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Erinnerung an die siamesischen Berge

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Die Berge ruhen in ewigem Glück. Gleichgültig sind sie gegenüber dem großen Weltgeschehen, die stillstehende Zeit im Rücken, ruhen die Berge – gelassen.

Sie hören den fliehenden Vögeln zu, die Vögel fliehen vor der Kälte des Nordens in die wärmere Heimat zurück.

„Ja, die Vögel dürften Flüchtlinge sein“, flüstert der eine Berg seinem Nachbarn zu.

Und der Berg-Nachbar antwortet: „Die Vögel wissen, dass sie im Norden nur für eine Weile geduldet werden, mein Bruder. Sie fliegen deshalb wieder zurück, in den warmen Süden. Die Vögel sind unsere warmen Brüder.“

„Und was sind wir?“, fragt der erste der Berg-Brüder den anderen.

„Wir sind kalte Brüder, ungleicher Gesinnung, aber aneinandergekettet, wie siamesische Zwillinge. Wir können nicht weg voneinander. Unsere Steine bilden eine Einheit. Das ist unsere Verdammnis“, erwidert sein brüderlicher Nachbar.

„Aber mein Freund: Deine Antwort ist ein Ja und zugleich ein Aber. Denn: Ist das Leben nicht ohnehin ein riesiger Widerspruch, eine Demütigung, bestehend aus unzähligen widersprüchlichen Tochter-Labyrinthen? Müssen wir diesen Widerspruch überwinden oder offener gestanden – die Verdammnis erst betreten? Ist nicht gerade die Tatsache wertvoll, dass wir Berge unsterblich sind, aneinandergekettet, können nicht weg voneinander, doch zeitgleich können wir auch nicht in die Sterblichkeit eingehen. Wir hören sie nur, die Sterblichkeit fliehender Vögel. Es ist so, als ob der Tod eine Stimme hätte, wimmernd, weltenfern, fluchtergreifend. Und wir: Frei sind wir, verdammnisfrei, unsterblich, ha, ha, mein Freund, innigster Freund, in einsamer Naturgestalt – unsterblich sind wir beide und doch aneinanderklebende, einsame Siamesen aus Stein.“

Aphorismen, Gedichte und Kurzgeschichten

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