Читать книгу Killerrache: Krimi Koffer 9 Romane - Alfred Bekker, Frank Rehfeld, Karl Plepelits - Страница 61
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Eine Minute später saß ich wieder hinter dem Steuer des Volvo und dachte: Volltreffer! Wenn der Graue sich vor dem Hotel Maritim hatte absetzen lassen, dann wohnte er vielleicht dort. Und das hieß, dass ich eine reelle Chance hatte, mehr über ihn zu erfahren. Ich fuhr also zum Maritim, parkte den Wagen irgendwo in der Umgebung und beobachtete dann eine Weile den Eingang. Leute kamen und gingen. Meistens Herren ohne Begleitung. Geschäftsreisende. Eine Gruppe von Japanern war auch dabei. Das Personal hatte seine liebe Not mit ihnen, weil unter den Japanern niemand zu sein schien, der etwas anderes, als seine Muttersprache so beherrschte, dass es für eine Verständigung ausreichte.
Aber von dem Grauen sah ich keine Spur.
Vielleicht war er auch schon längst wieder unterwegs. Auch war es möglich, dass er hier nur in ein anderes Taxi oder die U-Bahn umgestiegen war, um eventuelle Verfolger abzuschütteln. Ich wagte mich schließlich ins Foyer. An der Rezeption stand ein schwitzender Portier, ziemlich dick und mit dunklem Schnauzbart. Er durfte auf keinen Fall zu heftig Luft holen, wenn er vermeiden wollte, dass ihm die Knöpfe von der viel zu engen Jacke sprangen.
Ich sah mich um. Aus einem Zeitungsständer nahm ich mir ein Hoteljournal, das hier gratis verteilt wurde und einen in drei Sprachen auf die Sehenswürdigkeiten der Umgebung aufmerksam machte. Im Notfall konnte ich so tun, als würde ich darin lesen. Notfall, das war, wenn der graue Mann mir hier plötzlich über den Weg laufen sollte. Ich hatte nicht die geringste Ahnung, wie er reagieren würde, aber es war sicher besser, wenn er nichts davon erfuhr, dass ich ihm nachspionierte. Ich wandte mich an den Portier und zog noch einmal meine Polizistennummer ab. Es klappte hervorragend.
"Ich möchte Sie bitten, keinerlei Aufsehen zu erregen", raunte ich ihm zu und steckte die Marke schnell wieder weg.
Er nickte. "In Ordnung", meinte er. Er machte ganz auf seriös. Um so besser. Ich gab ihm eine Kurzbeschreibung des grauen Mannes. "Hat sich bei Ihnen jemand einquartiert, der so aussieht?"
"Ein Foto haben Sie nicht zufällig?", fragte er.
"Nein, tut mir leid. Aber so dicke Brillengläser sind wirklich selten."
Er hob bedauernd die Hände.
"Ich glaube nicht, dass ich Ihnen da weiterhelfen kann", meinte er.
"Der Mann hat sich vor diesem Hotel mit einem Taxi absetzen lassen."
"Wann?"
"Vor einer guten Stunde."
"Ich mache seit heute Morgen hier Dienst. Und in dieser Zeit hat sich hier niemand einquartiert, auf den Ihre Beschreibung zutrifft, Herr Kommissar."
Herr Kommissar! Meine Güte, dachte ich. Wie schnell, man doch befördert werden konnte, wenn man es richtig anstellte.
Ich machte eine strenge Miene.
"Sie würden doch sicher nicht unsere Ermittlungen behindern, oder?"
"Nein, sicher nicht."
"Das würde ich Ihnen auch nicht geraten haben. Strafvereitlung nennt man so etwas. Schon mal davon gehört?"
"Also, hören Sie, ich sage Ihnen die Wahrheit."
"Hier geht es um eine große Sache, wenn Sie die vermasseln, dann bekommen Sie Ärger." Ich machte eine bedeutungsvolle Pause und deutete dann mit der Linken zum Lift. "Sehen Sie die Frau da vorne?"
