Читать книгу Ich darf mich nicht verwandeln - Alfred Bekker - Страница 10
Оглавление4
Ich ging unterdessen mit Sheriff Corey Masterson ein paar Schritte zur Seite, um den Kollegen vom Erkennungsdienst Platz zu machen.
„Wer hat die Tote entdeckt?“
„Ein Spaziergänger. Wohnt hier ganz in der Nähe. Die Personalien habe ich mir aufgeschrieben. Er war mit seinen Hunden unterwegs. Hüfthöhe Doggen, die er nach nordischen Göttern benannt hatte. Ein sehr eigenartiger Typ.“
Masterson holte einen Zettel aus seiner Jackentasche, auf dem er sich die Personalien notiert hatte und gab ihn mir.
Er hieß Michael S. Nolan.
„Miss McNamara hat ihn als Täter gleich ausgeschlossen. Darum haben wir ihn gehen lassen. Er hält sich zu Hause zu unserer Verfügung.“
„Ich möchte gerne mit ihm sprechen.“
„Tun Sie das. Aber passen Sie wegen den Hunden auf. So groß wie Kälber sind die und haben Kiefer, mit denen die einem mit Leichtigkeit die Kehle durchbeißen können...“
Unser Kollege Sam Folder kam auf uns zu. Er hielt einen Lippenstift in der Linken. Um am Tatort nicht selbst Spuren zu hinterlassen, hatte er einen weißen Schutzoverall angelegt und trug die üblichen Latex-Einmalhandschuhe.
„Darry, ich glaube ich habe hier etwas. Dieser Lippenstift lag ganz in der Nähe der Toten im Gras.“
„Ich nehme an, dass noch genug Speichel am Stift klebt, um nachweisen zu können, ob er dem Opfer gehörte“, meinte ich.
Sam nickte. „Das werde wir auf jeden Fall untersuchen. Aber ich will im Moment auf etwas anderes hinaus, Darry. Wir haben keine Handtasche gefunden, aber einen Lippenstift. Wenn es sich wirklich um den Lippenstift des Opfers handelt, dann muss es hier auch eine Handtasche gegeben haben.“
„Die der Täter mitgenommen hat?“
„Vielleicht.“
„Ich glaube kaum, dass es der Täter war, der die Handtasche mitnahm“, mischte sich nun Jeannie McNamara ein, die sich inzwischen auch zu uns gesellt und Sams Ausführungen offenbar zumindest teilweise mitbekommen hatte.
Sam drehte sich verwundert zu ihr um. „Passt das nicht in Ihr Profil?“
„So ist es. Der Täter ist zwar nicht gerade reich, aber immerhin so wohlhabend, dass er nicht auf Diebstähle angewiesen ist. Außerdem hat er sich bei keinem der vorhergehenden Fälle am Eigentum des Opfers vergriffen.“
„Dann passt dieser Mord vielleicht gar nicht in die Serie“, erklärte nun Dr. Brent Claus, der seine Arbeit an der Toten beendet hatte. Mit einem Zeichen gab er den beiden bereitstehenden Deputies die Erlaubnis, das Opfer in den vorgesehenen Zinksarg zu legen, in dem es in die SRD-Labors in der Bronx überführt werden sollte. „Am Handgelenk der Toten ist nämlich ein Abdruck, der von einer Uhr stammen könnte, die ebenfalls fehlt. Und ein Ring am Ringfinger der linken Hand wurde offenbar verschoben. Der Täter scheint versucht zu haben, ihn dem Opfer wegzunehmen, hat ihn aber offenbar nicht abbekommen und wollte auch wohl nicht noch mehr Gewalt anwenden.“
„Das Profil passt“, erwiderte Jeannie McNamara fast etwas trotzig. „Aber wer sagt uns, dass es der Täter war, der die Handtasche und die Uhr hat mitgehen lassen?“
„Sie denken an den Mann, der die Leiche gefunden hat?“, hakte ich nach.
Die Psychologin nickte.
„Wäre doch möglich, oder?“
„Sicher.“
„Wenn Sie mit dem Mann sprechen, wäre ich gerne dabei, Agent Pendor.“
„Ich freue mich, wenn Sie mich begleiten. Aber sagen Sie ruhig Darry zu mir. Wir werden ja schließlich wohl ein nächster Zeit sehr eng zusammenarbeiten.“
„In Ordnung, Darry.“
Ich stellte zufrieden fest, dass die Haare zwischen meinen Fingern wieder verschwunden waren.
Ich würde mich ein anderes Mal verwandeln.
Aber nicht jetzt.
Gut so.
Ich lächelte beinahe entspannt.
“Sie scheinen irgendein Problem mit mir zu haben!”, meinte die Psychologin.
“Nein”, behauptete ich.
“Wenn Sie das sagen.”
“Vielleicht haben Sie ein Problem mit mir? Könnte das sein?”
“Ganz gewiss nicht.”
Ich lächelte etwas breiter. “Angenommen , Sie wären eine Vampirin und ich ein Werwolf - dann hätten wir ein Problem miteinander, oder?”
“So denken Sie über uns beide?” Sie hob die Augenbrauen. “Eine interessante Analogie. Schade, dass ich keine Praxis habe und Sie mein Patient sind.”
“Wieso?”
“Weil ich dann über Ihren Fall eine Studie veröffentlichen könnte.”
“Sie meinen, das könnte sich selbst Sigmund Freud nicht so passgenau ausgedacht haben, nicht wahr?”
Sie lächelte auch. Aber so falsch wie immer. Ich mag so ein falsches Lächeln nicht. Ich mag Unaufrichtigkeit nicht. Und sie ist unaufrichtig. Aber das ist bei mir wohl eine persönliche Sache.
“Sind Sie je auf die Idee gekommen, dass ich Sie einfach nur verarsche?”, fragte ich.
Und dabei sah sie mich an wie ein Auto. Nein, auf so eine Idee kommt sie nicht. Sie kann man nicht verarschen. Sie ist viel zu intelligent dazu. Sie ist es, die andere vorführt, ihnen klarmacht, dass sie nur kleine Cops und beschränkte Agents sind. Aber das jemand mal ausnahmsweise sie als Idiotin dastehen lassen könnte, ist einfach unfassbar für sie. Das passt nicht in ihr Weltbild.