Читать книгу Revolvergeier: Western Sheriff Sammelband 6 Romane - Alfred Bekker - Страница 43
12.
ОглавлениеStaubverkrustet, müde und doch mit hellen Augen ritten die beiden Männer in Lincoln ein. Die Stadt war mächtig im Aufbau begriffen. Sie glich einem wimmelnden Ameisenhaufen, und die wenigen Straßen waren fast verstopft mit Menschen, Reitern und Fahrzeugen.
Vor der Stadt standen Zelte, standen Prärieschoner, Planwagen, Frachtlaster und Ochsengespanne. Wald- und Prärieindianer schritten mit dem ihrer Rasse eigenen Stolz würdevoll durch die hastenden Menschen. Ein gewaltiges Uhrwerk schien die Triebfeder für die Hast und Unruhe zu sein. Unterschiedlich gemischt waren die Menschen, aus allen Himmelsrichtungen waren sie hier zusammengekommen, und scheinbar hatten alle Völker Vertreter entsandt.
„Ich habe einmal einen Zirkus gesehen, Kid.“
„Nun, hier hast du es im Großen“, erwiderte Kid lachend. „Jeder spielt die Hauptrolle und nimmt sich allein wichtig. Jeder jagt dem Glück nach und hofft, davon ein Zipfelchen zu erwischen. Yeah, es ist ein freies Land, Sonny!“
Nachdenklich schaute Hay seinen Sattelgefährten an, murmelte etwas Unverständliches zwischen den Zähnen, trieb sein Reittier neben den Rotschimmel.
„Ich glaube nicht, dass wir in einem Hotel unterkommen, Kid. Das ist ja die reinste Völkerwanderung. Ich werde erst wieder aufatmen, wenn wir wieder auf dem Trail sind.“
„Wir finden schon noch einen Platz für unsere Pferde und für uns, Sonny. Zwei Tage werden wir bleiben, und dann reiten wir nach Omaha und lassen uns den Missouri hinauftragen.“
„Und die Pferde, was passiert mit denen?“, fragte Hay besorgt.
„Die nehmen wir selbstverständlich mit. Sie werden sich dann etwas erholen können, und wir werden an Deck sitzen und uns die Sonne auf die Bäuche scheinen lassen!“
Hah, das waren rosige Aussichten. Goddam, alles hätte schön friedlich und fast vollkommen sein können, wenn ... ja, wenn nicht immer die tödliche Drohung um sie herum wäre, eine Drohung, die selbst in dieser rauchigen Stadt sie nicht verließ, ja, die jetzt noch stärker und gewaltiger wurde.
In Hays Augen war es zu lesen, und auch Kids wachsame Bewegungen zeigten es an. Keinen Augenblick gaben sie sich trügerischen Empfindungen und Hoffnungen hin, sie waren immer bereit. Immer!
„Fleischwaren und Beerdigungsinstitut“, stand auf einem Schild. Sie hielten ihre Pferde an, kletterten steifbeinig aus dem Sattel. Futter und Tränketröge standen an den Holmen.
„Himmel, sie haben die Stadt wirklich in die Höhe getrieben. Die Mietställe sind überfüllt. Aber sie wissen sich zu helfen“, murmelte Hay. Seine hellen Augen blinzelten Kid zu, der gerade die Packtiere an die Holme band. Kid lachte leise vor sich hin, wandte sich um und lehnte sich an seinen Rotschimmel, streichelte das verkrustete Fell des Tieres.
„Schau dir den Schwarzen dort an, er ist anscheinend der Wächter und versorgt die Tiere.“
Grinsend kam der Farbige heran. Seine schneeweißen Perlzähne glitzerten. Vor Hay blieb er stehen, wackelte mit den Fledermausohren.
„Josua bringen Heu und Hafer, ganz serr viel Heu“, grinste er und sperrte den Mund so weit auf, dass man den Eindruck hatte, seine Ohren bekämen Besuch.
„Du tust es nicht umsonst, Blackboy, wer verdient an diesem Geschäft?“, erkundigte sich Hay.
„Ahaoo, Massa Smith verdienen serrr gut. Josua passen auf Pferde Tag und Nacht auf. Hier kommen kein Dieb ... hier Josua sein!“
„Hast du denn schon einmal einen Dieb erwischt?“, erkundigte sich Hay interessiert und blickte dem Schwarzen in die rollenden Augen.
Wieder wackelte der Neger mit den Ohren, ballte die mächtigen Fäuste und beteuerte eifrig: „Serr vill Diebe! Josua sie alle machen mausetot... yeah, ganz tot!“
„Du bekommst wohl für jeden Toten von Mister Smith Prozente, wie?“
Bevor der Schwarze eine passende Antwort an den Mann bringen konnte, mischte sich der Beerdigungsinstitutsbesitzer persönlich ins Gespräch. Er war ein ausgetrocknetes, schiefes Männchen mit Froschaugen und Hängelippen. Rote Haare sprossen aus seinen Nasenlöchern. Er hatte anscheinend die letzten Worte vernommen, bahnte sich einen Weg durch die Passanten und kam mit fliegenden Rockschößen heran.
„Gents, Sie sind neu und fremd in der Stadt. Ich kann Ihnen versichern, dass Ihre Pferde vor meinen Holmen erstklassig verpflegt und genau so gut wie in einem Mietstall behandelt werden. Josua ist eine Perle. Sie können sich ganz auf ihn verlassen. Er hat ein gutes Gedächtnis und liebt Pferde. Was könnte man Besseres wünschen in einer Stadt, die kaum einige Fußbreit Boden für ein Camp frei hat.“
„Nun, wir können es versuchen. Jetzt suchen wir nur noch einen Platz, auf dem wir uns nicht gegenseitig auf die Zehen treten“, sagte Kid.
