Читать книгу Revolvergeier: Western Sheriff Sammelband 6 Romane - Alfred Bekker - Страница 45
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Ja, damals in Lincoln, damals, als er das Zuschlagen der Tür hörte und aus seinen Gedanken jäh empor geschreckt wurde, damals wusste er nicht, ob der Neger Josua und Mister Smith nicht gegen ihn gehen würden. Er stand allein, und draußen lauerten die Burschen, lauerten darauf, dass er kommen und sich auf Ronny, seinen Rotschimmel, schwingen würde. Yeah, damals verklangen die Schritte der beiden Männer, und er war allein. Er wusste, dass seine Chancen eins zu Hundert standen. Auf die Packen, auf Hays Reitpferd und die Lasttiere würde er verzichten können, niemals aber auf Ronny. Ronny musste ihn tragen. Er tastete nach den Eisen, zog blank und ließ die kühlen Läufe durch seine Hände gleiten.
Yeah, so war das damals, und auch erklang damals ein Lied. Ein Lied, das trunkene Kerle hinausgrölten:
„Big Muddy – Mutter aller Ströme, wir sind deine Söhne ...“
Nein, Kid hatte nicht zugehört. Die Zeit drängte. Jede Minute, ja, jede Sekunde war kostbar, und je schneller er handelte, um so besser für ihn. Hay war tot und jetzt gab es nur noch eins, die Stadt verlassen, entkommen, denn hier in Lincoln hatte Gibson alle Trümpfe in der Hand, war dabei, sie auszuspielen.
Entschlossen schob er die Eisen in die Futterale zurück, tastete sich zur Tür, öffnete sie behutsam und schaute hinaus. Draußen stand die Nacht. Die bleiche Sichel des Mondes hing am sternengeschmückten Himmel. Viele Laternen waren erloschen, aber das konnte nur bedeuten, dass man ihn erwartete, ihn in Sicherheit wiegen wollte, und die Bestätigung dieser Annahme zeigte sich sofort. In versteckten Winkeln standen bewegungslose Schatten.
„Mister Smith und Josua haben tatsächlich dicht gehalten“, murmelte Kid. „Sie haben mich nicht verraten. Sie werden Hay holen. Ah, so long, Hay, farewell.“
Das waren die einfachen, schmucklosen Abschiedsworte für einen Kameraden, für einen Sattelpartner, und sie wurden aus tiefem Mitgefühl geboren, waren inniger als manche phrasenreiche Totenrede. In dieser Minute schloss auch Kid mit dem Leben ab, und dann handelte er wie im Traum. Er glitt aus der Tür, zog sie hinter sich zu, blieb abwartend stehen.
Eine frische Brise wehte durch die Straßen und koste seine fiebernden Schläfen, kühlte seine brennenden Augen.
„Buddy, du stehst zu sehr im Blickfeld“, krächzte eine Stimme, und der Kerl, der diese Worte
sprach, löste sich aus dem Schatten des Vorbaus, kam langsam näher.
„Ich glaube kaum, dass Kid Carson in diese Falle gehen wird!“, gab er leise zur Antwort. Laut genug, dass der andere ihn hören konnte.
„Nun, das werden wir ja erleben, Buddy. Er ist ein Cowboy – und Cowboys haben eine Schwäche für ihre Reittiere. Er wird bestimmt kommen!“
„Für einen Gaul wird kein vernünftiger Mann sich in Stücke schießen lassen, möchte mir den Wundergaul gerne mal ansehen!“
„Warte damit, bis Kid Carson aus den Stiefeln gefahren ist“, sagte der andere grimmig und blieb dicht vor Kid stehen. Breit und massig stand er da, beugte sich interessiert näher, und seine Rechte zuckte, blieb wie erstarrt in der Luft hängen.
