Читать книгу Romantic Thriller Sommer 2020: 9 Romane um Liebe und Geheimnis - Alfred Bekker - Страница 67
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Die beiden Männer mochten sich vom ersten Augenblick an nicht. Jeffrey Carpenter, der Freund von Candarel, war ein aufgeblasener Snob in viel zu teurer, geschmackloser Kleidung, einem mehr als lässigen Benehmen und schlechten Manieren. Candarel himmelte ihn auf der einen Seite an, schien sich aber auch gleichzeitig etwas für ihn zu schämen. Jeffrey behandelte das Personal, das beim Essen auftrug, als handelte es sich um Sklaven, wusste die ausgesuchten Speisen und den guten Wein absolut nicht zu würdigen – und hatte im Übrigen kein anderes Gesprächsthema als sich selbst und seine hochfliegenden Pläne.
Damian fand es schon nach weniger als fünf Minuten ermüdend, ihm zuzuhören und schaltete geistig ab. Er war höflich genug, um nicht mit scharfen oder deutlichen Worten sein Missfallen über das ungehörige Benehmen des Mannes auszudrücken. Doch wahrscheinlich hätte selbst das Jeffrey Carpenter nicht gebremst.
Mit Vergnügen sah Damian, dass Vivian ebenfalls zu diesem kleinen Trick Zuflucht ergriffen hatte, sie schaute mit einem etwas leeren Blick in die Runde und ließ das Gerede des Mannes an sich vorüberziehen.
Lord Kenneth stocherte ein wenig lustlos auf seinem Teller herum und schien mit seinen Gedanken ebenfalls sehr weit entfernt zu sein.
„Dad, redest du nicht mit uns?“, fragte Candarel scharf.
Der Kopf Seiner Lordschaft ruckte hoch. „Doch, natürlich, mein Kind. Entschuldige, ich war mit meinen Gedanken etwas abgelenkt. Was hattest du gesagt?“ In der Stimme des älteren Mannes klang eine unnatürliche Ruhe mit, und Vivian hob alarmiert den Kopf. Da stimmte doch etwas nicht mit ihrem Vater. Doch sie schwieg hier bei Tisch, sie würde ihn später darauf ansprechen.
„Jeffrey wollte wissen, ob du dich nicht auch an seinem großen Geschäft beteiligen möchtest. Es geht um eine Filmproduktion, stell dir nur vor, wie aufregend das ist. Weißt du, Jeffrey hat da eine alte Geschichte ausgegraben – na ja, nicht Jeffrey selbst. Es geht da jedenfalls um einen wahnsinnig teuren, unglaublichen Diamanten von angeblich hundert Karat, der spurlos verschwunden ist, nachdem er mit einem Fluch belegt wurde.“ Sie sprach weiter, ohne zu bemerken, dass ihr Vater plötzlich leichenblass geworden war. Seine Stimme klang schroff, als er seine Tochter jetzt unterbrach.
„Ich werde ganz sicher kein gutes Geld in eine solch waghalsige Produktion stecken. Tut mir leid, dieses Thema sehe ich als abgeschlossen an.“ Das klang endgültig und sehr abweisend, der Lord machte nicht einmal Anstalten höflich weiter zuzuhören.
„Aber Dad ...“ Candarel verstummte unter dem Blick ihres Vaters. Doch sie würde so schnell nicht aufgeben, die junge Frau wollte eine weitere Gelegenheit suchen, um das Thema erneut anzuschneiden.
Lord Kenneth betrachtete jetzt Vivian und Damian, die nebeneinander saßen und sich von Zeit zu Zeit Blicke zuwarfen, die er in dieser Form bei ihrer Ankunft noch nicht bemerkt hatte. Sollte sich seine Lieblingstochter, die sonst vor lauter Vernunft keine Gefühle zulassen wollte, doch endlich für einen Mann entschieden haben? Nun, mit Damian Amberwood als Schwiegersohn würde er leben können, der junge Mann machte einen sehr vernünftigen Eindruck. Und der Lord konnte sich auf seine Menschenkenntnis verlassen, sie hatte ihn noch nie getrogen. Vielleicht besaß auch Vivian etwas davon, so dass sie eben so lange darauf gewartet hatte, bis ihr der richtige Mann begegnete. Seine Menschenkenntnis sagte ihm jetzt jedenfalls, dass er Jeffrey Carpenter besser misstrauen sollte, während Damian unbedingt vertrauenswürdig war.
