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Von einem kühlen Bach und der Macht des Feuers

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Thubano drehte dem Drachental den Rücken zu und sah zum ersten Mal die Landschaft hinter den Bergen. Öde, steinig und unendlich weit dehnte sie sich vor ihm aus.

„Oh, meine armen Füße“, seufzte er laut. „Ich wünschte, Vater, du hättest mich ein paar hundert Meter weiter abgesetzt.“

Er nahm die Zauberwurzel, die um seinen Hals hing, und betrachtete sie eingehend.

„Nein“, bestimmte er dann, „ich schaffe es alleine. Das ist keine Situation, aus der ich keinen Ausweg weiß!“

Tapfer begann er seinen Weg über ein Geröllfeld und schon nach kurzer Zeit taten ihm die Füße weh.

Zuerst wollte er wieder umkehren, doch dann dachte er an Galon, den munteren Drachen, der in diesem Augenblick sicherlich über ferne Wälder und Wiesen flog und die Welt erkundete. Und dieser Gedanke trieb ihn voran. Thubano wandte sich nach Nordwesten. Hier schien der Weg über die Gipfel am kürzesten. Zum Süden und Osten hin dehnte sich das Drachen­tal bis zu einem weiten Meer aus, während es Rich­tung Norden an einen großen Kontinent grenzte.

Nun war er froh, die Karten des alten Baralon aus­giebig studiert zu haben. Der alte Drache war über achttausend Jahre alt und hatte sich im Drachental zur Ruhe gesetzt. Dort verbrachte er seine Zeit damit, Karten seiner Reisen anzufertigen. Oft genug hatten die Ausführungen und Geschichten des alten Drachen über seine Kriege und Abenteuer Thubano verzaubert: Und oft hatte er zusammen mit dem Alten die Karten betrachtet und gemeinsam hatten sie weite Gedanken­reisen unternommen.

Die Sonne war längst auf ihren höchsten Punkt ge­wandert und die Luft war angenehm warm. Thubano atmete tief ein. Vor ihm lag eine grüne Ebene, die sich bis zum Horizont ausdehnte. Die Sonnenstrahlen wur­den von der Wasseroberfläche der Flüsse und Seen eingefangen und als glitzernder, silberner Sternenregen

zurückgeworfen. Wolken malten Schatten auf Wälder und Wiesen und ab und an ließen sie einen Spalt, durch den die Sonne in breiten Bändern zur Erde flu­tete. Vögel nutzten dieses Zwielicht für ihre Spiele und flogen fröhlich zwitschernd ihre Kreise durch die Lichtfurchen. Thubano meinte geradezu, das weiche Gras der Wiesen unter seinen Füßen zu spüren und das stetige Rauschen der Blätter zu hören.

Ohne Pause machte er sich an den Abstieg und war froh, als er endlich seine Hinterfüße in einem kleinen Bach kühlen konnte. Voll Wohlbehagen stöhnte er auf. Er schaute noch einmal zurück und war stolz auf sich selbst. Die Felswand, diese gigantische Mauer, wirkte von unten wie eine unüberwindliche Hürde. Er aber hatte sie bezwungen.

„Kein Wunder, dass das Drachental so abgeschot­tet bleibt“, dachte Thubano, „es liegt geschützt in ei­nem Bergring. Aber ich habe es geschafft!“

Er schloss die Augen und döste eine Zeit lang vor sich hin. Da kitzelte plötzlich etwas an seinen Zehen. Thubano kicherte und zog den Fuß rasch aus dem Bach. Ein rotweiß geschuppter Fisch steckte den Kopf aus dem Wasser heraus und lächelte den Drachen kopfschüttelnd an.

„Was sagt man dazu?“, sagte der Fisch. „Ein Drache hier unten im Tal! Du hast dich nicht etwa verlaufen?“

Thubano war entzückt. Er hatte noch nie in seinem Leben einen Fisch gesehen, denn die Bäche im Drachental waren fischlos. Er legte sich auf den Bauch, um mit dem Gesicht nahe am Wasser zu sein.

„Ich habe mich nicht verlaufen, ich bin auf dem Weg in die weite Welt!“, antwortete er stolz. „Aber wer bist du? Was machst du da im Wasser?“

„Ich bin Noktus, Herrscher der Gewässer zu Nardo. Ich lebe hier in diesem Wasser, kleiner Drache.“

Der Fisch schnellte aus dem Wasser und machte eine übermütige Drehung.

