

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