Читать книгу Die Midgard-Saga - Hel - Alexandra Bauer - Страница 7

4. Kapitel

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Erst spät in der Nacht traten Thea und Wal-Freya aus Ingvars geheimem Raum. Die große Halle war inzwischen menschenleer, auch von Juli, Tom und Hermodr fehlte jede Spur. Sie verließen den Saal und liefen zurück in den Gang, wo sie der Treppe hinauf in das obere Stockwerk folgten. Tatsächlich begegnete ihnen dort eine Magd, die sie in ihre Zimmer führte. Ein Feuer prasselte um einige frisch geschichtete Scheite, die kurz zuvor aufgelegt worden waren. Juli und Tom schliefen tief und bemerkten Thea nicht, die sich erschöpft ihrer Rüstung entledigte und dann froh über ein paar Stunden Ruhe ins Bett fiel.

Als Thea erwachte, war sie alleine. Müde streckte sie die Glieder und drehte sich noch einmal um, da stürzte Juli durch die Tür und zerriss die morgendliche Stille.

„Endlich! Ich dachte, du willst gar nicht mehr aufwachen. Wal-Freya meinte, wir sollen dich schlafen lassen, aber wenn du noch länger gebraucht hättest, hätte ich mich nach einem Feueralarm in der Feste umgesehen.“

„Ich wusste immer, dass ich keine Feinde brauche, solange ich dich an meiner Seite habe“, murmelte Thea.

„Du Witzbold! Wie kannst du so in Seelenruhe schlafen? Bist du nicht aufgeregt? Also ich konnte kaum ein Auge zutun!“

„Das habe ich gesehen, nachdem ich heute Nacht ins Zimmer geschlüpft bin“, erwiderte Thea trocken.

Juli lachte. „Als könnte man hier sagen, wann Tag und Nacht ist.“

„Wo sind die anderen?“

„Nebenan. Ingvar lässt gerade Frühstück machen. Aber Wal-Freya verlangte, dass wir auf dich warten.“

„Ach, deswegen warst du so ungeduldig, weil du noch immer nicht gefuttert hast.“

Wieder lachte Juli. „Ja genau! Und jetzt gib Gas, bevor ich launisch werde.“

Sie half Thea beim Anziehen und führte sie in den Raum gegenüber. Dort erhoben sich alle von den Betten, als Thea eintrat.

„Ein Glück!“, lächelte Hermodr und fuhr sich über den Bauch.

„Habt ihr lange gewartet?“, fragte Thea verunsichert.

„Nein. Eine halbe Stunde vielleicht“, erwiderte Wal-Freya.

„Gefühlt waren es zwei Stunden“, sagte Tom. Er schmunzelte. „Bist du denn gar nicht aufgeregt?“

Thea verschränkte die Arme. „Sag nur, du hast auch die ganze Nacht kein Auge zugetan.“

Unter schallendem Gelächter gingen sie hinaus und liefen zur Halle, wo ein üppiges Frühstück auf sie wartete. Mit gefüllten Bäuchen und vollgestopften Proviantsäcken verließen sie schließlich den Saal.

Djarfur scharrte mit einem Huf und schüttelte den Kopf. „Habt ihr euch gut amüsiert, während wir bei Wasser und trockenem Brot gehalten wurden?“

Verwirrt trat Thea an ihn heran. Scherzte Djarfur, oder beschwerte er sich wirklich? Er gab die Antwort mit einem Kichern und ließ Thea erleichtert die Augen verdrehen.

Ich bin fast drauf reingefallen!“

Erneut kicherte Djarfur. „Du bist darauf reingefallen!“, verbesserte er. „Gibt es eine Planänderung? Tom und Hermodr tauschen die Plätze.“

Wir teilen die Gruppe … Hermodr und Wal-Freya reisen zu Hel. In dieser Zeit suchen wir den geheimen Zugang auf. Wal-Freya sagt, Kvikur wird den Weg finden.“

Djarfur wieherte. „Großartig! Jetzt brichst du ohne Götterhilfe auf! Ich wusste es. Ich bin das Pferd der Heldin!“

Lachend tätschelte Thea Djarfurs Seite und schwang sich in den Sattel. „Du bist ein bisschen größenwahnsinnig, glaube ich.“

Mitnichten. Ich bin nur ein Pferd mit großen Zielen.“

Ingvar steckte die Daumen in seinen Gürtel und überschaute die Gruppe. „Viel Glück euch allen! Mögen eure Herzen stets mutig und euer Verstand klar sein.“

„Danke Ingvar“, antwortete Wal-Freya. „Wir sehen uns wieder!“

Der Wikinger lachte. „Das will ich hoffen!“ Er winkte zum Abschied, derweil die Pferde in den Himmel stiegen. Ein letztes Mal sah sich Thea nach Ingvar um und erwiderte seinen Gruß, dann richtete sie den Blick auf Tom und Juli, die mit erwartungsvollen Gesichtern der vor ihnen liegenden Aufgabe entgegenfieberten. Thea hoffte inständig, dass sie ihrer Verpflichtung gewachsen war. Wehmütig beobachtete sie Wal-Freyas wehende Haare über dem Umhang.