„Da wirst du ja ganz nass!“, staunte Thubano.

Noktus lachte laut auf: „Natürlich werde ich nass. Wäre schlimm, wenn es um mich herum nicht nass wäre. Wir Fische können ohne Wasser nicht leben, kleiner Drache. Das Wasser ist unsere Welt.“

„Ohne Wasser nicht leben? Heißt das, du kannst gar nicht über die Wiesen laufen, wenn es keinen Re­gen gibt?“

Abermals lachte Noktus laut auf.

„Ja, kleiner Drache. So ähnlich ist das.“

„Bist du ein Wasserdrache?“, fragte Thubano übermütig.

„Nicht doch! Ich bin ein Fisch!“

„Aber du hast Schuppen, so wie ich“, sagte Thuba­no und sah an sich herunter.

Noktus lächelte.

„Wie ist dein Name, kleiner Drache?“


„Thubano!“

„Kleiner Thubano, du musst noch viel lernen. Ich habe Schuppen, aber trotzdem bin ich kein Drache!“, antwortete der Fisch und drehte sich im Wasser, dass seine Schuppen silberne Blitze sprühten.

„Bist du ein Wasserdrache?“, fragte Thubano.

Noktus verschluckte sich beinahe vor Lachen.

„Nein, kleiner Drache”, antwortete er schließlich. „Ich bin ein Fisch, kein Drache. Wir sind nicht ver­wandt. Ich kann nicht an Land leben und du nicht im Wasser. So ist das nun mal! Aber nun muss ich weiter. Gib Acht auf dich, kleiner Drache! Die Welt außer­halb des Drachentals birgt viele Gefahren. Viele We­sen fürchten euch Drachen.“

„Uns fürchten? Warum?“

Doch Noktus war abgetaucht und Thubanos Frage versank im Wasser.

„Seltsam“, murmelte Thubano. „Weshalb sollte je­mand Angst vor Drachen haben?“

Thubano wanderte weiter den Bach entlang, bis er zu einem Wald kam. Von Wäldern wusste er nicht mehr, als er von Baralon und seinem Vater erzählt bekom­men hatte. Einige einzelne Bäume gab es auch im Drachental, aber nie waren sie so hoch und dick. Und nirgends im Drachental wuchsen so viele Bäume auf einem Platz. Immer wieder blieb er stehen und schaute hoch zu der sattgrünen Blätterdecke über seinem Kopf.

Die Nacht streckte bereits ihre schattigen Finger über das Land, als Thubano eine große Müdigkeit verspür­te. Er musste sich einen Platz zum Schlafen suchen.

„Eine Höhle muss es sein“, überlegte Thubano kur­zerhand. „Ja, eine saubere und trockene Höhle, ge­nau das muss es sein. Wo sonst soll ein müder Drache schlafen?“

Aber wo sollte Thubano eine Höhle finden? Auf sei­nem ganzen langen Weg hatte er nicht eine einzige Höhle gesehen. Er musste aus dem Wald! Doch je län­ger er lief, desto tiefer kam er in den Wald.

Er rannte nach rechts, er rannte geradeaus, er rannte nach links, doch ein Ende des Waldes war nicht ab­zusehen. Thubano bekam Angst. Angst, nie wieder aus diesem Wald zu finden, Angst, die Nacht ungeschützt in dieser fremden Umgebung verbringen zu müssen, Angst vor dem Alleinsein. Und Weiterrennen hatte auch keinen Sinn! Mutlos blieb er stehen. Ihm war komisch im Kopf und im Bauch und er setzte sich unter den nächsten Baum. Seine Augen füllten sich mit Trä­nen, die langsam an seinen Wangen herunterliefen. Es tat gut, den Kummer mit leisen Schluchzern loszu­lassen.

„Na, na, na“, drang plötzlich eine Stimme durch die Stille. „Wer wird denn gleich weinen?“

Thubano sah auf und blickte in grasgrüne Augen. Dazu gehörte ein runzeliges, braunes Gesicht. Die lan­gen Haare des kaum einen Meter großen Geschöpfes waren zerzaust und standen nach allen Seiten. Ein Waldschrat! Baralon hatte einmal von diesen zweibei­nigen Waldwesen erzählt! Dieses Wesen hier passte genau auf seine Beschreibung.