Das war der springende Punkt. Seine Lordschaft brauchte dringend jemanden, mit dem er ein vertrauliches Gespräch führen konnte – und es war besser, wenn es nicht eine seiner Töchter war. Denn dieser Mensch musste vielleicht sogar in der Lage sein, ihm einen Rat zu geben.
Jetzt berührte Vivian verstohlen die Hand von Damian. Na, das ging ja schnell. Aber Lord Kenneth war glücklich darüber, dass es bei seiner Tochter doch endlich eingeschlagen hatte. Das würde es ihm vielleicht etwas einfacher machen.
Damian erkundigte sich bei Jeffrey, wie denn die Produktion des Filmes überhaupt geplant war. Es war eigentlich nicht mehr als eine höfliche Frage, um auch etwas zum Gespräch bei Tisch beizutragen.
„Nun, wir haben die Geschichte und jemanden, der entsprechend dazu ein Drehbuch schreiben will. Nun werden wir die Schauspieler aussuchen ...“
„Entschuldigen Sie, aber dieses Vorgehen scheint mir doch etwas dilettantisch, finden Sie nicht?“, unterbrach der Psychologe kühl und spöttisch. „Haben Sie denn keine Produktionsfirma damit beauftragt, schon im Vorfeld Drehort, voraussichtliche Kosten und auch eine Marktanalyse zu erstellen? Vielleicht ist es gerade der falsche Zeitpunkt ...“
„Woher wollen Sie eigentlich wissen, wie ein Film gedreht wird?“, fuhr Carpenter jetzt Damian an.
Der blieb ruhig und sachlich. „Ich war bereits als Berater dafür tätig“, versetzte er trocken.
„Ach, komm, Jeffrey, ich glaube, dieses Gespräch wird zu dumm. Du musst dich nicht mit Leuten abgeben, die glauben, alles besser zu wissen“, mischte sich Candarel ein. „Vivian, es ist bedauerlich, dass du jemanden mitbringen musstest, der anderen Leuten ihre Arbeit erklären will. Du solltest dir deine Bekannten vielleicht doch sorgfältiger aussuchen.“
Diese spitze Bemerkung veranlasste Vivian zu einem spöttischen Lächeln.
„Es beruhigt mich förmlich, dass meine Freunde dir nicht zusagen, Schwesterherz. Ich hätte sonst einen denkbar schlechten Geschmack.“ Mit diesen Worten nahm sie Damian bei der Hand. „Komm, ich glaube nicht, dass ich mich noch länger der Anwesenheit von Mister Carpenter erfreuen möchte.“
„Moment bitte, ich glaube, ich würde Sie gern sprechen, junger Mann“, sagte Lord Kenneth. Er stand ebenfalls auf und machte eine Bewegung zur Bibliothek hinüber.
Damian wirkte für einen Moment verblüfft, folgte dann aber der Einladung. Candarel warf ihrer Schwester einen triumphierenden Blick zu. Sie ging davon aus, dass dieser hochmütige Kerl jetzt aus dem Haus geworfen wurde. Wie konnte er es wagen, sich in dieser Form hier in Szene zu setzen?
Vivian jedoch glaubte nicht einen Moment an ein derart radikales Vorgehen ihres Vaters. Er musste andere Gründe haben das Gespräch mit Damian zu suchen. Und ein seltsam ängstliches Gefühl breitete sich in ihr aus. Was war mit ihrem Vater los? Etwas stimmte hier nicht! Und sie war ziemlich sicher, dass sich hier etwas zusammenbraute, das sie alle noch in Schwierigkeiten bringen konnte. Aber sie hätte niemals geahnt, um was es wirklich ging. Sie hatte nur ein ungutes Gefühl.
Die Bibliothek war ein hoher Raum, angefüllt mit Regalen bis zur Decke voller Bücher, von denen einige vermutlich älter waren als das Schloss selbst. Einige bequeme Sessel aus Leder standen um einen Tisch gruppiert, ein Kamin bot mit seinem Sims, auf dem sich eine beeindruckende Sammlung von Sportpokalen befand, einen interessanten Blickfang.
Lord Kenneth bot Damian einen Platz an und öffnete dann ein Regal, hinter dem eine gut bestückte Bar zum Vorschein kam.