Das Männchen befeuchtete seine Unterlippe, strich sich über die Glatze. „Nun, ihr seid harte Männer – ich hätte einen Platz frei, Gents!“
Das war wirklich ein Wunder, denn schon der Anblick der Straße zeigte, dass rechts und links die Holme überbelegt waren, dass alle Hotels bis oben hin voll waren, und dass Privaträume wohl kaum noch zu haben waren. Und immer noch kamen neue Trecks, Reiter, Gespanne aller Art.
Hay Stoard schüttelte sich und dehnte: „Wenn es nicht gerade zwischen den Wurst- und Fleischwaren ist.“
„Derartiges brauchen Sie nicht zu befürchten, Gents. Ich habe einen wirklich ruhigen Raum für Sie, und billig dazu!“
„Nun, dann wird es wohl das Sargmagazin sein“, warf Hay ein.
„Yeah“, lachte das vertrocknete Männchen, „in der Tat, so ist es, und wenn die Herren einverstanden sind, bitte!“
„Solange man uns nicht direkt in einen Sarg hineinlegt, macht es uns nichts aus“, gab Hay grimmig zur Antwort.
Josua half ihnen nun die Packtiere absatteln, trug die Packen ins Haus, kam rasch wieder und wollte den Reittieren die Sättel abnehmen.
„Das ist nicht nötig, Blackboy“, wehrte Kid ab. „Lockere nur ein wenig die Sattelgurte, das wäre alles.“
Der Hausherr begriff schneller als sein schwarzer Diener. Er kicherte wild in sich hinein. In der Tat, es war ein teuflisches Gekichere, und Hay überlief es eiskalt.
„Wohl auf dem langen Trail, Gents, wie?“
„Wir sind Reiter vom schnellen Eisen“, zischte Hay leicht aufgebracht. Seine Antwort bewirkte, dass der Kleine noch schärfer kicherte, beide mit seinen Habichtsaugen verschlang und seine Krallenhände auf den wackelnden Bauch legte.
„Gents“, flüsterte er dann aufgeregt, „Gents, in dieser offenen Stadt kann man gut verdienen, wenn man mit den Kanonen zu wedeln versteht. Ich gebe euch dreißig Prozent Rabatt für jede Leiche, und wenn ihr wollt, könnt ihr noch heute Abend mit dem Verdienen anfangen. Schaut euch nur um, schaut euch nur um!“
Hay und Kid hörten nicht mehr hin. Der schreckliche Alte kicherte hinter ihnen her. Josua zeigte ihnen den Weg. Durch eine schmale Gasse gelangten sie in einen morschen Bau und erreichten, über eine altersschwache Leiter steigend, den Raum, der ihnen zum Aufenthalt dienen sollte. Ihre Packen standen schon dort.
„In Ordnung, Blackboy, wenn das hier nicht der gemütlichste Aufenthaltsort ist, den ich jemals hatte, will ich auf der Stelle ein Wildesel sein“, grimmte Hay. Er nagte an der Unterlippe, stieß seinen Stetson weit in den Nacken.
Josua streckte die geöffnete, leere Hand aus, und Kid ließ einen Dollar darin verschwinden. Damit hatten sie den grinsenden Schwarzen los und waren allein.
„Feine Gesellschaft hier, Kid. Es stehen genügend Särge für Gibson und seine Genossen herum. Ich wünschte, uns bliebe nur noch das Zunageln.“ Er brach ab, schaute sich um. Kid war ans Fenster getreten und schaute auf die Straße hinab. Er stand wie angewurzelt, wie verkrampft. „Was ist los, Kid?“, fuhr Hay auf.
„Du hast den Teufel an die Wand gemalt, Sonny“, klang es dumpf.
„Mein Gott ... das ... das kann doch nicht sein“, explodierte Hay.
„Doch, Kleiner, es ist so. Ich sah einen Reiter mit dem Herzbrand vorbeireiten, und er hatte Mühe, sein Erschrecken zu verbergen, als er meinen Rotschimmel sah!“
Hay wartete die weiteren Worte nicht erst ab, rannte aus dem Raum, verschwand durch die Luke. Kid wirbelte herum, unterdrückte einen Fluch. Zum Teufel, der Boy war wild geworden, war ein Hitzkopf, ein ungestümer Draufgänger. Grimmig hastete Kid hinter ihm her, zog eilig seine Eisen und ließ die Trommel sausen, steckte die Waffen mit einem schnellen Ruck in die Futterale zurück.
Unten an der Leiter wich das ausgedörrte Männchen eiligst zur Seite, kreischte mit seiner hohen
Fistelstimme: „So eilig braucht Ihr es mit dem Verdienen nun auch nicht zu haben. Nur Ruhe, Gents, Ruhe!“
Schon schlug die Tür zu, und Kid eilte durch die Gasse, drängte sich durch die Menschen und verschaffte sich mit seinen Ellenbogen Raum.
Auch Hay hatte sich so einen Weg gebahnt. Er keilte sich entschlossen einen Weg, wurde von trunkenen Cowboys angerempelt und rempelte seinerseits zwei rot geschminkte Ladys an, die das als Herausforderung auffassten und ihre Arme ausstreckten. Doch er entkam ihnen, machte jäh halt, stöhnte laut, denn der Reiter, dem er mit aller Macht folgen wollte, verschwand soeben aus seinem Gesichtskreis.
Die Enttäuschung verzerrte sein Gesicht. Langsam wandte er sich um und stand den drei Cowboys gegenüber, mit denen er zusammengeprallt war. Sie fackelten nicht lange, schlugen zu. Der erste Treffer warf Hay in eine stille, malerisch dastehende Indianergruppe hinein.