Du warst doch schon einmal auf dich allein gestellt“, drang Wal-Freya in ihren Geist. Wie so oft fühlte die Walküre Theas Gedanken, als lägen sie offen vor ihr. „Damals, genau hier in Niflheim. Dank dir kamen wir frei.“

Da musste ich nur auf mich aufpassen.“

Was du nicht besonders gut angestellt hast. Sorge dich nicht. Deine Sinne werden um ein Vielfaches geschärft sein, wenn du für andere Menschen die Verantwortung trägst. Als Njal hast du es auch geschafft.“

Stimmt. Aber da ging ich nicht nach Hel.“

Dafür hast du jetzt ein Flammenschwert und kannst ein paar Tricks.“ Sie lachte und führte ihr Pferd von Thea fort. „Zeit, Abschied zu nehmen! Geht vorsichtig bei der Suche nach Balder vor und verliert Skidbladnir nicht! Ohne das Schiff werdet ihr den Gjöll nicht überwinden und ihr kehrt nie aus Hel zurück!“ Aus den Augenwinkeln sah Thea, wie Juli unwillkürlich die Hand auf ihre Brust legte und nach dem Schiff fühlte. Dann lenkte Wal-Freya ihr Pferd nach rechts und stob davon. Hermodr folgte ihr.

„Bis bald in Hel!“, rief er.

Auf ihren tänzelnden Pferden sahen sie den Göttern lange nach, dann drehte Kvikur ab und ritt in nordwestlicher Richtung davon. Fifill und Djarfur folgten ihm umgehend.

Ungefähr zwei Tage später, sie hatten nur wenige Pausen gemacht, senkte sich Kvikur von selbst nieder. In den letzten Stunden war es immer finsterer und kälter geworden. Das Nordlicht hatte sich weit an den hinteren Horizont zurückgezogen. Auch die Sterne leuchteten blasser. Thea erkannte eine Nebelwand, die sich vor einer Ebene aus in sich verkeilten Gletschertürmen abbildete. Der Schnee war frisch und unberührt. Als Thea aus dem Sattel sprang, sank sie bis zu den Knien ein. Mit mulmigem Gefühl watete sie ein Stück voran. Die Nebelwand richtete sich hoch und dicht vor ihr auf und verhüllte alles, was dahinter lag. Prüfend warf Thea einen Blick zurück zu ihren Freunden, deren Gesichter in der Dunkelheit kaum zu erkennen waren.

Das ist es?“, fragte sie Djarfur.

Kvikur sagt ja.“

Sie sah sich um. „Aber hier ist nichts.“

„Sind wir da?“, fragte Tom.

Thea versuchte etwas durch den Nebel auszumachen, doch es war unmöglich. „Anscheinend.“

Hermodr ging durch den Nebel“, vernahm Thea eine fremde Stimme in ihrem Geist.

Und dann?“, fragte sie Kvikur.

Das Pferd schnaubte. „Kam er zurück und wir ritten heim nach Asgard.“

Juli sprang von Fifill herunter, löste ihren Quersack vom Sattel und schulterte ihn. „Es wäre wohl kaum ein verborgener Eingang, wenn er sich hier offen vor uns auftun würde. Schon vergessen? Die Völva sagte, dass noch nicht einmal Hel ihn kenne.“

Auch Tom rutschte aus dem Sattel und löste seinen Quersack. „Sie hat Recht. Wir werden ihn sicher irgendwo finden.“

„Was macht ihr solange?“, fragte Thea und sprach damit Djarfur und die anderen Pferde an.

Nach Hel müsst ihr alleine gehen. Wir kehren zurück zu Ingvars Feste. Von dort aus sind wir schnell wieder bei euch, wenn du uns rufst“, antwortete Djarfur.

Geduldig wartete er, bis Thea den Proviantsack vom Sattel gelöst hatte. „Gut. Wie auch immer ihr mich von da hören wollt.“

Djarfur kicherte, scharrte mit dem Huf und drehte sich um. Ohne sich von Thea oder den anderen zu verabschieden, hoben die Tiere ab und waren rasch in der Dunkelheit des Firmaments verschwunden.

„Wie wir in diesem Nebel etwas entdecken wollen, ist mir allerdings ein Rätsel“, sagte Juli. Sie streckte den Arm in die Nebelwand, der sofort darin verschwand.

Tom kam näher und tat es Juli gleich. „Das ist wirklich eine verdammt dicke Suppe.“

„Wichtig ist, dass wir uns nicht aus den Augen verlieren. Alles andere wird sich schon zeigen“, brummte Thea.

„Hoffentlich finden wir den Zugang bald. Dort unten ist es sicher wärmer“, erwiderte Tom, die Arme eng um den Körper geschlungen. Seit Stunden war es so unerträglich kalt geworden, dass jeder Atemzug in der Lunge schmerzte.