„Wer ... wer bist du?“, schluchzte Thubano. Der Waldschrat kicherte.

„Ich bin Mirakel und wer bist du? Was machst du so alleine hier im tiefsten Wald? Kleine Drachen ge­hören nicht hierher!“

Während Thubano seine Geschichte erzählte, steck­te Mirakel mal seine Hände in die Taschen, mal wipp­te er auf seinen gestiefelten Füßen, mal durchwühlte er seinen rotbraunen Haarschopf.

„Du suchst also nach einem Freund, der genauso ist wie du. Armer kleiner Drache“, seufzte er. „Leider kann ich dir nicht helfen. Ich glaube nicht, dass du ein Drachenkind finden wirst, dem es ebenso geht wie dir. Ich jedenfalls habe noch nie von einem Drachen gehört, der keine richtigen Flügel hat. Du solltest wie­der nach Hause gehen, im Drachental bist du sicher. Die Welt hier draußen ist nichts für einen Drachen, der nicht fliegen kann.“

„Aber ...“, Thubano wollte widersprechen, doch Mi­rakel legte einen Finger auf seinen Mund.

„Du kommst am besten erst einmal mit. Bei mir bist du sicher. Der Wald ist zu gefährlich für einen kleinen Drachen. Der letzte Krieg ist gerade zu Ende und viele armselige Menschen treiben seitdem ihr Un­wesen in diesem Wald.“

„Du kennst die Menschen?“, fragte Thubano.

„Leider nur zu gut“, antwortete Mirakel zähneknir­schend. „Komm jetzt! Ich werde dir auf unserem Weg erzählen, was ich weiß.“

Mirakels Berichte von den Menschen erschreckten Thubano sehr. Mirakel schilderte sie als ein kriegeri­sches, habgieriges Volk, das keine Grenzen kennen wollte. Unentwegt versuchten sie einander zu jagen und zu berauben.

„Ja, kleiner Drache, stell dir vor, selbst vor der Drachenjagd schrecken sie nicht zurück“, krächzte Mirakel und hopste Thubano voraus.

Thubano verstand plötzlich, weshalb weder Baralon noch sein Vater große Lust gehabt hatten, ihm von die­sen Wesen zu erzählen.

Mirakels kleine Hütte lag deshalb auch tief versteckt im dichten Unterholz. Der Waldschrat fürchtete die Menschen. Einmal hatten sie ihn bis zur Erschöpfung gejagt, doch Mirakel hatte in allerletzter Sekunde ent­kommen können. Ein anderes Mal hatten sie seine alte Hütte völlig zerstört, die er damals noch nicht so tief im Wald gebaut hatte. Zum Glück war er zu dem Zeit­punkt nicht zu Hause gewesen!

„Aber jetzt hab ich sie reingelegt! Mein Versteck finden sie nicht mehr so schnell“, lachte er listig. „Halte dich aber um Himmels willen abseits dieser Geschöpfe, wenn dir dein Leben lieb ist!“

Thubano musste dem Waldschrat feierlich schwö­ren, dass er Menschen gegenüber immer vorsichtig sein würde. Erst danach ließ Mirakel den erschöpften Drachen auf einem Nachtlager aus Ästen und Blät­tern schlafen. Am nächsten Morgen wurde Thubano schon sehr früh von Mirakel geweckt. Der Waldschrat trug einen großen Korb in seiner linken Hand.

„Guten Morgen“, begrüßte er den Drachen fröhlich. „Ich gehe auf Pilzsuche. Gehe ich richtig in der An­nahme, dass du gleich weiterziehen willst?“

„Da hast du Recht“, bestätigte Thubano und rieb sich den Schlaf aus den Augen. „Ich danke dir für alles.“

„Dass du aber auf dich Acht gibst! Du kannst zwar nicht fliegen, aber du hast kräftige Krallen. Klettere also auf einen Baum, wenn du dich in Gefahr glaubst. Gehe nicht zu tief in die Wälder, aber verlasse sie auch nicht. Und meide auf jeden Fall die Dörfer der Men­schen. Ich glaube zwar nicht, dass deine Suche nach einem Gleichgesinnten Erfolg hat, aber wenn du nur ausdauernd danach suchst - wer weiß? Vielleicht fin­dest du den Grund dafür, dass deine Flügel nicht wach­sen und man kann etwas dagegen tun.“

„Du glaubst, es könnte ein Heilmittel für mich ge­ben?“, fragte Thubano begeistert.