Der Vorfall bewegte die Indianer kaum. Sie ließen sich einfach nicht aus der Ruhe bringen, obgleich Hay einem Häuptling im Schwung drei Adlerfedern knickte und einige ausgerissen hatte. Dafür aber verlor Hay seine Geduld. Er kam überraschend schnell wieder auf die Beine, und bevor sich noch der Zuschauerring wieder um die Kampfgruppe schließen konnte, pflanzte er seinem Angreifer die Faust mitten ins Gesicht. Der Kerl stöhnte und seine beiden Genossen brummten. Die rot geschminkten Ladys hatten sich ebenfalls unter die gaffenden Zuschauer gemischt und stießen spitze Schreie aus. Wohlgefällig und ernsthaft nickten sich die Indianer zu.
„Greif zum Colt“, keifte die Stimme des dürren Mister Smith. Wahrscheinlich sah er im Geiste schon drei stolze Leichen, errechnete sich schon den Verdienst und war nun besorgt, dass das glänzende Geschäft in Trümmer ging.
Und jetzt hatte auch Kid die Gruppe erreicht. Das dürre Männchen quetschte einen begeisterten Schrei aus der Kehle und dann einen Fluch, denn Kid mischte mit den bloßen Fäusten mit. Mit der Rechten langte er vor, riss den zweiten Angreifer von Hay fort, in seinen linken Schwinger hinein. Die Wucht des Aufwärtshakens ließ den Kerl zum Rammbock werden. Sein massiger Körper durchbrach den Zuschauerring, der sich sogleich wieder schloss – aber nur, um dem zweiten und dritten Mann ebenfalls Durchlass zu gewähren, denn sie kamen noch schneller heran geflogen, tauchten unter, und alle drei wurden nicht mehr gesehen.
„Nun, mit dieser Stadt bin ich bald fertig“, grimmte Hay.
„Nicht alle sind von der Sorte, Sonny. Doch nun lass uns verschwinden.“
Ja, es wurde Zeit, denn die Zuschauer stierten sie reichlich sonderbar an, waren erschüttert und erstaunt zugleich. Wahrscheinlich hielt man sie für Tiger, Löwen oder für ausgewachsene Panther, die man eigentlich doch nur hinter Gitterstäben zu sehen bekam.
„Fünfzig Prozent“, stöhnte es plötzlich neben ihnen. „Ich gebe Ihnen fünfzig und mache Sie zu Partnern, meine Herren. Steigen Sie ein ins Geschäft. Steigen Sie ein!“
Es war Mister Smith, der diesen Song von sich gab. Das Männchen hatte grünlich schillernde Augen. Sie glühten in eigentümlichem Feuer.
„Wir werden es uns überlegen, Mister“, zischte Hay wütend. „Und wenn Sie weiterhin noch von Geschäften sprechen, werde ich dafür sorgen, dass Sie selbst in einen Sarg kommen, dann übernehmen wir den Laden!“
Das genügte vorerst. Mister Smith zog den Buckel ein, fauchte wie eine gereizte Katze, die in die Enge getrieben war, und zog sich zurück.
„Was hältst du von der Sache, Sonny?“, forschte Kid heiser.
Sein junger Begleiter warf trotzig den Kopf hoch. „Nun, dass wir beide kämpfen werden, Kid, dass wir nicht mehr lange bleiben, und dass wir vielleicht die leeren Särge in unserem Quartier an die richtigen Männer bringen können!“
„Yeah, ich frage mich nur immer,wo ich Gibson schon gesehen habe, bevor ich mit ihm zusammenprallte. Ich muss ihn schon irgendwo gesehen haben, irgendwo – und es muss schon lange her sein.“
Hay gab keine Antwort darauf, nickte verbissen vor sich hin. Langsam drängten sie sich gegen den flutenden Strom der Menschen, keilten ihn auseinander, machten lange Schritte, wie Männer, die einen Feuerherd im Herzen tragen und zur Ruhe kommen wollen.
„Partner“, flüsterte Hay Stoard. „Sie werden uns suchen, und werden uns auch finden.“
„Sicher, darum werden wir angreifen!“, gab Kid schnell zurück. „Der Angriff ist ja bekanntlich die beste Verteidigung, also ...“
Hays Augen leuchteten.
„Yeah, wir laufen nicht davon, und wir können mit dem Suchen sogleich beginnen!“
„Damit wird Gibson rechnen, Sonny. Er ist in dieser Stadt ein großer Mann. Er wird viele Männer hinter sich haben. Ich möchte, dass du darin klar siehst!“
Hay hob die Hand, winkte ab. In dieser kleinen Geste lagen Verachtung und Entschlossenheit, lag der ungeheure Grimm eines Mannes, der sich mit allem abgefunden und zu allem entschlossen hatte.
„Ich denke an meinen Vater“, murmelte er, „stelle mir vor, was dieser Raubwolf noch alles anrichten wird. Kerle wie Gibson sind die Pest für den Westen. Ihre Fährten sind blutig und verlöschen eines Tages, weil sie dann auf Männer stoßen, die das Recht nicht auf der Weste, sondern in ihren Herzen tragen. Höre Partner, noch ist das Land rau und wild. Aber eines Tages werden es Männer wie du zum friedlichen Paradies machen, eines Tages wird das Recht von Männern vertreten, die rechtschaffen und fest, treu und wahr sind.“
„Bis dahin ist es noch ein weiter Weg, Sonny“, raunte Kid. „Bevor das Wirklichkeit wird, müssen noch viele gute Männer aus den Stiefeln fahren. Ah, come on, Sonny, wir werden essen und trinken, und dann werden wir durch die Mainstreet ziehen, werden jede Bar, jede Tanzhölle, jeden Spielsaloon, jede Kneipe besuchen und die Eisen lockern, werden einige Päckchen Munition bereithalten.“ Er brach ab. Gelb schwelten seine Augen. Eine steile Falte stand zwischen seinen Augenbrauen.