Die Namensähnlichkeit mag verwirrend sein, aber Hel hat rein gar nichts mit der Hölle zu tun“, entgegnete Thea. „Dunkel soll es in Hel sein und feucht.“

„Na großartig“, murrte Tom.

Grinsend gab Juli ihm einen Knuff. „Du musst dich mehr bewegen, dann frierst du nicht. So! Und jetzt genug geschwätzt! Ich kann es kaum erwarten. Lasst uns einen Gott befreien gehen, damit Ragnarök endlich vom Tisch kommt!“. Mit einem leise ausgestoßenen „Wooohuuu“ trat sie kurzerhand in den Nebel und war verschwunden.

Thea jagte ein Stich durch den Körper. Sofort schossen ihr Wal-Freyas Worte durch den Kopf. „Du wirst nicht nur auf dich, sondern auch auf deine Freunde aufpassen müssen.“ Sowohl Tom als auch Thea riefen panisch nach Juli. Diese reagierte mit Unverständnis. „Ich bin gleich hier! Macht doch nicht so einen Wind“, sagte sie, während sie die Hand aus der Nebelwand streckte und winkte. Thea schnappte Julis Arm und zog sie unverrichteter Dinge zurück.

„Wir müssen darauf achten, dass wir uns nicht verlieren!“, erinnerte Thea eindringlich.

„Ich bin nur einen einzigen Schritt gegangen. Jetzt komm! Dahinter ist gar nicht so eine Suppe. Voll magisch!“

Kaum hatte Juli ihre Worte ausgesprochen, nahm sie Thea mit sich. Thea spürte Toms eisernen Griff, der sich sofort um ihr Handgelenk schloss. Tatsächlich wurde der Nebel nach nur einem Schritt durchlässiger. Beruhigt stellte Thea fest, dass Juli nicht weit gekommen wäre. Eine riesige Gletscherformation türmte sich vor ihnen auf. Schemenhaft zeichnete sie sich vor der Dunkelheit ab.

„Ob das hier das Ende Niflheims ist?“, fragte Juli, während sie die eisige Wand abtastete.

Tom, der ihrem Beispiel folgte, fluchte: „Wenn es nur nicht so verdammt finster wäre. Wie will man hier etwas finden?“

Kurzerhand zog Thea Kyndill aus der Scheide. Wie eine Fackel hob sie das Schwert über ihre Köpfe und erhellte im großen Umkreis den Platz.

Juli drehte sich staunend um, dann lächelte sie. „Unheimlich praktisch, dein Flammenschwert! Ich vergesse immer wieder, für was es alles nütze ist.“

Sie liefen nur wenige Schritte, da streckte Tom die Arme zur Seite aus und blieb abrupt stehen. „Vorsicht!“, warnte er.

Ein schlecht erkennbarer Spalt tat sich im Boden auf. Mit einem ihrer berühmten ‚Wuuuhuuus‘ schob sich Juli an Tom vorbei, um die Öffnung näher zu untersuchen. Kaum hatte sie einen Schritt vorgewagt, gab der Boden unter ihrem Fuß nach. Tom konnte sie gerade noch zurückziehen, bevor Juli mitsamt der abbrechenden Schneeplatte in den Abgrund stürzte.

Thea hieb ihrer Freundin unsanft auf den Arm. „Verdammt, Juli, was ist los mit dir? Kannst du bitte besser auf dich aufpassen! Das wäre fast schief gegangen!“

„Aua!“ Grimmig legte Juli die Hand über die Stelle. „Was schlägst du gleich zu?“

Tom spähte auf Zehenspitzen in den Einschnitt. „Ob es unser Weg ist?“

Thea berührte mit Kyndill den Boden an der Spalte. Sofort schmolz der Schnee um die Klinge und lief in kleinen Wasseradern in den Abgrund. Sorgfältig taute Thea so den Schnee um die Kluft auf, bis der Rand der Gletscherspalte deutlich zu erkennen war. In Kyndills Feuer funkelte sie erst weiß und wechselte dann in ein immer dunkler werdendes Blau, bis sich das Licht im Schwarz der Tiefe verlor.

„Ist das der geheime Weg nach Hel?“, wiederholte Tom seine Frage.

„Hermodr sagte, er sei im Boden zu finden“, nickte Thea. „Aber vielleicht sehen wir uns vorsichtshalber noch einmal nach einer zweiten Öffnung um.“

„Wenn das der Weg nach Hel ist, dann sieht man doch sicher irgendetwas in dem Loch“, brummte Juli. Wieder trat sie vor, was regen Protest, sowohl bei Thea, als auch bei Tom hervorrief. Juli kommentierte es mit einem Lachen.

„Ganz schön dunkel. Kannst du mit Kyndill hineinleuchten?“ Sie reckte den Körper über das Loch und spähte hinein. Plötzlich ruderte sie mit dem Armen und ehe Thea begreifen konnte, wie es passiert war, stürzte Juli in den Spalt. Rasch verhallten ihre Schreie in der Tiefe und wurden von fröhlich ausgestoßenen ‚Wooohuuus’ abgelöst, die sich hörbar entfernten.

