Читать книгу Revolvergeier: Western Sheriff Sammelband 6 Romane - Alfred Bekker - Страница 26

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1.


Je weiter Kid Carson nach Norden trailte, um so gewaltiger wurden die schwarz starrenden Wälder. Meile um Meile bedeckten sie, füllten die Täler und überschatteten die Hänge.

Ein einziger, großartiger Dom war es, durch den die Hufe seines Rotschimmels trabten. Wenn sich vor ihm eine lichtüberflossene Schneise öffnete, und Tausende von farbenprächtigen Blumen im wogenden Meer auf sattgrünen Halmen einen berauschenden Anblick boten, dann hielt er seinen Gaul an und trank die wunderbare Schönheit der Wildnis mit durstigen Augen in sich hinein.

Oftmals bahnte sich auch ein plätschernder Creek durch die urigen Stämme des Waldes seinen Weg, und dann wiederum sah er von den erhöhten Kuppen die bizarren Formen der steinernen Giganten. Nackte, schroffe Wände, auf denen das Sonnenlicht gleißte und glitzerte. Über den Schroffen und Graten kurvten Adler und Geier.

Kid wurde vom vielen Schauen und Erleben nicht müde, denn er hatte in den vergangenen Wochen erkennen müssen, dass die Wildnis lebte.

Er hatte sich an das große Schweigen gewöhnt. In den ersten Tagen seines Trails war er oft aufgeschreckt, war im Sattel hochgefahren und hatte sich mit verkniffenen Augen nach irgendwelchen Gefahren umgesehen. Die große Stille der Wildnis wirkte dann wie eine undeutbare Drohung, fast greifbar nahe und mit allen Fasern seines Ichs fühlbar.

Weil er die Einsamkeit suchte, dachte er nicht daran, umzukehren. Wozu auch? Er war ein Geächteter, und immer wieder hatte er sich auf den Trail machen müssen, denn überall, wohin er auch ritt, in welche Stadt er auch einzog, und für welches Brandzeichen er reiten mochte, es dauerte nicht lange, und die Gerüchte über ihn, wenn sie ihm nicht schon vorausgeeilt waren, erreichten ihn, trieben ihn in den Sattel und auf den langen Trail.

Es wäre für einen Mann wie Kid ein Leichtes gewesen, sich alle Wege mit dem Colt offen zu halten, denn es gab keinen schnelleren Mann in Nord-Dakota, keinen Cowboy und keinen Revolvermann, der es mit ihm an Schnelligkeit und Treffsicherheit hätte aufnehmen können ...

Yeah, Frank Gibson, der Staatenreiter, der Mann, der Kid Carson mit der gnadenlosen Sucht eines Mannes verfolgte, den nicht nur das Gesetz vorwärtstrieb, sondern der aus der Jagd nach Carson eine private Sache machte, hatte sich keine leichte Aufgabe gestellt.

Gibson hatte immer ein Rudel übler Schießer um sich, Kerle, die er irgendwo aufgelesen hatte, und bei deren Anblick sich schon mancher Cowboy gefragt hatte, ob diese Horde raubeiniger Gesellen wirklich für das Gesetz ritt.

Bevor Kid es vorzog die Wildnis aufzusuchen, hatte er drunten in Chites-Fels eine recht üble Begegnung mit Gibson und seinen Killern. Mit rauchendem Colt hatte er sich den Weg in die Freiheit bahnen müssen. Er hatte dabei einem Mann die Revolverhand zerschossen, hatte selbst zwei Streifschüsse erwischt, die ihm später bei der Verfolgung sehr zu schaffen machten.

Sie gönnten ihm keine Ruhe, hetzten ihn bei Tag und Nacht, und doch hatte er sie genarrt, sie von seiner Fährte gebracht. Nun ritt er schon einige Tage durch die Wildnis, konnte nachdenken, sinnieren und grübeln.

