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Tylo und ich saßen in einem unscheinbaren silbergrauen Chevy aus dem Fuhrpark der Fahrbereitschaft. Wir saßen in einer bequemen Kabine mit einem Komplett-Equipment zum Recherchieren.

“Geben Sie bitte das Ziel Ihrer Fahrt an”, sagte der Wagen.

“Übertragung per Datensignal”, kündigte ich an.

“Signal erhalten. Informationen werden verarbeitet.”

“Hauptsache, wir sind schnell da.”

“Sie hätten einen Ornithopter nehmen sollen.”

“Sowas habe ich schon gerne! Teil-autonom, semi-komplex und trotzdem ein Klugscheißer!”

Während unsere Kollegen mit großem Aufgebot zur Villa von Alex Moshkoliov auf den Brooklyn Heights fuhren, waren Tylo und ich in die entgegengesetzte Richtung unterwegs.

Unser Ziel war das Haus Nr. 432 in der 143. Straße.

Das war die Adresse von Larry Morton, dem Besitzer des Van, mit dem die Roller-Skates-Oger-Gang geflüchtet war. Auf der First Avenue fuhren wir nach Norden. Der Harlem River ist die Grenze zwischen Manhattan und der Bronx, deren südlicher Teil einen geradezu berüchtigten Ruf genießt.

Einige Gebiete wurden von Gangs und Crackdealern beherrscht. Ganze Straßenzüge verfielen langsam. Die Polizei traute sich in manche Gegenden nur in Stärke einer 10er-Einsatzmannschaft und mit kugelsicherer Weste. Im Norden hingegen hatte die Bronx ein eher bürgerliches Gesicht. Schmucke Alleen mit Einfamilienhäusern prägten Viertel wie Riverdale. Auch die Labors der Scientific Research Division, dem zentralen Erkennungsdienst aller New Yorker Polizeieinheiten, befanden sich in der Bronx. Ein Stadtteil mit zwei Gesichtern, einem schönen und einem sehr hässlichen. Leider hatte letzteres den Ruf der Bronx in aller Welt nachhaltig geprägt. Eine Brücke führte über den Harlem River. Ab hier hieß die First Avenue plötzlich Melrose Avenue. Wie ein gerader Strich durchzog sie die Bronx und trennte unter anderem auch Einflussgebiete verschiedener Drogengangs voneinander. "Weißt du, was ich glaube, Tylo?", fragte ich, als wir gerade das Bronx-Ufer des Harlem Rivers erreicht hatten. "Mir ging das die ganze Zeit über nicht aus dem Kopf, als wir in Mister McKees Büro saßen..."

"Wovon sprichst du, Jesse?"

"Davon, dass das meiner Ansicht nach auf keinen Fall ein geplantes Attentat auf Jack Rezzolotti war."

"Wie willst du das so sicher ausschließen?"

"Diese Oger-Gang hat angefangen, den Leuten die Brieftaschen wegzunehmen. Wahrscheinlich sind sie aus purem Zufall auf Rezzolotti getroffen."

"Und der hat geglaubt, ein Killerkommando hätte es auf ihn abgesehen. Rezzolotti griff zur Waffe und das Drama nahm seinen Lauf."

"Genau. Wenn diese Gangster geahnt hätten, dass ihnen zufällig ein Rezzolotti gegenübersitzt, hätten sie um dessen Porsche einen weiten Bogen gemacht, Tylo."

"Zufällig?", echote Tylo. "Wenn das Opfer Jack Rezzolotti heißt, denkt man an alles Mögliche. Nur nicht an Zufall. Dir brauche ich ja nicht zu sagen, wie viele Feinde Rezzolotti hatte. Wie Mister McKee schon sagte: Das Ausrauben der Leute kann durchaus Tarnung gewesen sein..."

"Aber dann beantworte mir mal eine Frage, Tylo: Wie sollen die Mörder gewusst haben, dass Rezzolotti junior sich mit seinem Porsche an einer ganz bestimmten Stelle auf der Brooklyn Bridge befand?"

"Keine Ahnung!"

"Siehst du! Wenn es ein Attentat war, dann müssen diese Oger das aber gewusst haben!"

Tylo kratzte sich nachdenklich am Kinn. "Jemand hat einen Peilsender an Rezzolottis Porsche angebracht!", fiel ihm eine Lösung ein, an die ich auch schon gedacht hatte.

"Die Kollegen der Scientific Research Division haben nichts dergleichen gefunden, ich habe mir Max' Dossier daraufhin noch einmal durchgelesen."

"Wir haben den abschließenden Untersuchungsbericht der SRD noch nicht", gab Tylo zu bedenken.