„Ich bringe sie um! Ich schwöre, ich bringe sie um!“, knurrte Thea mit einem Blick auf Tom. Dann sprang sie Juli hinterher.

Mit rasender Geschwindigkeit rutschte Thea in die Tiefe. Der Pfad grub sich in einem natürlichen Eiskanal in den Gletscher hinein. Hier und da fiel er unangenehm ab, doch zu ihrer Erleichterung mündete er darauf stets in Geraden, die einen ungebremsten Sturz verhinderten. Thea war aber vernünftig genug, nicht daran zu glauben, dass diese unbeschwerte Rutschpartie bis nach Hel andauern würde. Hektisch versuchte sie, ihre Gedanken zu sammeln, begleitet von Julis fröhlichem Quieken tat sie sich damit aber nicht leicht. Manchmal schien Juli ganz in der Nähe zu sein, dann wieder nicht. Für Thea war es unmöglich, die Entfernung zu schätzen. Zwar hielt sie Kyndill über ihren Kopf, doch das verschaffte eher Tom Licht, der unweit hinter ihr folgte. Thea schärfte ihre Sinne. Wo immer dieser Sturz enden würde, sie musste es schaffen, vorher an Juli heranzukommen. Allerdings sah es nicht danach aus, dass ihre Freundin daran interessiert war, anzuhalten.

„Juli! Bleib stehen! Hörst du? Halt dich fest!“, schrie Thea, doch es kam keine Antwort. Die stille Hoffnung, dass es Juli irgendwie gelingen würde, sich im Eis festzukrallen, erstarb mit jedem Meter, den Thea in die Tiefe glitt. Sie schloss die Augen, schickte ihrer Freundin einen Gedanken, aber drei weitere ‚Wuuuhuuus’ machten Thea klar, dass sie Julis Geist nicht erreichte.

„Teufel Juli! Du bist und bleibst ein verbohrtes Rindvieh!“, schimpfte Thea. Jäh schoss ihr eine Idee durch den Kopf. Vieh! Umständlich fingerte sie mit der freien Hand in einer ihrer Taschen, warf das Pulver – und rauschte an ihm vorbei, ehe sie eine Rune hineinmalen konnte.

„Verdammt, verdammt, verdammt!“, fluchte Thea.

Sie steckte Kyndill zurück in die Scheide und stellte verbittert fest, dass dies ebenfalls zu ihren schlechteren Einfällen zählte. In völliger Finsternis war es ihr unmöglich, auch nur ansatzweise eine Rune in den Staub zu zeichnen. Sie zog Kyndill wieder hervor, hielt es über sich und drehte sich auf den Bauch. Erst dann griff sie hinter den Rücken und zückte den Dolch, den ihr Wal-Freya mit der Rüstung überlassen hatte. Mehrmals schlug sie die Klinge vergeblich in den Untergrund. Sie war einfach zu schnell! Fluchend wandte sie sich um und hieb die Hacken in den Boden. Nachdem sich auch das als sinnlos herausstellte, steckte sie Kyndill abermals weg, legte sich zurück auf den Bauch und versuchte ihren Sturz erneut zu stoppen, indem sie den Dolch mit beiden Händen umschlossen in den Gletscher trieb. Wirkungslos schnitt das Messer ins Eis, ohne Theas Geschwindigkeit zu verringern. Schreiend brachte sie ihren Unmut zum Ausdruck, schob den Dolch in die Hülle und rollte sich wieder auf den Rücken. Aufs Neue holte sie eine kleine Menge des Pulvers aus der Tasche. Diesmal verteilte sie es großflächig auf der Hand und malte Fehu hinein. Noch nie hatte sie beobachtet, dass Wal-Freya Runen auf diese Weise zur Hilfe nahm, aber es musste einfach funktionieren. Sie schloss die Hand, warf den Staub hoch und drehte sich um. Tatsächlich schimmerte das Zeichen hinter ihr in der Luft. Rasch hob sie die Hand. Sie hatte diesen Zauber stets benutzt, um etwas in Bewegung zu versetzen, sie hoffte inständig, dass man damit auch etwas aufhalten konnte.

„Stopp!“, befahl sie. „Stopp!“

Plötzlich fuhr ein Ruck durch ihren Körper. Ihre Rutschfahrt hörte auf. Gelegenheit, sich darüber zu freuen, blieb ihr allerdings nicht, denn schon wehte die Rune auseinander, als Tom durch den Staub raste. Um einen weiteren Zauber auszusprechen war es zu spät. Mit zusammengebissenen Zähnen zog Thea den Kopf zwischen die Schultern, da prallte Tom gegen sie. Sie erwartete, fortgerissen zu werden, doch sie rückte nicht einen Millimeter von ihrem Platz. Tom ächzte.

„Ich bin es“, erklärte sie. Sie zog Kyndill aus der Scheide.