„Allright, Kid. Vielleicht fahren wir beide noch heute zur Hölle. Vielleicht ist diese wilde Stadt das Ende unseres Trails. Verdammt, die Särge waren ein schlechtes Omen.“
So sprach Hay und es war keineswegs Angst vor den kommenden Ereignissen, die ihn so sprechen ließ, aber er war ein Cowboy – und Cowboys haben manchmal Ahnungen und Gesichte, die sich erfüllen. Yeah, sie waren hart und rau, lachten und scherzten und gingen in den Tod, ohne mit der Wimper zu zucken. Aber tief in ihren Herzen, unter der rauen Schale verborgen, lag ein sensibles Gemüt, lag die Sehnsucht aller Menschen nach dem Glück, nach einer besseren Zukunft.
Kid verschluckte seine Antwort, brummte einige unverständliche Worte vor sich hin, und dann betraten sie den Schankraum einer verräucherten Bar.
Sie fanden einen freien Tisch, ließen sich auf den primitiven Hockern nieder, und bestellten Spiegeleier mit Speck und starken, schwarzen Kaffee.
Wie hungrige Wölfe schlangen sie das Essen in sich hinein und bestellten dann den zweiten Gang, Steak und zum Abschluss Pflaumenkuchen. Nach dem Essen verließen sie die Bar und suchten einen Barbier auf, nahmen dort ein heißes Bad und ließen sich mit Messer und Schere zurechtstutzen.
„So, nun sind wir wieder fit, und wahrscheinlich kommen wir nun nicht mehr in die Hölle. Vielleicht gelingt es uns, im Himmel Einlass zu finden“, grinste Hay, als sie wieder auf der Straße standen.
„Yeah, wenn wir in dieser Aufmachung eine Kugel am Weiterfliegen hindern werden, so geben wir immerhin zwei schöne Leichen ab“, grimmte Kid.
Von Kneipe zu Kneipe zogen sie. Zwei Männer, die in den Kampf zogen, die nach dem Feind Ausschau hielten, die in Bruchteilen von Sekunden sich zu Feuer spuckenden Kanonen verwandeln würden, und die den Teufel tanzen lassen konnten. Von Bar zu Bar zogen sie, und überall wohin sie kamen, verstummte schlagartig das Lärmen, verwehten grölende Bassstimmen, legte sich das Kichern leichter Mädchen, zerriss das schrille Wimmern der Instrumente. Stille senkte sich über die Anwesenden, drohende, unheimliche Stille.
Ja, sie hatten etwas an sich, etwas, was eine tödliche Drohung ausstrahlte, und in diesem Land war ein jeder dafür empfänglich, wusste ein jeder, was die Glocke geschlagen hatte.
Doch immer wieder mussten sie sich gegenseitig bestätigen: „Er ist nicht hier, lass uns weitergehen.“
Es wurde Mittag, und es wurde Abend.
„Wieder nichts, Partner, und das war die letzte Kneipe“, sagte Hay, und seine Stimme bebte vor verhaltener Spannung.
„Gibson ist ausgerückt.“
„Nein, Sonny, er ist ein Wolf, und Wölfe ziehen erst bei Beginn der Dämmerung auf die Jagd!“, gab Kid leise zu verstehen. „Wir kämpfen nicht nur für Rubi und Constance Dugham, nein, wir kämpfen, um das Land von einem Untier zu befreien. Und Gibson weiß das. Ich fühle seine Hasswellen, und ich fühle auch, dass er eine Gemeinheit starten will. Hier wird er es tun, hier in dieser Stadt, und er wird versuchen, mich zum Geächteten zu machen, wird seinen alten Trick anwenden, um jederzeit zur Waffe greifen zu können. Mit Rubi hat er es so gemacht, und mit vielen anderen braven Männern, die schnell mit dem Eisen waren und die das Recht im Herzen trugen.“
„Yeah, er hasst Männer vom schnellen Eisen“, zischte Hay tonlos. „Er hasst alles, was besser ist als er, hasst alle Revolverleute, die einen glatten Zug mit den Kanonen haben. Vielleicht ist er nicht normal, vielleicht ist seine krankhafte Begierde nur dadurch zum Ausbruch gekommen, weil er sich hinter dem Orden als Staatenreiter verstecken kann, vielleicht war er einmal ein Desperado, ein mörderischer Bandit.“
„Yeah, das alles ist möglich“, unterbrach Kid, „doch er hat Rufe Wells, den Messernarbigen der
Dornsporen-Bande bei seinen Reitern.“ Er brach ab, schluckte schwer, verhielt seinen Schritt.
Beide Männer stellten sich in den Schatten einer Veranda und rauchten.
„Wir werden eben weitersuchen. Vielleicht entdecken wir ihn durch einen Zufall, und dann wird er uns sagen müssen, wer auf Rubi die zweite Kugel abfeuerte. Er wird uns alles sagen müssen, bevor er zur Hölle fährt“, knirschte Hay.
Sie rauchten in tiefen Zügen, warfen die Zigaretten weg und löschten sie mit den Absätzen ihrer Stiefel. Langsam überquerten sie die Straße, wichen geschickt einigen schnellen Reitern aus, die in scharfem Tempo vorbei galoppierten.