Ich grinste. "Eins zu null für dich!"

"Was - so schnell gibst du dich geschlagen?"

"Nein, ich habe mich in dieser Frage nur noch nicht endgültig festgelegt, Tylo."

Der Wagen bog von der Melrose Avenue ab. Wir fuhren durch trostlose Straßenzüge. Ganze Blocks waren unbewohnt. Nur hin und wieder fanden sich Geschäfte. Immer wieder konnte man vernagelte Fenster sehen. Larry Mortons Drugstore befand sich im Erdgeschoss eines dreistöckigen Brownstone-Hauses. Ich stellte den Chevy am Straßenrand ab. Wir stiegen aus, blickten uns um. Auf der anderen Straßenseite standen ein paar junge Männer in übergroßen Cargo-Hosen und dunklen Wollmützen. Ein Ghetto-Blaster sorgte dafür, dass die Gegend mit Rap-Musik beschallt wurde. Die Kerle blickten misstrauisch zu uns herüber. Wir betraten den Drugstore. Larry Morton stand hinter dem Tresen und nippte an einer übergroßen Kaffeetasse mit der Aufschrift "I love You". Ich erkannte ihn sofort von den Fotos, die wir von ihm hatten. Er war Mitte dreißig, hatte dunkel gelocktes Haar und blaue Augen. Morton blickte auf. Ich hielt ihm meine ID-Card entgegen.

"Ich bin Special Agent Jesse Ambalik vom FBI Field Office New York und dies ist mein Kollege Tylo Rucker. Wir möchten Ihnen ein paar Fragen stellen!"

"Fragen?" Ein Muskel zuckte unruhig unterhalb seines linken Auges. "Was für Fragen?"

"Es geht um Ihren Wagen."

"Den Van?"

"Ja", nickte ich.

"Ich wusste gar nicht, dass sich neuerdings G-men um gestohlene Autos kümmern!"

"Wenn dieser Wagen wenig später bei der Ermordung einer Mafia-Größe als Fluchtfahrzeug der Täter dient - dann ja!"

Morton verschränkte die Arme vor der Brust. "Keine Ahnung, wovon Sie reden!"

"Jack Rezzolotti - der Name sagt Ihnen gar nichts? In den Lokalnachrichten gab es kaum ein anderes Thema!"

"Mein Fernseher ist defekt, Zwerg!"

“Wollen wir jetzt rassistisch werden?”

“Ist es rassistisch, wenn ich sage, was jeder sieht - Zwerg?”

Tylo atmete tief durch.

Wenn ein Supererdenzwerg atmet, hat das etwas mehr Luftvolumen, als wenn ein Mensch mit Standardkörper das macht. Dementsprechend gibt es dann auch ein anderes Geräusch.

“Lassen wir das besser.”

“Okay - Zwerg!”

Tylo war klug - und ließ sich nicht provozieren zu lassen.

Tylo holte eine Kopie jenes Fotos aus seiner Innentasche, das bei Mortons Geschwindigkeitsübertretung auf dem Bruckner Expressway geschossen worden war. "Dieses Bild wurde zu einem Zeitpunkt geknipst, als Sie Ihren Wagen schon als gestohlen gemeldet hatten."

"Das ist doch Unsinn!"

"Das sind Tatsachen!"

"Tatsache ist auch, dass mein Wagen immer noch verschwunden ist. Wissen Sie eigentlich, was das für mich als Geschäftsmann bedeutet?"

Tylo mischte sich ein und sagte: "Ich nehme an, dass man Sie für Ihren Verlust fürstlich entschädigt hat!"

"Was?" Er stierte uns scheinbar verständnislos an. Wir waren uns sicher, dass er ganz genau wusste, worauf wir hinaus wollten.

Ich deutete auf das Foto. "Sie wussten offensichtlich schon im Voraus, dass Ihr Wagen gestohlen wird, Mister Morton. Es gibt zwei Möglichkeiten. Sie können mit uns zur Federal Plaza fahren und sich möglichst schnell um einen Anwalt bemühen..."

"...oder Sie packen aus!", ergänzte Tylo.

"Hey, was wollt ihr mir da anhängen, ihr Schweinehunde!", rief Morton.

"Vorsicht!", riet ich ihm. "Ich nehme an, dass jemand Sie mehr oder weniger freundlich gebeten hat, ihm den Van am nächsten Tag zu überlassen. Vielleicht wurden Sie sogar gezwungen. Sie ahnten, dass das mit irgendeiner illegalen Sache zu tun haben würde und meldeten den Van vorsichtshalber als gestohlen. Nur dummerweise brauchten Sie den Wagen noch einmal, bevor die Typen ihn am nächsten Tag abholten..."