„Gar nichts glaube ich“, fauchte der Waldschrat. „Ich sagte: vielleicht.“

Thubano senkte den Kopf.

„Na, na, na. Was muss ich da sehen. Du wirst dir doch von so einem Wicht wie mir nicht den Mut neh­men lassen! Man kann alles finden, wenn man nur danach sucht. Manchmal ist man allerdings ein biss­chen länger auf der Suche. Meine Großmutter hat ihre künstlichen Zähne ja auch wieder gefunden. Es hat fünf Jahre gedauert, ehe sie sie wieder hatte.“

Thubano blickte auf. Ein verschmitztes Lächeln lag nun auf seinen Lippen.

Mirakel zog die linke Augenbraue hoch.

„Wusste ich doch, dass ich dich mit dieser Ge­schichte aufheitern kann“, brummte er, während er die Tür öffnete. Strahlendes Tageslicht flutete in den Raum.

„Na los, kleiner Drache. Ich begleite dich noch ein Stück“, sagte er mit einem Wackeln seines Kopfes.

Der kleine Drache streckte sich. Erst den einen Fuß, dann den anderen. Er reckte beide Arme nach oben und gähnte ausgiebig. Er machte einen regelrechten Katzenbuckel und wackelte mit den Flügelchen. Dann folgte er dem Waldschrat.

Hätte jemand zu dieser Stunde in jenen Teil des Wal­des geblickt, ihm wäre das ungleiche Paar eines tollpat­schigen Waldschrates und eines bezaubernden Dra­chenkindes bestimmt sofort ins Auge gefallen. Thubano hatte zwar keine richtig ausgewachsenen Flügel, den­noch war er edlen Blutes. Seine Bewegungen waren anmutig und fließend. Der Flaum seiner weiß wach­senden Mähne wehte geschmeidig im Wind.

Der Waldschrat hingegen, ungelenk von einem Bein auf das andere wackelnd, machte den Anschein, je­den Augenblick umzufallen, so sehr schwankte er.

Beide unterhielten sich eifrig und erst einige Wald­wege und Kreuzungen weiter blieb Mirakel stehen. Mit dem Zeigefinger deutete er vor sich.

„Wenn du diesen Weg weitergehst, gelangst du aus dem Wald. Wandere nach Norden, dort findest du ein anderes Waldgebiet, das sich über ein Dutzend Län­der erstreckt. Vielleicht findest du dort Antworten auf deine Fragen.“

Dem Fingerzeig des Waldschrats folgend, lief Thubano nach Norden. Er bewegte sich zwar vorsich­tig, doch geriet er tief und tiefer in den Wald. Bald hatte er sich verirrt. Als er dann auch noch fremdarti­ge Stimmen vernahm, bekam er eine Heidenangst. Was hatte Mirakel noch gesagt? Wenn du in Gefahr bist, steige auf einen Baum!

Thubano zögerte keine Sekunde. In der Krone ei­ner knorrigen Eiche wollte er warten, bis er wieder alleine war, und er hoffte, dass sich die Stimmen in der Ferne verloren. Er duckte sich, vergrub das Ge­sicht zwischen den Pranken, kniff die Augen zusam­men und dachte an die Sommerwiesen im Drachental. Doch es war alles umsonst. Schon dröhnte eine grobe Stimme durch Äste und Blätter und eine derbe Hand zog an seinem Schwanz.

„Was haben wir denn da? Ein kleines, dummes Schuppentier. Wie töricht von ihm, sich hierher zu wa­gen, was Männer? Es wird uns eine Menge Geld auf dem Markt bringen. Fangt es! Bindet es! Aber lebend!“

Thubano heulte auf. Er schrie und fauchte, er zap­pelte und zuckte, er kratzte mit seinen Krallen - es nützte nichts. Die Hand zog ihn unerbittlich von sei­nem Ast herunter. Und mit hämischem Gelächter fie­len sieben Raufbolde über ihn her. Sie zerrten und zwickten und packten ihn an den Läufen, um ihm Fes­seln anzulegen. Thubano wand sich und schlug ver­gebens mit seinem Schwanz. Doch je mehr er sich wehrte, desto fester zogen sich die Schlingen. Da erinnerte ihn ein höllischer Schmerz an die Waffe der Drachen und er schleuderte all seine Wut und Ent­täuschung über die Menschen mit einem feurigen Strahl den Männern entgegen. Diese ließen schreiend von ihm ab und wichen zurück. Sie wälzten sich im Gras, um die züngelnden Flammen an ihren Kleidern zu ersticken.

