Читать книгу Acht besondere Krimis: Roman-Koffer - Alfred Bekker - Страница 8
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Berlin, 1928...
Der Fette Frosch – so nannte man den feinen Pinkel mit dem imposante Doppelkinn überall in Berlin. Natürlich nannte man ihn nur dann so, wenn er nicht dabei war. Ansonsten hätte das niemand gesagt. Denn der Fette Frosch wurde gefürchtet – und das mit Recht. Mit jemandem wie ihm, legte man sich besser nicht an. So mancher, der das versucht hatte, war schließlich in der Spree gelandet und irgendwo als fischzerfressene Leiche angespült worden.
Andere waren einfach verschwunden und nie wieder aufgetaucht. Allerdings legte der Fette Frosch niemals selbst Hand an. Das hatte er auch nicht nötig. Er selbst war jederzeit absolut friedlich. Ein Fetter Frosch, der ausnahmsweise keiner Fliege etwas zuleide tat. Dafür hatte er seine Leute. Ein schiefer Blick seiner blauen Augen reichte aus, um jemanden auszulöschen, der ihm im Weg war.
Der Fette Frosch betrieb seine Geschäfte nicht von zu Hause aus. Neun Zehntel des Tages verbrachte er in mehr oder minder exquisiten Lokalen. Manchmal auch an Spieltischen.
Wer ihn kannte wusste, wo man ihn finden konnte.
Er hielt dann regelrecht Hof, saß an seinem Tisch und ließ seine Leibwächter an den Eingängen so auffällig agieren, dass jeder mitbekam, dass sie da waren.
Der Mann, der jetzt zur Tür hereinkam, bewegte sich so schneidig, als würde er Uniform tragen. Das tat er normalerweise auch. Nur dann nicht, wenn er sich mit dem Fetten Frosch traf.
Gewohnheitsmäßig nahm er Haltung an, als er den Tisch erreichte.
"Setzen Sie sich, Herr Major", sagte der Fette Frosch.
Der Major der Reichswehr ließ sich das nicht zweimal sagen.
"Wie geht es Ihnen, Herr Major?"
"Den Umständen entsprechend."
"Ich verstehe."
"Möchten Sie zuerst die gute Nachricht hören oder die schlechte?"
"Ich bin von Natur aus Optimist", sagte der Fette Frosch und lächelte dabei sehr breit.
"Mit anderen Worten: Zuerst die gute Nachricht!"
"Wenn ich darum bitten dürfte!"
"Sie können noch jede Menge Kokain bekommen."
"Das ist gut", sagte der Fette Frosch. Er nahm einen Schluck aus seiner Kaffeetasse. "Zurzeit kann man in Berlin gar nicht genug von dem Kokolores bekommen." Er lächelte. "Wilde Träume nach einem verlorenen Krieg. Manchen bleibt nichts anderes."
"Kokain ist nichts anderes, als ein gewöhnliches Schmerzmittel. Die Reichswehr hat während des Krieges Unmengen davon eingelagert. Die werden jetzt nicht mehr gebraucht..." Der Major lachte heiser auf. "So viele Kriege kann unser geschrumpftes 100.000-Mann Heer gar nicht führen, dass das ganze Zeug noch mal gebraucht werden könnten!"
"Das sehe ich auch so."
"Außerdem dient es so noch einem guten Zweck..."
"Ihrem persönlichen Gewinn!"
"Der Finanzierung einer nationalen Revolution in Deutschland!", widersprach der Major. "Damit Deutschland nicht länger von Hochverrätern à la Stresemann regiert wird oder über kurz oder lang die Bolschewisten die Macht übernehmen!"
"Und Sie wollen mir wirklich erzählen, dass das Sie das alles nur aus selbstloser Hingabe für die gute Sache tun und für Sie persönlich gar nichts übrig bleibt, Herr Major?" Der Fette Frosch hob die Augenbrauen, die bei ihm allerdings kaum sichtbar waren. Sie waren so hell, dass sie sich kaum von der Haut abhoben.