Verblüfft hob Tom die Augenbrauen, dann sah er an Thea vorbei, wo der Eistunnel steil in die Tiefe mündete.

„Wie hast du das gemacht?“, fragte er.

„Gleich!“, erwiderte Thea, griff abermals in die Tasche, warf das Pulver und malte Fehu hinein. „Stopp!“, rief sie und befahl den Zauber weit in den Abgrund. „Stopp!“

„Ob das hilft?“, raunte Tom.

Ein empörter Ruf aus der Ferne gab die Antwort. Thea seufzte erleichtert. „Wie es scheint, ja.“

„Wahnsinn!“ Lobend knuffte Tom Theas Arm. Diese wollte sich abstoßen, doch ihr Körper wich kein Stück vor. Augenblicklich spürte sie das Blut in ihren Kopf schießen.

„So geht es natürlich nicht“, erklärte sie verlegen.

Sie warf ein Pulver und hoffte, dass die Bitte um Beschleunigung nicht zu schnell ausfallen würde. „Weiter!“, sagte sie, während sie die Rune in den Staub malte. Schon löste sie sich und die Rutschpartie begann von Neuem. Tom schlang rasch die Arme um ihre Taille. Thea erschauderte mit der Berührung und wunderte sich über das wohlige Gefühl, das Toms Nähe in ihr auslöste.

„Ich gebe zu, dass ich kurz Angst hatte“, flüsterte er ihr ins Ohr.

Thea begriff, dass Tom den Bewegungszauber erkannt hatte, den sie in Baba Jagas Hütte wieder und wieder an Äpfeln geübt und diese dabei reihenweise gesprengt hatte. Sie lachte. „Wie es scheint, beherrsche ich das inzwischen ganz gut.“

„Ein Glück!“, lachte Tom zurück.

Kyndill über ihren Köpfen erhoben sausten sie in die Tiefe. Tom hatte sein Kinn auf ihrer Schulter abgelegt. Er frohlockte, als das Gefälle zunahm und Thea gequält quiekte. Dann hörten sie Juli rufen: „Haltet an!“

Hastig wühlte Thea in ihrer Tasche, doch es war zu spät. Wie kurz zuvor Tom in sie, rasten beide nun in Juli hinein.

Protestierend heulte Juli auf. „Verflucht und eins! Was soll der Scheiß?“, fluchte sie.

Theas Gefühle schlugen Purzelbaum vor Freude, gleichzeitig kochte die Wut in ihr hoch. Juli war unversehrt, aber sie hatte genau das getan, wovor Wal-Freya gewarnt hatte! „Du Idiotin! Wirklich! Ich weiß nicht, ob ich dich knutschen oder ob ich dir eine reinhauen soll“, knurrte Thea.

„Glaubst du, das war Absicht?“, motzte Juli. Dann grinste sie und warf ihre Arme um ihre Freundin. „Das war so affenstark! Wenn wir zurück sind, müssen wir das unbedingt noch einmal machen!“

Während Thea das Gesicht in den Händen vergrub, rollte Tom ungläubig die Augen.

„Wie schön, dass du dich amüsierst!“, rief Thea aufgebracht.

Juli lachte. „Das war es wert! Du hättest dich mal sehen sollen! Du kamst mir hinterhergeschossen wie der Halleysche Komet.“

Thea zog eine Schnute und versuchte sich von der Fröhlichkeit Julis nicht anstecken zu lassen. „Ich hatte Todesangst um dich!“

„Das ist etwas Neues! Wenn ich das nächste Mal in eine Achterbahn steige, wünsche ich mir, dass du mir auch in Todesangst folgst. Danach will ich dich genauso wütend sehen, statt kreideweiß gegen Übelkeit ringend!“ Sie warf sich zurück und hielt sich den Bauch vor Lachen. Als Tom mit einfiel, war es auch um Thea geschehen. Kichernd steckten sie sich gegenseitig in ihrer Ausgelassenheit an, bis sie erschöpft um Atem rangen.

Irgendwann seufzte Juli. „So schön das hier mit euch auch ist, mir friert der Hintern.“ Sie richtete den Blick gleichzeitig mit Thea den Spalt hinab. Noch immer klaffte tiefes Schwarz vor ihnen. Unerwartet drehte sich Juli um und versetzte Thea mit der flachen Hand einen Schlag auf den Arm. „Wie ist das überhaupt möglich, dass ich hier wie angewurzelt hocke? Das ist gewiss deine Schuld! Hast du mir etwas angezaubert?“

„Angezaubert?“, wiederholte Thea die Frage, derweil sie nach der Antwort suchte. Offen gestanden wusste sie nicht, wie sie Juli zum Anhalten gebracht hatte. Thea war einfach ihrem Gefühl gefolgt. Allmählich begriff sie, was Wal-Freya damit meinte, dass Zauberei stets anders sei. „Ich habe keine Ahnung. Aber es hat funktioniert.“

Abermals traf sie Julis Hand. „Spinnst du? Was, wenn du mich in die Luft gejagt hättest wie deine Äpfel?“

Während Thea unter den scharfen Augen ihrer Freundin nach Worten rang, lenkte ein Glucksen Julis Blick zu Tom. Der duckte sich. „Tut mir leid. Du müsstest dich selber sehen.“

„Das ist nicht witzig! Ich verbiete dir, noch einmal mit mir oder an mir zu zaubern, Thea!“

Thea wäre am liebsten im Boden versunken. Sie kannte Julis Abneigung und Ängste gegen Zauberei. Sie war so alt wie die Verbundenheit ihrer Seelen.