„Was soll das? Das ist ein Jungtier! Werdet ihr da­mit nicht fertig?“, brüllte der Anführer.

Die Schreckgestalten stürmten erneut auf ihn los. Thubano drehte sich um seine eigene Achse und sein Atem bildete eine schützende Feuerwand um ihn.

Die Männer blieben stehen und wichen zurück.

„Mir reicht's!“, rief plötzlich einer der Männer. „Ich

riskiere hier nicht Kopf und Kragen!“

Und mit halsbrecherischer Geschwindigkeit lief er davon. Die anderen hinterher. Thubano spie noch ein letztes Feuer. Nur mit Mühe rappelte er sich hoch. Dann leckte er mit Tränen in den Augen die vielen kleinen Wunden. Nie wieder wollte er einem Menschen be­gegnen! Mirakel hatte Recht!

Ein lautes Knacken von links ließ ihn zusammen­fahren. Schon wieder kampfbereit wandte er sich der Richtung zu, aus der das Geräusch gekommen war. Vielleicht waren die Kerle zurückgekommen?

„Tu mir nichts!“, hörte er eine dünne Stimme.

Hinter einem Baum lugte ein schwarzhaariger Jungenkopf hervor.

Thubano fauchte ihn an: Verschwinde, Mensch, oder du spürst meinen Feuerstrahl!“

„Bitte, tu mir nichts. Ich habe alles beobachtet. Ich bin keiner von denen. Was tust du hier so alleine im Wald. Das ist gefährlich.“

„Bist du nicht auch alleine?“

„Doch, aber ich bin ein Mensch, ein Halbmensch zumindest“, flüsterte der Junge.

„Ein Halbmensch?“

„Man sieht es nicht, aber in meinen Adern fließt Elfenblut. Meine Mutter war eine Elfe!“

„Ich habe von Elfen gehört. Drachen und Elfen res­pektieren einander“, stellte Thubano fest.

Der Junge nickte.

„Ja, so ist es!“

„Wie heißt du?“, fragte Thubano.

Der Junge setzte sich nun ohne Scheu neben den kleinen Drachen.

„Mein Name ist Lato. Lato Morgentau. Bis vor kur­zem habe ich mit meiner Mutter in der Elfenstadt Silbermond gelebt. Aber dann brach der Krieg aus. Der Krieg zwischen den Menschen und den Elfen. Als Halbmensch litt ich fortan unter Misstrauen und Miss­achtung der Elfen. Als dann meine Mutter starb, bat mich - oder besser befahl mir - der Hohe Rat der Stadt zu gehen. So schlimm war das aber nicht, denn ich bekam noch wertvolle Geschenke zum Abschied: kost­bare Kleider aus Sternenseide, ein fließender Stoff, der im Winter wärmt und leicht und luftig zur Som­merzeit ist, weiche Lederschuhe, in denen Füße nie­mals schmerzen, ein wertvolles Messer aus Sternen­metall, einen kleinen Beutel mit Gold und einen gro­ßen Beutel mit Proviant.

Seit diesem Tag bin ich nun auf der Suche nach einem Ort, an dem ich bleiben kann, immer in der Hoffnung, einen Freund zu finden.“

Thubano war tief erschüttert von Latos Geschichte. Er hätte niemals gedacht, dass Elfen so hartherzig sein könnten.

„Weißt du was?“, sagte Lato mit bebender Stimme, nachdem Thubano seine Geschichte erzählt hatte. „Lass uns zusammen reisen. Zu zweit ist es viel lustiger und längst nicht so gefährlich. Vielleicht finden wir ja eine Lösung für dein Problem. Ich will dir gerne helfen.“

Thubano nickte beglückt.

„Damit bin ich einverstanden. Zu zweit sind wir auch viel stärker als jeder allein!“

So kam es, dass ein kleiner Drache und ein Halb­mensch gemeinsam über den südlichen Kontinent Westalesandrias wanderten.

Kleine Flügel machen Freunde

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