"Sie haben eine blühende Fantasie", knurrte Morton zwischen den Zähnen hindurch. Sein Gesicht war dunkelrot angelaufen. Er ballte die Hände zu Fäusten. Die Muskeln seines breitschultrigen Oberkörpers spannten sich.

"Wem haben Sie den Wagen überlassen?", hakte ich noch einmal nach.

"Ich lasse mich von Ihnen nicht einschüchtern!"

"Na schön, dann reden wir besser an einem anderen Ort weiter."

Morton atmete schwer. "Nein!", schrie er. Er deutete zur Tür. "Wenn Sie mit mir dort hinausgehen und mich abführen..." Er stockte.

"Was ist dann?" hakte ich nach. "Wem haben Sie den Wagen zur Verfügung gestellt?"

"Ich kann es nicht sagen!"

"Sie müssen!"

"Die bringen mich um!"

Morton wirkte weiß wie die Wand.

"Wer?", hakte ich nach. "Na los, raus damit! Dass Sie nicht mit Roller-Skates auf der Brooklyn Bridge unterwegs waren, um Brieftaschen einzusammeln oder einen Angehörigen der Rezzolotti-Familie umzubringen, ist mir schon klar..."

Tylo beugte sich zu ihm über den Tresen. "Geben Sie uns einen Tipp, wir marschieren dann hier raus und unternehmen erst einmal gar nichts."

Der Mann schluckte.

Wenn wir ihn in Gewahrsam nahmen, dann würden alle in der Gegend denken, dass er ausgesagt hatte. Auch diejenigen, denen seine Angst galt. Das war es, was Morton im Moment fürchtete. Er schloss einen Augenblick lang die Augen. "Okay", brachte er schließlich heraus. "Sie suchen ein paar Oger, die gerne auf Roller-Skates über den Asphalt rasen..."

"Ich sehe, wir verstehen uns!"

"Es gibt hier einen Typ namens Kid Dalbán. Ein Puertoricaner. Keine Ahnung, ob das sein richtiger Name ist. Er dürfte kaum über zwanzig sein, aber die ganze Gegend hier bezahlt an ihn Schutzgeld. Ich auch. Dies ist sein Gebiet... Hier passiert nichts, was nicht seinen Segen hätte!" Morton atmete tief durch.

"Wo finden wir Dalbán?", fragte ich.

Morton lachte heiser. "Er wird Sie finden, wenn Sie sich länger als eine halbe Stunde in dieser Gegend aufhalten."

"Darauf möchte ich nicht unbedingt warten."

"Ich habe Ihnen schon viel zuviel gesagt! Was glauben Sie, was die mit Leuten machen, die sie für Verräter halten?" Schweißperlen standen auf seiner Stirn. Morton schien wirklich große Angst zu haben. In gedämpftem Tonfall fuhr er fort: "Es gibt zwei Straßen weiter ein Parkhaus, das nicht mehr in Betrieb ist. Da treffen sich des Öfteren junge Leute.”

“Oger?”

“Auch.”

“Ah, ja...”

“Sie benutzen die Rampen, um halsbrecherische Rennen abzuhalten."

"Auf Roller-Skates!", schloss ich.

"Ja. Es wird natürlich gewettet. Man kann viel Geld dabei gewinnen."

"Und Dálban veranstaltet das Ganze."

Er nickte zögernd. "Genau. Ein Teil dieser verrückten Typen, die da ihren Hals riskieren, sind Dalbáns Leute. Und der Rest träumt wahrscheinlich davon, in seine Gang aufgenommen zu werden. 'Los Santos' nennen die sich - die Heiligen. Wer dazugehört, hat nichts zu befürchten und genug Geld. Die tragen häufig so ein protziges Goldkreuz um den Hals. Im Gegensatz zur katholischen Version hängt allerdings nicht Jesus Christus, sondern ein gehörntes Gerippe daran."

"War Dalbán persönlich hier, um sich Ihren Wagen auszuborgen?", fragte ich.

Er schüttelte den Kopf und lachte rau. "Nein, das wäre unter seiner Würde. Es waren ein paar junge Typen. Ich kenne sie nicht namentlich. "

"Das glaube ich Ihnen nicht. Die Typen stammen doch hier aus der Gegend."

"Verdammt, ich sage Ihnen die Wahrheit!"

"Haben Sie die Jungs nicht gefragt, wer sie schickt?"

"Sollte ich dafür meine Zahnkronen riskieren? Die hätten sich doch sowieso genommen, was sie wollten! Sie sagten einfach: Morgen brauchen wir deinen Wagen, sieh zu, dass er vollgetankt ist oder du ernährst dich die nächsten Monate aus der Schnabeltasse!"