„Was ist so lustig?“, schimpfte Juli.

Tom legte die Hand vor den Mund. „Sie wird das tun müssen, wenn du hier nicht für alle Zeiten festkleben willst.“

„Was?“ Julis Zorn traf Thea mitten ins Herz. Entschuldigend presste sie die Lippen zusammen.

Tom hob beschwichtigend die Hände. „Nur keine Angst! Sie hat gerade in einem Selbstversuch bewiesen, dass sie es kann. Sie ist noch in einem Stück, wie du siehst.“

Sie ist übrigens anwesend“, knurrte Thea, griff in die Tasche und warf das Pulver in die Luft. Ehe sie die Rune hinein zeichnen konnte, wedelte Juli mit den Händen.

„Woh, woh, woh! Moment mal!“, protestierte sie. „Ich habe mein Einverständnis nicht erteilt!“

Thea schenkte ihrer Freundin einen mitleidvollen Blick. Ihr blieb nichts anderes übrig. Erneut schob sie die Hand in die Tasche, warf das Pulver und malte Fehu hinein. Während Juli lauthals reklamierte, beschwor Thea den Zauber.

„Zu Hölle, Thea …“ Julis Ruf entfernte sich ebenso schnell, wie sie aus dem Licht Kyndills entschwand.

„Hinterher! Sonst entkommt sie!“, lachte Tom. Schon umfasste er Theas Taille, rutschte vor und gab ihr mit seinem Körper einen Schubs. In halsbrecherischer Geschwindigkeit sausten sie hinab, Juli dicht auf den Fersen, die ohne Unterlass zeterte.

„Sie wird mich dafür hassen“, jammerte Thea.

„Zehn Minuten lang, dann hat sie es vergessen“, prophezeite Tom.

Irgendwann hatten sie Juli eingeholt. Thea schnappte sie am Kragen und zog sie zu sich heran.

„Glaube ja nicht, dass ich dir diesmal so schnell verzeihen werde!“, kündigte Juli an.

„Es tut mir leid“, erwiderte Thea.

Juli tätschelte Theas Hand. „Ach was! Ich mach nur Spaß!“

Mit Kyndill als einziger Lichtquelle führte sie ihr Weg weiter in die Tiefe. Thea fand das Gefühl unerträglich! Nach zwei Begegnungen mit den nordischen Göttern, in denen sie gezwungen war auf Himmelswagen zu reisen, in einen Brunnen zu springen, als Falke und Schneeeule zu fliegen, und zu guter Letzt auf einem fliegenden Pferd zu reiten, sollte sie sich an das unangenehme Kribbeln, das ihr während dieser Erlebnisse durch den Magen fuhr, gewöhnt haben, doch es wollte ihr nicht gelingen. Dennoch war sie stolz, denn sie war Juli ohne Zögern in den Spalt hinterher gesprungen, obwohl sie geahnt hatte, was sie erwartete. Anfänglich hatte sie gehofft, sie würde sich an das widerliche Gefühl gewöhnen, welches ihr mit jedem neuen Gefälle in den Magen fuhr, aber je länger dieses Martyrium andauerte, umso größer wurde ihre Gewissheit, dass sie sich damit niemals anfreunden würde.

Irgendwann vernahmen die Freunde ein Rauschen, das lauter wurde. Thea wurde zunehmend von Unruhe gepackt. Ebenso wie sie vermuteten ihre Freunde, dass das Geräusch von Wasser herrührte, dass es der Gjöll war, der sich durch den Felsen grub. Thea ging im Geiste den Zauber durch, den Wal-Freya sie die halbe Nacht wieder und immer wieder hatte üben lassen, bis sie ihn im Schlaf beherrschte. Von der nächsten Bodenwelle erfasst, kniff Thea gerade die Augen zu, als Juli einen Schrei ausstieß. Blitzschnell sortierte Thea ihre Sinne. Sie hob Kyndill höher und versuchte unter dem Lichtkegel des Schwertes zu erkennen, was Juli in Panik versetzte. Dann schnappte sie nach Luft. Sie hatten schon lange das Gefühl, dass das Eis dünner würde, jetzt endete es jedoch abrupt und gab den Blick auf einen schroffen Felsweg frei, der wenige Meter später in einen Schlund mündete.

„Bremsen, bremsen, bremsen!“, schrie Juli.