Auf der Stirn des Majors bildete sich eine tiefe Furche. Eine Ahnung jenes Zorns spiegelte sich darin wider, den der Major empfand. Ein Zorn, der sich auf die Umstände, auf die Zeit und jene richtete, die er für beides verantwortlich machte. Der Fette Frosch hatte diesen Zorn schon zuvor bei seinem Gegenüber bemerkt und sich gefragt, ob jemand wie er selbst nicht zwangsläufig in diesen Zorn eingeschlossen sein musste. Jemand, der durch die Entwicklung der letzten Jahre reich geworden war. Jemand, der Profit aus dem Untergang so vieler anderer hatte ziehen können.
Mag sein, dass er mich verachtet, dachte der Fette Frosch. Mag sein, dass er mir unter anderen Umständen nicht einmal die Hand geben würde. Aber im Moment brauchen wir uns gegenseitig. Und das ist gut so.
"Ich erwarte dann schnellstmöglich Ihre nächste Lieferung", sagte der Fette Frosch.
"Eine Kleinigkeit wäre in diesem Zusammenhang noch zu besprechen."
"Welche Kleinigkeit?"
"Der Preis..."
"Dachte ich es mir doch...."
"Ich werde ihn moderat erhöhen."
"Ah, ja?"
"Um gute 100 Prozent."
Der Fette Frosch seufzte. "Wir sind ja alle nun schon ganz andere Inflationsraten gewöhnt."
"Ich danke Ihnen für Ihr Verständnis. Angebot und Nachfrage regeln den Preis..."
"Das müssen Sie mir nicht erläutern, Herr Major!"
"...und die nationale Sache erfordert es."
"Ja, sicher!"
"Dann sind wir uns also einig!"
"Habe ich eine Wahl?"
In dem kantigen Gesicht des Majors erschien zum ersten Mal die Ahnung eines zufriedenen Lächelns. "Nein", sagte er und der Klang seiner Stimme erinnerte den Fetten Frosch an klirrendes Eis. "Aber ich denke, Ihre Gewinnmargen für den Kokolores steigen im Augenblick auch überproportional.”
"Wie auch immer...”
"Ach, kommen Sie!”
"Sie sprachen noch einer von einer zweiten Neuigkeit, Herr Major!”
"Sie meinen die weniger Erfreuliche!”
"Wenn Sie das so einschätzen, wird es wohl zutreffen.”
Der Major fixierte den Fetten Frosch mit einem geraden, durchdringenden Blick.
"Mir ist etwas zu Ohren gekommen. Sie können damit anfangen, was sie wollen, aber im Interesse unserer guten Geschäftsbeziehung, sollten Sie das Problem möglichst schnell lösen.”
"Worum geht es?”
"Um einen Mann namens Raboi. Robert Raboi.”
Der Fette Frosch ließ sich nicht anmerken, ob er mit diesem Namen etwas anfangen konnte oder nicht. Seine Züge gefroren zu einer freundlich lächelnden Maske. Er schlürfte an seinem Kaffee und ließ durch nichts erkennen, dass er zu dem, was der Major gesagt hatte, im Augenblick in irgendeiner Weise Stellung zu nehmen beabsichtigte.
"Sie hatten mal mit diesem Raboi zu tun”, stellte der Major fest. "Und einige Leute, mit denen Sie zu tun hatten, hatten auch mit ihm zu tun. Unglücklicherweise hatten auch einige Leute, mit denen ich zutun hatte, mit ihm zu tun.”
"Ist das so?”
"Das Problem ist: Ein paar sehr ehrgeizige Leute haben diesen Mann umgedreht. Er wird in Zukunft für die Polizei arbeiten. Früher oder später wird er alles preisgeben, was er weiß. "
"Ich habe verstanden, was Sie mir damit sagen wollten, Herr Major”, sagte der Fette Frosch nüchtern - und abermals, ohne zur Sache selbst in irgendeiner Weise Stellung zu nehmen.
"Dann kann ich mich auf Sie verlassen?”
"Haben Sie bisher irgendeinen Grund gehabt, daran zu zweifeln?”
"Nein.”
"Ich denke, ich weiß sehr gut, was getan werden muss!”
"Das wollte ich hören”, sagte der Major.