"Die..."
"Ja, die mit kurzen Rock. Die ist auch von uns."
"Hätte ich nicht gedacht!"
Er schien sehr beeindruckt und schwitzte jetzt noch mehr.
Ich hatte Mitleid mit ihm.
"Also gut", murmelte ich und wandte mich um. Und traf es mich wie ein Fausthieb in die Magengrube. Ich sah den Grauen aus einem der Flure kommen.
Er war nicht allein. Neben ihm ging ein hochgewachsener Mann mit schütterem blonden Haar. Er war vielleicht Mitte vierzig und recht hager.
Ich ließ augenblicklich das Hoteljournal hochschnellen.
Sie kamen näher und gingen an mir vorbei in Richtung Ausgang, wo sie einen Augenblick stehenblieben und ein paar erregte Worte miteinander wechselten. Ich sah nur, wie ihre Münder sich öffneten und wieder schlossen und wandte mich wieder an den Portier.
"Sehen Sie sich den Grauhaarigen am Ausgang mal an, mein Guter!"
Er sah ziemlich belämmert aus und beugte sich dann zu mir herüber. "Das ist kein Gast", versicherte er mir.
Ich verzog das Gesicht.
"Ach, nein?"
"Wirklich nicht! Glauben Sie mir, ich habe einen Blick für Gesichter."
"Und das Gesicht hätten Sie behalten?"
"Mit Sicherheit."
"Und der Mann daneben?"
"Der wohnt hier."
Der Graue und sein Begleiter gingen jetzt hinaus ins Freie. "Wie heißt er?" fragte ich.
"Also..."
"Nun schauen Sie schon in Ihrem verdammten Gästebuch nach!"
Er schaute nach. Der Blonde nannte sich Bo Erikson und war Schwede. Und das Beste: Er hatte sogar die Nummer seines Reisepasses hinterlassen. Ich notierte sie mir.
"Wie lange bleibt er?"
"Darüber hat er nichts gesagt."
"Welche Zimmernummer hat er?"
"Vierunddreißig."
"Sagen Sie ihm nichts von mir."
"Natürlich nicht."
Ich bewegte mich jetzt auch auf den Ausgang zu. Mir war klar, dass ich vorsichtig sein musste. Ich ließ den Blick ein wenig schweifen und dann sah ich die beiden in einem schwarzen Mazda sitzen.
Sie schienen sich zu unterhalten.
Ein Königreich für eine Wanze!, dachte ich. Dann stieg der blonde Erikson aus und schlug die Tür hinter sich zu. Der Mazda brauste augenblicklich davon und fädelte sich auf ziemlich brutale Weise in den Verkehr ein. Irgendjemand hupte und ich schätzte die Anzahl der Vögel, die in dieser Sekunde gezeigt wurden, auf ein halbes Dutzend.
Ich konnte mir gerade noch die Wagennummer merken, sah aber auch das Emblem einer bekannten Leihwagenfirma und konnte mir daher ausrechnen, dass auch diese Spur nicht sonderlich weit führen würde.
Erikson kam indessen direkt auf mich zu.
Er kannte mich nicht. Jedenfalls nahm ich das an. Als er mich erreicht hatte, hob er kurz den Blick und musterte mich für eine volle Sekunde mit seinen leuchtend blauen Augen, bevor er an mir vorbeiging.
Ich sah mich nicht um und überlegte, welche Rolle der Schwede in dieser ganzen Sache spielte.
Was mochte hinter diesem ganzen Theater stecken?
Ich atmete tief durch.
Spielt das denn wirklich eine Rolle?
Eine unbequeme Frage, vor deren Beantwortung ich mich bisher ein bisschen gedrückt hatte.
Nein, es spielte keine Rolle. Nicht die geringste. Ich wollte die halbe Million und wenn der Kerl, den ich dafür erledigen sollte ein Schweinehund war, um so besser.