Читать книгу Dreimal fachgerecht gemordet: Krimi Großband 3 Romane 10/2021 - Alfred Bekker - Страница 44
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Der Mann mit dunklen Locken legte den Kittel des F&S-Kurierdienstes sorgfältig gefaltet auf den Stuhl.
Er lächelte.
Ja, heute konnte er mit sich zufrieden sein.
Alles war nach Plan verlaufen.
Und doch...
Er atmete tief durch und wartete auf ein Gefühl der Erleichterung. Sutthoff, Jäschke, Kunze und jetzt Dahms...
Sie haben ihre gerechte Strafe bekommen, ging es ihm durch den Kopf, und er ballte dabei unwillkürlich die Hände zu Fäusten.
Er wartete noch immer auf das Gefühl der Erleichterung.
Er schloss die Augen. Aber es wollte sich einfach nicht einstellen. Er stand da und vor seinem inneren Auge erschienen wieder jene Bilder aus der Erinnerung, die ihn schon so lange quälten.
So lange er denken konnte.
Fünf Jahre alt war er gewesen und hatte sich unter der Küchenbank verkrochen. So konnte ihn niemand sehen. Er hatte gespielt.
Dann hatte es an der Tür geklingelt.
Sein Vater war aufgestanden und hatte geöffnet. Wenig später hatte der Junge ihn aufschreien hören. Die dumpfen Schläge, die er jetzt, so viele Jahre, in der Erinnerung zu hören glaubte, waren derart real, dass ihn jedesmal schauderte. Eine Gänsehaut überkam ihn.
»Nein«, flüsterte er und schüttelte sich, so als ob er dadurch diese inneren Alptraumbilder loswerden könnte.
»Nein!« Jetzt war es ein regelrechter Schrei.
Er hatte damals unter der Küchenbank hervorgeschaut und in den Flur blicken können. Vier Männer hatten auf seinen Vater eingeschlagen, immer wieder. Sie hatten verlangt, dass er etwas sagen sollte. Was, das hatte der Junge nicht verstanden.
Sein Vater hatte geächzt und war dann irgendwann in sich zusammengesunken.
Er war nie wieder aufgestanden.
Wie entgeistert hatte der Junge zu ihnen hingestarrt. Und er hatte sich die Gesichter gemerkt. Nie, in all den Jahren hatte er diese Gesichter vergessen.
Die Gesichter von Mördern...
Er fuhr sich in diesem Moment mit der flachen Hand über das Gesicht. Warum waren sie noch immer da, diese Gesichter?
Warum verschwanden sie auch jetzt nicht? Jetzt, da doch eigentlich alles vorbei sein musste...
»Max?«, fragte eine Stimme durch die geschlossene Tür hindurch.
Eine Frauenstimme.
Ein Ruck ging durch Max.
Er schluckte. Sein Puls raste, als er sah, wie die Türklinke heruntergedrückt wurde.
»Warte, Mutter!«, rief er. »Ich mache dir gleich auf!«
»Ist alles in Ordnung, Max? Ich habe dich schreien hören...«
Max blickte zum Schreibtisch, auf dem sein Computer und der Tintenstrahldrucker standen. Vor der Tastatur befanden sich einige Schnipsel und eine Schere. Dazu eine Rolle mit Nylonschnur. Hauchdünn war sie, so wie jene, die die Angler benutzten.
Und einige Umschläge lagen verstreut herum, dazu eine braune Masse, die fast wie Knetgummi wirkte.
Der Schreibtisch hatte eine Schublade.
Max riss sie auf und ließ alles darin verschwinden. Sein Blick fiel dabei auf etwas Schweres, Dunkles. Einen Revolver.
Blitzschnell hatte er alles untergebracht, dann schloss er die Schublade und ging zur Tür. Er drehte den Schlüssel herum. Seine Mutter kam herein. Sie war eine ehemals vermutlich schwarzhaarige und jetzt ergraute Frau in den Fünfzigern. Sie blickte sich im Zimmer um.
»Wirklich alles okay?«, fragte sie.
»Ja.«
Ihr Blick fiel auf den Kittel des F&S Kurierdienstes.
Sie nahm ihn vom Stuhl und sah ihn sich an.
»Woher hast du den denn?«
»Lass ihn liegen, Mutter.«
»Arbeitest du dort?«
»Mutter...«
»Warum hast du mir nicht gesagt, dass du wieder einen Job hast? Und ich dachte immer, du treibst dich den ganzen Tag nur irgendwo herum.«
Er atmete tief durch.
Er sagte ihr nicht, dass er keinen Job hatte.
Stattdessen nickte er nur und meinte: »Es sollte eine Überraschung sein.«