Kaum waren sie vorüber, als Kid leise aufstöhnte.
„Fünf Reiter, und alle fünf saßen auf Pferden mit dem Herzbrand ...“ Er schwieg betroffen, denn seine Worte waren sozusagen in die Luft gesprochen. Hay rannte bereits zu den Holmen, duckte sich darunter, verschwand zwischen schnaubenden Pferdeleibern.
„Halt, wer da?“, schrie der Wächter. Es war ein Riese aus Fleisch und Knochen mit einem lächerlich kleinen Kopf. Mit der angeschlagenen Winchester rannte er durch den Lichtkreis der hin und her pendelnden Laterne, rannte in einen trockenen, kurz abgeschossenen Schwinger Kids hinein. Hm, es war nur ein einziger Schwinger, ein langer Schlag. Durch Drehen der Hüfte legte Kid seine 180 Pfund Körpergewicht dahinter. Selbst Riesen haben eine weiche Stelle, Kid hatte sie getroffen.
„Reißt du die Bretterbude ein, Partner?“, klang Hays Stimme fragend.
„Der Mann hatte etwas dagegen, dass wir uns die Pferde ausleihen“, brummte Kid. „Er hat nun Zeit, darüber nachzudenken.“ Mit einem Hechtsprung warf er sich über die Haltestange auf den Rücken des bereitgestellten Pferdes, langte nach den Zügeln, riss die Absätze über Flanken und Weichen, jagte hinter Hay her, der bereits in vollem Galopp vor ihm durch die Straße preschte.
Er hatte den besseren Gaul erwischt. Die Hufe trommelten in hämmerndem Takt, in verzehrendem Eifer, brachten ihn rasch neben Hay.
„Wir sind Pferdediebe, Sonny“, schnaubte Kid. „Darauf steht der Strang, ich möchte, dass du hier klar siehst!“
„Was macht das schon? Dort reiten sie!“, rief Hay.
Sie mussten nun langsamer reiten. Die Zelt- und Prärieschonerstadt Lincoln bildete ein Gewirr, ein unübersichtliches Labyrinth. Kreuz und quer ritten sie nun hinter den Herzbrand-Reitern her. Hinter ihnen ertönten scharfe Detonationen.
„Der Wächter ist munter geworden, Sonny. Man wird bald nach den Pferdedieben suchen, und wenn sie uns erwischen, werden sie uns mit einer Hanfkrawatte schmücken.“
„Zum Teufel, sie werden uns eben nicht erwischen, und ... Hilf Himmel, Gibson wusste schon,
warum er hier abgestiegen ist, wir müssen verdammt aufpassen.“
Manchmal verschwanden die Reiter, dann tauchten sie wieder auf, und plötzlich verstummte der Hufschlag ihrer Pferde.
„Sie haben uns entdeckt, oder sie lagern wirklich hinter den drei Prärieschonern“, flüsterte Hay und glitt wie ein Schatten aus dem Sattel.
Kid sprang ebenfalls vom Pferd, klatschte seine flache Hand auf die Hinterhand des Reittieres, zischte: „Treib sie fort, Sonny, sie können uns nur wenig nützen!“
Er hatte es kaum ausgesprochen, als Hay beide Tiere davon trieb. Wie dunkle Schatten jagten sie weiter, galoppierten auf die Prärieschoner zu. Dumpf prasselten ihre Hufschläge und dann blitzte es vor ihnen auf. Flammenstriche zuckten. Das grelle Wiehern eines Pferdes ließ Kid erstarren, wie zur Bildsäule werden. Für Sekunden war sein Wille wie gelähmt, und als er wieder reagierte, sah er nichts mehr von seinem Partner. Er stöhnte, knirschte mit den Zähnen, murmelte: „Hay ist ein Feuerfresser, ein Narr!“ Er hatte noch einige nette Bezeichnungen auf der Zunge brennen, doch jetzt konnte er sie nicht mehr über die Lippen bringen, denn mit einem Mal waren sie spröde und trocken, ja, sie brannten heiß, brannten so heiß wie seine Handflächen. Er stürzte vorwärts.
Die Hölle war in ihm – die Hölle und die Angst um Hay. Pantherhaft schnell glitt er durch die Schlagschatten der Zelte, sah zur linken Hand ein mächtiges Feuer, sah Männer, die sich entsetzt in Deckung warfen, und andere, die mit geschwungenen Colts auseinander hetzten.
Grimmig, seltsam rau lachte Kid auf, hörte drei, vier schnelle Schüsse, dann eine Serie polternder Detonationen und dann eine fauchende laute Stimme:
„Leute! Kid Carson hat den Marshal von Lincoln erschossen. Er ist frei für jedermann. Tausend Dollar Belohnung für den, der ihn mir lebendig bringt!“
Das war Gibson, und es war nicht alles, was er vorzubringen hatte, nein, er sagte noch etwas von Pferdedieben, und es waren verdammt bittere Worte. Worte, die davon zeugten, dass Gibson die Falle sehr geschickt gestellt und zugeschlagen hatte. Es war sein Wille gewesen, dass Kid und Hay die Pferde nahmen, sein Wille, dass sie in die Zeltstadt eindrangen, und wahrscheinlich war es auch seine Kugel – oder zumindest eine Kugel seiner Leute – die das Leben des Marshals, den Gibson in weiser Voraussicht zu seiner Unterstützung herangezogen hatte, zu Ende führte.
By Gosh, das war übel, und Kid war nun ein Mörder, einer, auf den Halbwüchsige anlegen und Schießübungen abhalten konnten, einer von der Sorte, die man ohne Warnung abknallte und sich beim nächsten Sheriff eine Belohnung holte. Ja, so einer war Kid nun geworden, ein Ausgestoßener, ein Mann ohne Gesicht.