Gibson würde niemals Ruhe geben, das war gewiss und hatte seinen tieferen Grund darin, dass er es war, der in einem gestellten Spiel Kid Carson zu dem machte, was er augenblicklich war ... zu einem Geächteten.

Scharf und rasselnd lachte Kid vor sich hin, tastete mit einer jähen Bewegung nach den verharschten Wunden. Hah, es waren nicht die ersten Wunden, die ihm das Leben gerissen hatte. Wie konnte es auch anders sein bei einem Revolvermann, einem Mann vom schnellen Eisen ... Goddam!

„Revolvermann“, knirschte Kid vor sich hin. Die geballte Verachtung und ein unerhörter Grimm schwangen in diesen Worten. Es klang, als wolle er sich selbst einen glühenden Dorn ins Fleisch jagen. Er sprach das Wort so aus, wie es etwa ehrbare, dickbäuchige Rancher aussprechen würden: Misstrauisch, zornig, lauernd ... wie in zitternder Erwartung des drohenden Unheils!

„Revolvermann!“ Das bedeutete, mit dem Leben abgeschlossen zu haben, in ständiger Bereitschaft sein, den Tod neben sich ... bedeutete ferner, dass der Namensträger andere Schießer anlockte, wie das grelle Lampenlicht die Motten. Saloncowboys und Stehkragenjonnys, Möchtegerne und schießwütige Killer – und Männer vom schnellen Eisen, die nur darauf bedacht waren, einen wirklichen Gegner vor sich zu haben, die überall im Lande herumhorchten und keine Mühe scheuten, einen anderen schnellen Mann bei der Arbeit zu sehen; die mit einem Wort, einer angedeuteten Geste das herausforderten, was sie für den Bruchteil eines dämonischen Nervenkitzels genossen ... den Tod! Und sie nahmen es hin ... lachten oder seufzten dabei, nahmen beides mit hinüber in das Land, aus dem es keine Wiederkehr gab.

„Revolvermann“, in diesem Wort lag all das, was das harte Land von einem Mann fordern konnte. Es gab Männer, die aus Ehrgeiz, Abenteuerlust oder irgendwelchen dunklen Hintergründen dazu wurden, andere wieder hatten die Begabung der schnellen Hände und waren es, ohne erst täglich zu üben. Diese erkannten aber erst, dass sie zur Gattung der Revolvermänner gehörten, wenn sie in die Enge getrieben zum Colt greifen mussten, um ihr Leben mit der Waffe in der Hand zu erhalten. Zu den Letztgenannten gehörte Kid Carson.

Schon als Junge sah er sich dazu gezwungen ... damals, als die berüchtigte Dornsporen-Bande die Ranch seines Vaters überfiel und niederbrannte.

Damals war etwas in dem jungen Carson erwacht, was ihn sein ganzes Leben lang nicht mehr verlassen sollte, was ihn ausfüllte und immer wieder mit tragischem Schwermut erfüllte ...

Damals, als der Todesschrei seiner Eltern das Lärmen der Banditen, das Schreien der Rinder und das Rauschen der Flammen unterbrach.

Erst später begriff er, dass es die Angst war, die ihn die Eisen in die Hand reißen ließ, ihn dazu zwang, den eisigen Panzer seines Ichs durch Flammenstöße aus seinem Colt zu durchbrechen. Und jeder Schuss lichtete die Bande, war tödlich und warf einen Desperado aus den Stiefeln.

Er entkam ihnen. Aber von der Zeit an wusste er, dass in seinen Händen der Tod ruhte. Von Weide zu Weide war er gezogen, war raue Pfade geritten und trug schon bald zwei Eisen, deren drohende Mündungen frei aus den geöffneten Futteralen blitzten, und deren großes Kaliber Schrecken für die Umwelt bedeutete. Yeah ... er war still und lebte zurückgezogen, hüllte sich in einen Panzer eisigen Schweigens und kam selten aus seiner Reserve der Unnahbarkeit heraus.

Revolvergeier: Western Sheriff Sammelband 6 Romane

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