„Nun, du wirst mit mir gehen“, zischte Kid nachdrücklich. „Wenn wir beide uns den Gaul anschauen, wird wohl niemand etwas Verdächtiges daran finden!“
Der andere röchelte. Wut und Zorn schluckte er in sich hinein. Aber die drohende Mündung vor seinen Magen ließ ihn vernünftig sein. Er wusste nun, wer vor ihm stand, wer ihm das Eisen in den Magen gebohrt hatte.
„Carson“, zischte er.
„Ganz recht, Gent. Dreh dich brav um, und dann setz dich in Bewegung und versuch keinen Trick!“
By Gosh, für einen unbeteiligten Beobachter, oder für einen Mann, der nur wenige Schritte entfernt stand, musste es in der Tat so aussehen, als ob zwei Männer sich freundschaftlich unterhielten.
„Daniels, zum Teufel, du zerstörst die Falle. Was fällt dir ein?“, schleppte eine Bassstimme unwillig aus der Dunkelheit.
„Wir wollen nur feststellen, ob alles in Ordnung ist“, klang es leise zurück.
„Dann beeilt euch. Carson kann jeden Moment auftauchen, und dann wäre es eure Schuld, wenn er Verdacht schöpfen sollte!“
„Stopp!“, raunte Kid.
Der Muskelberg blieb steif stehen, bebte vor Wut, und Kid hatte keine Zeit mehr, ihn zu entwaffnen. Nein, dazu reichte es wirklich nicht mehr. Was jetzt kam, war eine Folge von schnell ausgeführten Handlungen. Mit der Linken zerrte Kid den Bauchgurt des Schimmels stramm, riss den Zügelknoten auf und ließ die Zügelenden herabbaumeln, setzte den rechten Stiefel in den Sattelschuh – und in diesem Augenblick hieb er den Kolben seiner Waffe quer über den Schädel seines Gegners.
Der weiche Stetson dämpfte den Schlag, und doch war er hart genug geführt, um dem Kerl die Besinnung zu rauben, um ihn auszuschalten. Über ihn hinweg stieg der Rotschimmel, als ob er geradewegs in den Himmel wollte, und sein wildes, blasendes Schnauben und sein darauffolgendes grelles Wiehern waren das Signal zum Höllenreigen.
Yeah, nur so konnte man das bezeichnen, was nun folgte. Kid erlebte das alles wie im Traum. Im Sprung setzte der Rotschimmel über den gestürzten Burschen hinweg. Es war ein gewaltiger Sprung, der durch Kids Absätze noch verstärkt wurde. Mit wildem Grimm hieb er sie in die Weichen und Flanken. Noch nie hatte er einem Tier derart die Sporen zu kosten gegeben, doch jetzt musste er es. Es blieb ihm keine andere Wahl.
Langgestreckt lag er auf dem schwingenden Pferderücken, langte nach den Zügeln und riss mit der Rechten sein Eisen aus dem Futteral. Eine dunkle Gestalt zeigte sich vor ihm. Die zuckende Bewegung zur Hüfte war unverkennbar. Unwahrscheinlich schnell reagierte der Kerl, der ihm jäh den Weg versperren wollte, doch Kid war um eine Sekunde schneller, er sandte ihm einen Feuergruß entgegen, eine Serie orangefarbener Blitze, und deutlich hörte er das Pfeifen der ihm zugedachten Kugeln. Ringsumher riss die Erde auf, spritzten Geschosse in den Staub.
Kid hielt den Colt von sich gestreckt, schoss, bahnte sich einen Weg mit rauchendem Eisen, und durch das belfernde Lärmen der Colts klang das schrille Fluchen der Meute, drang das Stöhnen Getroffener und gellten heisere Rufe hinter ihm her.
Der Durchbruch war geglückt, aber noch war er nicht entkommen. Mit trommelnden Hufen jagte Ronny durch die Straße, wurde von Yard zu Yard schneller, gab sein Letztes her, als wüsste er, dass von seiner Schnelligkeit das Leben seines Reiters abhing.