Gibson hatte ihn zum Mörder gestempelt, zu einem Kerl, der das Gesetz mit Füßen trat und außerdem noch Pferde stahl. Gibson hatte die Falle wirklich gut aufgebaut – zu gut, und sicherlich hatte er schon die Reit- und Packpferde beschlagnahmen lassen.
Eine Kugel zischte über Kid hinweg. Eilig duckte er sich, sprang über eine Wagendeichsel, zwang sich durch einen Seilcorral, in dem die Gespannochsen der Trecks standen, und hastete schnell zwischen den Tieren weiter.
In einer Mulde standen sieben wild gestikulierende Kerle um einen Mann herum, der bewegungslos am Boden lag, und Kid sah für den Herzschlag eines Augenblicks den Marshal-Orden auf der Weste des Toten.
„Dort – dort ist er“, schrie eine raue Stimme, und gleichzeitig blitzte das Mündungsfeuer auf.
Der Schatten eines Mannes wirbelte vor Kid herum. Matt blinkte es in seiner Rechten, doch Kid war schneller. Er schoss tief von der Hüfte, dann erst sprang er aus dem Corral, schoss in die Gruppe der Kerle hinein, die jählings mit flammenden Colts auf ihn zustürzten.
Wie ein Schwarm angreifender Hornissen summten die Kugeln um ihn herum. Er stand bewegungslos, schoss, und die jagenden Feuerbahnen aus seinen Eisen rissen die anstürmende Schar auf und hieben sie im Ansturm nieder. Männer stürzten, fielen und brachten die nächstfolgenden zum Stolpern.
„Gib auf, Carson! Du bist geliefert!“, gellte es.
„Gib auf dich acht, Gibson“, schrillte es hell, herausfordernd, wild.
Nur wenige Schritte von Kid entfernt schoss Hay. Er hatte die ganze Zeit über schon dort gestanden, nun setzte er sich mit rauchenden Colts in Bewegung, setzte sich auf Gibson zu in Marsch, der tigerhaft gespannt an dem zerborstenen Rad eines Planwagens stand.
Ein heulender Schrei jagte aus der Gruppe der Männer auf. Ein lauter Fluch folgte. „Keine Chance für die Mörder und Diebe! Keine ...“
Was Hay tat war Wahnsinn, war einfach Selbstmord, war das Unterfangen eines Mannes, der unbedingt in der Grube landen wollte.
Alles spielte sich in rasendem Tempo ab, war von den tanzenden Flammen eines Campfeuers beleuchtet – und ringsherum brodelten dunkle Zurufe, kamen Männer heran, offen, und mit den Eisen in den Fäusten, versteckt, in Deckungen und alle bereit zu töten.
Gibsons Raureiter hatten sich gut postiert. Nun schlichen sie wie Raubtiere heran und mit ihnen die Meute erschreckter und aufgehetzter Bürger. Letztere wie eine wahrhaft teuflische Meute, weil sie vom Gesetz organisiert und in Marsch gesetzt wurde.
„Wer hat Rubi Dugham die zweite Kugel gegeben? Wer, Gibson?“, schrillte Hay Stoards Stimme. Sie wirkte kalt und scharf wie ein Schwerthieb.
„Ich war es, Sonny, und nun lang zum Eisen, zieh blank!“, explodierte die Antwort von rechts.
Sie kam unerwartet, war wie das zischende Fauchen einer gereizten Bestie und hatte zur Wirkung, dass im Augenblick selbst die Verwundeten den Atem anhielten und die Kämpfer die Waffen senkten. Ja, so war es. Für Sekunden stockte der Angriff, es breitete sich eine dämonische Stille aus, senkte sich kalte, tödliche Spannung in die Herzen aller, die den Kampf wollten.
Sie waren alle Männer, und in jedem Kampf erwachen Urinstinkte, krempeln das Wesen eines Mannes um. Und hier verblieben nur Augenblicke für eine Entscheidung, die nur zwei Männern vorbehalten war, in die sich selbst Kid Carson nicht einmischen durfte. So wollte es das Gesetz des Landes! So, und nicht anders, wenn auch danach alle eingreifen, töten, zerstören würden.
Kids Augen sausten beim Anruf sofort zu dem messernarbigen Sprecher hin, zu jenem düsteren Kerl, der breitspurig vor einer Wagendeichsel hockte und dessen maskenstarres Gesicht von grausigem Hohn verzerrt war.
Rufe Wells, war es! „Rufe Wells“, knirschte Kid, und der gab Hay Stoard keine Chance. Er schoss schon, als Hay herumwirbelte, schoss und lachte wie irrsinnig, sprang dabei auf und schoss, bis sein Magazin leer war, bis es metallisch klickte, und Hay bewegungslos am Boden lag. Hays letzte Kugel riss den Staub vor seinen eigenen Stiefelspitzen auf.
„Wells, nun bin ich dran!“, schrie, nein brüllte Kid. Seine Stimme klang ihm selbst fremd und fern. Irgendein anderer hätte die Worte ausgestoßen haben können. Dort, wenige Yards entfernt, stand der Mörder seiner Eltern, stand der Killer, und einige Schritte neben ihm stand Gibson, dessen blasses, verzerrtes und doch irgendwie kaltes Gesicht nicht zu bewegen war. Und vor den Füßen dieser Schufte lag Hay – Hay, sein Kamerad, sein Sattelgefährte.