Hektisch griff Thea in ihre Tasche, warf das Pulver, um erneut Fehu hinein zu malen, aber es war zu spät! Juli traf auf den Felsenweg, wurde von der rauen Oberfläche gebremst und schlug hilflos vornüber. Auch Thea wurde von der Kraft gepackt und rollte über ihre Schulter nach vorn. Sie hörte ihren Umhang reißen, als er an einem Felsvorsprung hängen blieb. In einem Reflex ließ sie Kyndill los, drehte sich und packte den Stoff mit beiden Händen, am Kragen, ehe sie sich an ihrem eigenen Umhang erhängen würde. Ein Schmerz fuhr ihr durch die Schulter, als Tom über sie fiel. Dann verlosch Kyndill. Thea hörte Juli schreien und gleich darauf Tom, der sie beschwor, sich festzuhalten. Hektisch rappelte sich Thea auf, löste ihren Umhang und tastete den Boden nach Kyndill ab. Kaum hatte sie die Waffe gefunden, erkannte sie die Lage, in der ihre Freunde steckten. Juli hing von Tom gepackt halb über dem Abgrund. Mit letzter Kraft stemmte er seine Füße gegen den Felsboden. Thea hastete vor und packte Julis linken Arm. Gemeinsam zogen sie Juli zurück auf den Vorsprung. Während Juli erleichtert aus der Gefahrenzone krabbelte, warf Thea einen Blick hinab. Das Felsloch reichte ungefähr fünfzig Meter in die Tiefe. Etwa im selben Abstand warf Gjöll seine Wassermassen auf, die sich brodelnd und schäumend zu Wellen auftürmten. Feiner Nebel waberte auf dem Fluss.

„Verdammt und eins, nächstes Mal sollte Hermodr gucken, wohin die Wege führen, auf die er uns schickt!“, ächzte Juli.

„Sagt ausgerechnet die, die sich als Erste in den Abgrund gestürzt hat“, erwiderte Tom trocken.

„Du nimmst mir die Worte von den Lippen“, stimmte Thea zu.

Achtsam rückte Juli vor und äugte in die Tiefe. „Und jetzt?“

„Ich weiß nicht. Es sieht so aus, als würde die Öffnung mitten über dem See liegen“, raunte Thea.

Tom rümpfte die Nase. „Runter kommen mag einfach sein, aber wie sollen wir später nur zurückkommen?“

„Darüber sollten wir uns erst den Kopf zerbrechen, wenn es soweit ist. Wir müssen Skidbladnir irgendwie zu Wasser lassen, ansonsten können wir gleich umkehren und ich habe offen gestanden keine Lust, den ganzen Weg zurückzugehen.“

Tom lächelte. „Vor allem würden wir wahrscheinlich so lange dafür brauchen, dass uns Wal-Freya sofort wieder runter schickt.“

„Nicht auszudenken“, grunzte Thea.

Juli blickte sich um. „Wir werden Skidbladnir hier niemals auseinanderfalten, geschweige denn es durch die Öffnung stecken können.“

Nickend seufzte Thea. Noch immer kniete sie vor dem Rand und sah hinab. „Es führt kein Weg dran vorbei, wir müssen runter klettern.“

Tom schnappte nach Luft. „Was? Ohne Seil? Das sind doch bestimmt vierzig Meter!“

„Eher fünfzig“, korrigierte Juli.

„Das ist wahnsinnig!“

Juli schürzte die Lippen. „Absolut, aber viele Lösungen werden sich nicht ergeben.“

Thea erhob sich. Sie lief zu ihrem Umhang und befreite ihn aus dem Felsen. Dann steckte sie Kyndill in die Scheide und schloss den Umhang um ihre Schultern. Ohne Kyndills Flammen lag die Höhle in Finsternis. Es dauerte eine Weile, ehe sich ihre Augen an die Dunkelheit gewöhnten. Im fahlen Licht, welches aus der Öffnung drang, starrten sie durch den Nebel auf den Gjöll.

„Kannst du nicht wenigstens ein Seil herzaubern?“, fragte Tom.

Thea lachte. Sarkastisch erwiderte sie: „Ich.“

„Klar! Warum nicht.“

„Weil ich nicht einfach irgendwas aus dem Nichts erschaffen kann. Man bedient sich der eigenen Energien und wenn man es kann, den Energien aus der Umgebung“, erklärte Thea.

Erneut war es Juli, die unerwartet zum Abgrund kroch und ein Bein über den Rand setzte. „Du hättest doch besser ein paar Stunden mit mir in der Kletterhalle verbracht, statt die ganze Zeit vor dem Computer zu hocken, oder dieses Escrima zu machen“, neckte sie Tom.

„Vielleicht sollten wir das erst durchdenken, ehe du wieder voranpreschst“, erwiderte Tom scharf.

„Außerdem gehe ich vor!“, beharrte Thea.

