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Zwischenspiel

Circa dreihundertfünfzig Jahre vor unserer Zeit:

„Sie ist eine Hexe! Verbrennt sie! Steinigt sie vorher, und dann übergebt ihre Seele dem Feuer. Sorgt dafür, dass sie nie wiederkommt!“

Die Frau, von der hier die Rede war, stand auf einem Schinderkarren und blickte über die Menschenmenge hinweg, als würde sie keinen davon sehen.

In diesem Sommer des Jahres 1648 war eine fahrende Gauklertruppe in die kleine Stadt Dumbarton gekommen und hatte dort am alljährlichen Jahrmarkt ihre Zelte aufgeschlagen.

In diesem Sommer des Jahres 1648, der eine gute Ernte versprach, hatte es plötzlich merkwürdige Vorkommnisse gegeben, die niemand so recht zu erklären wusste.

Und in diesem Sommer des Jahres 1648 stand diese junge, schöne Frau auf dem Schinderkarren, der sie zum Richtplatz brachte, auf dem sie in kurzer Zeit verbrannt werden würde.

Bis zuletzt hatte sie vor dem Stadttribunal ihre Unschuld beteuert, auch durch die hochnotpeinlichen Befragungen hindurch, aber niemand hatte ihr geglaubt. Es galt ja schon als Beweis der Schuld, wenn eine Frau der Folter widerstand. Brach sie aber zusammen und gestand, war sie ebenso schuldig.

Und es war ein ehrenwerter Bürger der Stadt, der sie beschuldigt hatte, zuerst sein Vieh und dann seine Frau verhext zu haben. Dass dieser bei vielen angesehene Mann in Wirklichkeit daheim ein Tyrann war, der seine Frau prügelte und sein Vieh vernachlässigte, war nicht allgemein bekannt, denn nach außen hin pflegte er das Ansehen eines wohlwollenden und wohlhabenden Bürgers, der Almosen gab und sich der Armen erbarmte.

Doch das Vieh war aufgrund mangelnder Versorgung eingegangen, denn er bezahlte auch die Knechte schlecht und hatte daher nur wenige Hilfskräfte. Und seine Frau hatte die Gemeinheiten und Brutalitäten nicht mehr ausgehalten und war deshalb davongelaufen.

Aber da der Bürger das nicht wahrhaben wollte, hatte er kurzerhand die Wahrsagerin aus der Gauklertruppe beschuldigt, und nur zu gerne hatte man ihm geglaubt. Gaukler und Musikanten galten immer als ein wenig suspekt, und man traute ihnen alles Mögliche Böse zu.

Und so war es denn auch ein sehr kurzer und einseitiger Prozess gewesen, den man mit Isabella veranstaltet hatte. Niemand hatte sich darum gekümmert, ob sie schuldig oder unschuldig war, sie hatte ganz einfach schuldig zu sein.

Es hatte auch niemanden interessiert, dass sie selbst unter der Folter ihre Unschuld beteuerte – sie war eine Hexe, und damit gehörte sie verbrannt. Der Volkszorn konnte nur mit Blut besänftigt werden, nachdem einmal die Gerüchte aufgekommen waren. Der Priester von Dumbarton hatte noch versucht, die Menschen zu beruhigen. Ihm lag nichts daran eine erneute Hexenverbrennung in der Stadt zu haben. Aber seine Worte waren untergegangen, und so blieb ihm nur die schwere, traurige Pflicht, diese hübsche junge Frau auf ihrem letzten Weg zu begleiten und ihr im Namen Gottes die Sünden zu vergeben, wenn sie denn welche auf sich geladen hatte. Ganz sicher aber war sie nicht der Hexerei schuldig.

Der Holzstoß, den man aufgeschichtet hatte, war fast mannshoch, das Holz war jung und feucht, und um es sicher zum Brennen zu veranlassen, hatte man Öl darüber geschüttet. Isabella, nur mit einem härenen Hemd bekleidet, die Hände auf den Rücken gefesselt, wurde nun unsanft von dem Karren heruntergezerrt und musste barfüßig über die schmerzhaft stechenden Holzscheite auf den Scheiterhaufen laufen, bis man sie in der Mitte des Holzstoßes an einen Pfahl fesselte, von wo aus sie die Menschen voller Verachtung, aber auch ein wenig Mitleid betrachtete.

Dann schlugen die ersten Flammen aus dem Scheiterhaufen hoch, dichter Rauch quoll auf so dass die neugierigen Zuschauer Isabella kaum noch sehen konnten. Bisher war kein Wort über ihre Lippen gekommen, und auch kein Schrei oder das betteln um Gnade, diese Frau besaß einen ganz besonderen Stolz. Und sie wusste, dass jedes Wort ihr nur im Munde herumgedreht werden würde, da schwieg sie lieber, auch als die Flammen an ihrem Körper hochleckten und die Schmerzen sie erfassten.

Und dann setzte ein furchtbarer Platzregen ein, so als wollte der Himmel darüber weinen, dass hier eine unschuldige Frau verbrannt werden sollte.

Doch dadurch wurde der Rauch eher noch dichter, aber man hörte plötzlich das Schreien der Frau aus den Flammen. Dann brach das Geschrei abrupt ab, und einen Augenblick später erklang Isabellas klare Stimme zum letzten Mal, deutlich für alle zu vernehmen, selbst für diejenigen, die weit am Rande des Richtplatzes standen.

Angst erfasste die Menschen, denn das konnte doch nicht mit rechten Dingen zugehen.

„Ich verfluche euch, ihr Heuchler von Dumbarton. Bis in alle Ewigkeit soll immer einer aus eurer Generation Unglück über die Familie bringen. Ich verfluche diesen Platz, der mein Leben empfängt, und ich verfluche meine Henkersknechte und Richter, die eine Unschuldige dem Tode überantworten.“

Ihre Worte endeten mit einem langgezogenen Schrei, der Rauch wurde womöglich noch dichter, und niemand konnte sehen, wie die Frau verbrannte. Als man später den Scheiterhaufen nach ihren Überresten untersuchte, war von ihr nichts zu finden.

Doch der Fluch tat seine Wirkung.

Wenige Tage später wurde Isabella als unschuldig erkannt, als ihr Ankläger in weinseliger Laune die Wahrheit erzählte, und auch seine Frau in den Ort zurückkehrte, wo sie Zeugnis ablegte über die Gemeinheiten ihres Mannes.

Einer der Henkersknechte erhängte sich, und einer der Richter starb an einer unbekannten Krankheit einen qualvollen Tod.

Der Richtplatz, auf dem man Isabella hingerichtet hatte, brachte allen, die dort etwas bauen wollten oder auch nur lagerten, Unglück, und so dauerte es gar nicht lange, bis sich geheimnisvolle Geschichten um Isabella und ihren Tod rankten, wie auch um den Ort ihres Todes, der noch heute der Richtplatz heißt. Ältere Leute weigern sich selbst heute ihn zu überqueren und bekreuzigen sich, wenn sie auch nur in seine Nähe kommen.

Die Geschichten darüber, was alles auf diesem Platz schon geschehen sei, wie auch die Berichte über das Erscheinen der schönen Isabella, die sich immer dann zeigte, wenn ein neues Unglück bevorstand, häuften sich von Zeit zu Zeit, aber niemand hatte eine glaubhafte Erklärung für die Phänomene. Aber viele glaubten ganz einfach daran.

Sammelband 7 Mystery Thriller - Der Sommer der Geheimnisse

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