Aber jener Augenblick, der zwei Männern eine Chance eingeräumt hatte, war nun vorbei. Kid spürte das, als er die Worte herausstieß und handelte. Er warf sich mit einem langen Satz vor. Drei, vier, fünf Mündungsfeuer explodierten und trugen seinen Stetson hinweg. Im Flug begrub er einen Mann unter sich, einem weiteren Angreifer schlug er die Eisen auf den Stetson, wurde hart an der Schulter herumgerissen und sah das höllische Gesicht von Rufe Wells, sah die nervöse Hand am Drücker zucken, und stieß auch schon die Mündung seines Eisens in Wells’ Magen. Die Kugel streifte sein linkes Ohr, doch Wells sackte mit verdrehten Augen zu Boden, und über ihn hinweg sprang Kid in die dunkle Öffnung eines Prärieschoners hinein, duckte sich instinktiv. Bleigeschosse fetzten durch die Planendecke. Das Krachen der Colts war ein Höllenfeuerwerk, übertönte das Gebrüll der entfesselten Meute und überdeckte das wilde Fluchen der Raureiter.
Wie ein Blitz fegte Kid durch das Gefährt hindurch und auf der anderen Seite heraus, landete mit einem gewagten Sprung auf dem Rücken eines Gespannochsen, der widerkäuend auf dem Boden lag.
Einige Sekunden später legte sich der Ochse schwer auf die Seite. Zwanzig Kugeln mochte er in seinem Körper aufgefangen haben, und nun lag er still, regungslos, und über seinen Kadaver hinweg sprangen erbitterte Männer, hetzten einem schnellen Schatten nach.
Nein, Kid würde sich nicht fangen lassen. Hay – Hay war tot. Aber er lebte noch, und er würde Hay rächen, bitter rächen, doch jetzt musste er sich erst in Sicherheit bringen.
Niemals war er in einer derart hoffnungslosen Lage gewesen, niemals hatte er eine ganze Stadt hinter sich gehabt. Und er durfte nicht schießen, durfte es nicht, um seinen Standort nicht zu verraten, um sie nicht auf sich aufmerksam zu machen. Unter den Rädern einer Wagenburg gelangte er zu den ersten Häusern von Lincoln. Nach Luft ringend, schweißüberströmt blieb er keuchend im Schatten einer Bretterwand stehen, hörte sie vorbei stürmen, hörte ihre wilden Rufe und Schreie. Sie würden ihn glatt in Stücke schießen, martern und vierteilen – und Hay?
Kid schluckte, würgte, und seine Augen wurden heiß. Hay war tot! Er zwang sich mit Gewalt
zur Ruhe, lud schnell seine Waffen auf, schloss sich einem Trupp Männer an, die gründlich nach ihm suchten und machte mit, fluchte und stieß wie sie schreckliche Verwünschungen aus, und jedem anderen Suchtrupp teilten sie mit, dass sie nichts gefunden hatten.
Kid hielt sich indes immer so, dass ihn das Licht der ausgehängten Laternen nicht traf, dass er immer im Schatten war und so erreichte er die Mainstreet, dann sah er die Männer, die vor dem Beerdigungsinstitut standen und sich mit seinem Rotschimmel und Hays Falben beschäftigten, die sich bereits um die Packpferde stritten und den dürren Mister Smith eingekesselt hatten und mit Fragen bestürmten.
„Gents, die Packen der Herren liegen in meinem Haus“, kreischte der Arme. „Ich bin ruiniert! Ich habe nicht gewusst, dass ich einen Mörder ... Ah, einen habt ihr erwischt?“, erkundigte er sich unterbrechend.
„Yeah, leider nur einen“, knirschte ein knorriger Kerl. „Er ist in Fetzen geschossen worden!“ Die grimmige Genugtuung in seinen Worten war nicht zu überhören. „Nur einen haben wir, und den anderen werden wir auch noch erwischen. Leute, verschwindet von den Pferden und stellt euch ringsherum in Deckung auf. Der Bursche wird auf seinen Rotschimmel nicht verzichten wollen. Er wird hier herkommen, und dann ist Holiday ...“
„Nun, was wollen Sie denn noch?“, krächzte der Knorrige wütend.
„Ich werde mich um die Leiche kümmern. Ich ... das ist meine Pflicht!“
„Tun Sie das, Mister, und verschwinden Sie“, fauchte es zurück.
„Mastah werden nicht gehen“, mischte sich der riesige Neger ein, indem er für seinen Herrn Partei ergriff und seine Winchestermündung in bedrohliche Nähe des Knorrigen brachte.
„Sagen Sie dem Nigger, dass wir ihm den Wollschädel einschlagen, wenn er nicht augenblicklich verschwindet, sagen Sie ihm das! Wir wollen einen Fang machen, und wir werden uns nicht aufhalten lassen!“
Kid trat rasch näher, blieb auf der Veranda stehen und sagte leise: „Geh fort, Josua.“
„Wer bezahlt mir meine Unkosten, wer ...“ zeterte das Männchen, und wieder sagte Kid: „Ich Mister.“ Er hatte seine Stimme verstellt, sie klang rau und spröde. Mister Smith und der Neger Josua kamen interessiert auf ihn zu. Kid hörte den Knorrigen sagen: „Hören Sie Mister, legen Sie gleich für zwei Beerdigungen aus. Es werden zwei Särge gebraucht.“
„Nun, mir soll’s auf einen mehr oder weniger nicht ankommen“, gab Kid zur Antwort und wandte sich schnell ab, damit man sein Gesicht nicht sehen konnte.
„Heh, Mister?“, wisperte Smith. Doch Kid hörte nicht hin, schritt langsam der dunklen Gasse zu, die zu der Kammer führte, wo die Packen untergebracht waren.