Der Hufschlag schwoll zum brausenden Stakkato an, zu einer aufpeitschenden Melodie, die ins Blut ging, die Kid aus seinem traumähnlichen Zustand riss, denn das, was er hinter sich gebracht hatte, war zu glatt, zu schnell gegangen. Es war kaum glaublich und konnte einfach nicht gut gehen. Hinter ihm toste die Meute der Verfolger heran. Von allen Seiten bekam die Posse Verstärkung, und Kid lachte – lachte dunkel und hart in sich hinein.
Rings um die rumorenden Hufe seines Pferdes geriet alles in Bewegung. Er preschte an den langen Reihen der an den Holmen angebundenen Pferde vorbei, sprengte eine Gruppe anreitender Cowboys auseinander, streifte einen Gaul und hieb einen Reiter aus dem Sattel, der überrascht nach dem Colt langte. Dann war die Truppe hinter ihm, und vor den schnellen Hufen seines Reittieres öffnete sich eine Nebengasse.
Hier brannten keine Laternen. Die Dunkelheit tastete nach Reiter und Pferd, war verführerisch, und doch wusste Kid, dass er weiter musste, dass er auf keinen Fall anhalten und einen Trick versuchen durfte. Dieses Mal war die ganze Stadt auf den Beinen. Ah, eine Stadt machte auf einen Mann Jagd, und viele Hunde zerreißen selbst einen Tiger.
„Go on“, raunte er seinem Pferd zu, „go on, mein Bester!“ Er kam aus der Stadt heraus, ließ Häuser, Zelte und Wagenburgen hinter sich, und unter den rasenden Hufen schob sich das graue Grasmeer der Prärie mit unheimlicher Schnelligkeit. Bäume und Sträucher flogen vorbei, blieben zurück.
„Vorwärts, Ronny!“ Der Rotschimmel spitzte die Ohren, verstärkte seine Gangart, wurde noch schneller und stob mit fliegender Mähne und wehenden Schweifhaaren in das ausgetrocknete Bett eines Arroyos hinein, wirbelte eine lange Staubwolke hinter sich auf.
Nun erst richtete sich Kid etwas im Sattel auf, wischte mit seinen Handrücken über die Stirn. Sie war feucht. Kalter Schweiß war es, der in seinen Poren brannte.
„Jetzt werden sie mich nicht mehr erwischen“, murmelte er vor sich hin.
Etwas war in ihm zerbrochen. Schon damals, als man seine Eltern ermordete, war Kid ein anderer geworden. Von da an liebte er die Einsamkeit, weil sie stumm und erhaben und doch mit tausend Stimmen zu ihm reden konnte. Von da an liebte er den nächtlichen Himmel, den Glanz der Sterne und die dunklen Berge mit den dunklen Graten und den finsteren Schründen. Sie waren ihm mehr als eherne Zeugen, sie waren ihm eine Offenbarung. Und er liebte auch das weite Gräsermeer, liebte die unbegrenzte Ferne der Prärie.
Die Nacht verging. Unentwegt war er geritten. Hatte nur kleine Pausen eingelegt, um sich und seinem Reittier etwas Ruhe zu gönnen, und immer wieder hatte er sich nach seinen Verfolgern umgeschaut.
Nun graute der Morgen. Nebelschwaden hingen über dem Land, wälzten sich durch die Mulden und strebten gleich bizarren Vorhängen zur Höhe. Bäume streckten ihre Kronen aus dem Dunst und glichen irgendwelchen Fabelwesen, und plötzlich war im Osten die gewaltige Lichtexplosion der Sonne. Tanzende Lichtfinger verzauberten die Welt. Goldene Pracht senkte sich nieder und verwandelte die Umwelt und gleichzeitig erwachten unzählige Tierstimmen.
Der Rotschimmel durchquerte die plätschernden Fluten eines Creeks, dann trabte er in lässiger Gangart am Ufer nach Norden. Yeah, dorthin wollte Kid, denn dort lag Omaha am Ufer des gewaltigen Missouri.