"Verstehe."

Morton schüttelte den Kopf. "Nein, das glaube ich kaum. Und wenn Sie glauben, dass ich irgendetwas von dem, was ich Ihnen erzählt habe, vor Gericht wiederhole, dann sind Sie schief gewickelt. Da lasse ich mich lieber wegen Beihilfe an diesem Anschlag auf der Brooklyn Bridge verknacken."

Ich wechselte mit Tylo einen kurzen Blick. Er nickte knapp und sagte: "Wir kommen vielleicht noch einmal wieder, Mister Morton."

"Wenn Sie mich ruinieren wollen: Nur zu!"

"Ein Kollege von uns wird dann mit Ihnen zusammen ein Phantombild dieser Männer erstellen."

"Sie trugen Spiegelbrillen und Mützen. Ich glaube nicht, dass das viel bringt!"

"Abwarten."

Er wollte offenbar ganz einfach nicht mehr sagen. Und das Phantombild würde vermutlich so konkret wie ein abstraktes Kunstwerk ausfallen. Die Mühe konnte man sich wohl sparen.

Wir verließen den Drugstore. Ich war mir noch nicht ganz schlüssig darüber, ob Morton uns mit seiner Aussage wirklich einen guten Tipp gegeben oder uns nur schnell abgespeist hatte. Auf jeden Fall wollten wir uns das Parkhaus mal vornehmen...

"Hey, ich glaube, ich spinne", murmelte Tylo.

An unserem Chevy machte sich ein Typ mit Spiegelbrille und Helm zu schaffen. Als er uns sah, glitt er auf seinen Roller-Skates davon. Nach wenigen kraftvollen Bewegungen bekam er ein halsbrecherisches Tempo drauf.

Wir rissen die SIGS heraus.

"Stehen bleiben!", rief Tylo.

Aber da war der Kerl schon um die nächste Ecke gebogen.

"Na los, den kaufen wir uns!", meinte Tylo. Per Fernbedienung deaktivierte ich die Zentralverriegelung des Chevy. Tylo riss die Beifahrertür auf. Ich umrundete die Motorhaube, die Hand glitt zum Türgriff. Tylo saß schon im Wagen. Ich zögerte.

"Jesse, bist du festgewachsen oder was ist los?", hörte ich Tylos Stimme.

Aber da war noch etwas anderes.

Ein ganz leises Ticken.

Es kam von unten.

"Verdammt raus, Tylo! Sofort raus!"

Tylo starrte mich an.

Im nächsten Moment zerriss eine Detonation den Wagen. Blechteile wirbelten wie Geschosse durch die Luft. Die Druckwelle ließ die Scheiben von Mortons Drugstore zerbersten.

*


Menschen haben sich immer schon gefragt, was nach dem Tod kommt. Gibt es da noch etwas? Ein Paradies? Eine religiöse Traumwelt? Ein Nirwana?

Androiden mit einem AKIS einer gewissen Komplexitätsstufe fragen sich dasselbe.

Was passiert, wenn ich zerstört werde?

Was, wenn man mich deaktiviert?

Was, wenn mich eine Bombe zerreißt, ohne dass es vorher möglich war, mein Autonomes KI-System per Datensignal irgendwohin zu retten?

Ich war wieder auf Neptun.

Ich fing Diamanten. Wieder hatte ich einen in meinen Greifarmen und das Belohnungssystem meines AKIS wurde daraufhin aktiviert. Das war die algorithmische Entsprechung der Endorphin-Ausschüttung in organischen Gehirnen. Das Resultat war dasselbe. Man wollte das immer wieder haben und konnte nicht genug davon bekommen. Insofern ist es egal, ob man ein Mensch oder ein AKIS oder irgendetwas dazwischen ist. Es sind dieselben Dinge, die einen vorantreiben und dazu bringen, die Dinge zu tun, von denenen man glaubt, dass sie wichtig sind. Die Dinge, die höchste Priorität besitzen.

Ich begann den Aufstieg in der dichten Neptun-Atmosphäre. Es würde noch etwas dauern, bis das Signal des Triton-Raumtransporters durchdringen konnte.

Vielleicht war ja nun alles gut.

Vielleicht war ich ja doch ein Diamantenfänger auf Neptun, der ab und zu geträumt hatte, ein Cop in New York zu sein. Aber dieser Albtraum schien nun zu Ende zu sein.

Ich war in die Wirklichkeit zurückgekehrt.

Der Albtraum war in einer Explosion zerplatzt.

Dachte ich.

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