„Darf ich Ihnen einen ganz besonderen Whisky anbieten, Mr. Amberwood? Er wird hier in der Nähe privat gebrannt. Ich verspreche Ihnen einen ganz und gar ungewöhnlichen Geschmack.“
„Gern.“ Damian war neugierig, wollte das jedoch nicht offen zeigen. Er setzte sich locker in den angebotenen Sessel und schnupperte gleich darauf erfreut und beeindruckt an seinem Glas. Das war ja wirklich ein ganz besonderer Tropfen, den Seine Lordschaft da besaß.
Lord Kenneth setzte sich Damian gegenüber, die beiden Männer prosteten sich zu, dann stellte der ältere sein Glas ab.
„Sie fragen sich bestimmt, was ich von Ihnen will, noch dazu mit einer solchen Heimlichkeit“, begann er etwas zögernd.
„Diese Frage habe ich mir gestellt, richtig. Doch ich nehme an, Sie haben gute Gründe, mit mir unter vier Augen reden zu wollen. Davon abgesehen“, lächelte Damian, „sind Sie der Herr auf Castle Ferristeen. Was immer Sie tun wollen, Sie sind niemandem Rechenschaft schuldig.“
„Das setzt voraus, dass ich moralisch so gefestigt bin, dass ich meine Anweisungen vor mir selbst vertreten kann. Ich danke Ihnen, dass Sie mir das zutrauen. Aber ich habe Sie wirklich nicht hergebeten, um mit Ihnen philosophische Betrachtungen auszutauschen. Und es ist auch eigentlich nicht meine Art, mit Menschen, die ich erst so kurze Zeit kenne, vertrauliche Gespräche zu führen. Und doch scheint mir die Situation bei Ihnen völlig anders. Ich habe Vertrauen zu Ihnen, und das liegt nicht allein daran, dass Sie das Herz meiner Tochter im Sturm erobert zu haben scheinen. Doch es gibt für mich ein Problem – nun, sagen wir, dass es sich um eine Frage handelt, die man vielleicht sogar philosophisch betrachten könnte; oder auch psychologisch. Und ich bitte Sie, hier in diesem Raum kein Blatt vor den Mund zu nehmen. – Was halten Sie von Geistern oder Flüchen?“
Augenblicklich war Damian gespannte Aufmerksamkeit. Der Lord redete wenigstens nicht lange um den heißen Brei herum.
„In welchem Zusammenhang, Euer Lordschaft?“
„Oh, bitte, tun Sie mir einen Gefallen – lassen Sie bitte die förmliche Anrede. Ich habe wirklich nichts dagegen, wenn Sie mich Kenneth nennen. Immerhin denke ich doch, dass ich Sie in nächster Zeit öfter hier sehen werde?“
Damian war doch etwas verblüfft. „Ist es so offensichtlich, dass ich Vivian – dass ich für Ihre Tochter ...“
Lord Kenneth lachte kurz auf, dankbar für diese kleine Ablenkung. „Wenn ich euch beide richtig verstanden habe, kennt ihr euch auch erst ein paar Tage. Aber es war wohl Liebe auf den ersten Blick, ja?“
Damian nickte, etwas verlegen und doch erleichtert, dass er nicht ausweichen musste.
„Ich kenne dieses Gefühl, ich hatte es bei meiner Frau ebenfalls – und es hielt an, bis zu ihrem Tod. Aber wir sind vom Thema abgekommen, Damian. Was also halten Sie von Dingen, auf denen ein Fluch liegt?“
„Es soll solche Gegenstände geben. Ich selbst hatte allerdings noch nie mit einem davon zu tun“, erwiderte er vorsichtig.
„Ich bin im Besitz eines solchen.“
„Interessant.“
Der Lord lachte bitter auf. „Sie sind vorsichtig und unverbindlich, das kann ich verstehen, Damian. Aber wenn es Sie nicht langweilt, werde ich Ihnen die Geschichte erzählen. Und dann möchte ich Ihre ehrliche Meinung dazu hören.“
„Gern.“ Damian setzte sich bequem hin und schaute den Lord aufmerksam an.
Lord Kenneth ging zu seinem Schreibtisch, nestelte mit einigen Schlüsseln herum und holte dann schließlich tief unten aus einem Fach eine Schatulle hervor, schwarz, schmucklos und unscheinbar. Er klappte den Deckel auf – und Damian schnappte nach Luft.
„Dann will ich Ihnen die Geschichte erzählen – die Geschichte eines Hundert-Karat-Diamanten.“