Der Kleine bekam es mit der Angst, wollte sich auf keinen Fall ein Geschäft entgehen lassen, kam keuchend heran und – erstarrte.
Kid machte eine schnelle Bewegung, und die Mündung seines Colts bohrte sich auf die Brust des Froschäugigen.
„Mastah, was ist ...“, grollte der dicht darauffolgende Josua.
„Dein Boss ist sprachlos über die Summe, die er verdienen soll“, sagte Kid an Stelle des Kleinen.
Smith hatte sich schnell von seinem Schock erholt. Er war ein Mann, der das Leben über alles liebte, und der schnell begriff.
„Komm nur, Josua, der Gent will uns einen Vorschlag machen!“
Alle drei verschwanden durch die Tür. Kid steckte die Waffe mit einem Ruck in das Halfter zurück. Er brauchte sie nicht. Nein, bei diesen beiden brauchte er sie nicht, denn auch Josua erwies sich als wahrer Meister der Beherrschung.
„Machen Sie kein Licht, Mister“, raunte Kid sanft. „Was ich zu sagen habe, kann im Dunkeln gesagt werden. Sie haben gehört, was sich zugetragen hat?“
„Yeah, Mister. Sie haben den Marshal getötet. Nun, alle Menschen müssen einmal sterben“, erklärte Smith salbungsvoll. Der alte Heuchler verstand es, sich immer auf den richtigen Gaul zu setzen. Kid wusste, dass er diesen Burschen nicht ändern und umformen konnte. Nein, das konnte er nicht, und es hatte keinen Sinn, ihn unnütz zu vergrämen, darum sagte er nur: „Ich lege zwanzig Dollar auf den Tisch – für ...“
„Ich weiß Mister. Ich werde ihn sofort mit Josua herbeischaffen. Er wird einen prächtigen Sarg bekommen, einen ausgezeichneten Sarg, und ich selbst werde die Grabrede halten. Er war ein harter Boy ...“
„Sie brauchen keine Grabrede zu halten“, murmelte Kid, und etwas war in seiner Stimme, was auch Mister Smith nicht schlucken konnte. Seine Froschaugen quollen weiter hervor, und seine Hängelippen bibberten. Selbst der Schwarze wurde grau. Sie standen sich gegenüber und hielten den Atem an. Es war dunkel und tintig, und nur wenig Licht war im Haus.
„Er war mein Freund, Gents“, klang es dumpf, und Kids Stimme verstummte.
Vielleicht begriffen die hartgesottenen Burschen in diesem Augenblick, dass es auch noch andere Dinge gab, als Geschäfte zu machen, vielleicht ahnten sie etwas von dem, was das Innere eines echten Mannes bewegen konnte.
„Es war nicht so gemeint, Mister“, krächzte Smith. „Ah, ich kann Sie verstehen. Er war Ihr Sattelgefährte, und nun lebt er nicht mehr. Ich hatte vor vielen Jahren eine Frau, und als sie starb, liebte ich nur noch meinen Whisky, wurde zum Säufer und musste meine Praxis aufgeben. Es gibt Dinge, an die man nicht rühren darf, die einem anhängen, und die man bis zum Ende des Trails mit sich schleppen muss. Gute und böse Dinge, Mister, und ich habe viele böse Dinge mitgeschleppt. Ich war einst ein Doc, und nun handle ich mit Särgen. Vor zehn Jahren hatte ich eine gutgehende Praxis, und Josua war mein Diener. Hier wollte ich es auch versuchen, aber in diesem Lande gibt es nur wenig Kranke, und das Geschäft mit Särgen ... Aber was rede ich? Ich habe alle Menschen gehasst und bin erst heute wach geworden. Hören Sie, Mister, ich habe nach dem Tode meiner Frau nie wieder eine gute Tat ausgeführt, doch jetzt will ich es. Sie haben mich aufgerüttelt. Ich weiß nicht, ob Sie mich verstehen?“
Er wartete die Antwort nicht ab, wandte sich eilig an Josua: „Draußen warten die Killer auf unseren Gast. Schleich dich hinaus und lenke sie ab. Wenige Augenblicke werden genügen, um Mister Carson den Weg in die Freiheit zu öffnen.“
„Allright, Mastah“, grinste Josua. Er war wieder schwarz geworden und rollte mit den Augen.
„Nehmen Sie Ihr Geld zurück, Mister Carson, Sie werden es jetzt bitter nötig haben, denn Sie sind jetzt ein Geächteter, ein Ausgestoßener.“
Bevor Kid noch etwas erwidern konnte, fügte das Männchen hinzu: „Ich eile! Ich hole Ihren Freund. Ah, ich will nicht fragen, ob Sie wirklich den Marshal aus den Stiefeln gehoben haben, denn die Antwort weiß ich bereits. Yeah, ich täusche mich selten!“
„Und?“, schleppte Kid.
Der Kleine trat rasch an ihn heran, richtete sich steil in die Höhe, reckte sich auf die Zehenspitzen, sagte: „Sie haben niemals einen Mord begangen. Sie nicht, und auch Ihr Freund nicht, Mister. Wer das behauptet, muss sehr übel sein, muss es darauf abgesehen haben, Sie zu stellen, und ich würde ...“
„Yeah, ich weiß bereits, was dahintersteht“, brach es über Kids Lippen. „Und ich werde sie mir alle vor die Eisen holen, alle!“
Es war ein Aufschrei, wie ein Ruf aus finsterer Tiefe. Mister Smith schrumpelte zusammen, wurde noch kleiner, und heiser bebte es von seinen Lippen: „Ich möchte es auf keinen Fall sein, der dann vor Ihren Eisen steht. Ich nicht, Mister!“