Juli schenkte ihr ein schiefes Lächeln. „Die Frau mit der Höhenangst will zuerst! Ich lache! Vergiss nicht, ich habe Skidbladnir, Liebes. Im Übrigen wird mir viel wohler sein, dich im Rücken zu haben. Wenn ich falle, kannst du irgend so einen Schnickschnack zaubern. Ich klettere bis zum Rand und falte Skidbladnir dort auseinander. Bei Thor und Wal-Freya hat es ziemlich leicht ausgesehen. Dann lasse ich es los und wir müssen alle gleichzeitig versuchen drauf zu springen. Schaffst du das?“ Thea nickte und Juli presste entschlossen die Lippen zusammen. „Sollte etwas krumm laufen, hoffe ich, dass dir Wal-Freya genug gelehrt hat, um uns zu retten.“

Tom zögerte. Als sich Juli schon fast zur Hälfte vorgearbeitet hatte, saß er wie erstarrt vor dem Abgrund. Thea, die Juli ein Stück gefolgt war, forderte ihn auf, endlich nachzukommen. Erst nachdem ihn Juli daran erinnerte, dass er nicht derjenige mit Höhenangst sei, setzte er sich in Bewegung.

Vorsichtig arbeitete sich Thea hinab. Sie hatte beschlossen, nicht darüber nachzudenken, wo und in welcher Höhe sie sich gerade befand. Stück für Stück suchte sie nach guten Griffen, prüfte jeden Tritt, ehe sie sich weiter wagte. Bald brannten ihre Waden und Unterarme. Sie versuchte den Schmerz wegzuschütteln und machte die Arme an ihrem Halt immer wieder lang. Fünfundsiebzig Meter über einem reißenden Fluss die Kraft zu verlieren, würde schlecht ausgehen! Immerhin war die Wand zerklüftet genug, um breite Tritte und Griffe zu finden und sie bot Plätze zum Ausruhen.

Irgendwann traf sie auf Juli. Sie stand auf einem winzigen Vorsprung. Stolz lächelte sie Thea an.

„Geschafft“, sagte Thea erleichtert. Sie rief es fast, denn der tosende Gjöll verschluckte nahezu jedes Wort.

Etwa fünf Minuten später kam Tom schnaufend und schwitzend bei den Mädchen an.

„Ganz ehrlich!“, keuchte er zur Begrüßung. „Ich hatte nie in meinem Leben solche Angst. Da kämpfe ich lieber gegen einen Grendel.“

Juli kicherte. „Aber das hier hast du viel besser gelöst als den Kampf gegen den Grendel.“

Schmunzelnd streckte Tom die Zunge raus. „Kümmere du dich mal um dein Schiff. Ich kann mich kaum noch halten!“

Juli nickte. „Ich muss mich umdrehen. Es wäre sehr beruhigend für mich, wenn mich jemand festhalten kann.“

„Zaubere sie fest, Thea“, scherzte Tom.

„Untersteh’ dich!“, mahnte Juli sofort. „Du zauberst nur im Notfall!“

Thea lächelte. „Ich halte dich.“ Sie kletterte ein Stück zu ihr, stellte einen Fuß auf dem Vorsprung ab und suchte einen bequemen Griff. Dann packte sie ihre Freundin am Kragen, die sich vorsichtig auf der Felsnase umdrehte. Thea hatte das Gefühl, Julis Herzklopfen bis in ihren Fingerspitzen zu spüren.

„Lass mich nur nicht los“, keuchte Juli. Sie holte das Pergament hervor und schlug es mehrmals auf. Dabei wurde ihr Blick mit jedem Arbeitsschritt fröhlicher. „Es ist tatsächlich ganz leicht!“, verkündete sie. Begleitet von ‚Wuuuhuuus’ und Wooohuuus’ faltete sie Skidbladnir Stück für Stück auf, bis sie es schließlich komplett in der Hand wog. „Wie eine Feder“, sagte sie fasziniert.

„Dann bring die Feder mal zum Fliegen“, erwiderte Tom.

Beunruhigt sah Juli zu Thea, die sofort wusste, welche Sorge ihre Freundin plagte.

„Schaffst du das? Du darfst auf keinen Fall zögern!“

Thea konnte sich etwa tausend angenehmere Situationen vorstellen, als mit einem Schiff fünfzig Meter in die Tiefe zu stürzen, doch sie nickte.

„Ihr springt. Im gleichen Moment lasse ich los und springe hinterher“, erklärte Juli. In ihrer Stimme schwang ein Zittern.

„Das wird schon klappen“, sagte Tom.

„Also los! Auf drei!“, erwiderte Juli.

Sie zählte laut, machte vor drei eine kurze Pause und schrie die Zahl so laut aus, dass Thea gar nicht in den Sinn kam zu zögern. Aus den Augenwinkeln heraus sah sie, wie sich Tom vom Felsen löste und sprang ihm nach. Sie traf auf die harten Planken des Schiffes, kurz darauf vernahm sie ein Poltern. Ein fröhlich ausgestoßenes ‚Wooohuuu’ versetzte ihrem Herz einen Sprung, dann stellte sich das verhasste Gefühl ein, als ihr Körper mitsamt dem Schiff in die Tiefe sauste.


Die Midgard-Saga - Hel

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